jadaniil

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Was ist mit diesem Satz" Sich als Verteidiger europäischer Zivilisation zu gebärden, haben die am wenigsten das Recht, die sich mit Russen und Serben verbünden und der Welt das schmachvolle Schauspiel bieten, Mongolen und Neger auf die weiße Rasse zu hetzen." gemeint?
Ich verstehe nämlich nicht, inwiefern die Alliierten die Mongolen und Neger auf die weiße Rasse gehetzt haben?
 
https://de.wikipedia.org/wiki/Manifest_der_93

Das „wording“ erklärt sich durch Kriegspropaganda.

Es geht um die Entente, die einerseits Kolonialsoldaten aufzubieten drohte, die an der Westfront kämpfen würden, und andererseits die Verbündeten Russlands im Ersten Weltkrieg waren, für das ein Bild skizziert wurde, vorwiegend mit „mongolischen Horden“ und sibirischen Divisionen (die ersten ostasiatischen Mobilisierungen trafen 1914 an der Ostfront ein) anzustürmen.
 
Ich verstehe nämlich nicht, inwiefern die Alliierten die Mongolen und Neger auf die weiße Rasse gehetzt haben?

Haben sie ja auch nicht.

https://de.wikipedia.org/wiki/Manifest_der_93

Und der Kontext dieses Manifests ist die intensive ideologische Kriegsführung, die relativ schnell nach Kriegsbeginn einsetzte.

Im Kern ging es um die Deutungshoheit, wer moralisch eher legitimiert war, zu den Waffen zu greifen, um auch übergeordnete kulturelle Werte zu verteidigen.

Dabei spielte die Funktionalisierung von Feindbildern eine extrem wichtige Rolle. Ohne das russische Feindbild hätte die SPD nicht für diesen Krieg gestimmt. Es war allerdings kein künstlicher "Strohmann", der da inszeniert worden ist, sondern die politischen und militärischen Eliten waren "depressiv gestimmt" angesichts der Entwicklung in Russland.

Das zentrale Feindbild, das in 1914 - auch bei Moltke und Bethmann eine Rolle gespielt hatte - war die Angst vor der raschen Bevölkerungsentwicklung von Russland. Diese wurde dann als "russische Walze" oder "Flut" oder mit ähnlichen Symbolwerten einer "Naturgewalt" aufgeladen.

Die ideologische Auseinandersetzung betraf jedoch auch zwei Kulturnationen, indem die Franzosen ihre "Zivilisiertheit" und die die Deutschen ihre "Kultur" betont haben. Mit jeweils anderen Schwerpunkten.

Dabei war vor allem im Verlauf der Krieges die britische Propaganda sehr erfolgreich, in der Weltöffentlichkeit ein sehr negatives Bild von Deutschland zu zeichnen und sich gleichzeitig in ein sehr positives Licht zu setzen. Dieses Vorgehen wurde für GB nach dem Krieg zum "Bumerang" als Zweifel an den Darstellungen von GB aufkamen und die Glaubwürdigkeit von GB beschädigt wurde. Ein Glaubwürdigkeitsdefizit von dem noch Hitler und sein Holocaust profitieren konnten.

Insofern spiegelt das Manifest in sehr komplexer Weise die - ideologisch aufgeladene - Selbstwahrnehmung der Deutschen wider und ebenso die verzerrte Wahrnehmung der europäischen Nachbarn.

Dass dabei die Aussagen des Manifests - aus heutiger Sicht - nicht zutreffen, belegt wohl auch, dass das erste Opfer eines Krieges fast immer die "Wahrheit" ist. Auf allen Seiten.

Ansonsten finden sich eine Reihe von Beiträgen zu den Kriegsverbrechen in Belgien im Forum und zur Kriegsführung im Osten.
 
