Neue Römerlager in Ostwestfalen-Lippe

Würde ich nicht ernst nehmen. Es handelt sich um eine zufällige Namensgleichheit zwischen dem mittlerweile pensionieren Osnabrücker Landesarchäologen Wolfang Schlüter und dem Juristen Wolfgang Schlüter. Der im Artikel angeführte Beleg für die "neuen Lager" sind Uferterrassen (hier ist an geogene Phänomene zu denken) und "seltsam begehbaren 'Kirchwege'". Bevor da nicht die Landesarchäologie oder ein von ihr beauftragtes Unternehmen mal dran gegangen ist, ist das nichts weiter als lauwarme Luft eines öffentlichkeitswirksamsgeilen Lokalforschers ohne archäologische Fakultas.
Meine Skepsis rührt auch daher, weil ich schon früher einiges aus der Feder des Juristen Schlüter und seiner Mitstreiter zur Thematik gelesen habe und was mehr auf Wunschdenken, denn auf belastbaren Fakten basierte. Hierher rührt auch mein Urteil der Öffentlichkeitswirksamkeitsgeilheit.
 
Zuletzt bearbeitet:
ein Blick auf die sonstigen Publikationen des Osning-Verlages macht es auch nicht besser...
 
Das mag stimmen, ich bezog mich aber eher auf Schlammschlachten von Seiten der Bielefelder und dass die - zumindest in früheren Publikationen - sich die Peinlichkeit erlaubt haben, in ihre Argumentation vermutlich von einem Wirt gefälschte Arminius Dux-Münzen aus dem 17. Jhdt. einzubeziehen.
 
Ich sehe das positiv (das mit den Münzen natürlich nicht!).

Es muß ja in Zusammenhang mit Arminius Dutzende römische Marschlager und Befestigungen gegeben haben, und hier sind mal ein paar konkrete Ortsangaben, von denen die Profi-Archäologen sich ja eine aussuchen könnten, um dort etwas in die Tiefe zu gehen.
 
Es muß ja in Zusammenhang mit Arminius Dutzende römische Marschlager und Befestigungen gegeben haben

Dass es in Ostwestfalen noch unentdeckte Römerlager gibt, ist unzweifelhaft. Nur der Artikel - und so wie ich den Kreis um den Jura-Professor Schlüter nach Lektüre nicht nur dieses Artikels sondern auch eigener Publikationen einschätze, ist das nicht allein dem Medium zu verdanken - ist reißerisch und behauptet einen Fund, wo doch erst einmal geogene Ursachen anzunehmen bzw. wo die "Beleglage" äußerst dünn ist. So wird als Beleg für's Römerlager tatsächlich die subjektive Aussage irgednwelcher Dorfbewohner herangezogen, dass manche Kirchwege "seltsam begehbar" seien. Klar, bei "seltsam begehbaren Kirchwegen" denkt man sofort an ein Römerlager. [/ironie off]

...und hier sind mal ein paar konkrete Ortsangaben, von denen die Profi-Archäologen sich ja eine aussuchen könnten, um dort etwas in die Tiefe zu gehen.
Wenn jetzt die Archäologen überall dort graben würden, wo Lieschen Müller glaubt, dass da etwas drunter liegen könnte (und zwar am liebsten gleich das letzte Marschlager des Varus), kämen sie aus dem Graben gar nicht mehr raus... Abgesehen davon, dass man heute Lustgrabungen kaum mehr durchführt sondern in erster Linie Notgrabungen. Lustgrabungen funktionieren nur über Drittmittelfinanzierung und die müssen ordentlich begründet sein und nicht, weil Lieschen Müller einen vagen Verdacht hat, dass da was sein könnte, weil Opa mal davon erzählt hat, dass da im Winkel am Feldrain bei der alten Eiche eine Wegbiegung seltsam eckig ist.
 

Das ist ja auch so etwas bescheuertes, worüber ich mich ärgern könnte. Die Neue Westfälische macht erst mal einen Riesenaufhänger draus, weil ein emeritierter Jura-Prof. der schon mehrfach mit archäologischen Hypothesen auf die Schnauze gefallen ist* und ein Diplomagraringenieur glauben, irgendwo ein Römerlager lokalisieren zu können, wobei der Besitzer des Feldes (besagter Diplomagraringenieur) wiederum klar sagt, dass er keine Funde vorweisen könne, was er mit der jahrhundertelangen Feldbearbeitung erklärt (vgl. Tony Clunn hat 1987 trotz jahrhundertelangem Plaggeneschauftrag Schleuderbleie und Münzen lokalisieren können) obwohl der eigentliche Fachmann ganz klar sagt, dass an dem Ort nichts ist, was auf ein Römerlager hinweist.
Also eigentlich keine Nachricht. Was soll der Blödsinn?!

Die haben nicht nur keine Funde, nein, sie wollen ihre Nichtfunde auch noch in Konkurrenz zu Kalkriese setzen (threadstartender Artikel aus der Lemgoer Zeitung). Da fragt man sich doch wirklich, wo der gesunde Menschenverstand geblieben ist!


*und dessen Glaubwürdigkeit als Experte für Juristerei nicht unbedingt dadurch gestiegen ist, dass er meinte Kalkriese (in personam Dr. Rottmann) verklagen zu können, er hat sich also nicht nur als Dilettant auf dem Feld der Archäologie, sondern auch auf dem Feld der Juristerei, auf dem er Expertenstatus haben müsste, als instinktlos gezeigt. Abgesehen davon, dass es ein Unding ist, zu versuchen eine wissenschaftliche Debatte vor Gericht zu klären.
 
