Slawisierung und das Byzantinische Reich

weder nach Münzfunden, noch nach Gräber- und Siedlungsgeschichte, noch nach den übrigen Fundlagen sind "Slawen" archäologisch unstrittig nachgewiesen, weder ländlich noch in Städten.

Hieran schließt sich direkt die Frage an, ob dies auch nur theoretisch möglich wäre, da die Existenz eines einheitlichen "slawischen" "Volkes" und damit verbunden einer einheitlichen, indentifizierbaren Kultur zunehmend in Frage gestellt wird.
 
Wie romanisiert war denn die ländliche Bevölkerung des Balkans um 600?
Sprachen die Bauern auch zu Hause Latein oder war es für sie eine Zweitsprache?

Rumänisch war mWn lange Jahrhunderte eine "Bauernsprache", die gebildete Oberschicht (wer auch immer da grad am Ruder war...) bediente sich ihrer eher nicht. Das geschah erst mit dem Erwachen des Nationalismus. im 19. Jh. Sollte das zutreffen wäre es ein Beispiel, dass ab wannauchimmer gerade die ländliche Bevölkerung mancherorts an der (vulgär-)lateinischen Sprache festhielt.

Wobei viele Rumänen großen Wert darauf legen, nicht zum Balkan gerechnet zu werden.

Aber müsste für das oströmische Reich das Griechische nicht eine größere Rolle spielen als das Lateinische?
 
Hieran schließt sich direkt die Frage an, ob dies auch nur theoretisch möglich wäre, da die Existenz eines einheitlichen "slawischen" "Volkes" und damit verbunden einer einheitlichen, indentifizierbaren Kultur zunehmend in Frage gestellt wird.

Die Interpretation der Münzfunde verstehe ich zB bei Curta "anders herum".

Es geht eher um die Abwesenheit eines byzantinischen "Überbaus" und die Frage, welche Schlüsse aus den Funden für fortlaufende Handelskontakte, Siedlungsgeschichte, etc. zu ziehen sind, im weiteren Sinne geht es dann um diese "Kontinuitäten", die wiederum konträr zu den erzählten Brüchen stehen würden. Das sind alles Mosaiksteinchen.

Zumindest für Griechenland hat Dieter in einem seiner vorherigen Beiträge die Anteile der neuen slawischen Bevölkerung und der ursprünglichen griechischen Bevölkerung auf jeweils 50 % eingeschätzt.

Schätzungen sind nicht belegbar, slawische "Neuanteile" (oder nennenswerte Migration) sind umstrittener Gegenstand der Forschung.
 
Ich würde das etwas schwächer formulieren: eindeutig werden Bezeichnungen belegt. Was hinter den Bezeichnungen steckt, was aus den epischen Beschreibungen bzgl. Ethnien daraus abzuleiten ist, bleibt umstritten.

Nehmen wir also Fredegar: Niemand käme auf die Idee, etwa die Ethnogese der benannten Wenden daraus abzuleiten, dass während der jährlichen Überwinterungen awarische Krieger mit slawischen Frauen geschlafen haben, Fredegar IV/48, 40.

Jedenfalls bleibt völlig unklar, welche ethnischen Hintergründe überhaupt die wechselnden Bezeichnungen ansprechen sollen.
Ganz so völlig unklar ist das, was sich entlang der ostfränkischen Grenze abgespielt hatte, etlichen Historikern offenbar nicht: für jenes Gebiet, welches etwas später von den gut nachweisbaren Obodriten (die nun mal Slawen waren) beherrscht wurde, zweifelt man nicht an einer allmählichen und dann zunächst Siedlungskammern bildenden slawischen Landnahme. Und das beginnt in spätmerowingischer Zeit.
siehe u.a. Torsten Kempke, Skandinavische-slawische Kontakte an der südlichen Ostseeküste im 7. bis 9. Jahrhundert. in Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa. Bd. 11. Steiner, Stuttgart 2001 (und hier wird die Besiedlungsgeschichte auch speziell anhand der archäolog. Funde fassbar gemacht und erklärt)

Zu der (ebenfalls) umstrittenen Diskussion:
Curta: Slavs in Fredegar and Paul the Deacon: medieval gens or scourge of God?

