Expertenmeinung - Aber von wem ?

MaxPaine99

Mitglied
Hallo liebe Geschichtsinterressierte ,

Mein Problem ist folgendes: Ich muss für die Schule (Gymnasium Klasse 11, Brandenburg) eine Seminararbeit anfertigen. Das Thema meiner Arbeit ist das Unternehmen Seelöwe sowie hypothetische Betrachtungen zu diesem Thema. Ich möchte betrachten ob die Invasion hätte gelingen können, wenn die Luftwaffe die Lufthoheit in der Luftschlacht um England erlangt hätte. Das Planspiel von 1974 (Sandhurst) stellt ja recht ausführlich dar, wie die Invasion unter den realen Bedingungen (keine Lufthoheit) verlaufen wäre. Um jetzt aber zum eigentlichen Problem zu kommen ... Meine Lehrerin meinte, dass es immer gut ist, wenn man sich eine Expertenmeinung holt. Das möchte ich natürlich auch tun (nicht nur wegen dem Rat, sondern auch weil ich sicher gehen möchte, dass ich da keinen totalen Stuss schreibe). Und nun die eigentliche Frage: Kennt ihr Personen an die ich mich wenden kann (E-Mail etc.) um eine Art Interview zu führen? Es müsste natürlich jemand sein den ich in meiner Arbeit auch als Experten angeben kann (also niemand der sich nur hobbymäßig dafür interessiert). Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
 
Ich möchte dir wärmstens von solchen sandkastenstrategischen Spielchen abraten. Sie führen zu nichts, vor allem zu keiner historischen Erkenntnis.
 
Entschuldige, vielleicht etwas unglücklich ausgedrückt.
Mein Beitrag bezog sich auf die Lehrerin. Ich habe da meine Zweifel.
 
nun es kommt bei der Expertenauswahl drauf an,um welche Aspekte es geht
die rein militärischen,die aussenpolitischen, die innenpolitischen oder die ökonomischen? einen Experten für alles zusammen wird man kaum finden.
 
Ich hatte mich vielleicht ein bisschen unglücklich ausgedrückt. Das Ziel der Arbeit soll kein Planspiel sein, sondern eine kleine hypothetische Betrachtung (1-2 Seiten) sein. Ich hatte das Thema selbst gewählt und bin auch schon ziemlich weit vorrangeschritten (8 Seiten). Ich begeistere mich auch sehr für das Thema. Die reine Reproduktion gestaltet sich ja nixht als sonderlich schwierig, jedoch fällt mir kein anderer Eigenanteil zu dem Thema als diese hypothetische Betrachtung ein. Wenn ihr andere Vorschläge dazu habt würde ich mehr sehr freuen diese zu hören. Der Experte den ich suche sollte sich auf das militärische Gebiet spezialisiert haben.
 
Das Planspiel von 1974 (Sandhurst) stellt ja recht ausführlich dar, wie die Invasion unter den realen Bedingungen (keine Lufthoheit) verlaufen wäre.

Respekt, sofern Dir diese Unterlagen vorliegen, scheinst Du schon tief in die Materie eingestiegen zu sein.

Die kritische Sicht auf die Themenwahl und die Rolle der Lehrerin wurde schon angesprochen.

Inhaltlich:

Eines der Standardwerke zum "Unternehmen Seelöwe" ist weiterhin
K. Klee: Das Unternehmen Seelöwe.

Es veranschaulicht die enormen planerischen und logistischen Probleme und die nicht zu kalkulierenden militärischen Unwägbarkeiten einer kurzfristig geplanten Invasion.

