Der Name der Germanen

Welche Bedeutung hat der Name der Germanen?

- "Ger-Mannen", das heißt "Speerträger".Funktioniert aber nicht, das germanische Wort für
"ger" hätte im 1. Jahrhundert "gaisaz" gelautet

Wikipedia deutet den Namen Gerhard als althochdeutsch 'Speerstarker':

https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard

Der Name Gerhard wird ja aber nicht nach der Christianisierung entstanden sein, sondern germanischen Ursprungs sein.

Wiktionary sagt zu Ger:

mittelhochdeutsch „gēr(e)“, althochdeutsch „gēr“, germanisch *„gaiza-“ „Ger“, indogermanisch *„ghaisó-“, belegt seit dem 9. Jahrhundert

https://de.wiktionary.org/wiki/Ger

Wie war dann wohl die ursprüngliche Form von Gerhard? Geisahard? Wäre das dann verwandt mit dem Namen Geiserich?
 
Ist „ghaisó-“ zu „gēr(e)“ eher so eine Art 0815 Etymologie oder stecken da gar etwas kniffligere Lautverschiebungen dahinter?
 
Ist „ghaisó-“ zu „gēr(e)“ eher so eine Art 0815 Etymologie oder stecken da gar etwas kniffligere Lautverschiebungen dahinter?

Nicht jeder Lautwandel ist gleich eine Lautverschiebung.

*„ghaisó-“ ist indogermanisch, daraus wird im Germanischen *„gaiza-“.

Der Lautwandel gh zu g gehört zur Ersten ("germanischen") Lautverschiebung.

Der Lautwandel z zu r fand nur in den nordgermanischen und westgermanischen Sprachen statt. Das Stichwort heißt hier Rhotazismus.

So wird aus *„gaiza-“ das althochdeutsche „gair“.

Die Monophthongierung ai zu e ging vom Altsächsischen aus; im Hochdeutschen fand sie nur vor bestimmten Konsonanten (z. B. vor r) statt.
So wurde aus „gair“ der „Ger“.


Was verstehst Du unter "0815 Etymologie"?
 
Nicht jeder Lautwandel ist gleich eine Lautverschiebung.

*„ghaisó-“ ist indogermanisch, daraus wird im Germanischen *„gaiza-“.

Der Lautwandel gh zu g gehört zur Ersten ("germanischen") Lautverschiebung.

Der Lautwandel z zu r fand nur in den nordgermanischen und westgermanischen Sprachen statt. Das Stichwort heißt hier Rhotazismus.

So wird aus *„gaiza-“ das althochdeutsche „gair“.

Die Monophthongierung ai zu e ging vom Altsächsischen aus; im Hochdeutschen fand sie nur vor bestimmten Konsonanten (z. B. vor r) statt.
So wurde aus „gair“ der „Ger“.

Rhotazismus also. He was <-> Er war. Wieder was gelernt, danke.

Kann man zeitlich abgrenzen wann der Rhotazismus im Nordwestgermanischen stattfand?

Die erste Lautverschiebung hatte ja schon stattgefunden als die Römer auf die Germanen trafen, wenn zu dem Zeitpunkt auch schon der genannte Rhotazismus durchlaufen worden wäre hätten sich die Germanen ja evtl. doch schon als Gairmanni (Speermänner, Krieger) vorstellen können. Mit einer eventuellen römischen bzw. lateinischen Monophthongierung wären die Germani dann erfunden gewesen.


Was verstehst Du unter "0815 Etymologie"?

Sowas wie die Erste Lautverschiebung, das ist etymologischer Mainstream, da braucht sich keine Wortherkunft was drauf einbilden :)
 
Der Name Gernot:

Gernot ist ein männlicher Vorname aus dem Althochdeutschen. Seine Bedeutung setzt sich aus den Elementen ger („Speer“) und khnoton („schwingen“, im Sinne von „kämpfen“) zusammen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Gernot

Eine andere Deutung:

(von althochdeutsch ger = „Ger“, „Speer“ und von althochdeutsch not = „Mühe“, „Drangsal“, „Kampf“).


Ich habe ältere Formen von Gerhard oder Gernot gesucht, was dann in Anlehnung an Geiserich vielleicht Geisehard oder Geisanot gewesen sein könnte, habe aber nichts gefunden. Hat da vielleicht jemand einen Link für mich?
 
