Historizität Jesu von Nazareth

Ich finde, dass zu antiken Dokumenten – und dazu gehört zweifellos die Bibel – auch gesunde Skepsis gehört. Man darf nicht vergessen, dass die Schreiber des Neuen Testaments wahrscheinlich nur das aufgeschrieben hatten, was dem neuen Glauben diente – alles andere ließen sie unter den Tisch fallen. Sie waren ja Propagandisten des Glaubens und als solche sicher nicht allzu kritisch gegenüber Berichten, die manche von ihnen nur von Hörensagen kannten. Hauptkriterium dürfte wohl sein: Die Anekdote passt zu dem Bild, das man sich bis dahin machte.

Schon Paulus war sich dessen bewusst als er sagte: „Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich“. Und beim Glauben kommt es nicht so sehr auf den Wahrheitsgehalt an, sondern auf die Stimmigkeit. Und so wie heute, gab es sicher auch damals schon alternative Fakten, d.h. unterschiedliche Betrachtungsweise eines tatsächlich vorhandenen Fakts – oder eines ganz oder nur teilweise erfundenen.

Oder etwas weniger hart formuliert: Sie schrieben auf, was sie für wahr hielten. Dazu kommt, dass je absurder etwas erscheint, desto glaubhafter wird es für einen Gläubigen: Credo quia absurdum est.
 
Es geht doch auch gar nicht darum, dass das, was in der Bibel steht, ereignishistorisch korrekt ist. Das wäre naiv.
 
Netterweise gibt es da diese verräterischen Kleinigkeiten. Wenn jemand die Vorhersage schreibt, dass der Tempel zerstört und innerhalb von drei Tagen wiedererrichtet werden wird, hat er das nicht später als am dritten Tag nach der Zerstörung des Tempels geschrieben.

Wenn jemand einen Bericht über einen Prozess mit vielen typischen Aspekten für einen Prozess schmückt, ist das ein Anzeichen, dass er seine kargen Berichte mit typischen Details ausschreibt.

Wenn zentrale Texte eines Autors weiter ausgearbeitet und in einem Text zusammengefasst werden, wie in einem Teil der Paulusbriefe, gibt es offensichtlich ebenfalls eine Textgeschichte.

So etwas gehört zur Quellenkritik. Es gehört aber auch dazu, dass man nicht das, was einem gerade passt für bare Münze nimmt und den Rest streicht.
 
Ich habe die Kritisierbarkeit anhand von Beispielen aufgezeigt. Wie jeder wissen sollte, der sich irgendwann mal mit Quellenkritik beschäftigt hat, heißt das, dass Aussagen aufgrund jener Quellen möglich sind. Es war an der Zeit, dass nochmal aufzuzeigen. Eine Aktualisierung der Diskussion, um nicht abzudriften.

Offensichtlich, wenn man ließt und schaut, was ich da gemacht und gesagt habe.
 
Ich finde, dass zu antiken Dokumenten – und dazu gehört zweifellos die Bibel – auch gesunde Skepsis gehört. Man darf nicht vergessen, dass die Schreiber des Neuen Testaments wahrscheinlich nur das aufgeschrieben hatten, was dem neuen Glauben diente – alles andere ließen sie unter den Tisch fallen. Sie waren ja Propagandisten des Glaubens und als solche sicher nicht allzu kritisch gegenüber Berichten, die manche von ihnen nur von Hörensagen kannten. Hauptkriterium dürfte wohl sein: Die Anekdote passt zu dem Bild, das man sich bis dahin machte.

Schon Paulus war sich dessen bewusst als er sagte: „Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich“. Und beim Glauben kommt es nicht so sehr auf den Wahrheitsgehalt an, sondern auf die Stimmigkeit. Und so wie heute, gab es sicher auch damals schon alternative Fakten, d.h. unterschiedliche Betrachtungsweise eines tatsächlich vorhandenen Fakts – oder eines ganz oder nur teilweise erfundenen.

Oder etwas weniger hart formuliert: Sie schrieben auf, was sie für wahr hielten. Dazu kommt, dass je absurder etwas erscheint, desto glaubhafter wird es für einen Gläubigen: Credo quia absurdum est.

Jede Quelle ist grundsätzlich mit Skepsis zu betrachten, und es sind die Methoden der Quellenkritik anzuwenden. Es ist zu fragen: 1. wer ist der Autor, wer könnte der Autor sein, 2.wer sind die Empfänger, 3. was wird mitgeteilt, 4.aus welchem Zeitraum stammt sie.

Dass eine Quelle parteiisch ist, macht sie aber noch lange nicht in Gänze unglaubwürdig oder unbrauchbar. Nach der Logik müsste man fast alles, was man an schriftlichen Quellen zur römischen Kaiserzeit hat, in die Tonne treten, denn Tacitus, Sueton und Cassius Dio sind ja Vertreter einer senatorischen Historiographie, die dem Kaisertum sehr kritisch gegenüber standen. Tacitus schreibt zwar im Eingang seiner Annalen, dass er "sine ira et studio" berichten will, aber völlig objektiv ist er nicht. Man könnte daher durchaus sagen, dass es sich um senatorisch-republikanische Propagandaliteratur handelt. Sueton war Leiter der kaiserlichen Bibliothek, er hatte Zugang zu Privatkorrespondenz der Kaiser, und er verwendet häufig auch Gerüchte und (kompromittierenden) Klatsch. Kein seriöser Historiker käme auf die Idee, Sueton alles was er schreibt völlig kritiklos abzunehmen, aber es ist eben auch nicht daraus ableitbar, dass Sueton in Gänze in die Tonne zu werfen ist.
Wenn man sagt, Jesus von Nazareth ist fast nur aus christlichen Quellen überliefert, 100ige Sicherheit, dass er tatsächlich existierte, gibt es nicht, und erst recht nicht gibt es Sicherheit darüber, dass er die Persönlichkeit war, als die ihn die Evangelien beschreiben, dann ist das durchaus plausibel.

