Symbolik in der Frühgeschichte?

silesia

Moderator
Teammitglied
Wenn man den Bereich Frühzeit mit dem Stichwort Symbole durchsucht, gibt es schon eine Reihe von Themen (insbesondere Höhenmalereien, figurine Darstellungen).

Aus einem anderen Thema ist dieses interessant:
Neben diesen "technischen" (oder auch "utilitaristischen") Ansatz tritt irgendwann die von Anthropologen so genannte "symbolträchtige Handlung" [3]: Der "homo symbolicus" ist vielleicht 40-50.000 Jahre alt [4] und war ein Migrant, der mehr als seine älteren Vorgänger in der Lage war, sich Gedanken zu machen über die Götter und die Welt im Allgemeinen und über seine Geschlechtsorgane im Besonderen.
Das wird etwa so bei den zitierten Wunn u.a.: Götter, Gene, Genesis, dargestellt, mit dem Hinweis auf das endende mittlere Paläolithikum, und scheint Gegenstand einiger Diskussionen in der Literatur zu sein.

Die Phase von 150. bis 50.000 BP wird inzwischen mit der Entwicklung einer frühen Materialkultur in Afrika verbunden, sozusagen ein Entwicklungsstadium der "kulturellen und kognitiven Modernität", grob definiert als "symbolic behavior" und steigende "soziale Komplexität" (von manchen als bestätigt angesehen durch australische Funde gegen Ende dieser Phase). Dazu passt auch gut von jschmidt das Stichwort der Migration.

Die ältere Auffassung, auch derzeit noch vertreten, verortete diese Menschheitsentwicklung etwa um 45.000 in Europa, zB im Kontext der "cultural explosion" bis hin zum Aurignacien.

Die (fortlaufende) Kontroverse wird von Wightman dargestellt (Origins of Religion in the Paleolithic), mit dem Hinweis, dass inzwischen wohl überwiegend das afrikanische mittlere Paläolithikum als "Fundament" des späten europäischen Paläolithikums angesehen wird, auch wenn die Debatte hierüber weiter geführt wird. Wightman führt das weiter u.a. mit Beispielen von "monuments" und "Markierungen", sowie mit Materialien (Farben, etwa Ocker) als Symbolen.
 
Ohne mehr als die Einfühung von Wightman's Buch gelesen zu haben, nur eine Anmerkung zum Thema:

Eine ›explosionsartige‹ Beschleunigung der Kommunikationsfähigkeit des Menschen könnte man sicherlich in seiner Fähigkeit sehen, überhaupt abbilden zu können, wozu Tiere ja eigentlich nicht fähig sind,(1) sodass die Frage eigentlich sinnvoller wäre, ab wann dies unseren Vorfahren möglich war. Dazu habe ich aber lediglich eine kurze Aussage in einem Artikel des Journal of Anatomy gefunden, wo dies dem Homo Sapiens recht früh zugeschrieben wird: “Indeed, there is little archaeological evidence that even our relatively recent hominin ancestor, Homo erectus, was capable of such [generally systematic and task-domain neutral communication or] thought (Mithen, 1996). For example, prior to the origin of modern Homo sapiens, hominin tools lacked totem-like, symbolic decoration. By contrast, the archaeological record that dates roughly from the speciation of Homo sapiens shows clear evidence of domain neutral cognition – tools incorporate animal products, and display increasingly complex, symbolic decoration, often depicting fauna.”(2)


1. Gemeint ist nicht die Fähigkeit, mit Farben herumzuschmieren, woran u.U. auch Schimpansen Spaß haben können. Hierzu nebenbei ein Artikel der Welt mit dem reißerischen Titel Tiere können malen und klecksen wie ein Mensch, zu einer kürzlichen Ausstellung im Grant Museum of Zoology in London.
2. C.C. Sherwood, F. Subiaul u. T.W. Zawidzki, “A natural history of the human mind: tracing evolutionary changes in brain and cognition”, Journal of Anatomy, 2008/212, Kapitel Specializations in Homo sapiens– language, Abschnitt Generalized systematicity/domain independence.
 
Zuletzt bearbeitet:
Richtig, und neben das "bemalen" tritt die "Herstellung".

