Brettspiele in Mittelalter und Neuzeit

also erstens ist das Buch der Spiele nicht gut 250 Jahre älter sondern 228 oder 229 und zweitens hat das mit Schach wie wir es kennen nicht viel zu tun
Hat es nicht? Da bist du aber schief gewickelt. Es macht den entscheidenden Schritt von der arabischen Variante des Schachspiels (die sich bereits von der indischen Ursprungsversion (bei der bis zu vier Spieler möglich waren) entfernt hatte) zu unserem heutigen Schachspiel. Dass sich das Schachspiel in den folgenden etwa 800 Jahren (oh entschuldige, dunimmst es ja heute ganz genau, 7xx Jahren) noch ein wenig weiterentwickelte, liegt auf der Hand. Aber unsere Figuren, die sind im 13 Jhdt. in Spanien festgelegt worden. Im indischen Vierspielerschach gab es 4 Könige, die Perser machten aus dem zweiten König den Wesir, die Araber den Fähnrich (al-faris > alferez, bis heute ein Rang im spanischen Heer) die Spanier daraus die alfereza, die Dame, die genau damals zur mächtigsten Figur auf dem Brett avancierte. Die Rochade wurde m. W. auch damals ins Schachspiel eingeführt.
 
Die Rochade ist die seit dem 14. Jhdt. reduzierte Variante des im europäische MA neu hinzugekommenen Königssprungs.
 
Bildliche Darstellung aus dem 14. Jh.

Huhu,

in der Manesse-Handschrift gibt es zwei Illustrationen von Brettspielen,
einmal Schach, einmal eine Vorform von Backgammon.
Scans liefere ich morgen nach.

Ansonsten gibt es seit der Antike unendlich viele Nachweise von Spielen - eben auch Brettspielen. Da gibts ein nettes Buch dazu:
Fritta, Marco: Spiele und Spielzeug in der Antike, Theiss Verlag, Stuttgart, 1998

Nur mal so
VG
Nemetona
 
Auf das von Nemetona erwähnte Backgammon möchte ich auch zu sprechen kommen:

Im frühen Mittelalter geriet das Spiel in Westeuropa in Vergessenheit, bis es spätestens zur Zeit der Kreuzzüge wiederentdeckt wurde. Im Buch der Spiele von König Alfons X. von Kastilien sind mehrere Backgammon-Vorläufer ausführlich beschrieben. Zuerst war es ein beliebter Zeitvertreib der Adeligen, allmählich setzte es sich auch in der Bevölkerung durch.

https://de.wikipedia.org/wiki/Backgammon

Frühe Varianten sind bereits in der griechisch-römischen Antike (Ludus duodecim scriptorum) gespielt worden.
Mögliche Vorläufer finden sich bereits im alten Orient und Ägypten. Die deutsche Wiki-Artikel ist ein wenig vorsichtig mit der Herleitung von diesen Spielen.

Aber vielleicht sind https://de.wikipedia.org/wiki/Königliches_Spiel_von_Ur (im Artikel ist auch noch ein Link, um dieses Spiel online zu spielen - immerhin 4600 BP!) und https://de.wikipedia.org/wiki/Senet doch Vorläufer. Übrigens sind einige Spielsets auch in der Grabkammer von Tut-Anch-Amun gefunden (liegt in den vermuteten Hohlräumen in seiner Grabkammer nicht Nofretete, sondern der "Missing Link" zum Backgammon?:rofl:).

Das schon von El Q erwähnte Buch der Spiele https://en.wikipedia.org/wiki/Libro_de_los_juegos enthält auch einiges zu Brett-Spielen zu seiner Zeit.
 
Das Schach in Europa vor 1475 war im Wesentlichen dem indischen Chaturanga sehr ähnlich.
Dann wurden plötzlich mehr oder weniger gleichzeitig drei wesentliche Veränderungen
gemacht: Bauern dürfen bei ihrem ersten Zug zwei Felder weit ziehen und En-passantSchlagen.
Läufer dürfen diagonal beliebig weit ziehen (zuvor zogen sie genau zwei Felder
diagonal), und
aus dem Berater wurde die Königin (Dame) die in alle acht Richtungen
beliebig weit ziehen darf (zuvor nur ein Feld diagonal), wodurch sie von der schwächsten zur mächtigsten Figur auf dem Brett wurde
aus: http://www.chess-international.de/Kulturgeschichte des Schachs_Kilimandjaro_Satranc.pdf
 