Zum Kontext der Invasion wären - auf deutsch publiziert - zu nennen:
- K. Klee: Die Luftschlacht um England 1940, S. 61ff, in: Jacobsen und Rohwer: Entscheidungsschlachten des zweiten Weltkriegs
- I. Kershaw: Wendepunkte . besonders S. 25 ff "London, Frühjahr 1940"

Entsprechend wäre aus englischer Sicht zu nennen:
- B. Collier: The defence of the united Kingdom

Das einzige seriöse - kontrafaktische - Werk von Historikern zu Schlüsselentscheidungen des WW2 wäre "If the Allies had fallen". Und es wird das zutreffende Resümee gezogen: "It is not impossible to imagine a Halifax returning from a final meeting brandishing a paper and saying "we sought peace with honor, Hitler offers only war to the knife!" The rest must reamin pure speculation, ...." (vgl. Link: Pos. 1491)

https://books.google.de/books?id=VRAnAgAAQBAJ&printsec=frontcover&dq=if+the+allies+had+fallen&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=if%20the%20allies%20had%20fallen&f=false

Ansonsten: Dein eigener Anteil wäre eine kritische Sichtung der Studien und das Erkennen von "schwarzen Flecken" bzw. einseitigen Darstellungen. In diesem Punkt liegt die wissenschaftliche Erkenntnis und das didaktische Ziel.

Aber sicherlich nicht in der apologetischen Betrachtung, wie man "Seelöwe" zu einem erfolgreichen militärischen Ende geführt hätte.

Wäre ich der Direktor der Schule oder ein Elternbeirat, ich hätte die Lehrerin gefragt, ob sie noch alle auf der Reihe hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank für die Tipps zur Literatur ... Ich nutze bereits das Buch "Unternehmen Seelöwe - Die geplante Invasion in England 1940" von Egbert Kieser. Außerdem nutze ich, neben vielen Büchern welche im allgemeinen vom 2. Weltkrieg handeln, u.a. "Der Zweite Weltkrieg" und "Atlas Zweiter Weltkrieg" (beide von John Keegan), das Buch bzw. die Broschüre "British Home Defences 1940-45" von Bernard Lowry. Diese bietet auf ihren 70 Seiten erstaunlich detaillierte Informationen über Home Guard, Stop Lines, Auxillary Units usw.
 
Vielleicht habe ich nicht deutlich genug gemacht, welche "moralischen" Implikationen Deine Sichtweise hat, die man einem Schüler der 11. Klasse noch nachsehen kann, aber sicherlich keiner Lehrerin (Studienrätin etc.) auf einem Gymasium.

Der Krieg, den das 3. Reich geführt hatte, war ein weltanschaulich motivierte Eroberungs- und Vernichtungskrieg.

Sicherlich war die Führung der Krieges im Westen anders wie die später in Russland, dennoch gab es eine enge Verbindung zwischen den Aktionen der Wehrmacht und den Handlungen der SS/SD und der Zivilverwaltung, die das Ausrauben (Devisen, kriegswichtige Güter und Rohstoffe und bewegliches Material etc.) der jeweiligen Länder organisiert hatten, wie beispielsweise bei Nicholas ausgeführt.

https://books.google.de/books?id=-fo7jn3WTDsC&printsec=frontcover&dq=the+rape+of+europe&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=the%20rape%20of%20europe&f=false

In diesem Sinne wird man bei einem Eroberungsszenario von GB die Frage beantworten müssen, wie dieser Vernichtungskrieg sich auf GB ausgewirkt hätte. Bei Mazower (Hitlers Imperium, S. 110ff) findet sich beispielsweise der Hinweis auf ein "Informationsheft GB" (erstellt von Schellenberg), das alleine direkt 2820 Personen identifiziert, die die besondere "Aufmerksamkeit" der Gestapo zuteil werden sollten.

Daneben ist natürlich auch die Frage zu beantworten, in welche Konzentrationslager die britischen Juden zu überstellen wären und ob auch Vernichtungslager direkt in GB zu errichten wären.

Diese Fragen wird man sich, auch von seinen Mitschülern, gefallen lassen müssen und man wird überzeugende Antworten dafür geben müssen, warum man sich auf eine kontrafaktische Geschichtsschreibung konzentriert, die die Eroberung von GB vorsieht und an derem Ende hunderttausende von Toten gestanden hätten.