Als ein Beispiel (Wightman):
"Blombos Cave has also yielded evidence, dated about 100 kya, for the use of red ochre as paint. Ochre powder was mixed with charcoal and marrow fat in abalone shell containers (Henshilwood et al. 2011)"
 
"Ocker" lesend, fiel mir ein, dass vermutlich die Körper-Bemalung – wozu auch immer dienend – sehr viel älter ist als das (mehr oder minder künstlerische) Gestalten von Höhlenwänden usw.

Dabei stellt Wightman (S. 178) einen Zusammenhang her zum Verlust des 'dicken Fells' und meint, Körper-Bemalung könne von daher nicht älter sein als 1 mya. Etwas später (S. 210) nennt er für die Verwendung von Ocker in Afrika die Zeit "irgendwann früher als 100 kya" mit dem Zusatz "kann viel älter sein". [1]

Zu den frühesten Anwendern zählten vermutlich Frauen; siehe das bekannte "Female Cosmetic Coalitions"-Modell (Watts S. 71 f.), dessen Entstehung freilich in ein ganz weites Zeitfenster gelegt wird (ab 500 bis 150 kya).


[1] Siehe auch Ian Watts: Red ochre, body painting, and language, in: Botha and Knight (eds.), The Cradle of Language, S. 62-92.
 
"Ocker" lesend, fiel mir ein, dass vermutlich die Körper-Bemalung – wozu auch immer dienend – sehr viel älter ist als das (mehr oder minder künstlerische) Gestalten von Höhlenwänden usw.

Die Körperbemalung ist wohl sehr plausibel die "Vorstufe" für sonstige kultische Einsätze von Farben gewesen. Bzgl. des Ockers in Gemischen gibt es hier verschiedene Hypothesen (bei denen man ebenfalls nur über Plausibilität nachdenken kann), wie Schutzwirkung oder Farbähnlichkeit zu Blut.


Dabei stellt Wightman (S. 178) einen Zusammenhang her zum Verlust des 'dicken Fells' und meint, Körper-Bemalung könne von daher nicht älter sein als 1 mya. Etwas später (S. 210) nennt er für die Verwendung von Ocker in Afrika die Zeit "irgendwann früher als 100 kya" mit dem Zusatz "kann viel älter sein".

Das erste Zitat ist eigentlich eine offene Bestimmung, sozusagen als Untergrenze, aus der Literaturdiskussion: unter dem begrenzten Aspekt "marking the living body" (ohne auf die kultische Verwendung einzugehen).

Das zweite Zitat bezieht sich auf archäologische Nachweise, im Kontext der in diesem Kapitel diskutierten "Africa first"-Hypothese, und demnach ergibt sich "vage" irgendwann früher als 100 kya. Ich interpretiere das in seiner Gesamtdarstellung so, dass er in den Zwischenraum ab Einsetzen der Körperbemalung die kultische Verwendung (nach ca 1000 kya, vor ca 100 kya), iSd. oben zitierten Material- und Farbenkultur, verortet. Also in zwei plausiblen Entwicklungsschritten, wie Du oben dargestellt hast.
 
Die Körperbemalung ist wohl sehr plausibel die "Vorstufe" für sonstige kultische Einsätze von Farben gewesen. Bzgl. des Ockers in Gemischen gibt es hier verschiedene Hypothesen (bei denen man ebenfalls nur über Plausibilität nachdenken kann), wie Schutzwirkung oder Farbähnlichkeit zu Blut.

Bzgl. der Herstellung und Verwendung von Ocker über Jahrtausende gibt es eine neue Studie in der PLOS One:

Patterns of change and continuity in ochre use during the late Middle Stone Age of the Horn of Africa: The Porc-Epic Cave record

"Ochre pieces, often modified by grinding and scraping to produce red powder, and ochre-stained objects (grindstones, ochre containers, lithic and bone tools, personal ornaments) represent one of the most controversial features found at Middle Stone Age (MSA) and Middle Palaeolithic sites. It is often argued that such innovation reflects cognitive complexity, and many consider ochre as a marker of symbolically mediated behaviour.

Some authors consider that body painting in the earliest group rituals were primarily indexical and that only once ochre use became ubiquitous, such use was part of “symbolic culture”.

However, some have argued that inferring symbolism from such an equivocal archaeological feature is risky, preferring functional explanations such as hide tanning, adhesive production, insect repellent, antiseptic treatments, or sun protection as viable alternative interpretations.