Das zieht auch wieder den Kreis auf die Frage, ob und in wieweit die byzantinischen Beschreibungen der "frühen Slawen" - jedenfalls aus dem Licht einer Diskussion über Ethnogenese - ebenfalls ein "Konstrukt" der Quellen sind. Das ist natürlich nicht mit "erfunden" gleichzusetzen, sondern die Frage ist vielmehr, wie die Beschreibungen zu verstehen sind, ob damit überhaupt ethnische Entwicklungen fassbar sind. Ältere Migrationshypothesen werden in Frage gestellt.
(ich bin da mal so stur wie wein grimmes Panzernashorn) So ziemlich genau in der Mitte des 6. Jhs. erwähnt Prokop ausführlich die Anten und Sclavenen (Sklabenoi) und er verwendet dabei dieselbe griech. Schreibweise wie die späteren Quellen des 7. Jhs., auf welche sich Curta bezieht. Prokop attestiert den Sklabenoi eine eigene eigentümliche Lebensweise und eine eigene, "furchtbar barbarische", Sprache. Gewiß war Prokop kein Historiolinguist des frühen 21. Jhs. ;) aber ein gänzlich tumber Esel in Sachen Beobachtung fremdsprachlicher Eigenarten war er nun auch nicht: er attestiert in demselben Buch (den Gotenkriegen) den Goten, Vandalen, Gepiden und noch ein paar weiteren (ost)german. Kriegsverbänden, dass sie sich zwar unterschiedlich nannten, aber dieselbe - nämlich die gotische - Sprache verwendeten (heute bezeichnet man diese Gentes als ostgermanisch und nennt hierzu Prokop als eine der Quellen) -- so lange ich noch im sturen Panzernashornmodus verharre, erschließt sich mir nicht, warum Prokop bei den Sklabenoi sich geirrt haben sollte (bzgl. deren eigener, dem gebildeten Graecoromanen Prokop als barbarisch erscheinender Sprache) oder warum es von Prokop ins 7. Jh. hinein einen Bedeutungswandel der Vokabel Sklabenoi gegeben haben sollte, damit diese dann das bedeutet, was Curta im Vorwort zu The Making of the Slavs: History and Archaeology of the Lower Danube Region mitteilt, dass nämlich Sklabenoi die Unterschichten der Provinzbevölkerung und der Anrainer an der Donaugrenze meine...
 
Man könnte Adamik allerdings entgegenhalten, dass er zu sehr die Urbanisierung betont, die Verhältnisse in der Polis beschreibt, die Landbevölkerung allerdings völlig außer Acht lässt, obwohl diese zahlenmäßig unbedingt zu beachten war.
...was wissen wir über die sprachlichen, ethnischen und kulturellen Eigenarten speziell der Landbevölkerungen im merowingischen Frankenreich, im Reich des Samo, im Reich der Sueben, im Reich der sapaudischen Burgunden, in anderen "Reichen" des Frühmittelalters?

Bei Adamik wird doch sehr deutlich klar gestellt, dass es schon vor der Teilung des römischen Imperiums in eine westliche und eine östliche Hälfte seit Jahrhunderten hellenisierte Gebiete (in der späteren östlichen Hälfte) gab. Zu fragen wäre also, welches Ausmaß die Hellenisierung vor der Annektierung durch Rom hatte. In den salopp gesagt "griechischen" Provinzen des römischen Imperiums blieb das griechische die verwendete Verkehrssprache; davon abgesehen galt im römischen Imperium das griechische als die Sprache der Gelehrten. Und in diesen griechischen Gebieten wurde Latein lediglich intern als Verwaltungssprache verwendet. Dass Iustinian seinen Rechtskodex in Latein verfassen ließ, bedeutet nicht, dass man in Konstantinopel auf der Gasse latein geschwätzt hätte. Sprachlich romanisiert in den südosteuropäischen Provinzen des röm. Reichs waren lediglich Neuerwerbungen/eroberungen über den hellenisierten Dunskreis hinaus.
...und was diverse ländliche Gegenden betrifft: mag sein, dass mancher gallische Bauer noch keltisch daheim sprach, auch wenn seine Familie seit Jahrhunderten schon "römisch" war - aber wenn amtliche Mahnungen eintrudelten (Steuern etc), dann musste der gallische Bauer latein können. Spaß beiseite: über eventuelle Bilingualität der Landbevölkerung wissen wir kaum was mangels Quellen.
 