Ich habe ältere Formen von Gerhard oder Gernot gesucht, was dann in Anlehnung an Geiserich vielleicht Geisehard oder Geisanot gewesen sein könnte, habe aber nichts gefunden. Hat da vielleicht jemand einen Link für mich?

Gerhard oder Gernot wüsste ich nicht, dafür gibt es die gotischen, burgundischen und wandalischen Namen Gaissefredus (entspricht heutigem "Gerfried"), Gesila, Gesimundus, Oageis, Radageisus.

http://www.kgaa.nu/upload/tidskrifter/9_2014.pdf

Für einen westgermanischen "Gerfried" habe ich keinen so frühen Beleg.
Ein fränkischer Graf erscheint 769 als "Gairfrid":

RI I n. 116, Karlmann, 769 ian. 00, Salmunciago pal. publ. : Regesta Imperii
 
Zuletzt bearbeitet:
Gerhard oder Gernot wüsste ich nicht, dafür gibt es die gotischen, burgundischen und wandalischen Namen Gaissefredus (entspricht heutigem "Gerfried"), Gesila, Gesimundus, Oageis, Radageisus.

Also ich denke dass es für die Theorie Germanen = Speermänner dann doch eher schlecht aussieht, dann wären sie bei den Römern wohl doch eher zu Gaisamani oder Gesimani geworden. Wenn denn Speermann bei den Germanen überhaupt eine Bezeichnung für einen Krieger war.
 
Darauf wies Altmeister Hyokkose bereits 2004 hin:

wie Aragorn schon ganz richtig in seinem ersten Beitrag schrieb, lautete das germanische Wort für "Speer" gar nicht "ger", sondern "gaisaz" (bzw. nach meinem Etymologischen Wörterbuch "gaiza"; auf jeden Fall verwandt mit unserem heutigen Wort "Geißel").
 
Darauf wies Altmeister Hyokkose bereits 2004 hin:

lautete das germanische Wort für "Speer" gar nicht "ger", sondern "gaisaz" (bzw. nach meinem Etymologischen Wörterbuch "gaiza"; auf jeden Fall verwandt mit unserem heutigen Wort "Geißel"

Ich hinterfrag die Sachen ab trotzdem ganz gerne, auch wenn es in einem Buch steht. Aber mit den von Sepiola aufgeführten Beispielen der Ges-/Geis- Namen die zeitlich alle später einzuordnen sind als die Erfindung der Germanen durch Caeser ist die Sache nun auch für mich klar. Der Rhotazismus fand erst relativ spät statt (sieht man ja eigentlich auch am nicht stattgefundenen Rhotazismus bei engl. 'was' im Gegensatz zu dt. 'war'). Die Speermänner sind raus aus dem Spiel.
 
Ich hatte im Slawen-Thread den Namenssatz bei Tacitus erwähnt. es gibt unterschiedliche Übersetzungen, ich übersetze ihn mal frei aus der Erinnerung, "die, die zuerst den Rhein überschritten haben, so wie jetzt die Tungrer, wurden Germani genannt...". Von diesen wurde dann der Name auf alle gentes rechts des Rheins übertragen und dann auch von den rechts des Rheins Wohnenden für sich selbst als Überbegriff übernommen.

Wer sich hinter diesen Germanen verbirgt ist ungewiß. Es wäre aber nicht zu tollkühn die Germani cisrhenani hinter diesen Germani zu vermuten. Im Zusammenhang mit diesen oder als Teilgruppe dieser bezeichnet werden die Eburonen, Paemanen, Caeraesi/Caerosi, Condrus(ti) und Segner. Manche dieser Namen sind klar keltisch und keineswegs zwingend germanisch.

Es muß deshalb generell gefragt werden, ob Germani überhaupt germanisch ist.
 