Was ist mit diesem Satz" Sich als Verteidiger europäischer Zivilisation zu gebärden, haben die am wenigsten das Recht, die sich mit Russen und Serben verbünden und der Welt das schmachvolle Schauspiel bieten, Mongolen und Neger auf die weiße Rasse zu hetzen." gemeint?
Ich verstehe nämlich nicht, inwiefern die Alliierten die Mongolen und Neger auf die weiße Rasse gehetzt haben?
Also meinen sie also mit diesem Satz "...und der Welt das schmachvolle Schauspiel bieten, Mongolen und Neger auf die weiße Rasse zu hetzen.", mit der weißen Rasse sich selber, also quasi die deutschen Soldaten (bzw. deutsches Volk)?
Wenn ja erscheint esse für mich irgendwie sinnlos, da ja die Britten und Franzosen auch größtenteils "weiße Rasse" waren, aber sie hetzen ja die Mongolen und "Neger" nicht gegen sich selbst auf?!
 
Dieses Manifest war eine ideologische Rechtfertigung der deutschen Kriegführung. Sie versuchte zu Überzeugen, dass das Kaiserreich in einen ihm aufgezwungenen Existenzkampf stehe, dass es angesichts seiner exponierten Mittellage eines starken Heeres und einer straffen Führung bedurfe, dass gerade in der halbkonstitutionellen Verfassung des Reiches ein spezifischer Ausweis "deutscher Freiheit" liege, die dem westlichen Parlamentarismus turmhoch überlegen sei.

Die Verwendung der rassischen Begriffe dienen dazu, wie oben bereits erwähnt zur Feindbildkonstruktion. Ob und wie viele dieser "Mongolen und Neger" für das Militär eingesetzt werden ist dabei Nebensache. Das Ergebnis dieser Formulierung soll eine ideologische Überlegenheit der Deutschen gegenüber den Alliierten sein.
 
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Also meinen sie also mit diesem Satz "...und der Welt das schmachvolle Schauspiel bieten, Mongolen und Neger auf die weiße Rasse zu hetzen.", mit der weißen Rasse sich selber, also quasi die deutschen Soldaten (bzw. deutsches Volk)?
Wenn ja erscheint esse für mich irgendwie sinnlos, da ja die Britten und Franzosen auch größtenteils "weiße Rasse" waren, aber sie hetzen ja die Mongolen und "Neger" nicht gegen sich selbst auf?!

Schön, wenn Fragen, in denen weiße Rasse, gerne und häufig wiederholten Konstrukten wie "Mongolen" und "Negern" kontrastiert wird, so schnell und umfassend beantwortet werden können. Und hatte sicherlich auch nichts mit "Agendasetting" zu tun.

Und bei den Antworten deutlich wird wie verblendet die Öffentlichkeit war und wie vorurteilsbeladen die Entscheidungsfindung war. Und mit wieviel selbstgerechtem Nationalismus agiert wurde.

Krieg ist dann nicht das was es eigentlich ist, der Kampf um Macht, wirtschaftliche Vorteile und Hegemonie, sondern nicht mehr und nicht weniger wie die Rettung des Abendlandes vor den "Mongolen" und "Negern". Und dazu ist doch jedes Mittel Recht, wird man gedacht haben.
 
Man könnte hinterfragen, wieweit tatsächlich Mittel zum Zweck eingesetzt oder angedacht waren, oder weitgehend Überzeugungen und vertretene Positionen der Weltanschaung gespiegelt wurden.
 
Hinzu kommt die propagandistische Doppelmoral. Denn es ist ja nicht so, dass das Dt. Reich im WK I. keine Kolonialtruppen eingesetzt hätte. Nur sind diese meist in den Kolonien selbst verblieben und kaum bis gar nicht an den europäischen Fronten eingesetzt worden.
 
Ende Juli 1918 regte der Pressechef beim Reichskanzler die deutschen Propagandastellen dazu an, die forcierte Verwendung nichtweisser Truppen in Europa durch die Entendemächte als eine „besonders günstige Gelegenheit zu nutzen“, um „aufs neue mit Wort, Schrift und Bild gegen die Heranziehung wilder Völkerschaften zur Vernichtung des deutschen Kulturvolkes angriffsweise zu Felde zu ziehen“…

"Von Wilden aller Rassen niedergemetzelt": die Diskussion um die Verwendung ... - Christian Koller - Google Livres
 
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