Quellen, dass es im 1. Jahrhundert mal einen Wanderprediger gab, der von den Römern hingerichtet wurde und der Anhänger hatte, die ihn für den Messias/Christos hielten, die gibt es sehr wohl.
Es gibt auch außerchristliche Quellen, die wie Tacitus, Sueton und der jüngere Plinius so vernichtend über "diesen verderblichen Aberglauben" berichten, dass es geradezu absurd ist, anzunehmen, dass sie christlich interpoliert sind. Die meisten dieser schriftlichen Quellen sind heute aber nur noch aus Abschriften aus dem Mittelalter erhalten.

Der von Merentatah mehrfach geforderte "Hardcorebeweis" ist nicht zu erbringen. Unter den herrschenden klimatischen Bedingungen ist es in Europa so gut wie unmöglich, dass sich Parpyri oder Überreste erhalten können. Nur in Ägypten oder Palästina existieren klimatische Bedingungen, dass das überhaupt physikalisch möglich ist. Von den meisten schriftlichen Quellen aus der Antike existieren nur Abschriften aus dem Mittelalter.
Der von Merenpatah mehrfach geforderte "Hardcorebeweis" ist nicht zu erbringen, es gibt keinen Originalpersonalausweis von Jesus von Nazareth. Es gibt keine epigraphische Quelle, die seine Existenz belegt, zu Lebzeiten war er viel zu unbedeutend dafür, dass eine solche überhaupt zu erwarten ist. Es gibt kaum Originalüberreste, die sich 2000 Jahre halten können. Es gibt zwar jede Menge Reliquien von Heiligen, angeblich echte Splitter vom echten Kreuz, Grabtücher, Zehennägel oder Vorhäute der Apostel. Die sind aber mit einer gesunden Skepsis zu betrachten.

Es ist aber eine solche Herangehensweise und ein so selektiver Umgang mit Quellen völlig unwissenschaftlich, und es ist auch keine faire Diskussionskultur, alle Diskussionsteilnehmer die eine Existenz der historischen Persönlichkeit Jesus von Nazareth aus verschiedenen Gründen für plausibel halten, zu überzeugten Christen und Anhänger der katholischen Kirche zu erklären, denn das sind tatsächlich die wenigsten.
 
Tacitus schreibt zwar im Eingang seiner Annalen, dass er "sine ira et studio" berichten will, aber völlig objektiv ist er nicht.
Völlig objektiv ist niemand.


Es gibt auch außerchristliche Quellen, die wie Tacitus, Sueton und der jüngere Plinius so vernichtend über "diesen verderblichen Aberglauben" berichten, dass es geradezu absurd ist, anzunehmen, dass sie christlich interpoliert sind.
So viel ich weiß, schrieben sowohl Tacitus als auch Sueton nicht über Christus, sondern über einen Chrestus, der unter Kaiser Claudius Unruhen gestiftet und seine Anhänger unter Nero Rom angezündet hätten. Chrestus war damals wie auch später ein häufiger Name, es ist daher anzunehmen, dass seine Nennung – und die seiner Anhänger – korrekt und keine Verwechslung mit Christus bzw. mit Christen war. Der jüngere Plinius spricht im 2. Jhdt. im Grunde nur davon, dass es Christen gibt, was aber niemand bestreitet.


Die meisten dieser schriftlichen Quellen sind heute aber nur noch aus Abschriften aus dem Mittelalter erhalten.
Das ist ein generelles Problem. Aber wenn man bedenkt, welche Schwierigkeiten das Christentum zu überwinden hatte, um sich durchzusetzen – und wie wenig zimperlich dabei vorgegangen wurde –, dann ist anzunehmen, dass Fälschungen oder Pseudepigraphen eine eher lässliche Sünde darstellten, schließlich geschahen sie in „guter“ Absicht.

Deshalb muss man sich mit El Quijote immer fragen: qui bono?
 
Also hat die katholische Kirche das genialerweise alles erfunden. Sie hat einen Mann erfunden, der den ruhmreichen Tod am Kreuz gestorben ist. Sie hat Quellen produziert, in der das Christentum als widerlicher, unheilvoller Aberglaube bezeichnet wird, als perverse Schändlichkeit. Das weil sie 1000 Jahre vorher schon ahnen konnte, dass daraus mal eine Weltreligion werden konnte. Sie hätte auch eine ganz andere Geschichte erfinden können, denn ihr Bodenpersonal war es, die die ganzen Quellen aus der Antike abgeschrieben hat. Das mussten Mönche im Skriptorium abschreiben, damit sie nachts keine Unkeuschheiten begingen. Die Quellen hat man absichtlich, so und nicht anders belassen, damit niemand merkt, dass eh alles gefaket ist. Denn Widersprüche machen es nur um so glaubwürdiger, wie ein vor Jahren gesperrter Forianer Judas Phatre glaubte. Dass tat man, damit 2000 Jahre später alle glauben würden, dass es mal einen Wanderprediger gab, dessen Anhänger glaubten, dass bald die Welt untergehen würde. Dass die Welt nicht unterging, dass diese Prognosen diejenigen, die sie voraussagten ziemlich belämmert dastehen ließen veränderte man nicht, damit keiner merkte, was für geniale Fälscher da am Werke waren. Jesus war in Wirklichkeit Caesar und Paulus in Wirklichkeit Markion, und Markion war Asterix. Aber in Wirklichkeit war alles wieder ganz anders und da war gar nix.
Überzeugend!
 