Vorausschicken möchte ich, dass ich mit Linguistik rein gar nichts am Hut habe und bitte deshalb um Nachsicht…

Ich hatte beim schnellen Durchlesen von paar Beiträgen hier eine seltsame Idee, deren Herkunft ich hier kurz beschreiben will:

Das polnische Wort giermek bedeutet ›Knappe‹ und kam vor 1500 aus dem ungarischen gyermek ins Polnische (zusammen mit weiteren Ausdrücken aus dem Militärwesen). Dort steht das Wort [mit extrem weichem »g«, etwa: djɛrmɛk] für ›Kind‹ und wird so ungefähr als ›der, der (kürzlich) gekommen ist‹ interpretiert. Diese Auslegung fußt in den ung. Ausdrücken gyere und gyertek, was soviel heißt, wie ›komm‹, bzw. ›kommt‹. Das imperative Verb kann aber sonst (soviel ich weiß) auf keiner Weise konjugiert werden und hat auch keine Infinitivform. Ergo dürfte es sich um eine Entwicklung aus dem Wort für Kind handeln (und nicht umgekehrt). Umso mehr bemerkenswert und auf den ersten Blick unerklärlich ist der Zusammenhang mit ›komm‹… Jedenfalls gilt im Ungarischen die Etymologie des bereits im MA existierenden gyermek als völlig »unbekannt«. Da hab ich kurz im Lateinischen gesucht:

germen, ein Wort das man lediglich als ein Homophon von germanus wissen will, bedeutet etwa ›Samen‹, ›Keim‹, oder ›Sprössling‹ und soll (laut en.wiktionary) aus dem proto-indo-europäischen *ǵénh₁mn̥ stammen. Da vermute ich, dass zumindest das ungarische gyermek mit dem lateinischen Ausdruck in Verbindung steht. Da das doch recht alte Wort bei den Magyaren mit »kommen« im Zusammenhang verstanden wird, frag ich mich, warum das lat. Wort germanus, ursprünglich bei den Römern nur ›leiblich‹ (bzw. ›Bruder‹) bedeutet haben soll, und nicht etwa auch ›der gekommen ist‹? Abwegig?

Ich nehme an, dass Experten die Frage mit einem Wisch vom Tisch fegen können…
 
Ich hatte im Slawen-Thread den Namenssatz bei Tacitus erwähnt. es gibt unterschiedliche Übersetzungen, ich übersetze ihn mal frei aus der Erinnerung, "die, die zuerst den Rhein überschritten haben, so wie jetzt die Tungrer, wurden Germani genannt...". Von diesen wurde dann der Name auf alle gentes rechts des Rheins übertragen und dann auch von den rechts des Rheins Wohnenden für sich selbst als Überbegriff übernommen.

Wer sich hinter diesen Germanen verbirgt ist ungewiß. Es wäre aber nicht zu tollkühn die Germani cisrhenani hinter diesen Germani zu vermuten. Im Zusammenhang mit diesen oder als Teilgruppe dieser bezeichnet werden die Eburonen, Paemanen, Caeraesi/Caerosi, Condrus(ti) und Segner. Manche dieser Namen sind klar keltisch und keineswegs zwingend germanisch.

Es muß deshalb generell gefragt werden, ob Germani überhaupt germanisch ist.


Wer die Tacitus-Stelle selbst nachlesen will:

Tacitus: Germania (1-5), Das Land der Germanen und ihre Geschichte (lateinisch, deutsch) auf Latein und Deutsch.

Die zweite Stelle stammt von Caesar persönlich:

Bellum Gallicum 2,4,6:

Condrusos, Eburones, Caerosos, Paemanos, qui uno nomine Germani appellantur, arbitrari ad XL milia.

https://la.wikisource.org/wiki/Commentarii_de_bello_Gallico/Liber_II#4

und in Bellum Gallicum 6,32,1 werden noch die Segni erwähnt:

Segni Condrusique, ex gente et numero Germanorum, qui sunt inter Eburones Treverosque, legatos ad Caesarem miserunt oratum

https://la.wikisource.org/wiki/Commentarii_de_bello_Gallico/Liber_VI#32

Die Formulierung "uno nomine Germani appellantur" läßt sich auf zweierlei Art übersetzen:

  • die sich mit dem gemeinsamen Namen Germanen bezeichnen (Eigenbezeichnung der vorgenannten Stämme)
  • die mit dem gemeinsamen Namen Germanen bezeichnet werden (Fremdbezeichnung)

Vielleicht findet sich hier noch ein wenig etwas:

https://books.google.de/books?id=x6...&q=qui uno nomine Germani appellantur&f=false

(ich konnte das nur auf die Schnelle überfliegen.)
 
