2 Kaiser in Europa - wieso war das möglich?

Laura123

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Ihr Lieben,

noch eine wichtige Frage, bei der ich komplett festhänge und nicht weiterkomme :-(
Der Kaisertitel des Mittelalters bedeutete ja, dass der Kaiser der Schutzherr der Christenheit ist, daher kann es nur einen Kaiser geben.
Das Erbe trat man im HRRdN an und es gab zunächst den deutschen Kaiser und nach Untergang des HRRdN dann den österreichischen Kaiser.
Napoleon krönt sich nun auch zum Kaiser (1804).
Wieso war das denn möglich, dass es nun 2 Kaiser im christlichen Europa gab? Ist das nicht ein kompletter Widerspruch? Wieso hat sich der Papst darauf eingelassen?

Liebe fragende Grüße, Laura
 
Wer solls kontrollieren? Die "Christenheit" hat keinen Gerichtshof und keine Polizei. Und wo nichts ist, hat der Kaiser bekanntlich sein Recht verloren.

"Zar" bedeutet auch Kaiser, also gab es 1806 schon drei wichtige Kaiser in Europa. 1876 wurde Königin Victoria auch Kaiserin von Indien. Da waren es schon vier.

Dann gab es noch die mehr exotischen Kaiser von Brasilien, Zaren von Bulgarien, Kaiser von Zentralafrika, Beckenbauer und bestimmt noch mehr
 
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Ihr Lieben,

noch eine wichtige Frage, bei der ich komplett festhänge und nicht weiterkomme :-(
Der Kaisertitel des Mittelalters bedeutete ja, dass der Kaiser der Schutzherr der Christenheit ist, daher kann es nur einen Kaiser geben.
Das Erbe trat man im HRRdN an und es gab zunächst den deutschen Kaiser und nach Untergang des HRRdN dann den österreichischen Kaiser.
Napoleon krönt sich nun auch zum Kaiser (1804).
Wieso war das denn möglich, dass es nun 2 Kaiser im christlichen Europa gab? Ist das nicht ein kompletter Widerspruch? Wieso hat sich der Papst darauf eingelassen?

Liebe fragende Grüße, Laura

Die Annahme des Kaisertitels war ein Rückgriff auf die Antike und drückte einen universalen Herschaftsanspruch aus. Den Titel eines Kaisers zusätzlich zu dem eines Zaren hatte schon Peter der Große nach dem Sieg über die alte Hegemonialmacht des Ostseeraums Schweden angenommen.

Napoleon hatte durch Staatsstreich 1799 das Direktorium gestürzt und sich zum Konsul gemacht, seit 1802 zum Konsul auf Lebenszeit. Die Kaiserkrönung durch Papst Pius VII. sollte der Legitimierung und Konsolidierung der Alleinherrschaft Napoleons dienen und sie drückte zugleich einen Anspruch auf Hegemonie in Europa aus.
 
Ja das ist richtig! Vielen Dank für eure tollen Beiträge!
Ich dachte mehr aus kirchlicher Perspektive, aus Sicht des Papstes ist es doch widersprüchlich (in Bezug auf die mittelalterliche Theorie des Papstes als Vertreter Gottes und des Kaisers als Schutzherrn der Christenheit; vgl. Karl der Große) zwei Päpste zu salben/krönen?
 
Ja das ist richtig! Vielen Dank für eure tollen Beiträge!
Ich dachte mehr aus kirchlicher Perspektive, aus Sicht des Papstes ist es doch widersprüchlich (in Bezug auf die mittelalterliche Theorie des Papstes als Vertreter Gottes und des Kaisers als Schutzherrn der Christenheit; vgl. Karl der Große) zwei Päpste zu salben/krönen?

Die Päpste haben eigentlich schon lange keine Kaiser mehr gekrönt. Die letzte Kaiserkrönung (Karl V.) durch einen Papst fand 1530 in Bologna statt.

Auch Napoleon ließ sich genaugenommen nicht vom Papst krönen; er setzte sich die Krone selber auf.
 