Still others contend that there has been an unnecessary polarisation around the distinction between symbolic and utilitarian activities that fails to account for the complex interplay between functional and symbolic activities in traditional human cultures."

Bericht aus der Presse:
Middle Stone Age Ochre Use Examined - Archaeology Magazine
 
Some authors consider that body painting in the earliest group rituals were primarily indexical and that only once ochre use became ubiquitous, such use was part of “symbolic culture”.
Eine rötliche Farbe in der Natur bedeutet bereits, ganz ohne menschliches Zutun, hier ist erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich. Dass sich der Mensch gewisse Körperstellen, bzw. Knochen mit rötlichen Farbtönen beschmierte, bedeutet also nur, er wollte den Blick dorthin lenken. Dies ist jedoch noch weit entfernt von einer symbolic culture.

Von mehr als nur naturgegebener Symbolhaftigkeit kann man erst reden, wenn das Symbol möglichst ausschließlich auf Konventionen beruht, die zuerst kommuniziert, d.h. erlernt werden müssen.
Malt sich eine Kriegergruppe ein fettes schwarzes Kreuz auf den Bauch, um sich gegenseitig zu erkennen, wird dies auch der Feind sofort kapiert haben (und wahrscheinlich auch der Wildesel, der nebenan weidet). Solche Praktiken deuten meiner Ansicht nach noch nicht auf eine symbolic culture, sondern lediglich auf eine ‘marking culture’, die jedoch sicherlich eine Voraussetzung fürs Erstere darstellt. Fortgeschrittener wird es, wenn diese Markierungen differenzierter werden, wenn bspw. der Häuptling einen Kreis auf den Bauch erhält. Doch wahrhaft symbolisch wird es erst, wenn die Markierung vom Markierten getrennt und trotzdem verstanden wird: auf dem Baumstamm, auf dem der Häuptling zu sitzen pflegt, wird ein großer Kreis aufgemalt. Erst von diesem Moment an kann man von einer symbolic culture sprechen.


Nachtrag: das fiktive Beispiel mit dem Kreuz auf dem Bauch hinkt ein Bisschen, da ein Kreuz bereits die Konvention für eine Markierung darstellt.(dennoch wird ihn aber auch der Esel wahrnehmen und registrieren können) Nehmen wir also besser schwarze Flecken mit Kohle und schwarze Striche für den Häuptling… :grübel:
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Hinweis auf die Blutsymbolik der Ockerfarbe wurde in diesem Thread schon gegeben, ohne dass das Wesentliche dabei zur Sprache kam. Mit allergrößter Wahrscheinlichkeit fungiert das Ocker - zumindest in sehr vielen Fällen - nämlich als Symbol des weiblichen Menstruationsbluts. Dafür sprechen zahlreiche Indizien. Das Thema ist im ganzen sehr komplex, ich beschränke mich für heute auf zwei Zitate:

Richard Rudgley (Anthropologe und Ethnologe), The Lost Civilizations of the Stone Age, 196:

In the Cougnac cave in Quercy, France, there is a natural cavity which suggests the shape of the vulva, and this similarity of form was apparent to the prehistoric people who frequented the cave and stained it with red ochre to symbolize the menstrual flow rather than displaying any erotic connotations.
Prof. Chris Stringer (Natural History Museum London), The Origin of Our Species, Kap. 5:

The symbolic use of red ochre began as part of a female response to accumulating social and reproductive stresses caused by the increasing demands of pregnancy, infant and child care, and the need for male provisioning. The blood-red pigment was deployed by menstruating and non-menstruating women, speared on their bodies to spread the taboo on menstruation across alliances of female kin.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das erste Zitat betrifft einen Pausenclown der Anthropologie.

Beim zweiten Zitat würde sich der Zitierte vermutlich gegen die Verunstaltung verwahren.
 
Symbolik

Hallo

ich bekomme immer wieder einen (Lach)Anfall, wenn Leute Symbole deuten wollen, ohne auch nur den hauch eines Interpretationsansatzes in Form von schriftlichen Quellen, oder oraler Tradition zu haben.
Im 1. Zitat mag das mit sehr viel Fantasie und noch mehr Daumen drücken zutreffen, nur was ist dann mit den anderen Höhlen,die keine Vulvaform haben und in denen auch Ockerfarbe auftritt !
Ist dann Annahme1 aus Zitat1 Schwachsinn, oder sind dann dem Ocker auch andere symbolische Deutungen zumutbar und wer hat dann die Deutungshoheit ?

mfg
schwedenmann
 
Dass sich Prof. Chris Stringer, wie Silesia meint, "vermutlich gegen die Verunstaltung verwahren würde", ist angesichts des Zitates eine sinnlose Behauptung, da Stringer - siehe Zitat - ganz eindeutig eine Beziehung zwischen Ocker und Menstruation herstellt. Was Silesia in bezug auf das korrekte Zitat mit "Verunstaltung" überhaupt meint, ist mir unklar.