Wie romanisiert war denn die ländliche Bevölkerung des Balkans um 600?
Sprachen die Bauern auch zu Hause Latein oder war es für sie eine Zweitsprache?

Wie Dzino* am Beispiel Dalmatiens ausführt, erfasste die Romanisierung das Gebiet und die sozialen Schichten in unterschiedlicher Weise. Die soziale Elite der Städte bemühte sich um ein reines Latein, während die ländliche Bevölkerung ein rustikales Latein durchsetzt mit barbarischen Worten benutzte.

Thus, from this brief surface overview of the identities in pre-Slavic Illyricum, we can see that identities were in a state of flux. The Iron Age indigenous population ‘became Roman’ in many different ways, depending on the region where they lived and the social status to which they belonged. The establishment of Roman imperial identity discourse opened doors and enabled the construction of different discourses of Romanness inside Illyricum and Dalmatia. In Late Antiquity there existed numerous identity-discourses that we can only grasp today with the present state of evidence, which is very modest. The specific identities were formed in cosmopolitan cities such as Salona, Iader or Sirmium, but also by the new military elite from the frontiers, the municipal aristocracy in the Dinaric Alps and the ordinary People who horrified (or perhaps embarrassed) Jerome by speaking in their sermone barbarico and drinking sabaia. These identities coexisted with the identities of immigrants, whether ‘barbarians’ crossing the Roman limes, or immigrants from other parts of the Empire, such as Italy or the Eastern Mediterranean. They all incorporated their peculiar interpretation of ‘Romanness’, a regional and/or provincial identity, social identity and religious identity, which did not exclude each other and could exist at the same time.
Eine slawische Einwanderungswelle (oder auch mehrere), die kleine Gruppen von Norden kommend beschreibt, die in das Vakuum verschwindender römischer Herrschaft sickerten und dem Großteil der Bevölkerung kulturell ähnelten, ist doch gut vorstellbar.
Auch Dzino geht davon aus, dass die Slawisierung Dalmatiens nicht mit einer Masseneinwanderung von Slawen nach Dalmatien einherging. Er sieht Slawisch als lingua franca im awarischen Khaganat und später im Bulgarenreich, in deren Rahmen es sich verbreitete (daher auch seine Einheitlichkeit). Für die Bewohner Dalmatiens am Rande des awarischen Khaganats mochte es nach dem Schwinden der Römischen Macht eine bessere soziale Strategie gewesen sein, Slawisch zu sprechen. Allerdings verschwand das gesprochene Latein nicht sofort und komplett. So gibt es Zeugnisse für Zweisprachigkeit in Dalmatien aus Mitte des 9. Jh. und aus dem 11. Jh.

There was no interest in maintaining late antique Balkan Latin as a spoken language in the Dalmatian hinterland, there was no distinctive elite, such as a hereditary nobility or an ecclesiastic organization, which would maintain spoken Latin as a tool to legitimize their power. In fact, as the region became the periphery of an Avar cultural continuum, the use of the Slavic lingua franca may reveal a much better tool of social strategy and communication from provincial Latin. However, the acceptance of Slavic language in Dalmatia was conducted in very specific ways by indigenous population, who integrated patterns of their native Balkan Latin into Slavic dialects and languages, ...
* Dzino, Danijel. Becoming Slav, becoming Croat : identity transformations in post-Roman and early medieval Dalmatia, 2010, Zitate: S. 72 und 164 f.
 