Völlig objektiv ist niemand.


So viel ich weiß, schrieben sowohl Tacitus als auch Sueton nicht über Christus, sondern über einen Chrestus, der unter Kaiser Claudius Unruhen gestiftet und seine Anhänger unter Nero Rom angezündet hätten. Chrestus war damals wie auch später ein häufiger Name, es ist daher anzunehmen, dass seine Nennung – und die seiner Anhänger – korrekt und keine Verwechslung mit Christus bzw. mit Christen war. Der jüngere Plinius spricht im 2. Jhdt. im Grunde nur davon, dass es Christen gibt, was aber niemand bestreitet.


Das ist ein generelles Problem. Aber wenn man bedenkt, welche Schwierigkeiten das Christentum zu überwinden hatte, um sich durchzusetzen – und wie wenig zimperlich dabei vorgegangen wurde –, dann ist anzunehmen, dass Fälschungen oder Pseudepigraphen eine eher lässliche Sünde darstellten, schließlich geschahen sie in „guter“ Absicht.

Deshalb muss man sich mit El Quijote immer fragen: qui bono?

Also mal im Ernst. Sueton schreibt in der Claudiusbiographie: "Die Juden, aufgehetzt von Chrestus ließ er aus Rom verbannen."

Ob mit dieser Stelle tatsächlich Jesus gemeint ist, den sich Sueton anscheinend als in Rom anwesend vorstellt, ist tatsächlich umstritten.

In der Nerobiographie erwähnt er unter Neros lobenswerten Maßnahmen, dass er mit Todesstrafen gegen die Christen vorging. Ich spare es mir, die Stelle herauszusuchen, denn das wurde schon zum gefühlten 1000. Mal erwähnt und wird eh nicht gelesen. Tacitus schreibt keineswegs, dass die Christen Rom angesteckt hätten. Er lässt offen, wer es war, sagt nur wer am meisten einen Sündenbock brauchte nach dem Motto (Cui bono): Tacitus hält die Christenverfolgung trotzdem für gerechtfertigt, wegen ihres "Hasses gegen das Menschengeschlecht" (Odium humani generis). Er kritisiert, dass Mitgefühl laut wurde, als Nero sie in Tierfelle eingenäht von Hunden zerreißen und als nächtliche Illumination ans Kreuz schlagen und anzünden ließ.

Plinius korrespondiert ausführlich mit Kaiser Trajan, und bittet um Instruktionen wie er mit den Christen verfahren soll. Soll allein das Bekenntnis zum Chistentum strafbar sein (nomen ipsum) Er sagt, dass er eigentlich nichts außer einem skurrilen Aberglauben herausfand. Er ließ Christen die Wahl zwischen Kaiserverehrung und Exekution, diejenigen, die sich weigerten Jesus zu schmähen und die Kaiserverehrung durchzuführen, ließ er hinrichten. Trajan billigt diese Maßnahmen, er sagt aber dass nicht ausdrücklich gefahndet werden soll nach Christen (conquerendi non sunt) und will anonyme Anzeigen nicht zulassen, da es nicht zeitgemäß sei (nec est in saeculo nostro) Das war in Bithynien Ende des 1., Anfang des 2. Jahrhunderts. Es belegt, dass es ein organisiertes Christentum gab, denn die Christen sind ja nicht plötzlich vom Himmel gefallen. Fakt ist, die neronische Christenverfolgung wird belegt, ein organisiertes Christentum wird belegt. Chan stellt diese Existenz sehr wohl in Frage.

Diese widersprüchliche Haltung begünstigte einerseits die Ausbreitung des Christentums, konnte aber auch zur Exekution führen. Tertullian, der ausgebildeter Jurist war, kritisiert diese Haltung. Wenn die Christen gefährlich seien, dann müssten sie natürlich verfolgt werden. Wenn sie aber harmlos seien, müsste es auch straffrei sein, Christ zu sein. Trajan hatte wohl bestimmte Vereine verboten, auf dieses Verbot bezieht sich der jüngere Plinius als Statthalter von Bithynia et Pontus. In der ApG logiert Paulus bei einem Ehepaar Priscilla und Aquila, die von der Vertreibung unter Claudius betroffen und aus Rom/Italien ausgewiesen worden waren.

Bevor man aus dem Bauch heraus argumentiert, dass irgend etwas faul ist, sollte man sich vielleicht auch mal die Mühe machen, die Originalquellen zu lesen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ob mit dieser Stelle tatsächlich Jesus gemeint ist, den sich Sueton anscheinend als in Rom anwesend vorstellt, ist tatsächlich umstritten.

Die Stelle ist sehr kurz (Suet. Claud. 25,4):

Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantis Roma expulit.
=
"Die Juden, die - angestiftet von Chrestus - ständig Tumulte verursachten, vertrieb er aus Rom."

Was sich Sueton da genau vorstellt, wissen wir nicht. Sueton schreibt auch nicht, warum Claudius nicht einfach den Anstifter "Chrestus" geschnappt und hingerichtet hat, sondern die Juden (bzw. zumindest die Chrestus-Anhänger) aus Rom vertrieben hat.

Cassius Dio schreibt zum ersten Regierungsjahr des Claudius:

Die Juden, deren Zahl sich wieder so vermehrt hatte, daß es auf Grund ihrer Menge schwierig gewesen wäre, sie ohne Unruhen aus der Stadt zu weise, vertrieb er zwar nicht, aber er befahl ihnen, bei ihrer überkommenen Lebensweise zu bleiben und sich nicht zu versammeln.