Übrigens wurde ich auf Stringer via Homepage von Prof. Chris Knight (siehe Zitate unten) aufmerksam, der mit seiner Doktorarbeit "Blood Relations - Menstruation and the Origins of Culture" den Zusammenhang Ocker-Menstruation erstmals in weiteren Kreisen bekannt gemacht hat und auf dessen Werk häufig in der Fachliteratur hingewiesen wird, wenn es um dieses Thema geht. Ich habe ganz unten mehrere Passagen daraus zitiert, die anthropologisches Material zum Thema enthalten.

Hier ist Knights Homepage:

» Chris Knight (1995). Blood Relations: Menstruation and the origins of culture. New Haven & London: Yale University Press.).

Dem Stringer-Zitat geht im Originaltext ein Hinweis auf Chris Knights Theorie voraus, der zeigt, wie ernst diese von einem für das Natural History Museum London arbeitenden Professor genommen wird, der in seinem eigenen Werk selbst Belege dafür vorbringt.

Vermutlich wird Silesia, um die Menstruationshypothese zu entkräften, kritisch auf Knights marxistischen Hintergrund hinweisen. Ob ihm das Kunststück gelingt, in überzeugender Weise den Schluss von einer politischen Anschauung auf die Falschheit einer Farbinterpretation zu ziehen, bleibt abzuwarten. Ich bin gespannt.

Nochmals Prof. Stringer, hier über Prof. Knight:

From the evidence of burials and symbolic objects, rituals and religious beliefs probably go back more than 100,000 years, but could they actually have been central to the origins of modern humans? A British anthropologist, Chris Knight, certainly thinks so, and in a wide-ranging synthesis of data from present-day anthropology, primatology and sociobiology, together with archaeology, he and his collaborators have argued that women collectively produced a social revolution in Africa over 100,000 years ago. The symbolic use of red ochre began as part of a female response (...) The blood-red pigment was deployed by menstruating and non-menstruating women, speared on their bodies to spread the taboo on menstruation across alliances of female kin.
Schwedenmanns Kommentar ist undurchdacht und ein bisschen arg pennälerhaft formuliert. Ich schrieb ausdrücklich, dass Ocker "in zumindest sehr vielen Fällen" das Menstruationsblut symbolisiert. Das schließt andere Fälle nicht aus, in denen diese Symbolik nicht oder nicht unmittelbar gilt.

Hier sind Passagen aus Knights "Blood Relations - Menstruation and the Origins of Culture":

Among the Aranda, deposits of red ochre – “blood” – were formed by the mythical Unthippa women: their sexual organs dropped out from sheer exhaustion, caused by their uninterrupted dancing over the spots where the ochre now lies (Spencer and Gillen 1927: 1: 345). Collective feminine bleeding appears in other Aranda myths. At a point along the Finke River is a traditionally-used red ochre pit. At this spot two kangaroo women “caused blood to flow from the vulva in large quantities, and so formed the deposit of red ochre”. Travelling away westward, “they did the same thing in other places” (Spencer and Gillen 1899: 483-4). Over much of Aboriginal Australia (Flood 1983: 46, 238), red ochre was a recurrently-used symbol of ritual power.

(...)

In any myth, an alknarintja may be recognised by the fact that she is constantly decorating herself with red ochre, is associated with water and is “frequently represented as menstruating copiously” (Róheim 1974: 150). Such women possess bullroarers and other symbols of power, and have solidarity – evoked in one song through the image of a clump of bushes “so thick and so pressed against each other that they cannot move separately” (Róheim 1974: 144).

(...)