So ziemlich genau in der Mitte des 6. Jhs. erwähnt Prokop ausführlich die Anten und Sclavenen (Sklabenoi) und er verwendet dabei dieselbe griech. Schreibweise wie die späteren Quellen des 7. Jhs., auf welche sich Curta bezieht. Prokop attestiert den Sklabenoi eine eigene eigentümliche Lebensweise und eine eigene, "furchtbar barbarische", Sprache.

Dem widerspricht Curta doch ausdrücklich gar nicht, sondern es geht genau in die Richtung, die er vertritt: Die ältesten Erwähnungen der "Slawen" an der unteren Donau.
Dort müssten seiner Ansicht nach die Awaren diese Sprachen von den ihnen untergeben Sklavenoi übernommen haben, aber durch die Expansion des awarischen Imperiums waren es eben in kürzester Zeit Gepiden, Goten, Illyrer, Thraker, Römer, Awaren, Bulgaren, Kroaten usw., welche die überwältigende Mehrheit der Slawisch-Sprecher ausmachten, wenn auch nur als Zweitsprache.
Aber genau so erklärt er die schnelle Verbreitung des slawischen im ehemals oströmischen Gebiet. Und deshalb ist die Bezeichnung als "Slawe" äußerst unklar, da derjenige eben auch Gepide oder Römer sein konnte, und nur slawisch sprach.
Es wird auch ausdrücklich erwähnt, dass bei einer Ausbreitung durch Migration sich die Sprache in den verschiedenen "Enden" der Migrationsbewegung bereits deutlich unterscheiden müsste, was beim slawischen zwischen 600 und 800 eben genau nicht der Fall war, nach 800, also dem Zerfall des Awarenreiches aber rapide einsetzt.

Nachtrag: Hätte ich Heines Beitrag früher gelesen, hätte ich mir meinen eigentlich sparen können, danke für das Dzino-Zitat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dem widerspricht Curta doch ausdrücklich gar nicht, sondern es geht genau in die Richtung, die er vertritt: Die ältesten Erwähnungen der "Slawen" an der unteren Donau.
Dort müssten seiner Ansicht nach die Awaren diese Sprachen von den ihnen untergeben Sklavenoi übernommen haben, aber durch die Expansion des awarischen Imperiums waren es eben in kürzester Zeit Gepiden, Goten, Illyrer, Thraker, Römer, Awaren, Bulgaren, Kroaten usw., welche die überwältigende Mehrheit der Slawisch-Sprecher ausmachten, wenn auch nur als Zweitsprache.
Prokop erwähnte die Anten und Sklabenoi ohne irgendeinen Zusammenhang mit den Awaren.

Wenn die Awaren schon Mitte des 6.Jhs. (aus dieser Zeit datiert Prokops Erwähnung) das slawische für so attraktiv gehalten hatten, dann muss es zu dieser Zeit schon ziemlich viele slawisch Sprecher bzw. Slawen gegeben haben (niemand macht einen regionalen Minderheitendialekt zur lingus franca!...) - und wenn das so ist, dann kann eine slawische Ethnogenese nicht erst im 7. Jh. begonnen haben.
 
Wir müssen hier unterscheiden zwischen der Ausbreitung des Slawennamens als Fremdbezeichnung und der Verwendung der frühslawischen Sprache bzw. südslawischen Sprache. Hinzu kommt noch die Frage nach der Selbstbezeichnung.

Was die Einwanderung betrifft, so ist nicht klar, wann frühslawische Gruppen ankamen. Es scheint so, als hätten sie bereits im Gefolge der Hunnen Vorstöße ins Karpatenbecken und ins Donautiefland gemacht. Das wäre in der Tat ein interessanter Ansatz, wenn schon Gepiden und Awaren über größere Slawengruppen geherrscht hätten. Bewiesen ist das aber nicht. Es gäbe natürlich der Ethnogenese mehr Zeit. Es wäre gleichzeitig eine Erklärung, warum die slawische Migrations ins Reich in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhundert verzeichnet wird. Es ist gerade die Zeit, in der sich die Awaren ausbreiteten. Das spräche dann natürlich eher gegen eine slawische lingua franca im Awarenreich.
 