Damit sind wir auch bei der Problematik der Kontaktgruppe, bzw der Nordwestblockhypothese Hans Kuhns. Zwischen Kelten und Germanen sollen Ethnien gesiedelt haben, die sich je nach Mode, bzw. Machtverhältnissen der einen oder anderen Seite zugewandt haben. Das ganze ist umstritten. Es könnte sich auch einfach um ein Kulturkontinuum, etwa nach Art eines Dialektkontinuums handeln, wenn so ein Vergleich gestattet ist. Ein Spannungsfeld verschiedener kultureller Einflüsse. Welche Gegenden und Fundgruppen gemeint sind, wird unterschiedlich beschrieben.

Zu den Tungrern, die korrekte Übersetzung findet man im Wikipedia-Artikel, muß in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass sie in einem unklaren Verhältnis zu den Aduatucern standen ("Aduatuca Tungrorum"). Und die Aduatucern sollen laut Cäsar auf dem Marsch zurückgelassene Kimbern gewesen sein. Hier läge dann die Vermutung einer Vermischung Nähe.

Trotz Tacitus und den anderen Quellen ist es mit den Tungrern und Co. also rätselhaft.

Aber die Vermutung einer keltischen Fremdbezeichnug liegt nahe. Die Mannus-Legende bezeugt zwar ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl, aber die Eigenbezeichnungen mit den Namen der Mannusstämme scheint gegenüber dem Germanennamen sekundär zu sein. Jedenfalls erwähnt er Völker, die diesen Namen übernommen haben.

Dann fällt auf, dass bei den Kelten K oder G(?) sein kann, was bei den Germanen H ist. Damit wäre man glücklich bei der Vermutung Germanen = Herminonen, quasi in keltisch-lateinischer Verballhornung und gleichsam als Reimport.

Doch da kommt dann der Germanist, der unbedingt seine Idee vom Stabreim Ingwäonen, Istväonen, Herminonen beibehalten will. Dabei soll das H entfallen. Es sei stumm gewesen und nur durch den Griechen Strabo hineingekommen. Dummerweise schrieb Plinius Latein und war selbst in Germanien. Sein H kann also durchaus aus erster Hand stammen. Zudem gibt es keinerlei Beleg für so einen Stabreim. Es ist einfach aufgefallen, dass es gut passen würde. Da die drei Namen auch nicht immer zusammen erwähnt werden, kann auch daraus nicht auf eine Formel geschlossen werden. Aufgrund des Mannus-Mythos und der begründeten Vermutung (!) einer Tradition des Mythos in Gedichtform liegt eine Formel dennoch nahe. Aber ein Stabreim bleibt dennoch pure Spekulation. Ingwäonen und Istväonen können in einem Versuch gestanden haben, Herminonen in der nächsten.

Es kamen die Völkerwanderung und das Mittelalter. Und hier stoßen wir wieder auf die Mannus-Stämme. Ich meine im Vorwort der Lex salica. Und sehr wahrscheinlich auf die klassischen Schriftsteller zurückgehend und nicht auf germanische Überlieferung. Nur ist die Schreibweise anders. In jener Zeit ist das nicht so auffällig. Nur fehlt eben hier das H. Als man davon ausging, dass Gesänge zugrunde lagen, galt es als Beweis. Heute muss man konstatieren, dass es aufgrund der Sprachentwicklung fortgefallen sein kann. Da sind also die antiken Autoren nach dem aktuellen Sprachgebrauch korrigiert worden. Damit muss dem Wort noch eine Bedeutung zugekommen sein. Das bringt aber auch keine weitere Erkenntnis. Wir stehen genauso unwissend da, wie bei der Irminsul. Und genau wie dort dürfte die Interpretation als Name eines anthropomorphen Gottes in die Irre führen. Solche Vorstellungen sollen sich ja erst im Gefolge der Christianisierung gebildet haben.

Wahrscheinlich fällt irgendwann irgendjemandem ein besonders gut passende Möglichkeit ein, der -aus welchem Grund auch immer- Zustimmung zu Teil wird. Doch kann ich mir bei dieser Frage keine endgültige Klärung ohne neue Quellen vorstellen.