When a Murngin girl has her first menses the mother and older women put her inside a hut and leave her. She is supposed to remain in one place and move with digging sticks as crutches. “This represents the myth of the two old women who made the present world walking with the aid of digging sticks; the older of the two was menstruating (Warner 1957: 75). It is believed that menstruation is due to the sexual act, and that the blood “is not dangerous to a woman” although sea must be careful (Warner 1957: 75). When an older man takes a pre-adolescent girl as wife, he helps the mother perform the above little ritual at her first menstruation. After this is over the husband paints her with red ochre (this is always done for mourners after the death of a relative).

(...)

Even in this region, though, the “political inversion” has been carried some way. A girl at her first menstruation becomes particularly powerful and feared: she must keep away to avoid harming people, living for three days in a menstrual hut with the opposite of water – with, namely, a constantly-burning fire. By staying close to this fire and never going near water she avoids the attention of the Rainbow. At the end of her seclusion, her hair and body are completely covered with red-ochre.

(...)

At the end of the myth of Mutjingga, the women “hit their own heads so that the blood flowed”. In both myths, therefore, women lose blood, and although in the story of Mutjingga this is not explicitly said to connote menstruation, a connection can be inferred. Among the Murinbata as among the Yolngu, women collectively cut their heads when mourning their dead. In the Yolngu case, at least, “... the red ochre painted on the body during mortuary ceremonies is said to be (or to signify) the menstrual blood of female clan ancestors. This suggests that the symbolic significance of women cutting their heads in mourning ... lies partly in its analogy with menstrual blood and female menstruation” (Morphy 1977: 318).

(...)

The men all carry spears and dance around the women, prodding them lightly with the shafts, so that they “awaken” and sit up, and look towards the hut in which the boys are hidden. Then:
“They see the young initiates coming out of the bushes (used to form the hut) emerging from the uterus, all covered with red-ochre that symbolizes ‘the spring blood (i.e. ‘fountainblood’, ‘menstrual blood’) of the Wauwalak.’
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist es undurchdacht (und pennälerhaft) festzustellen, dass es mindestens schwierig ist, Symbole aus Kulturen zu deuten, aus denen man keinerlei schriftliche Nachrichten hat? Die meisten Menschen im sogenannten christl. Abendland können nicht mehr die Symboliken der christlichen Kirchen lesen (was du sicher begrüßen wirst, was aber jenseits aller Bewertung von Religion ein echtes Bildungsproblem darstellt, mit dem auch Kunst-, Geschichts-, Sprachlehrer etc. zu kämpfen haben). Die Behauptung, Symbole aus der Steinzeit deuten zu können, ist ohne schlagende Argumente schlicht unseriös. Also: Welche sind das konkret?! Bitte keine Autoritätenargumente. Mich interessiert nicht, dass Professor X etwas sagt sondern warum er das sagt! Nur das Warum zählt im wissenschaftlichen Diskurs. Die Autoritätennennung dient nicht dem Beweis, sondern ist die gebotene Ehrlichkeit, dass eine Idee nicht von einem selbst sondern von dem Giganten auf dessen Schultern man sitzt, stammt.

Dass australische Aborigines das Vorkommen von Ocker mit ätiologischen Legenden erklären, in denen es zu Kollektivmenstruationen kam (bei denen die Frauen zu allem Überfluss noch mit ihrem Menstruationsblut auf Leute zielen konnten) ist keine ausreichende Erklärung, dass in anderen Kulturen, die länger als 300 Jahre vergangen sind (pi mal Daumen der Erstkontakt zwischen Europäern und Aborigines) Ocker unbdingt mit Menstruationsblut konnotiert ist, dazu bedarf es stichhaltigerer Beweise. In den europäisch geprägten Ländern ist weiß die Farbe der Unschuld und schwarz die der Trauer. Im asiatischen Raum ist zeitgleich die Farbe weiß die der Trauer. Die Swastika ist für Inder ein Sonnensymbol, für Hopi der Hinweis, in welcher Weise ein Clan die Welt durchwandert hat und für den Rest der Welt das Symbol einer rassistischen Bewegung - wogegen sich die Basken mit ihrem Lauburo (nach ihrer Auffassung keine Swastika) mal mehr mal weniger streng (je nach polit. Coleur) verwehren. Alles zeitgleich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist es undurchdacht (und pennälerhaft) festzustellen, dass es mindestens schwierig ist, Symbole aus Kulturen zu deuten, aus denen man keinerlei schriftliche Nachrichten hat?.