Und die - die hypothetische Eroberung - den Krieg mitnichten beendet hätte, sondern ihn deutlich verlängert hätte und somit die Anzahl der Kriegstoten insgesamt noch erhöht hätte. Möglichweise auch zur Konsequenz gehabt hätte, dass Berlin der erste Ort der Zündung einer A-Waffe geworden wäre, um den Krieg aus anglo-amerikanischer Sicht zu beenden.

Diese Fragen und Sichten hätten an das Thema in einer Schule in der 11. Klasse unter einer kritischen Perspektive auf Geschichte gestellt werden müssen! Du bist nicht an einer Militärakademie, auf der man die taktischen, die operativen, die strategischen oder sonstigen Perspektiven untersucht, sondern unterliegst, wie Deine Lehrerin wohl auch, den allgemeinen Zielen einer kritischen Geschichtsdidaktik.
 
Zuletzt bearbeitet:
Du hattest Dich schon mit Deinem Beitrag #9 deutlich und seriös genug ausgedrückt.

Ich denke mal an meine Beiden.
1mal Enkel (11. Klasse in Thüringen), 1mal Sohn von meiner Nichte (11. Klasse in NRW).

Letztens kam der Sohn meiner Nichte.
Er hatte eine Facharbeit zu schreiben.
Thema, Lessing „Die Juden“. Da hatte ich keine Zweifel.
Allerdings hier, ich wiederhole mich, da habe ich erhebliche Zweifel.
 
Über die moralischen Aspekte und die möglichen Folgen für den Kriegsverlauf hatte ich mir natürlich schon Gedanken gemacht. Nicht nur der Gründlichkeit wegen, sondern auch weil es bei sämtlichen Aspekten die solch kritische Themen (wie eben alles was mit dem Dritten Reich zu tun hat) betreffen einfach selbstverständlich ist sich über solche Dinge Gedanken zu machen. Genau aus diesem Grund werde ich mich in der Einleitung klar von den Kriegszielen des Dritten Reiches und sämtlichem antisemitischen Gedankengut distanzieren. Außerdem werde ich natürlich die möglichen Folgen in 6-7
Sätzen kurz ankratzen. Das versteht sich bei einer solchen Thematik ja von selbst. Außerdem hatte ein Schüler aus dem Jahrgang über mir eine ähnliche Arbeit über den Westfeldzug geschrieben und 14 Punkte bekommen.
 
Und über die ökonomischen Aspekte hatte ich mir auch schon Gedanken gemacht. Geholfen hat mir dabei eine Karte im Atlas von Keegan wo Eisenbahnnetz, wichtige Industriestandorte etc. in England eingetragen sind. Und auch den ideologischen Aspekt, dass Hitler England als potentiellen Partner sah und es nicht vernichten wollte (natürlich kann ein Mann wie Hitler seine Meinung ziemlich schnell ändern), hab ich bereits am Anfang meiner Arbeit beleuchtet.
 
Mit Behinderung historischer Analysen haben solche Hypothesen entfernt von Fakten nicht viel zu tun.

Zur Frage der Realitätsferne - Erringen der Luftherrschaft? - gibt es dagegen Themen hier im Forum.
 
Da ich mich seit einem halben Jahr fast täglich mit dem Thema beschäftige, denke ich behaupten zu dürfen, dass ein Sieg der Luftwaffe so fernab der Realität nicht gewesen wäre. Im Zuge der Arbeit hatte ich zwei wesentliche Fehler in der Strategie der Luftwaffe festgehalten: Zum einen das ausbleiben von Luftangriffen (laut John Keegan gab es nur einen) auf die britischen Radaranlagen an der Küste und zum anderen das Abwenden von militärischen Zielen seit dem 7. September 1940. Ich weiß, dass diese Betrachtung sehr simpel gehalten ist, jedoch habe ich schlichtweg nicht den Platz jeden noch so kleinen Aspekt in 12 Seiten unterzubringen. Und da ich, wie bereits erwähnt, schon ziemlich weit mit der Arbeit bin, ist es mir nicht möglich noch einmal (ist bereits einmal passiert) das Thema zu wechseln.
 
