Wobei das 12. Jhdt. schon ein recht spätes Beispiel für kirchliche Versuche der Friedensstiftung ist. Bereits nach dem Zusammenbruch der karolingischen Herrschaft auch im Westfrankenreich griff die Kirche im Prinzip in die Geschicke "Frankreichs" ein, da die kapetingische Königsherrschaft zunächst vergleichweise schwach war und kaum über die Île de France hinaus als ordnende Macht funktionierte. Die tregua Dei, die auch in den spanischen Königreichen kopiert wurde, legte die Tage an denen überhaupt gekämpft werden durfte, fest und versuchte den Raubzügen der Adeligen zumindest ein Regularium zu geben, welches der Bevölkerung eine Art von Sicherheit gab.
Das ist richtig; mir ging es aber darum, ein Beispiel für eine "kausale" Verbindung zwischen "geistlichen Fragen" und "Friedensstiftung" im Konzilien-Kontext zu nennen, wofür das Konzil von Reims sich ganz gut eignet - immer vorausgesetzt, dass das der von ihm so gemeinten Fragestellung des Ursprungsposters entspricht, was wir vermutlich nie erfahren werden. Vielleicht wäre es aber besser, die diffuse Fragestellung, gleich wie gemeint, auszuklammern und sich nur anzuschauen, was wirklich geschehen ist.
Die anarchischen Praktiken des Adels tangierten die Sicherheit der klerikalen Güter ab dem 10. Jh. zunehmend drastisch. Das dürfte wohl der vorrangige Grund für die angestrebte "Regulierung" sein und weniger die bedrohte Sicherheit der Bevölkerung. Man sollte dabei bedenken, dass diese Güter keine Geschenke des Himmels, sondern entweder Geschenke des Adels waren oder (später) durch militärische Aktionen (Kreuzzüge) erworben wurden, ihre Herkunft war also auch im ersteren Fall keineswegs friedlich (Adelsbesitz war immer gewaltsam entstanden).
Angesichts dieser Gefahr sahen die Klerikalen sich gezwungen, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegenzuhalten, sie benutzten also ihre religiöse Autorität, um eine größtmögliche Kontrolle über das Verhalten der Aggressoren zu gewinnen. Sehr weit kamen sie dabei natürlich nicht, ihre Maßnahmen beschränkten sich auf die Etablierung von Feier- und Sonntagen als Zeiten der "Waffenruhe Gottes" (italienisch "tregua di dio" / lateinisch "treuga dei"), die als von ´Gott´ gewünscht ausgegeben wurden. Kriegsführung wurde nicht verboten, sondern nur punktuell eingeschränkt.
Das erste Konzil, das sich mit dem Problem befasste, fand 1027 in Elne-Toulouges-Roussillon statt und traf folgende Festlegungen:
+ keine Kriegstätigkeiten zwischen Samstag 15 Uhr und Montag 7 Uhr. Begründung: Am Sonntag habe der Mensch ´Gott´ zu ehren.
+ keine Gewalttaten gegen unbewaffnete Klerikale, gegen Kirchgänger und gegen Männer in Frauenbegleitung
+ keine Überfälle auf Kirchen und auf Gebäude im Radius von 45 Metern um eine Kirche (d.h. Überfälle auf 46 Meter entfernte Gebäude waren legitim...)