Du stellst meine Aussage betr. Schwedenmann unkorrekt dar. Ich schrieb "pennälerhaft formuliert". Ich bezog mich mit "pennälerhaft" also nicht auf das Inhaltliche des Schwedenmann-Kommentars, dieses habe ich vielmehr als "undurchdacht" bezeichnet. Schwedenman schreibt nicht (wie du suggerierst), dass Symbolinterpretationen für das Paläolithikum "mindestens schwierig" sind, sondern er hält Symbolinterpretationen für jene Zeit für grundsätzlich unmöglich. Leider bedenkt er dabei nicht, dass Rückschlüsse aus Symbolismen in heutigen Sammler-Jäger-Kulturen auf das Paläolithikum eine gängige Methode in der Anthropologie sind. Beispiele für solche Symbolismen habe ich zuhauf geliefert (im meinem heutigen Post und in meinem gestrigen Post mit dem Stringer-Zitat).

Übrigens wäre der ganze Thread total überflüssig, wenn Schwedenmann recht hätte; er müsste seinen Einwand eigentlich an Silesia richten, der das Thema "Symbolik in der Frühgeschichte" aufgemacht hat.

Also: Welche sind das konkret?! Bitte keine Autoritätenargumente. Mich interessiert nicht, dass Professor X etwas sagt sondern warum er das sagt! Nur das Warum zählt im wissenschaftlichen Diskurs. Die Autoritätennennung dient nicht dem Beweis, sondern ist die gebotene Ehrlichkeit, dass eine Idee nicht von einem selbst sondern von dem Giganten auf dessen Schultern man sitzt, stammt.

Siehe das von mir zitierte anthropologische Material, das solche Hypothesen erlaubt. Dass du deine Frage "Welche sind das konkret?" überhaupt vorbringst, zeigt, dass du selbst nicht dazu recherchiert hast, andernfalls hättest du die von mir benutzte Quelle (Chris Knight) ebenfalls finden können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Schwedenman schreibt nicht (wie du suggerierst), dass Symbolinterpretationen für das Paläolithikum "mindestens schwierig" sind, sondern er hält Symbolinterpretationen für jene Zeit für grundsätzlich unmöglich.
Och, ich sehe das im Grunde genauso wie Schwedenmann, nur formuliere ich gerne mal etwas weicher. Deshalb mindestens schwierig. Das ist eine Konzession. Nichts weiter.

Leider bedenkt er dabei nicht, dass Rückschlüsse aus Symbolismen in heutigen Sammler-Jäger-Kulturen auf das Paläolithikum eine gängige Methode in der Anthropologie sind.
Analogieschlüsse sind in den Geisteswissenschaften, insbesondere in der Archäologie manchmal notwendig. Jedoch gerade im Bereich der Semantik und Semiologie verbieten sie sich fast.

Beispiele für solche Symbolismen habe ich zuhauf geliefert (im meinem heutigen Post und in meinem gestrigen Post mit dem Stringer-Zitat).
Deinen gestrigen Post - der in einem anderen Threaad stehen muss - habe ich nicht gelesen; in deinem heutigen Post ist der Beleg für die Deutung steinzeitliche Symbole (wir reden hier über die längste Epoche der Menschheitsgeschichte!!!) die Symbolik der Aborigines, wie sie sich Postkontakt darstellt. Zudem basierend auf der Literatur des 19. Jhdts. Finde ich mindestens schwierig. Man hat im Kolonialzeitalter als inferior wahrgenommene Kulturen gerne sexualisiert. Sprich, es mag so sein, dass hier tatsächliche Aborigine-Mythen wiedergegeben wurden (wobei ja eigentlich nur von Stämmen die Rede ist, ohne Anspruch darauf, dass das für alle australischen Aborigines gleichermaßen gälte), aber diese können durchaus durch rassistische und zivilisationistische Zuschreibungen verzerrt sein.

...andernfalls hättest du die von mir benutzte Quelle (Chris Knight) ebenfalls finden können.
Naja, immerhin habe ich heraugefunden, dass die ganzen Daten aus dem Kolonialzeitalter stammen und sich nur auf die nördlichen Aborigine-Stämme beziehen, also nicht einmal für eine Generalsymbolik der Aborigines herangezogen werden könne, geschweige denn weltweit und für die letzten 200.000 Jahre.