Ihr Lieben,
Wieso war das denn möglich, dass es nun 2 Kaiser im christlichen Europa gab? Ist das nicht ein kompletter Widerspruch? Wieso hat sich der Papst darauf eingelassen?

Historiker bezeichnen das gern als "Zweikaiserproblem" und meinen damit die Tatsache, dass der universale Anspruch des Kaisertums von mehreren Herrschern beansprucht wird. So gab es im Ost- und Weströmischen Reich zwei Kaiser, ebenfalls im Mittelalter, wo die karolingischen Kaiser und später die des Heiligen Römischen Reichs mit denen von Byzanz konkurrierten.

Interessant ist in diesem Zuasammenhang eine gütliche Verständigung zwischen Byzanz und den Karolingern, die 812 im Vertrag von Aachen besiegelt wurde. Danach sollte sich Karl der Große nur als Imperator ohne den Zusatz Kaiser "der Römer" nennen, während sich der byzantinische Herrscher als "Kaiser der Römer" bezeichnen durfte (Basileus tôn Rhômaion). Das Kaisertum des Abendlandes erkannte das später nicht mehr an und fügte seinem Imperator-Titel "römischer Kaiser" hinzu(Romanorum imperator augustus).

Das Zweikaiserproblem blieb ungelöst, vor allem als später weitere Kaiser wie der französische, russische und österreichischre hinzukamen.

Der Papst in Rom kam nie in die Verlegenheit, zwei Kaiser aus verschiedenen Ländern gleichzeitig krönen zu müssen. Erst waren das die karolingischen Kaiser und nach deren Erlöschen die des Heiligen Römischen Reichs.
 
Das Zweikaiserproblem blieb ungelöst, vor allem als später weitere Kaiser wie der französische, russische und österreichischre hinzukamen.

Wobei hier zu erwähnen wäre, dass die russischen Grossfürsten nach der Eroberung Konstantinopels die Nacholge des Kaisertitels von Byzanz für sich in Anspruch nahmen - sie hatten ja auch den "rechten" (orthodoxen) Glauben. Iwan III, der Grossvater von Iwan IV dem Schrecklichen, war der erste russische Zar. Iwans Ehe mit Sophia Palaiologa, der Nichte des letzten byzantinischen Kaisers Konstantin XI, begründete den russischen Anspruch auf die geistige und religiöse Nachfolge des byzantinischen Reichs, der u.a. durch die Übernahme des Doppeladlers in das russische Wappen dokumentiert wurde.
 
Der Papst in Rom kam nie in die Verlegenheit, zwei Kaiser aus verschiedenen Ländern gleichzeitig krönen zu müssen. Erst waren das die karolingischen Kaiser und nach deren Erlöschen die des Heiligen Römischen Reichs.

Papst Honorius III. hat am 9. April 1217 in Sankt Laurentius vor den Mauern von Rom Peter von Courtenay zum Kaiser des römischen Ostreichs (Byzanz) gekrönt. Am 22. November 1220 hat derselbe Papst in Sankt Peter zu Rom Friedrich II. zum Kaiser des römischen Westreichs gekrönt.:O
 
Historiker bezeichnen das gern als "Zweikaiserproblem" und meinen damit die Tatsache, dass der universale Anspruch des Kaisertums von mehreren Herrschern beansprucht wird. So gab es im Ost- und Weströmischen Reich zwei Kaiser
Das warf allerdings noch kein "Zwei-Kaiser-Problem" auf. Im spätantiken römischen sowie im byzantinischen Reich waren mehrere nebeneinander regierende Kaiser der Normalfall, wobei das "Nebeneinander" oft keine Konkurrenz, sondern eine bewusste Machtteilung darstellte. Auch die Idee einer administrativen räumlichen Teilung des Reiches war mit dem Untergang des weströmischen Kaisertums noch nicht erloschen. Kaiser Maurikios wollte noch Ende des 6. Jhdts. sein Reich unter seinen beiden älteren Söhnen teilen (wozu es durch seinen Sturz nicht mehr kam), wobei einer u. a. die verbliebenen Besitzungen in Italien erhalten sollte, sodass also ein neues "weströmisches" Reich entstanden wäre. Bei all diesen Modellen blieben aber die formelle Einheit und die staatsrechtliche Integrität des römischen Reiches gewahrt.
Das änderte sich, als Franken und Bulgaren Anspruch auf die Kaiserwürde erhoben.
 
