Diese "plötzliche Annäherung" ist nicht belegt, ebensowenig die "Frauen und Kinder".
Einigermaßen sicher ist, dass verschiedene Gruppierungen - genannt werden Vandalen, Sueben und Alanen - 405 oder 406 über den Rhein übersetzten und in der Folge in der linksrheinischen Germania und in Gallien auftauchen. Viel mehr lässt sich nicht über das Ereignis nicht sagen, auch nichts über zugefrorene Flüsse oder Nebenarme.
Ja, dass war auch als Antwort auf den genannten Einwand gedacht. Und natürlich liegt es nahe, dass hier Frauen und Kinder zunächst nicht mit über den Rhein gingen. Eine so große Reisegruppe im Winter hieße ja die Katastrophe zu beschreien. Ohne, dass ein vertreibender Gegner sichtbar ist, hätte es da die Erklärung schwer.
Allerdings ist sicher, dass sich diese Gruppen mit ihrem Anhang ansiedelten. Zudem ist es sogar der einzige Wanderungsvorgang zudem Schriftquellen der beteiligten Völker in den späteren leges barbarorum der Vandalen und Burgunder existieren, die eindeutig von einer Umsiedlung sprechen. (Wenn wir mal davon ausgehen, dass auch einige Burgunder die Gelegenheit nutzend auf das andere Ufer gezogen sind.) (Vgl. auch, was Ludwig Schmidt - natürlich aufgrund des älteren Forschungsstandes dazu schreibt. Gestrichen werden kann das nicht, während es natürlich modifiziert werden muss.)
Das Burgunderrecht geht übrigens von späterem Nachzug aus. Von Flüchtlingsbewegungen ist das Phänomen bis heute bekannt. Das waren ja Menschen und keine Maschinen. Nur wenige sind bereit alle Bindungen fallen zu lassen, wie es unbestritten in jener Zeit bei recht großen Gruppen vorkam. Aber da ging es ja auch um große Umwälzungen. Viele Flüchtlinge aus dem zusammenbrechenden Hunnenreich hatten keine Wahl. Odoakers Anhängerschaft bestand zu großen Teilen daraus.
Das will ich ja gar nicht bezweifeln. Doch wir müssen von üblichem menschlichem Verhalten ausgehen, was im Grunde auch eine Form von Sachkritik ist. Natürlich sollten wir uns es nicht ganz so leicht machen, wie Peter Heather, aber es ist immer noch jedes Ereignis individuell zu beurteilen. Die Theorie von der Ethnogenese auf die Spitze zu treiben, bis sie sich selbst widerspricht, ist kein gangbarer Weg, da man sie dann mit unzulässigen Mitteln umwandelt und zumeist zirkulär. Besser ist, sie individuell und gemäß den üblichen Regeln anzuwenden und hierbei dann zu schauen, ob und welcher Modifikationen es bedarf oder ob sie zu überwinden ist. In der Regel bekommt eine Theorie erst dann ihr eigentliches Potential, wenn sie an diesem Punkt angelangt ist. Das ist eben nicht mehr die progressive Theorie, sondern die konservative, die sich immer wieder beweisen, modifizieren und auch auf das sinnvolle Maß beschränken muss. Hier ist dann wieder Heather zuzustimmen.
Für 406/7 bedeutet dass, dass wir die Hinweise der Quellen ernst nehmen müssen und auch die Tatsachen berücksichtigen statt auszublenden, was nicht in unsere liebgewonnene Theorie passt. Das Ziel kann nicht ein Vorführen sein, sondern muss in einer Aktualisierung bestehen. Der Familiennachzug oder -wenig wahrscheinlich- die gleichzeitige Wanderung sind hier sicher, da die Ansiedlung bezeugt ist und Nachzugregelungen kein Anachronismus sind, als der sie schon bezeichnet wurden. (Ich meine sogar, dass wäre in der älteren Forschung vorgekommen.) Nur in welchem Umfang fand das alles statt? Und wird das so konstatiert, erhebt sich auch die Frage noch der fortdauernden (und nicht zu bestreitenden, da wir es ja in heutiger Zeit selbst erleben) kontinuierlichen Ethnogenese im Zusammenhang von mehrere Jahre aufgesplitteten Ethnien.
Was das Threadthema angeht sind Frauen und Kinder jenseits von grundsätzlichen Erwägungen, wie schon gesagt irrelevant. (Da gibt es auch noch ganz andere Gründe, z.B.: War überhaupt eine Niederlassung in Gallien/Hispanien geplant oder ergab sich das?)
Im Hintergrund stehen sie aber sehr wohl. Und das bleibt eben zu berücksichtigen: Das Handeln geschah nicht in luftleerem Raum.
Das allgemeinere Bitte ich nicht als Argumentation fehlzuinterpretieren. In dem Zusammenhang wollte ich einmal darauf hinweisen, dass stets zu prüfen bleibt, ob nicht eine Theorie, die mittlerweile zur konservativen und etablierten geworden ist, zu strikt angewandt wird, bzw. ob ihr Erklärungmodell nicht stärker ist und auch weitere Annahmen trägt. Wie gesagt, so weit wie Heather zu gehen, und sie auf Sonderfälle einzuschränken, gehe ich definitiv nicht, da vieles in eben in der Deutschen Gegewart seit den 80ern zu beobachten war, bzw. ist. Aber mittlerweile müssen doch auch die losen Enden eingefügt werden, statt sie zu ignorieren.