Allein die Frage, ob die 1.Lautverschiebung tatsächlich spät stattfand, oder die Überlieferten Namen von nicht germanischsprachigen Völkern (Kelten / Kontaktgruppe / Nordwestblock ) vermittelt worden, oder gar auf dem Weg zu Griechen und Römer verballhornt wurden, zeigt schon wie gering und unsicher der Grund ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vorausschicken möchte ich, dass ich mit Linguistik rein gar nichts am Hut habe und bitte deshalb um Nachsicht…

Ich hatte beim schnellen Durchlesen von paar Beiträgen hier eine seltsame Idee, deren Herkunft ich hier kurz beschreiben will:

Das polnische Wort giermek bedeutet ›Knappe‹ und kam vor 1500 aus dem ungarischen gyermek ins Polnische (zusammen mit weiteren Ausdrücken aus dem Militärwesen). Dort steht das Wort [mit extrem weichem »g«, etwa: djɛrmɛk] für ›Kind‹ und wird so ungefähr als ›der, der (kürzlich) gekommen ist‹ interpretiert. Diese Auslegung fußt in den ung. Ausdrücken gyere und gyertek, was soviel heißt, wie ›komm‹, bzw. ›kommt‹. Das imperative Verb kann aber sonst (soviel ich weiß) auf keiner Weise konjugiert werden und hat auch keine Infinitivform. Ergo dürfte es sich um eine Entwicklung aus dem Wort für Kind handeln (und nicht umgekehrt). Umso mehr bemerkenswert und auf den ersten Blick unerklärlich ist der Zusammenhang mit ›komm‹… Jedenfalls gilt im Ungarischen die Etymologie des bereits im MA existierenden gyermek als völlig »unbekannt«. Da hab ich kurz im Lateinischen gesucht:

germen, ein Wort das man lediglich als ein Homophon von germanus wissen will, bedeutet etwa ›Samen‹, ›Keim‹, oder ›Sprössling‹ und soll (laut en.wiktionary) aus dem proto-indo-europäischen *ǵénh₁mn̥ stammen. Da vermute ich, dass zumindest das ungarische gyermek mit dem lateinischen Ausdruck in Verbindung steht. Da das doch recht alte Wort bei den Magyaren mit »kommen« im Zusammenhang verstanden wird, frag ich mich, warum das lat. Wort germanus, ursprünglich bei den Römern nur ›leiblich‹ (bzw. ›Bruder‹) bedeutet haben soll, und nicht etwa auch ›der gekommen ist‹? Abwegig?

Ich nehme an, dass Experten die Frage mit einem Wisch vom Tisch fegen können…

Ich denke, Argumentationen mit ähnlich klingenden Wörtern im Ungarischen helfen nicht weiter. Das Ungarische ist - anders als Lateinisch, Germanisch und Keltisch - keine indogermanische Sprache, die zudem erst in Europa ab dem 9. Jhdt. gesprochen wurde.

Das Lateinische Germanus dürfte mit dem ungarischen Ausdruck wohl nichts zu tun haben (was nicht heißt, dass es im Ungarischen nicht auch Lehnworte aus dem Lateinischen gibt).

Irgendwo habe ich auch die volksetymologische Erklärung gelesen, dass Germania von gignere oder generare (zeugen) käme, weil es so viele Menschen im Lande gäbe...Na ja :grübel: Das überzeugt mich nicht so.


Hatten wir das schon gehabt?

First used by Caesar and Tacitus to describe tribes as distinct from the Gauls and originally from the east of the Rhine; of uncertain origin, but possibly from a Celtic/Gaulish word meaning "neighbor" (see Old Irish gair ‎(“neighbor”)) or "noisy" (see Old Irish garim ‎(“to shout”)).

https://en.wiktionary.org/wiki/Germanus#Latin

Köstlich - die Germanen als laute Nachbarn.:grübel:
 
Vorausschicken möchte ich, dass ich mit Linguistik rein gar nichts am Hut habe und bitte deshalb um Nachsicht…

Ich hatte beim schnellen Durchlesen von paar Beiträgen hier eine seltsame Idee, deren Herkunft ich hier kurz beschreiben will:

Das polnische Wort giermek bedeutet ›Knappe‹ und kam vor 1500 aus dem ungarischen gyermek ins Polnische (zusammen mit weiteren Ausdrücken aus dem Militärwesen). Dort steht das Wort [mit extrem weichem »g«, etwa: djɛrmɛk] für ›Kind‹ und wird so ungefähr als ›der, der (kürzlich) gekommen ist‹ interpretiert. Diese Auslegung fußt in den ung. Ausdrücken gyere und gyertek, was soviel heißt, wie ›komm‹, bzw. ›kommt‹. Das imperative Verb kann aber sonst (soviel ich weiß) auf keiner Weise konjugiert werden und hat auch keine Infinitivform. Ergo dürfte es sich um eine Entwicklung aus dem Wort für Kind handeln (und nicht umgekehrt). Umso mehr bemerkenswert und auf den ersten Blick unerklärlich ist der Zusammenhang mit ›komm‹… Jedenfalls gilt im Ungarischen die Etymologie des bereits im MA existierenden gyermek als völlig »unbekannt«. Da hab ich kurz im Lateinischen gesucht:

germen, ein Wort das man lediglich als ein Homophon von germanus wissen will, bedeutet etwa ›Samen‹, ›Keim‹, oder ›Sprössling‹ und soll (laut en.wiktionary) aus dem proto-indo-europäischen *ǵénh₁mn̥ stammen. Da vermute ich, dass zumindest das ungarische gyermek mit dem lateinischen Ausdruck in Verbindung steht. Da das doch recht alte Wort bei den Magyaren mit »kommen« im Zusammenhang verstanden wird, frag ich mich, warum das lat. Wort germanus, ursprünglich bei den Römern nur ›leiblich‹ (bzw. ›Bruder‹) bedeutet haben soll, und nicht etwa auch ›der gekommen ist‹? Abwegig?

Ich nehme an, dass Experten die Frage mit einem Wisch vom Tisch fegen können…

Auch Knappe bedeutet Kind, also Knabe, Jüngling, Bursche. (S. Kleines Mittelhochdeutsches Wörterbuch)

Kann es sein, dass eine neue soziale Erscheinung aus den 'germanischen' Ländern mit einem entsprechend verballhorntenen Namen bezeichnet wurde? Lautliche Ähnlichkeit muss nichts heißen und mit slawischen Sprachen kenne ich mich kaum aus. Aber die Frage scheint naheliegend.
 
Damit sind wir auch bei der Problematik der Kontaktgruppe, bzw der Nordwestblockhypothese Hans Kuhns.
...
Das ganze ist umstritten.

Nein, umstritten ist die Nordwestblockhypothese schon lange nicht mehr.

Zum Nordwestblock muss man folgendes wissen: Die Nordwestblocktheorie wurde im "Drei-Männer-Buch" vertreten: Völker zwischen Germanen und Kelten, 1962. "Drei-Männer-Buch" wird das Buch wegen seiner drei aus drei unterschiedlichen Disziplinen stammenden Autoren (Althistoriker Hachmann, Prähistoriker Kossack und Nordist Kuhn) genannt. Es hat bis heute Bekanntheit in der Ur- und Frühgeschichtsforschung, wird aber nur noch als wissenschaftsgeschichtlich bedeutsam angesehen. Der Nordwestblock gilt in den drei Fachwissenschaften als überholt und ad acta gelegt.
 
Ceterum Germaniae vocabulum recens et nuper additum, quoniam qui primi Rhenum transgressi Gallos expulerint ac nunc Tungri, tunc Germani vocati sint: ita nationis nomen, non gentis evaluisse paulatim, ut omnes primum a victore ob metum, mox etiam a se ipsis, invento nomine Germani vocarentur.

Man kann diese Stelle mit "und nun Tungrer, damals Germani genannt wurden" übersetzen. Allerdings nennt Cäsar keine Tungrer. Daher erscheint mir als Übersetzung besser, "die, welche zuerst den Rhein überschritten...so wie jetzt die Tungrer, wurden damals Germani genannt." Die Tungrer spielen also für das Germanenproblem des Namensatzes keine Rolle.
 
Damit sind wir auch bei der Problematik der Kontaktgruppe, bzw der Nordwestblockhypothese Hans Kuhns.

Die vor etwa 40 Jahren formuliert wurde und seit etwa 30 Jahren als widerlegt gilt ;)

Dummerweise schrieb Plinius Latein und war selbst in Germanien. Sein H kann also durchaus aus erster Hand stammen.
Kann sein oder auch nicht. Bereits im ersten Jahrhundert wurde das -h- im Lateinischen nicht mehr ausgesprochen. In Inschriften von Pompeji fehlt es und irgendein Dichter (reich ich nach, wenn er mir wieder einfällt) macht sich über die Pseudogebildeten lustig, die das -h- an Stellen einsetzen, wo es nun absolut nicht hingehört.
 
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