(Übersetzungen bei Helga Botermann, Das Judenedikt des Kaisers Claudius, Stuttgart 1996)

Aus diesem Grund scheint es ziemlich unwahrscheinlich, dass Sueton hier eine Vertreibung aller Juden gemeint hat, sondern nur derjenigen Juden, die als Anhänger des Chrestus galten und für die Tumulte verantwortlich gemacht wurden.

In der Nerobiographie erwähnt er unter Neros lobenswerten Maßnahmen, dass er mit Todesstrafen gegen die Christen vorging. Ich spare es mir, die Stelle herauszusuchen, denn das wurde schon zum gefühlten 1000. Mal erwähnt und wird eh nicht gelesen.
Macht nichts, dann erwähne ich sie zum 1001. Mal (auch wenn zumindest Chan sie vermutlich weiterhin ignorieren wird), es muss ja nur noch kopiert werden:

Sueton erwähnt die Anklagen wegen Brandstiftung noch nicht einmal. Er erzählt hier auch keine "Räuberpistolen", sondern erwähnt die Todesstrafe für die Christen unter den strafrechtlichen Maßnahmen, und das in durchaus zustimmendem Tonfall:

"Multa sub eo et animadversa severe et coercita nec minus instituta: adhibitus sumptibus modus; publicae cenae ad sportulas redactae; interdictum, ne quid in propinis cocti praeter legumina aut holera veniret, cum antea nullum non obsonii genus proponeretur; afflicti suppliciis Christiani, genus hominum superstitionis novae ac maleficae; vetiti quadrigariorum lusus, quibus inveterata licentia passim vagantibus fallere ac furari per iocum ius erat; pantomimorum factiones cum ipsis simul relegatae.
=
Viele alte strenge Straf- und Verbotsbestimmungen wurden wieder unter ihm in Kraft gesetzt und nicht weniger neue eingeführt. So wurden dem Aufwand Schranken gesetzt, die Volksspeisungen durch vollständige Mahlzeiten auf Speiseportionen beschränkt und ein Verbot erlassen, in den Schenken Gekochtes, mit Ausnahme von Kohl und Hülsenfrüchten, zu verkaufen, während früher alle möglichen Arten von Gerichten dort angeboten wurden. Todesstrafen trafen die Christianer, eine Sekte mit einem neuen und schädlichen Aberglauben. Verboten wurden die Belustigungen der Rennfahrer, die das hergebrachte Recht genossen, zu gewissen Zeiten durch die Stadt zu schweifen und unter der Maske des Spaßes allerlei Betrügereien und Diebesstreiche auszuführen. Die Claqueurbanden der Pantomimen sowie diese selbst wurden aus der Hauptstadt verwiesen."

Suetonius: Nero (14-17), Manahmen der inneren Verwaltung (lateinisch, deutsch)

Offenbarung des Johannes
Reste des Heidentums in der Folklore

Und aus letzterem Beitrag auch noch zu Tacitus (wer die Stelle immer noch nicht gelesen hat, sie war vor wenigen Tagen schon dran: Historizität Jesu von Nazareth ):

Um korrekt zu sein: Carrier (2014) hält nur eine einzige Zeile für eine Interpolation.

I find that an interpolation of a single key line in this passage is reasonably likely, and therefore that line should be considered suspect. Though we can’t be certain, the evidence suggests it probably is an interpolation, and Tacitus did not refer to Christ. That suspect line is auctor nominis eius Christus Tiberio imperitante per procuratorem Pontium Pilatum supplicio adfectus erat, “The author of this name, Christ, was executed by the procurator Pontius Pilate in the reign of Tiberius.”

Alles andere bleibt bei Carrier stehen. Tacitus schreibt also, Nero habe die "Chrestianer" verfolgt, eine berüchtigte jüdische Sekte, die sich von Judäa aus bis nach Rom verbreitet hätte.
Die allereinfachste Erklärung für die "Chrestianer" und den "Chrestos" wäre nun, dass es sich um eine Verwechslung des griechischen Eta mit dem Jota handelt. Für eine solche Verwechslung gibt es ausreichend Zeugnisse, nicht nur beim Namen Christus/Chrestus. Dass die Verwechslung "Chrestus" statt "Christus" eine alltägliche Erscheinung war, ist allerdings auch aus Tertullian zu schließen:

Sed et cum perperam "Chrestianus" pronuntiatur a vobis ---- nam nec nominis certa est notitia penes vos ----, de suavitate vel benignitate compositum est. Oditur itaque in hominibus innocuis etiam nomen innocuum. (Apologeticum III, 5)
=
Und auch, wenn er von euch falsch Chrestianus ausgesprochen wird -- denn selbst den Namen kennt ihr noch nicht einmal genau --, so schließt er den Begriff Milde und Güte in sich. (Apologeticum 3)


Wenn man diese einfache Erklärung nicht akzeptieren möchte, muss man (wie Carrier) zwei berüchtigte jüdische Sekten anzunehmen. Die eine jüdische Sekte, die "Christianer", würde dann auf eine Person zurückgehen, die "Christos" genannt wird. Die andere jüdische Sekte, die "Chrestianer", würde dann auf eine Person zurückgehen, die "Chrestos" genannt wird. Die beiden hätten aber rein gar nichts miteinander zu tun.
 
