Bücherverbrennung und ihre Bedeutung in der Antike

E

Elefantentier

Gast
Ich beginne meinen Beitrag mal mit einem Zitat:
"Der Doxograph Diogenes Laertios überliefert mit Berufung auf den Philosophen Aristoxenos, der wie Kleinias aus Tarent stammte, eine Anekdote, der zufolge Platon beabsichtigte, alle erreichbaren Exemplare der Schriften Demokritszu verbrennen. Kleinias habe ihn gemeinsam mit einem anderen Pythagoreer namens Amyklas von diesem Vorhaben abgebracht, indem er darauf hinwies, dass die Schriften Demokrits schon so verbreitet waren, dass es nicht mehr möglich war, sie durch Zerstörung von Abschriften aus dem Verkehr zu ziehen.Der historische Kern der Anekdote dürfte darin bestehen, dass sie Kleinias in vertrautem Umgang mit Platon zeigt. Bei der angeblich beabsichtigten Bücherverbrennung handelt es sich aber um eine Verleumdung, die darauf abzielt, Platon als eifersüchtigen Rivalen Demokrits erscheinen zu lassen."
Seite „Kleinias von Tarent“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 18. April 2016, 15:02 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kleinias_von_Tarent&oldid=153589573 (Abgerufen: 29. Dezember 2017, 20:22 UTC)

Da Wikipedia als Quelle zurecht kritisiert wird, gebe ich noch eine weitere Quellenangabe als Stütze an:
"Aristoxenos (bei Diog. Laert. IX, 40) berichtet über den Versuch Platons, die Bücher Demokrits zu verbrennen. Zwei Pythagoreer ([...] Kleinias) hätte ihn darauf hingewiesen, dass dieses nicht nütze: [...] Hierbei ist zu notieren, dass Aristoxenos mit wenig respektvollen [sic!] Art von Männern wie Sokrates und Platon gesprochen hat."
Zitat, "Die Atomlehre Demokrits und Platons Timaios: Eine vergleichende Untersuchung" von Sousanna Maria Nikolaou, Seite 39, Fußnote 92. Neue Rechtschreibung Elefantentier.
Link: Die Atomlehre Demokrits und Platons Timaios

Aristoxenos habe im 4. Jahrhundert vor Christus gelebt. Das bedeutet, wenn ich das richtig sehe, dass schon zum damaligen Zeitpunkt Bücher so verbreitet sein konnten, dass eine Verbrennung nicht mehr als sinnvoll erachtet wurde (zuviele Abschriften). Etwas, das man so ja erst mit den Buchdruck für möglich hielt.


War das nur eine krasse Übertreibung oder spieglte das historisches Wissen wider?
 
Auch ohne Buchdruck, nur mit Abschriften, müsstest du ja überhaupt erst einmal an alle Abschriften herankommen. Ich weiß nicht, ob es in Athen, wie einige Jahrhunderte später in Rom, bereits den Beruf des Kopisten gab. Aber jede Abschrift in privater Hand war zunächst einmal dem Zugriff etwaiger Bücherverbrenner entzogen.
 
Ich denke mit "Büchern" sind wahrscheinlich eher Schriftrollen gemeint. Der Übergang von Papyrusrollen zu Pergamentcodices fand erst etwa 700 Jahre nach Aristoxenos statt, wenn ich nicht ganz daneben liege.
 
Nun, es gab natürlich schon vorher Codices, aber wohl als Ausnahme. Eine Schriftrolle nicht als Buch im Sinne von Bücherverbrennungen zu betrachten, wäre aber doch wohl die Leugnung dessen, dass ein Wort mehrere Bedeutungen haben kann. Gerade beim Buch setzt sich die Benutzung im Sinne des Umfangs einer Schriftrolle bis ins heutige Verlagswesen fort, sogar in der deutschen Übersetzung als "Buch".
 
Hat das denn jemand getan?

Nun, es erweckt den Anschein, wenn hier über "Bücher" diskutiert wird. Dabei waren Bücher im Altertum meines Wissens die Standard-Schriftrollen.

Demokrit, der lachende Philosoph, war sowohl Vorbild für Epikur als auch für die Skeptiker und hat gewiss großen Eindruck auf diverse Denker gemacht.

In der Antike gab es wohl zwei Formen, wie Abschriften von Werken entstanden: Erstens indem ein Student oder Reisender selbst teile des Werkes abschrieb. Zweitens in eine Art "professionellen Diktat", indem ein Vorleser einen Abschnitt lass und dabei eine Gruppe von Sklaven aufschrieb, was da vorlesesen wurde.
 
Die englische Wikipedia meint, “Julius Caesar may have been the first Roman to reduce scrolls to bound pages in the form of a note-book, possibly even as a papyrus codex.” und bezieht sich dabei auf De vita Caesarum libri VIII von Sueton, resp. auf die Behauptung in The Birth of the Codex von C. H. Roberts und T. C. Skeat aus 1983.
 
Die englische Wikipedia meint, “Julius Caesar may have been the first Roman to reduce scrolls to bound pages in the form of a note-book, possibly even as a papyrus codex.” und bezieht sich dabei auf De vita Caesarum libri VIII von Sueton

Hier geht es aber nicht um Bücher, sondern um Briefe, die er in Form von "libelli" (Notizhefte) versandte.

Epistulae quoque eius ad senatum extant, quas primum videtur ad paginas et formam memorialis libelli convertisse, cum antea consules et duces non nisi transversa charta scriptas mitterent.

Vgl. Kaiserbiographien von Sueton - Text im Projekt Gutenberg

Auch Briefe von ihm an den Senat sind noch vorhanden, und er scheint der erste gewesen zu sein, der solchen Briefen die Form eines blätterweise zusammengelegten Tagebuchs gab, während früher Konsuln und Heerführer solche nicht anders als auf eurem großen Querbogen in Folio absendeten.
 
Ja, da darf man natürlich kritisch sein. So eine Stelle zeigt, dass es zu Suetons Zeit, also etwa 150 Jahre nach Caesar, so etwas wie gebundene Bücher gab und dass das durchaus noch ungewöhnlich war. Aber so ähnlich, wie man heute Napoleon, Einstein oder Churchill gerne Aphorismen in den Mund legt, mag Caesar eine prominente Figur gewesen sein, der man solche Dinge zugeschrieben hat. Sueton berichtet, dass es sich um eine Briefsammlung gehandelt habe, die Caesar so an den Senat geschickt habe: Epistulae quoque eius ad senatum extant, quas primum videtur ad paginas et formam memorialis libelli convertisse, cum antea consules et duces non nisi transversa charta scriptas mitterent. Und er baut eine kleine Unsicherheit ein: videtur: 'es scheint', er sei der erste gewesen.
 
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