Das Problem bei schriftlich nicht fixierten Mythen ist doch ihre Veränderlichkeit. Wenn man sich z.B. mal mit den Mythen der Hopi befasst, die angeblich seit dem Beginn der Welt weitergegeben werden und dann findet man darin plötzlich Autos, Flugzeuge und Plastik, dann ist klar, wie veränderlich Mythen gerade im Kontakt mit Neuzuwanderern (mit oder ohne technologische Errungenschaften) ist.
 
Symbolik

Hallo


@chan
Leider bedenkt er dabei nicht, dass Rückschlüsse aus Symbolismen in heutigen Sammler-Jäger-Kulturen auf das Paläolithikum eine gängige Methode in der Anthropologie sind.

Das macht diese Methodik immer noch nicht richtig, meine Meinung.
Das sich Symbole wandeln, oder gar konträr verstanden werden im Laufe der Zeit, lässen diese Analogieschlüsse komplett außer acht.

@chan
ch schrieb ausdrücklich, dass Ocker "in zumindest sehr vielen Fällen" das Menstruationsblut symbolisiert. Das schließt andere Fälle nicht aus, in denen diese Symbolik nicht oder nicht unmittelbar gilt.

Also entweder Ocker ist ein Symbol mit eienr Bedeutung, oder es hat mehrere Bedeutungen. Wie du die Bedeutungen auseinanderhalten willst entzieht sich dann meiner Kenntnis. Im Mal bei dem Höhlenbeispiel in Vulvaform zu bleiben. Was bleibt denn von der symbolik des Ockers übrig, wenn die Paläolithiker diese Höhle gewählt habne, nciht wegen der Vulvaform, sondern weil es die einzige Höhle in der Jagdregion war, die Schutz bot, oder nur dort zu dieser zeit genug Wild vorhanden war, die Form absolut keine Rolle spielte, weile s die Einzige Höhle für sie war, dann kannst du diese Symboldebatte in die Tonne kloppen (ganz pännalerhaft gesprochen), denn unter Wissenschaft versteh ich was anderes und das ist mir im Srudium auch so beigebracht worden.

P.S. Symbolik und Frühgeschichte scheint heute sowieso hibster zu sein, aber anscheinend nur bei Anthropologen, bei Archäologen ist das eher selten der Fall, die sind da mit Interpretationen sehr vorsichtig, mein Eindruck.

mfg
schwedenmann
 
Ich unterscheide Symbole jetzt mal in zwei Gruppen:
Gruppe 1 willkürliche Smybole und Gruppe 2 unwillkürliche Symbole
Willkürliche Symbole sind beispielsweise die mathematischen Operatoren. Es ist festgelegt, dass + plus - minus : oder / geteilt * oder x mal bedeutet etc.
Unwillkürliche Symbole sind Symbole, welche eine eindeutige Eigenschaft des Symbolisierten nachahmen. Z.B. dies hier:

female-294094_960_720.png

Damit ist eindeutig ein Nordbrite aus den Hochlanden gemeint. :fs:
Buchstaben liegen dazwischen. Sie basieren ja im Grunde genommen auf einer bis zur Unkenntlichkeit abstrahierten Hieroglyphenschrift, zwar können wir in unserem M noch die Wellenlinie für Wasser wiedererkennen, wissen aber i.d.R. nicht, dass der Buchstabenname im Punischen genau das hieß: Wasser. Insofern ist hier die Symbolik noch gegeben und wird von uns mangels Kenntnis doch nicht erkannt, für uns ist der Buchstabe einfach ein einen Laut wiedergebendes Graphem.

Die Farbe rot symbolisch für Blut zu verwenden - die zwei auffälligsten Eigenschaften von Blut sind, dass es flüssig und rot ist - ist naheliegend. D.h. im Umkehrschluss aber nicht, dass alles, was rot ist und als Dekoration benutzt wird und evtl. symbolische Bedeutung hat, auch mit Blut verbunden ist. Sicher mit Blut/rot verbunden sind in unserem Symbolsprektrum etwa Krieg (Mars, der rote Planet!) oder die Liebe. Also rot kann Blut symbolisieren. Wenn rot Blut symbolisiert, kann es auch in den entsprechenden Kontexten Menstruationsblut symbolisieren. Aber Blut fließt auch bei der körperlichen Auseinandersetzung, oder beim erlegten Jagdwild etc. Würde man nun apodiktisch behaupten, Blut/rot steht in der Steinzeit immer für das Jagdglück, den Inititationsritus junger Krieger und Jäger oder für das Kriegsglück, müsste das zu recht zurückgewiesen werden. Und wenn wir wissen, dass Blut/rot bei der quasisteinzeitl. lebenden Ethnie X Jagdglück symbolisiert, können wir das deshalb noch lange nicht auf das Mousterien oder Gravettien übertragen.