Das sagt uns, dass vor ca. 550 das (gemein)slawische a) schon vorhanden war (ob bei den Anten, ist teils umstritten, bei den Sklabenoi ist es wohl nicht umstritten) und b) zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht lingua franca bei den Awaren war.
Übrigens gibt es zu den Anten auch einen dt. Tante Wiki Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Anten

Die Nichterwähnung der Kontakte zu den Awaren durch Prokop sagt uns etwas über die Sprache irgendeines der beteiligten Völker?
Diese Argumentation finde ich etwas merkwürdig.

Curta betont ausdrücklich, dass wir nicht wissen, ob die Anten oder die Sklavenoi eine slawische Sprache sprachen, dass es nur auf Annahme beruht, wie fundiert auch immer diese Annahme sein mag.
 
...ich habe meine Beiträge in diesem Faden sicherheitshalber noch mal durchgelesen: das hier
Die Nichterwähnung der Kontakte zu den Awaren durch Prokop sagt uns etwas über die Sprache irgendeines der beteiligten Völker?
Diese Argumentation finde ich etwas merkwürdig.
kann ich darin nicht finden.

Curta betont ausdrücklich, dass wir nicht wissen, ob die Anten oder die Sklavenoi eine slawische Sprache sprachen, dass es nur auf Annahme beruht, wie fundiert auch immer diese Annahme sein mag.
Tja, aber wie wäre es dann um eine andere Annahme bestellt? Z.B. die Annahme, dass die von Prokop den Sklabenoi attestierte "furchtbar barbarische Sprache" irgendetwas anderes als (gemein/proto)slawisch gewesen sei? Ja... da würde man sich doch seeehr wundern, wenn paar Jahrzehnte später in wie gehabt byz. Quellen slawisch sprechende Sklabenoi auftauchen: sind das plötzlich andere Sklabenoi oder erlitten die infolge der sie inzwischen beherrschenden Awaren einen spontanen Sprachwechsel?

...irgendwie klingt das übrigens auch wie ein Totschlagargument... wir wissen nicht, welche Sprache die Heruler sprachen, denn es gibt keine herulischen Textquellen, insofern ist es nur eine Annahme, dass die Heruler Ostgermanen gewesen seien. ...man kann den Spaß noch weiter betreiben: Kant schrieb lateinisch und deutsch - aber sprach er auch eine der beiden Sprachen? Es gibt keine Tonbandaufnahmen vom Immanuel, also wissen wir letztlich nicht, welche Sprache er gesprochen hat, egal wie fundiert wir annehmen, dass er deutsch sprach ;)

a prospos Curta: da gibt es ja die These, dass slawisch die lingua franca im awarischen Herrschaftsbereich gewesen sei. Setzt das nicht voraus, dass es die slawische Sprache schon gab, bevor die Awaren auftauchten und die Chefs der slawisch Sprechenden wurden?
 
...ich habe meine Beiträge in diesem Faden sicherheitshalber noch mal durchgelesen: das hier kann ich darin nicht finden.

Du schreibst, "Prokop erwähnte die Anten und Sklabenoi ohne irgendeinen Zusammenhang mit den Awaren.", Ich frage nach "Und was sagt uns das?" und du antwortest "Das sagt uns, dass vor ca. 550 das (gemein)slawische a) schon vorhanden war (ob bei den Anten, ist teils umstritten, bei den Sklabenoi ist es wohl nicht umstritten) und b) zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht lingua franca bei den Awaren war."

Und jetzt findest du das alles nicht wieder? Ganz erstaunlich.


Tja, aber wie wäre es dann um eine andere Annahme bestellt? Z.B. die Annahme, dass die von Prokop den Sklabenoi attestierte "furchtbar barbarische Sprache" irgendetwas anderes als (gemein/proto)slawisch gewesen sei? Ja... da würde man sich doch seeehr wundern, wenn paar Jahrzehnte später in wie gehabt byz. Quellen slawisch sprechende Sklabenoi auftauchen: sind das plötzlich andere Sklabenoi oder erlitten die infolge der sie inzwischen beherrschenden Awaren einen spontanen Sprachwechsel?