Der Hauptunterschied des alfonsinischen "Normal"schach zum modernen Schach ist der, dass die Dame noch nicht als solche zu erkennen ist, obwohl hier schon die Feminisierung der Figur, wie sie im europäischen Schach stattfinden wird, angelegt ist und als Begleiter des Königs gedacht wird. Es ist auch noch die Rede davon, dass die Figur dem König nicht von der Seite weichen soll (Ell alferza anda auna casa en sosquino e esto es por aguardar al Rey e non se partir del e por encobrir le delos xaques e delos mates quando gelos dieren,...) Außerdem sind die Plätze von König und Alffereza noch nicht abschließend festgelegt. Im heutigen Schach hat der König ja die Position E und die Dame die Position D, so dass sich immer jeweils die gegnerischen Könige und die gegnerischen Damen gegenüber stehen. Das war im alfonsinischen Schach noch nicht festgelegt (E los otros iuegos que son mayores es el uno a semeiante del Rey, que es sennor dela hueste, e aquel deue estar en la una delas dos casas de medio. E cabo dell en la otra casa de medio esta otro trebeio que es a semeiança del alfferez que tiene la senna delas sennales del Rey...).
 
was ich da oben zitiert habe hast schon gelesen, oder?
Es geht nicht darum wie die Figuren aussehen sondern wie sie bewegt werden können, daran ändern spanische Zitate auch nix.
Aber ich fass es gerne kurz zusammen:
Dame kann in alle Richtungen beliebig weit fahren, zu Alfons Zeiten nur 1 Feld diagonal.
Läufer diagonal beliebig weit, zAZ nur 2 Felder
Bauer kann mit Doppelschritt starten, verbunden mit Enpassant Regel, zAZ nur ein Feld.^^
 
Das war nicht irgendein Spanisch, das war Spanisch des 13. Jahrhunderts. Deine Behauptung war, das alfonsinische Schach habe mit unserem so gut wie nichts zu tun. Das stelle ich in Abrede. Das alfonsinische Schach ist ein entscheidender Zwischenschritt von der Entwicklung der arabischen Variante des indischen Spiels zu unserem modernen Schachspiel.
 
Das war nicht irgendein Spanisch, das war Spanisch des 13. Jahrhunderts. Deine Behauptung war, das alfonsinische Schach habe mit unserem so gut wie nichts zu tun. Das stelle ich in Abrede. Das alfonsinische Schach ist ein entscheidender Zwischenschritt von der Entwicklung der arabischen Variante des indischen Spiels zu unserem modernen Schachspiel.

In dem o. g. Text aus dem Libro de los juegos taucht das Wort sosquino auf (den Rest kann ich mir mit meinen Kenntnissen des heutigen Spanisch und Lateins zusammenreimen).

Die Real Academia Española kennt das Wort nicht:

La palabra sosquino no está registrada en el Diccionario.
Diccionario de la lengua espaola - Edicin del Tricentenario

Hier Sosquinar - significado de sosquinar diccionario findet sich zumindest als karibisches Spanisch das Verb sosquinar (unerwartet schlagen). Hat dieses Wort möglicherweise in der Karibik "überlebt", während es im Standardspanischen verschwunden ist?


Off-topic: es gibt so einige einfallsreiche Schachentwicklungen, die zu Spielvarianten geführt haben:
Durch die Star-Trek-Serie ist https://de.wikipedia.org/wiki/3D-Schach bekannt geworden, aber es stammt tatsächlich aus dem 19. Jhdt.

Besonders humorvoll finde ich das Geheimagenten-Laserhindernis-Schach, bei dem die Spieler vorher über Laserstrahlen klettern müssen, ehe sie ihren Zug machen dürfen (Business im Wohnzimmer - Big Bang Theory Wiki - Wikia). Oder noch besser das 3-Personen-Schach mit zusätzlichen Figuren (alte Frau, Gorilla, Schlange, Golfwagen, Papst, Zeitmaschine etc.) und hochkomplexen Regeln (Three-Person Chess).= - The Big Bang Theory Wiki - Wikia)
 
Sollte jemand mal nach Süd-Frankreich;#Südlich von Carcassonne liegt die ehemalige Benediktinerabtei Saint-Hilaire im gleichnamigen Dorf und dort ist im romanischen Kreuzgang ein Schach- oder Damespiel in die Kreuzgangumrandung eingeritzt,
Und im Kreuzgang der Abtei von St.Papoul nördlich von Castelnaudary befindet sich ebenfalls in der Umrandung ein eingeritztes Mühlefeld,. die Punkte in die man die Steine setzt sind hier als Vertiefungen gearbeitet,
Die Mönche in der Gegend scheinen also durchaus der Spielsucht gefröhnt zu haben.:D
 
El Quijote
Das alfonsinische Schach ist ein entscheidender Zwischenschritt von der Entwicklung der arabischen Variante des indischen Spiels zu unserem modernen Schachspiel.

Das ist nur so bedingt richtig, daß es fast schon ganz falsch ist:

Das alfonsinische Schach hat
- das 8x8 Brett, das die arabische Variante hat
- die acht Bauern, die genauso ziehen wie in der arabischen Variante
- die Türme Springer und Läufer, die genauso ziehen wie in der arabischen Variante
- den König, der genauso zieht wie in der arabischen Variante
- und eine Dame, die genauso zieht wie die in der arabischen Variante "Begleiter" oder auch "Wesir" genannte Figur.