Tacitus schreibt zwar im Eingang seiner Annalen, dass er "sine ira et studio" berichten will, aber völlig objektiv ist er nicht.
Völlig objektiv ist niemand.
Genau genommen hatte Tacitus wohl auch gar nicht vor, objektiv zu sein. Sein Anspruch war ein literarischer Kniff, sich selbst als Partei aus der Schusslinie zu nehmen. Eben wie scorpio schreibt:
Man könnte daher durchaus sagen, dass es sich um senatorisch-republikanische Propagandaliteratur handelt.
 
Die Stelle ist sehr kurz (Suet. Claud. 25,4):

Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantis Roma expulit.
=
"Die Juden, die - angestiftet von Chrestus - ständig Tumulte verursachten, vertrieb er aus Rom."

Was sich Sueton da genau vorstellt, wissen wir nicht. Sueton schreibt auch nicht, warum Claudius nicht einfach den Anstifter "Chrestus" geschnappt und hingerichtet hat, sondern die Juden (bzw. zumindest die Chrestus-Anhänger) aus Rom vertrieben hat.

Cassius Dio schreibt zum ersten Regierungsjahr des Claudius:

Die Juden, deren Zahl sich wieder so vermehrt hatte, daß es auf Grund ihrer Menge schwierig gewesen wäre, sie ohne Unruhen aus der Stadt zu weise, vertrieb er zwar nicht, aber er befahl ihnen, bei ihrer überkommenen Lebensweise zu bleiben und sich nicht zu versammeln.

(Übersetzungen bei Helga Botermann, Das Judenedikt des Kaisers Claudius, Stuttgart 1996)

Aus diesem Grund scheint es ziemlich unwahrscheinlich, dass Sueton hier eine Vertreibung aller Juden gemeint hat, sondern nur derjenigen Juden, die als Anhänger des Chrestus galten und für die Tumulte verantwortlich gemacht wurden.


Macht nichts, dann erwähne ich sie zum 1001. Mal (auch wenn zumindest Chan sie vermutlich weiterhin ignorieren wird), es muss ja nur noch kopiert werden:

Sueton erwähnt die Anklagen wegen Brandstiftung noch nicht einmal. Er erzählt hier auch keine "Räuberpistolen", sondern erwähnt die Todesstrafe für die Christen unter den strafrechtlichen Maßnahmen, und das in durchaus zustimmendem Tonfall:

"Multa sub eo et animadversa severe et coercita nec minus instituta: adhibitus sumptibus modus; publicae cenae ad sportulas redactae; interdictum, ne quid in propinis cocti praeter legumina aut holera veniret, cum antea nullum non obsonii genus proponeretur; afflicti suppliciis Christiani, genus hominum superstitionis novae ac maleficae; vetiti quadrigariorum lusus, quibus inveterata licentia passim vagantibus fallere ac furari per iocum ius erat; pantomimorum factiones cum ipsis simul relegatae.
=
Viele alte strenge Straf- und Verbotsbestimmungen wurden wieder unter ihm in Kraft gesetzt und nicht weniger neue eingeführt. So wurden dem Aufwand Schranken gesetzt, die Volksspeisungen durch vollständige Mahlzeiten auf Speiseportionen beschränkt und ein Verbot erlassen, in den Schenken Gekochtes, mit Ausnahme von Kohl und Hülsenfrüchten, zu verkaufen, während früher alle möglichen Arten von Gerichten dort angeboten wurden. Todesstrafen trafen die Christianer, eine Sekte mit einem neuen und schädlichen Aberglauben. Verboten wurden die Belustigungen der Rennfahrer, die das hergebrachte Recht genossen, zu gewissen Zeiten durch die Stadt zu schweifen und unter der Maske des Spaßes allerlei Betrügereien und Diebesstreiche auszuführen. Die Claqueurbanden der Pantomimen sowie diese selbst wurden aus der Hauptstadt verwiesen."

Suetonius: Nero (14-17), Manahmen der inneren Verwaltung (lateinisch, deutsch)

Offenbarung des Johannes
Reste des Heidentums in der Folklore

Und aus letzterem Beitrag auch noch zu Tacitus (wer die Stelle immer noch nicht gelesen hat, sie war vor wenigen Tagen schon dran: Historizität Jesu von Nazareth ):



Alles andere bleibt bei Carrier stehen. Tacitus schreibt also, Nero habe die "Chrestianer" verfolgt, eine berüchtigte jüdische Sekte, die sich von Judäa aus bis nach Rom verbreitet hätte.
Die allereinfachste Erklärung für die "Chrestianer" und den "Chrestos" wäre nun, dass es sich um eine Verwechslung des griechischen Eta mit dem Jota handelt. Für eine solche Verwechslung gibt es ausreichend Zeugnisse, nicht nur beim Namen Christus/Chrestus. Dass die Verwechslung "Chrestus" statt "Christus" eine alltägliche Erscheinung war, ist allerdings auch aus Tertullian zu schließen:

Sed et cum perperam "Chrestianus" pronuntiatur a vobis ---- nam nec nominis certa est notitia penes vos ----, de suavitate vel benignitate compositum est. Oditur itaque in hominibus innocuis etiam nomen innocuum. (Apologeticum III, 5)
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Und auch, wenn er von euch falsch Chrestianus ausgesprochen wird -- denn selbst den Namen kennt ihr noch nicht einmal genau --, so schließt er den Begriff Milde und Güte in sich. (Apologeticum 3)


Wenn man diese einfache Erklärung nicht akzeptieren möchte, muss man (wie Carrier) zwei berüchtigte jüdische Sekten anzunehmen. Die eine jüdische Sekte, die "Christianer", würde dann auf eine Person zurückgehen, die "Christos" genannt wird. Die andere jüdische Sekte, die "Chrestianer", würde dann auf eine Person zurückgehen, die "Chrestos" genannt wird. Die beiden hätten aber rein gar nichts miteinander zu tun.
Die Stelle ist sehr kurz (Suet. Claud. 25,4):

Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantis Roma expulit.
=
"Die Juden, die - angestiftet von Chrestus - ständig Tumulte verursachten, vertrieb er aus Rom."