Psychogene Pflanzen haben rote Blüten (Mohn) oder Schirme (Fliegenpilz), Kupfer schimmert rötlich, oxidiertes Eisen schimmert rötlich (was für die Steinzeit natürlich beides zunächst mal nebensächlich ist).
 
Psychogene Pflanzen haben rote Blüten (Mohn) oder Schirme (Fliegenpilz)
An diese Farbsymbolik hatte ich auch schon gedacht...

Dass der prähistorische Schamanismus solche Mittel einsetzte, ist aufgrund bestimmter Darstellungen in Höhlenmalereien z.B. in Nordafrika gesichert. Unstrittig ist auch der Pilzkonsum bei den sibirischen Schamanen. Laut Lewin (1927) wurden in dieser Kultur Fliegenpilze pro Stück im Wert eines Rentiers gehandelt.
...
... Of particular interest for our study is the Sumerian word GAN-NU, used of the red dye cochineal.14 This, also, derives very probably from the red top of the Amanita muscaria...
(…)​
myth_makers/have simply added to the name the Semitic epithet Tabbal, “the c’ipper” (baptizer), or “dyer”,19 derived ultimately from the same Sumerian *TAB_BA_R/LI, “mushroom”, that gave Accadian its tabarru, “red dye”, and Latin its tablion, “purple fringe”, just mentioned. The name and title of “John the Baptist” in the New Testament story then, means no more than the “red-topped mushroom”​



Wie du die Bedeutungen auseinanderhalten willst entzieht sich dann meiner Kenntnis.

Muss man denn die Bedeutungen auseinanderhalten? Es sollte doch möglich sein, auch den Fliegenpilz und alles andere von der Menstruation abzuleiten...

"... we have seen how human gestation of the foetus in the womb was paralleled in the eyes of the ancients by the growth of the sacred fungus from the menses..." "... Recalling that exposure of the female genitals and application of menstrual blood was considered an essential part of releasing the fungus..." etc.
 
Echter Schlafmohn blüht weiß oder violett und von alle Geschlechtern ist das blaue Blut am edelsten. Und Ocker ist eigentlich ein Gelbton. :grübel:
Ist Farbenblindheit eigentlich die Grundvoraussetzung für jede Theoriebildung?=)

Der rote Fliegenpilz mag in Sibirien als Drogen genutzt worden sein.
In Europa sind die Belege für Fliegenpilznutzung eher gering bzw. basieren in erster Linie auf Spekulation, obwohl der Pilz hier natürlich vorkommt.
Welche Farbe hat das Rauschmittel in Europa. Grün wie Marihuana oder eher schwarz wie Haschisch?:autsch:

Da die Semiotik erst im 19. Jahrhundert durch Ferdinand de Saussure begründete wurde, ist diese Form der Wissenschaft den Archäologen sicher durch die Lappen gegangen.
Das verrückte an Symbolen ist, dass sie arbiträr sind. Zwischen dem Zeichen und dem Bezeichneten gibt es keinen Zusammenhang.
Rot bedeutet an der Ampel etwas "Halt" und als politische Fahne "Vorwärts". Und aus der Fernsehwerbung weiß ich natürlich auch, dass die Menstruation blau verläuft.=)
Es gibt keine unwillkürlichen Symbole, höchstens Metaphern. Und selbst Metaphern kann man nur im Kontext deuten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Roter Ocker ist aber nicht blutrot, sondern höchstens rotbraun.

Wegen der Semiotik sollte unbedingt berücksichtigt werden, dass die Himba eine andere Unterteilung des Farbspektrums als die Deutschen vornehmen.
Wikipedia
The OvaHimba use four colour names: zuzu stands for dark shades of blue, red, green and purple; vapa is white and some shades of yellow; buru is some shades of green and blue; and dambu is some other shades of green, red and brown. It is thought that this may increase the time it takes for the OvaHimba to distinguish between two colours that fall under the same Herero colour category, compared to people whose language separates the colours into two different colour categories.
 
Zurück
Oben