Im Vergleich zur arabischen Variante ist damit mMn allenfalls eine semantische Weiterentwicklung feststellbar. Was das Spiel und seine Regeln betrifft spielt man aber immer noch Arabien-Schach.

Modernes Schach unterscheidet sich von seinen Vorläufern, die von behäbigen Manövern und oft langwierigen Hin- und Hergeschiebe der Steine geprägt waren, vor allem darin, daß es schneller und direkter ist und auch im frühen Partiestadium die Möglichkeit zu entscheidenden Manövern bietet.
Die Regeländerungen, die dies ermöglichten - "Balkanese" hat sie oben überwiegend angeführt - sind:

- Doppelschritt der Bauern aus der Grundposition
- Verwandlung der Läufer in langschrittige Figuren
- Die neue Rolle der Dame, die diesen Stein von der schwächsten zur stärksten Figur am Brett macht
- Die Rochade

Soweit mir bekannt hat das alfonsinische Schach keine dieser Änderungen gekannt und ist daher - blumig formuliert - nur arabisches Schach im christlichen Outfit.
 
...Im heutigen Schach hat der König ja die Position E und die Dame die Position D....).

Aus diesen Worten könnte man folgern dass der Schreiber dieser Worte in der Praxis mit dem Schachspiel wenig vertraut ist und möglicherweise wirklich keine Vorstellung davon hat wie sehr sich der Charakter des Spiels durch die angeführten Veränderungen gewandelt hat.
Meine bekrittelte Aussage, das Spiel zu Alfons Zeiten habe mit dem, wie wir es kennen nicht viel zu tun setzt allerdings voraus dass man das Spiel kennt, was ich durch Verwendung des Wortes kennen hinlänglich zum Ausdruck gebracht haben vermeinte.
 
Im heutigen Schach hat der König ja die Position E und die Dame die Position D...
Aus diesen Worten könnte man folgern dass der Schreiber dieser Worte in der Praxis mit dem Schachspiel wenig vertraut ist und möglicherweise wirklich keine Vorstellung davon hat wie sehr sich der Charakter des Spiels durch die angeführten Veränderungen gewandelt hat.

Ich lerne ja immer gerne dazu. Also klär mich bitte auf, was an meiner von dir zitierten Aussage falsch ist.
 
Im 13. Jahrhundert gab es nur einen Unterschied zum ursprünglichen arabischen Schach, den Königssprung. Dieser Vorläufer der Rochade wurde wohl erstmals von Nicholes de Saint-Nicolai geschildert.

Die große Reform des Schachspiels erfolgte zwischen 1470 und 1490 wahrscheinlich in Valencia. Wichtige Zeugnisse sind das Schachbuch von Francesc Vicent (1495) und das Gedicht Scachs d’amor (1475). Die Motivation der Reform ist unklar, später wurde es auf das Klima der Entdeckungen geschoben, das Schachspiel sei "zu eng" geworden und hätte daher die Mobilität von Dame und Läufer gefordert.
Interessant ist, dass (wahrscheinlich aufgrund der Buchdruckkunst) diese neuen Regeln sehr schnell in ganz Europa akzeptiert wurden. Die größere Dynamik wurde allgemein anerkannt.
 
Ach Gott, ist ja nicht bös gemeint, ich hab 100 Schachbücher daheim und in keinem steht Position E, und ich kenn 100 Schachspieler und keiner sagt Position E, sowas kann nur jemandem einfallen der in der Praxis mit Schach nix zu tun hat.^^
 
Als bekennendem Zuschauer der Serie "Vikings" fällt mir noch der einprägsame Name "Hnefatafl" eines offenbar skandinavischen Brettspiels ein.

Das Hnefatafl ist seit dem 8. Jahrhudnert nachgewiesen. Dabei existiert eine These, wonach es sich bei dem Hnefatafl ebenfalls um eine Ableitung des frühen Schachspiels handeln soll. So sei das Schach, noch bevor es via maurischem Spanien und den Kreuzzuügen West- und Mitteleuropa erreicht hat, nach Byzanz gekommen und dort über die Handelsbeziehungen mit den Wikingern (russische Flüsse) nach Skandinavien gelangt.

Nebenei:
Die Bzeichnung "Schach" ist offenbar von der persischen Version des Spiels abeleitet, wo man den König mit dem Wort "Schah" stellt.
 
Ach Gott, ist ja nicht bös gemeint, ich hab 100 Schachbücher daheim und in keinem steht Position E, und ich kenn 100 Schachspieler und keiner sagt Position E, sowas kann nur jemandem einfallen der in der Praxis mit Schach nix zu tun hat.^^
Oder der einfach über gewisse Aspekte nicht redet bzw. sie nicht liest/hört. ;)
 
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