Den spöttischen Unterton kannst du dir gerne sparen. Wir wissen sehr wenig über "Antes" und "Sklavenoi", es gibt auch die Hypothese, dass es sich um zumindest teilweise iranische Gruppierungen handelt. Ob die späteren "Slawen" mit den frühen "Sklavenoi" identisch sind, ist nicht gesichert. Auch da gibt es Ansichten, dass mit "Slawen" zunächst allgemein eine Bezeichnung für "Hilfstruppen" gemeint war, ohne weitere Zuordnung.
Sich dann über die Bemerkung lustig zu machen, dass wir keine Belege für die Sprache haben, verfehlt das Thema ziemlich.

a prospos Curta: da gibt es ja die These, dass slawisch die lingua franca im awarischen Herrschaftsbereich gewesen sei.

Tatsächlich? =)

Setzt das nicht voraus, dass es die slawische Sprache schon gab, bevor die Awaren auftauchten und die Chefs der slawisch Sprechenden wurden?

Dem niemand widerspricht.
 
Du schreibst, "Prokop erwähnte die Anten und Sklabenoi ohne irgendeinen Zusammenhang mit den Awaren.", Ich frage nach "Und was sagt uns das?" und du antwortest "Das sagt uns, dass vor ca. 550 das (gemein)slawische a) schon vorhanden war (ob bei den Anten, ist teils umstritten, bei den Sklabenoi ist es wohl nicht umstritten) und b) zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht lingua franca bei den Awaren war."

Und jetzt findest du das alles nicht wieder? Ganz erstaunlich.
Erstaunlich ist eher, dass du selektiv zitierst und dabei das zitierte aus dem Kontext reißt.
Im Verlauf der Diskussion wurde behauptet, dass die Sklabenoi (die überwiegend als Slawen gedeutet wurden, woran jüngst - u.a. von Curta - Zweifel geäussert wurden) im Zusammenhang mit den Awaren erwähnt wurden. Prokop ist hingegen eine Quelle, welche diesen Zusammenhang für die Zeit vor 550 nicht bestätigt. Übrigens Iordenes (Getica) dito.

Irgendjemand muss im 6.-7. Jh. (gemein)slawisch gesprochen haben, und dieser irgendjemand muss recht zahlreich gewesen sein, denn ansonsten gäbe es keinen sinnvollen Grund für die awarische Oberschicht, das frühslawische zur lingus franca zu machen:
Dem niemand widerspricht.
schön, dass wir uns da einig sind.

Jetzt stellt sich die Frage, wer im 6.Jh. slawisch gesprochen hatte. Und in späteren byz. Quellen sind das u.a. Sklabenoi, aber dann im 8.-9. Jh. auch Bulgaren, Kroaten u.a. -- warum sollten die von Prokop erwähnten Sklabenoi nicht slawisch gesprochen haben? (zu den Anten siehe Gottfried Schramm)
 
Da ich davon ausgehe, dass du des Lesens mächtig bist,
oh, das ist zu viel der Ehre, so weit bin ich noch nicht - aber ich gebe mir beim buchstabieren redliche Mühe.
...falls du den zänkisch-Modus vorübergehend abstreifen kannst, wäre sehr schön, von dir einen informativen und sachlichen Beitrag zu Iordanes und Prokop zu erhalten. ;) Wie schon mehrmals erwähnt, berichten diese beiden u.a. über Sclavenen/Sklabenoi, ohne diese in Zusammenhang mit den Awaren zu bringen.
Und da du ebenfalls für plausibel hältst, dass es schon eine genügend große Anzahl von slawisch Sprechenden gegeben haben muss bevor die Awaren diese slawisch Sprecher dominierten und dann auch noch deren Sprache zur eigenen lingua franca machten, hast du vielleicht eine Idee, wer diese sehr vielen slawisch sprechenden Leute waren und wo sie waren (wohl irgendwie entlang des awarischen Wegs westwärts)
 
Dem widerspricht Curta doch ausdrücklich gar nicht, sondern es geht genau in die Richtung, die er vertritt: Die ältesten Erwähnungen der "Slawen" an der unteren Donau.