Was sich Sueton da genau vorstellt, wissen wir nicht. Sueton schreibt auch nicht, warum Claudius nicht einfach den Anstifter "Chrestus" geschnappt und hingerichtet hat, sondern die Juden (bzw. zumindest die Chrestus-Anhänger) aus Rom vertrieben hat.

Cassius Dio schreibt zum ersten Regierungsjahr des Claudius:

Die Juden, deren Zahl sich wieder so vermehrt hatte, daß es auf Grund ihrer Menge schwierig gewesen wäre, sie ohne Unruhen aus der Stadt zu weise, vertrieb er zwar nicht, aber er befahl ihnen, bei ihrer überkommenen Lebensweise zu bleiben und sich nicht zu versammeln.

(Übersetzungen bei Helga Botermann, Das Judenedikt des Kaisers Claudius, Stuttgart 1996)



Alles andere bleibt bei Carrier stehen. Tacitus schreibt also, Nero habe die "Chrestianer" verfolgt, eine berüchtigte jüdische Sekte, die sich von Judäa aus bis nach Rom verbreitet hätte.
Die allereinfachste Erklärung für die "Chrestianer" und den "Chrestos" wäre nun, dass es sich um eine Verwechslung des griechischen Eta mit dem Jota handelt. Für eine solche Verwechslung gibt es ausreichend Zeugnisse, nicht nur beim Namen Christus/Chrestus. Dass die Verwechslung "Chrestus" statt "Christus" eine alltägliche Erscheinung war, ist allerdings auch aus Tertullian zu schließen:

Sed et cum perperam "Chrestianus" pronuntiatur a vobis ---- nam nec nominis certa est notitia penes vos ----, de suavitate vel benignitate compositum est. Oditur itaque in hominibus innocuis etiam nomen innocuum. (Apologeticum III, 5)
=
Und auch, wenn er von euch falsch Chrestianus ausgesprochen wird -- denn selbst den Namen kennt ihr noch nicht einmal genau --, so schließt er den Begriff Milde und Güte in sich. (Apologeticum 3)


Wenn man diese einfache Erklärung nicht akzeptieren möchte, muss man (wie Carrier) zwei berüchtigte jüdische Sekten anzunehmen. Die eine jüdische Sekte, die "Christianer", würde dann auf eine Person zurückgehen, die "Christos" genannt wird. Die andere jüdische Sekte, die "Chrestianer", würde dann auf eine Person zurückgehen, die "Chrestos" genannt wird. Die beiden hätten aber rein gar nichts miteinander zu tun.

Dass mit der Vertreibung die Christen betroffen waren, dafür finden sich auch in christlichen Quellen Belege. Wie ich schon sagte, logierte Paulus bei der Reise nach Ephesos bei einem Ehepaar Aquila und Priscilla, das von dem Edikt des Claudius betroffen war. (Apg 19, 2-4,"Danach verließ Paulus Athen und fand einen Juden namens Auila aus Pontus gebürtig. Der war mit seiner Frau Priscilla kürzlich aus Italien gekommen, Weil Kaiser Claudius allen Juden geboten hatte, Rom zu verlassen. Zu denen ging Paulus. Und weil er das gleiche Handwerk hatte, blieb er bei ihnen und arbeitete mit ihnen, sie waren nämlich Zeltmacher". Pricillla und Aquila werden auch in den Paulusbriefen mehrmals erwähnt. Röm 16, 3-4, 1 Kor 16, 19 , 2 Kor 8-10, 2 Tim 4, 19).
 
Ergo abolendo rumori Nero subdidit reos et quesitissimis poenis affecitquos per flagitia invisos vulgus Chrestianos appellabat. Auctor nominis eius Christus Tiberio imperitante per procuratorem Pontium Pilatum supplicio affectus erat.

Daher schob Nero um den Gerüchten ein Ende zu machen, andere als Schuldige vor, und ging mit ausgesuchten Strafen gegen jene vor, die wegen ihrer Schandtaten verhasst waren unter dem Volk und Chrestianer genannt wurden. Der Mann auf den jener Name zurückging, Christus, war vom Statthalter Pontius Pilatus unter der Regierung des Tiberius hingerichtet worden. Tacitus Annales XV, 44.
.

Auch Tacitus spricht in seinem Geschichtswerk (Tacitus, Annales XV, 44) von "Chrestianern", erwähnt aber einen Gründer "Christus". Er, Sueton und Plinius verfügten wohl über relativ oberflächliche Kenntnisse über Juden- und Christentum, waren aber kaum vertraut mit der theologischen Bedeutung des Messias (griechisch Christos = der Gesalbte) Chrestus war ein häufiger Sklavenname, und ein Vorwurf gegen das Christentum war, dass es sich um einen Aberglauben handelte, der unter Sklaven, Juden und Ausländern verbreitet sei.
Wie schon Sepiola hingewiesen hat, war die Namensverwechslung Christiani-Chrestiani so häufig, dass noch Tertullian im 3. Jahrhundert, als das Christentum in Kleinasien bereits eine größere zahlenmäßige Bedeutung innerhalb der Reichsbevölkerung hatte, polemisch solche Namensverwechslungen aufs Korn nahm. Bei Tacitus sind ganz offensichtlich die Christen gemeint, und wenn mit Christus nicht Jesus gemeint sein sollte, müsste man davon ausgehen, dass unter Pontius Pilatus nicht nur Jesus von Nazareth, sondern auch noch ein Chrestus hingerichtet wurde, der es auf eine Anhängerschaft gebracht hat, was nicht sehr wahrscheinlich ist.