Die Päpste haben eigentlich schon lange keine Kaiser mehr gekrönt. Die letzte Kaiserkrönung (Karl V.) durch einen Papst fand 1530 in Bologna statt.

Auch Napoleon ließ sich genaugenommen nicht vom Papst krönen; er setzte sich die Krone selber auf.

Na, immerhin ist er noch vom Papst gesalbt worden.

Seit Napoleon gibt es eine regelrechte Inflation von Kaiserreichen, es scheint nicht mehr allzu schwierig zu sein, sich diesen Titel zuzulegen:

Franz II, letzter rømisch-deutscher Kaiser, hat sich den østerreichischen Kaisertitel einfach geschaffen (und war somit eine zeitlang sogar "Doppel-Kaiser"), ohne dass das auf internationalen Widerspruch stieß.

Auf Haiti hat sich dann ein direkter Nachahmer Napoleons gefunden, der sich als Jaque I. zum Kaiser von Haiti krønen lies.
Æhnlich wie bei seinem Vorbild kam es noch zu einer Neuauflage ein paar Jahrzehnte spæter.

Und auch Mexiko erlebte seine kurzlebigen Kaiserreiche I. und II.

Brasilien wurde schon irgendwo erwæhnt, bleibt wohl noch der letzte "neuzeitliche" Kaiser Bokassa I., dessen Krønung nach Vorbild Napoleons ablief. Interessanterweise ist er m.W.n. der einzige Herrscher, der seinen Nachnamen als Kaisernamen innehatte.

Bei Brasilien weiss ich es nicht, aber bei allen anderen kann oder muss man in irgendeiner Form den Bogen zu Napoleon spannen.

Gruss, muheijo
 
Meiner Erinnerung nach hatten Mexikos erster Kaiser Augustine Itrubide und seine Anhänger im Unabhängigkeitskrieg den neuen mexikanischen Staat in der Tradition des vorkolonialen Aztekenreichs verortet. Im mexikanischen Kaiserreich wäre demnach das von den Spaniern zerschlagene Reich des Montezuma neubegründet worden, worauf auch der Aztekenadler im Staatswappen verweisen soll. Allerdings hatte sich die Idee von einem mexikanischen Kaiserreich nicht gegen die von den jungen USA importierten republikanischen Vorstellungen durchsetzen können und Augustine hatte sich schon mit dem ersten mexikanischen Kongress überworfen, worauf sein Kaisertum nach etwa einem Jahr schon wieder ein Ende gefunden hat.
 
Agustín Iturbide war ja zunächst kein Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung. Bereits ein Jahrzehnt zuvor, also um 1812, wurde der Adler auf dem Nopal, der die Schlange verschluckt als Symbol verwendet. Wobei Miguel Hidalgo eher die Virgen de Guadalupe als Nationalsymbol verwendete. Aber sein Schüler und gewissermaßen auch Nachfolger als Führer der Unabhängigkeitsbewegung, Morelos, verwendete den Adler.
 
Wobei hier zu erwähnen wäre, dass die russischen Grossfürsten nach der Eroberung Konstantinopels die Nacholge des Kaisertitels von Byzanz für sich in Anspruch nahmen - sie hatten ja auch den "rechten" (orthodoxen) Glauben. Iwan III, der Grossvater von Iwan IV dem Schrecklichen, war der erste russische Zar. Iwans Ehe mit Sophia Palaiologa, der Nichte des letzten byzantinischen Kaisers Konstantin XI, begründete den russischen Anspruch auf die geistige und religiöse Nachfolge des byzantinischen Reichs, der u.a. durch die Übernahme des Doppeladlers in das russische Wappen dokumentiert wurde.
Korrekt. Bezugnehmen darauf wird von Moskau auch als "das dritte Rom" (nach Rom und Konstantinopel) gesprochen.
 
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