Peter Heather setzt sich ausführlich mit den Hypothesen von Florin Curta auseinander [1]. Er ist im Gegensatz zu ihm der Meinung, dass die ersten Slawen ihren unmittelbaren Ursprung im Nordosten der Karpaten hatten. Von dort aus setzte eine rasche Verbreitung nach Süden ein.

Dort müssten seiner Ansicht nach die Awaren diese Sprachen von den ihnen untergeben Sklavenoi übernommen haben, aber durch die Expansion des awarischen Imperiums waren es eben in kürzester Zeit Gepiden, Goten, Illyrer, Thraker, Römer, Awaren, Bulgaren, Kroaten usw., welche die überwältigende Mehrheit der Slawisch-Sprecher ausmachten, wenn auch nur als Zweitsprache.

Dieser Hypothese muss man nicht unbedingt folgen.

Berittene Einheiten der Awaren operierten gegen die Anten (Slawen) in Bessarabien und Podolien und gegen die Protobulgaren. Später unternahmen die Awaren größere Kriegszüge gegen die Franken und unterwarfen im Bündnis mit den Langobarden die Gepiden. Ihre militärischen Erfolge nutzten die Awaren geschickt und etablierten ihre regionale Herrschaft in Pannonien. Ähnlich wie die Donaubulgaren als Elite slawische Stämme regierten, so stellten die Awaren die soziale und militärische Elite für die nichtawarische Bevölkerungsmehrheit in Pannonien. Dort siedelten slawische und germanische Stämme. Überliefert sind einige soziale Rangtitel von Awaren (tudun, tarkhan, zupan, katun), die alle nichtslawischen Ursprungs sind.

Die Ausbreitung der slawischen Sprache auf dem Balkan hängt nicht mit den Awaren zusammen, denn die wurden nach der vergeblichen Belagerung von Byzanz bereits 626 zurückgeworfen. Dieser Prestigeverlust kostete sie ihre Außengebiete und ihr Khanat schrumpfte auf ihr Kernland Pannonien. Der Aufstieg der Awaren hatte allerdings zur Folge, dass einige slawische Gruppen dauerhaft in das Gebiet südlich der Donau umzusiedeln suchten. Die Sklavenen unternahmen in Thrakien und Illyrien mehrere zerstörische Feldzüge, in deren Verlauf es 586 zum Angriff auf Thessaloniki kam. Byzantinische Quellen berichten im 7. Jh. von weiteren zerstörerischen slawischen Plünderungszügen, bis es zu Beginn dieses Jahrhunderts zum endgültigen Zusammenbruch der oströmischen Donaugrenze kaum. Das ebnete der slawischen Besiedlung weiter Teile Südosteuropas endgültig den Weg.

Erst jetzt kam es zu einer slawischen Überschichtung der romanisierten Thraker und Illyrer bzw. der balkanromanischen Bevölkerung und ihrer Assimilierung ans Slawentum. Bis Mitte des 7. Jh. war der gesamte Balkan weitgehend von Slawen besiedelt.

Dass die awarische Elite slawisch sprach, dafür gibt es keinen Beleg, ebensowenig wie das auf Goten oder Gepiden zutrifft. Es mag allerdings sein, dass im awarischen Kernland Pannonien Zweisprachigkeit herrschte, denn immerhin hielten die Awaren das Land mehr als 200 Jahre besetzt.

Eine deutliche slawische Präsenz in Griechenland bestätigen schriftliche und archäologische Zeugnisse. Die slawischen Stämme der Ezeriten und Milingen auf der Peloponnes werden noch bis ins 14 Jh. erwähnt, während andere slawische Stämme nach Bythinien umgesiedelt wurden.

[1] Peter Heather, Die Invasion der Barbaren. Auf der Suche nach den Slawen, S. 358 f.
 
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