Das erste Thema welches ich hatte war übrigens das Sykes-Picot Abkommen. Dieses durfte ich nicht nehmen, weil die Lehrerin selbst keine Ahnung von dem Thema hatte. Das war eine ziemlich verzwickte Situation für mich, da ich auch bei diesem Thema schon sehr weit fortgeschritten war. Also schaute ich mich nach einem neuen Thema um und war dementsprechend froh eins zu haben. Vielleicht hab ich mich damit ein bisschen übernommen, aber das ändert nichts an der Situation ... Ich mus das Ding durchziehen. Zu meiner Verteidigung muss ich noch sagen, dass ich mehr Erfahrung beim Schreiben einer solcher Arbeit habe als einige meiner Mitschüler. Ich habe bereits eine Arbeit im Fach Geschichte ("Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg) und zwei Arbeiten im Fach Politische Bildung ("Deutsch-Amerikanische Zusammenarbeit auf militärischer und geheimdienstlicher Ebene" und "Staatszerfall im Irak") geschrieben. Alle drei Arbeiten wurden mit "sehr gut" bewertet.
 
Da ich mich seit einem halben Jahr fast täglich mit dem Thema beschäftige, denke ich behaupten zu dürfen, dass ein Sieg der Luftwaffe so fernab der Realität nicht gewesen wäre.

Maßgeblich sind die Quellen.

Das Zahlenmaterial (Produktion an Jägern, tatsächliche Verluste, verfügbare Pilotenzahlen auf beiden Seiten) spricht da eine andere Sprache.

ZB
http://www.geschichtsforum.de/596398-post19.html
http://www.geschichtsforum.de/602045-post49.html

Empfehlenswert sind Overys Darstellung zur Luftschlacht, Pflicht sind Priens tagesweise Darstellungen (Jagdfliegerverbände, Band 4/1 und 4/2) und einiges mehr (siehe links).

Oder einfach die direkte Einsicht in das Quellenmaterial, so zum Beispiel die Tagesberichte der Luftflotte 3 von August/September 1940. Ich kann mal gern einige Aktenseiten daraus hier posten.

Spekulationen über einen "greifbaren" deutschen Sieg kann man da als realitätsfern ad acta legen.

Den Tatsachen sollte man schon ins Auge sehen, wenn man hypothetische Szenarien aufmacht.
 
Also könnte man sagen, dass es schlauer gewesen wäre den Krieg im Westen (vorerst) zu beenden, als den nächsten Feldzug zu starten. Die Vorbereitungen für Barbarossa liefen ja zu dem Zeitpunkt schon, dementsprechend wurden Truppen im Osten zusammen gezogen. Hätte Hitler den Einmarsch in der Sowjetunion auf Juni 1942 gelegt, so hätten im Westen mehr Flugzeuge zur Verfügung gestanden oder ? Mir ist natürlich klar, dass das nicht ganz in die Ideologie Hitlers gepasst hätte.
 
Ich hatte dir bereits von sandkastenstrategischen Spielchen abgeraten. Dein letzter Beitrag ist nichts anderes.
Was nun die Eingangsfrage anbelangt: Brandenburg ist natürlich ein Flächenland, aber solltest du in der Nähe von Potsdam leben, dann wäre das Militärgeschichtliche Zentrum der BW sicher eine Adresse, wo du einen geeigneten Anprechpartner für ein Experteninterview findest.

Du solltest aber insgesamt noch einmal reflektieren, welche Erkenntnis du aus deiner Fragestellung ziehen können wirst.
 
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