Bei der Sueton-Stelle in der Claudiusbiographie kann man, wie schon gesagt, geteilter Meinung sein. Es ist gut möglich, dass damit nicht Jesus von Nazareth gemeint ist. Es stellt sich die Frage, was plausibel ist. Jedenfalls sind aus christlichen Quellen, aus der Apostelgeschichte des Lukas und aus den Paulusbriefen namentlich genannte Personen bekannt, eben dieses Ehepaar Aquila und Priscilla oder Prisca, die von Claudius Judenedikt persönlich betroffen und aus Rom ausgewiesen worden waren, bei dem Paulus in Ephesos logierte. Auf Helga Botermanns Studie "Das Judenedikt des Claudius" Stuttgart 1996 und andere Forschungsergebnisse haben Sepiola und ich schon an anderer Stelle verwiesen.

Sueton, Tacitus und Plinius kannten sich übrigens, und die beiden letzteren waren wohl miteinander befreundet, korrespondierten jedenfalls freundschaftlich. Einer der berühmtesten Briefe des jüngeren Plinius, der über den Ausbruch des Vesuv 79 und den Tod seines Onkels, der bei Evakuierungsversuchen ums Leben kam, den Vulkanologen heute für recht plausibel und authentisch halten, ist an Tacitus adressiert.
 
Eine bestimmte Art des Vulkanausbruchs wird nach der Beschreibung durch den jüngerne Plinius vom Ausbruch des Vesuv als plinianisch apostrophiert.
 
Die Stelle ist sehr kurz (Suet. Claud. 25,4):

Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantis Roma expulit.
=
"Die Juden, die - angestiftet von Chrestus - ständig Tumulte verursachten, vertrieb er aus Rom."

Was sich Sueton da genau vorstellt, wissen wir nicht. Sueton schreibt auch nicht, warum Claudius nicht einfach den Anstifter "Chrestus" geschnappt und hingerichtet hat, sondern die Juden (bzw. zumindest die Chrestus-Anhänger) aus Rom vertrieben hat.

Cassius Dio schreibt zum ersten Regierungsjahr des Claudius:

Die Juden, deren Zahl sich wieder so vermehrt hatte, daß es auf Grund ihrer Menge schwierig gewesen wäre, sie ohne Unruhen aus der Stadt zu weise, vertrieb er zwar nicht, aber er befahl ihnen, bei ihrer überkommenen Lebensweise zu bleiben und sich nicht zu versammeln.

(Übersetzungen bei Helga Botermann, Das Judenedikt des Kaisers Claudius, Stuttgart 1996)

Aus diesem Grund scheint es ziemlich unwahrscheinlich, dass Sueton hier eine Vertreibung aller Juden gemeint hat, sondern nur derjenigen Juden, die als Anhänger des Chrestus galten und für die Tumulte verantwortlich gemacht wurden.


Macht nichts, dann erwähne ich sie zum 1001. Mal (auch wenn zumindest Chan sie vermutlich weiterhin ignorieren wird), es muss ja nur noch kopiert werden:

Sueton erwähnt die Anklagen wegen Brandstiftung noch nicht einmal. Er erzählt hier auch keine "Räuberpistolen", sondern erwähnt die Todesstrafe für die Christen unter den strafrechtlichen Maßnahmen, und das in durchaus zustimmendem Tonfall:

"Multa sub eo et animadversa severe et coercita nec minus instituta: adhibitus sumptibus modus; publicae cenae ad sportulas redactae; interdictum, ne quid in propinis cocti praeter legumina aut holera veniret, cum antea nullum non obsonii genus proponeretur; afflicti suppliciis Christiani, genus hominum superstitionis novae ac maleficae; vetiti quadrigariorum lusus, quibus inveterata licentia passim vagantibus fallere ac furari per iocum ius erat; pantomimorum factiones cum ipsis simul relegatae.
=
Viele alte strenge Straf- und Verbotsbestimmungen wurden wieder unter ihm in Kraft gesetzt und nicht weniger neue eingeführt. So wurden dem Aufwand Schranken gesetzt, die Volksspeisungen durch vollständige Mahlzeiten auf Speiseportionen beschränkt und ein Verbot erlassen, in den Schenken Gekochtes, mit Ausnahme von Kohl und Hülsenfrüchten, zu verkaufen, während früher alle möglichen Arten von Gerichten dort angeboten wurden. Todesstrafen trafen die Christianer, eine Sekte mit einem neuen und schädlichen Aberglauben. Verboten wurden die Belustigungen der Rennfahrer, die das hergebrachte Recht genossen, zu gewissen Zeiten durch die Stadt zu schweifen und unter der Maske des Spaßes allerlei Betrügereien und Diebesstreiche auszuführen. Die Claqueurbanden der Pantomimen sowie diese selbst wurden aus der Hauptstadt verwiesen."

Suetonius: Nero (14-17), Manahmen der inneren Verwaltung (lateinisch, deutsch)

Offenbarung des Johannes
Reste des Heidentums in der Folklore

Und aus letzterem Beitrag auch noch zu Tacitus (wer die Stelle immer noch nicht gelesen hat, sie war vor wenigen Tagen schon dran: Historizität Jesu von Nazareth ):



Alles andere bleibt bei Carrier stehen. Tacitus schreibt also, Nero habe die "Chrestianer" verfolgt, eine berüchtigte jüdische Sekte, die sich von Judäa aus bis nach Rom verbreitet hätte.
Die allereinfachste Erklärung für die "Chrestianer" und den "Chrestos" wäre nun, dass es sich um eine Verwechslung des griechischen Eta mit dem Jota handelt. Für eine solche Verwechslung gibt es ausreichend Zeugnisse, nicht nur beim Namen Christus/Chrestus. Dass die Verwechslung "Chrestus" statt "Christus" eine alltägliche Erscheinung war, ist allerdings auch aus Tertullian zu schließen:

Sed et cum perperam "Chrestianus" pronuntiatur a vobis ---- nam nec nominis certa est notitia penes vos ----, de suavitate vel benignitate compositum est. Oditur itaque in hominibus innocuis etiam nomen innocuum. (Apologeticum III, 5)
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Und auch, wenn er von euch falsch Chrestianus ausgesprochen wird -- denn selbst den Namen kennt ihr noch nicht einmal genau --, so schließt er den Begriff Milde und Güte in sich. (Apologeticum 3)


Wenn man diese einfache Erklärung nicht akzeptieren möchte, muss man (wie Carrier) zwei berüchtigte jüdische Sekten anzunehmen. Die eine jüdische Sekte, die "Christianer", würde dann auf eine Person zurückgehen, die "Christos" genannt wird. Die andere jüdische Sekte, die "Chrestianer", würde dann auf eine Person zurückgehen, die "Chrestos" genannt wird. Die beiden hätten aber rein gar nichts miteinander zu tun.

Was ich mich, wenn ich an das Edikt des Claudius denke, die ganze Zeit schon frage, ist wie die Römer zu dieser Zeit zwischen Juden und Judenchristen differenzieren konnten und wie das in die Praxis umgesetzt wurde. Wenn man die zeitgenössischen Quellen lies, wird klar, dass Römer wie Tacitus, Plinius und Sueton mit der theologischen Bedeutung des Messiasglauben allenfalls oberflächlich bekannt waren. Sie mochten davon schon etwas gehört haben, aber grundsätzlich war ihnen diese Vorstellung fremd. Wie wollten die aber Judenchristen von Juden unterscheiden? Kaiser Domitian erließ eine Judensteuer. Sueton schreibt in seiner Domitianbiographie von Erfahrungen, die er als junger Mann gemacht hatte, wie ein alter Jude, ein Mann von 90 Jahren seine Genitalien entblößen musste (Sueton, Domitian IX). Titus hatte die traditionelle Tempelsteuer von 1/2 Schekel, die jeder männliche Jude bezahlen musste auf den Juppiter Capitolinus und seinen irdischen Vertreter, den Kaiser, übertragen. Dieser Zahlung versuchten natürlich einige zu entgehen. Der 90 Jährige musste sich vor dem Prokurator entkleiden, damit man inspizieren konnte, ob er beschnitten war. Ähnliche Erfahrungen berichten viele Holocaustüberlebende aus den Ghettos des 2. Weltkrieges. Auf diese Art und Weise waren zwar Juden zu identifizieren, aber es war praktisch unmöglich, Judenchristen als solche zu erkennen, wenn diese sich nicht selbst als Christen outeten oder als solche denunziert wurden. Man kann sich denken, dass die Römer Judenchristen auswiesen ließen, die denunziert wurden, die bereits aufgefallen waren oder die nicht im Stande oder nicht willens waren, römische Amtsträger durch die Zahlung von Bestechungsgeldern günstig zu stimmen. Von Alexandria, Antiochia ad Orontem und anderen Metropolen des griechischsprachigen Ostens war bekannt, dass es dort zahlenmäßig starke Judenviertel gab. Demographische Unterlagen sind zwar nicht bekannt, wenn aber bei Unruhen und Pogromen aus der Zeit Trajans und davor und danach von Hunderttausenden von Opfern berichtet wird, kann man schon davon ausgehen, dass sicher einige 10.000 Juden in den großen Metropolen lebten, und in Rom, das schon in der Antike mehr als 1 Millionen Einwohner hatte, kann man getrost davon ausgehen, dass es auch dort ein zahlenmäßig starkes Judenviertel gab. Bei solchen Zahlen fällt es schwer, sich vorzustellen, dass die römischen Beamten da in jedem Fall eine Leibesvisitation angeordnet haben, die im Falle von Judenchristen ohnehin nicht funktionierte.
 
Was ich mich, wenn ich an das Edikt des Claudius denke, die ganze Zeit schon frage, ist wie die Römer zu dieser Zeit zwischen Juden und Judenchristen differenzieren konnten
Ja, und wie haben die Juden und die Judenchristen das selber differenziert, ab wann haben sich die Judenchristen nicht mehr als jüdische Sekte sondern als "richtige" Religion empfunden bzw sind sie von den Juden so empfunden worden?
 
Ja, und wie haben die Juden und die Judenchristen das selber differenziert, ab wann haben sich die Judenchristen nicht mehr als jüdische Sekte sondern als "richtige" Religion empfunden bzw sind sie von den Juden so empfunden worden?

Wenn es überhaupt so etwas wie eine große, einschneidende Zensur gab, ab der der sich die Wege von Judentum und Christentum endgültig trennten, dann war das der 1. Jüdische Krieg und die Zerstörung von Jerusalem 70.
 
Ich muss mich korrigieren, Domitian erlies keine "Judensteuer", sondern ließ die von seinem Bruder auf den Kapitolinischen Juppiter und den Kaiser umgelegte traditionelle Tempelsteuer besonders aggressiv eintreiben, siehe die von Sueton überlieferte Anekdote mit dem 90jährigen Juden (Sueton Domitian Kap. IX)
 
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