Tony Clunn war ein Ausnahmetalent. Wurden denn überhaupt noch weitere Schleuderbleie gefunden?
Zudem war es ein Glücksfall, daß er auf Wolfgang Schlüter (den Archäologen aus Osnabrück) traf.

Wenn ich den von El Quijote zitierten Zeitungsartikel lese, stelle ich folgendes fest:

1. An der Stelle in Herford wurde allenfalls oberflächlich gesucht. Es wird ja auch kein Schlachtfeld vermutet wie in Kalkriese, sondern ein Lager. Da ist die Funddichte viel geringer.

2. Ein Landesarchäologe will sich nun doch zumindest eine Stelle bei Lage genauer ansehen. Das finde ich gut, aber es bedeutet doch auch, daß er dem zweiten Wolfgang Schlüter (dem Juristen aus Bielefeld) etwas mehr zutraut als Lieschen Müller, die in ihrem Kaffeesatz liest.

Also, El Quijote, wahrscheinlich hast du ja recht mit deiner Skepsis, aber die Punkte, die halbwegs erfolgversprechend aussehen, sollten eben doch mal wenigstens in Augenschein genommen werden.
 
hmmm...ein wenig merkwürdig ist die Formulierung im o. g. Artikel:

Schlüter spricht von einer neuen Dimension der Erkenntnis, die die Luftbilder und der Einsatz eines Bodenradargerätes vor Ort gebracht hätten. Bodenradare erlauben eine Charakterisierung des Untergrundes mit hochfrequenten elektromagnetischen Wellen. Vier sichere römische Stützpunkte hätten die Forscher dank dieser Technik ausfindig gemacht. So fanden sie in Hillewalsen, einem Ortsteil des Herforder Stadtteils Elverdissen, weiträumige römische Lager- und Wallgraben-Strukturen.

Sind diese nachgewiesenen römischen Lager nun aber als Austragungsort der Schlacht im Teutoburger Wald zu werten?

Wer sind diese Forscher? Sind das Schlüter und Umfeld? Wer hat die Luftbilder und die Aufnahmen des Bodenradars ausgewertet?
 
1. An der Stelle in Herford wurde allenfalls oberflächlich gesucht. Es wird ja auch kein Schlachtfeld vermutet wie in Kalkriese, sondern ein Lager.
Ich zitiere aus dem Artikel aus der Lemgoer Zeitung:

Schlüter ist Vorsitzender des Arminiusforschungsvereins in Bielefeld, der jetzt [...] neue Erkenntnisse zum Streit um die Varusschlacht und die römische Besatzung vorgelegt hat. Den Autoren nach lässt sich die These von Kalkriese im Osnabrücker Land als Gebiet der Varusschlacht endgültig nicht länger aufrechterhalten.​

Schon "neue Erkenntnisse" ist ja eigentlich ein Witz, denn de facto wird nichts vorgelegt.
Es ist dabei völlig egal, als was man Kalkriese interpretiert. Ein Beleg dafür, dass sie auf Römerlager gestoßen sind, fehlt, Spiong (Artikel Neue Westfälische) will sich eine Erhebung mal anschauen. Spiong ist also völlig ergebnisoffen bis vorsichtig. Aber was soll er auch anderes sagen: Die angeblichen Bodenradar-Daten hat man ihm ja nicht vorgelegt (Artikel Neue Westfälische).

Nehmen wir mal ganz positiv für Schlüter und Mitstreiter an, sie hätten tatsächlich Römerlager detektiert: Selbst dann hätten sie noch längst keine datierbaren Funde. Trotzdem lehnen sie sich so weit aus dem Fenster, dass sie sich trauen, ihre "Lager" der Varusschlacht zuzuordnen und Kalkrieses Anspruch in Abrede zu stellen.

Nüchtern betrachtet machen sie also nichts weniger, als mittlerweile 31 Jahre Forschung in Kalkriese mit mehreren tausend Funden - was denn eigentlich genau Kalkriese gegenüberstellend? - zu verwerfen. Wenn sie wenigstens Funde hätten, die zeitgleich mit denen in K'riese zu datieren wären, dann hätte man eine echte Diskussionsgrundlage, aber das haben sie ja nicht einmal.

die Punkte, die halbwegs erfolgversprechend aussehen, sollten eben doch mal wenigstens in Augenschein genommen werden.
Spiong will eine Erhebung untersuchen. Was genau heißt das? LiDAR-Scan? Andere nichtinvasive Methoden? Invasive Methoden? Was erwartet Spiong denn eigentlich unter der Erhebung? Erwartet er was römisches? Oder, wie im Fall Elverdissen, Spuren die gar nicht in die Römerzeit zu datieren sind? Das steht da ja alles nicht. Und einem Artikel, der einseits titelt, dass "Forscher [...] neue Hinweise auf Römerlager im Elvedissen" gefunden haben wollen, andererseits aber zugeben muss, dass der einzige Mann vom Fach nichts sieht, was in Elverdissen auf ein Römerlager hindeutet, wie viel kann man dem wohl, wo er sich schwammig ausdrückt, an verwertbaren Fakten entnehmen?
 
Um deren Buch geht es ja, was dort mehr oder weniger beworben wird.

In dem von LEG XVII verlinkten Artikel der Neuen Westfälischen (Römische Signaltürme und Hellwege ) steht dazu noch folgendes:

Dass Legionäre in Elverdissen ein Lager errichteten, will er aber auch nicht ausschließen. „Die Daten des Bodenradars liegen mir nicht vor", so der Archäologe [Sven Spiong, Chefarchäologe des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe].

D. h. wir haben bei den angeblich entdeckten Römerlagern nur die Vermutungen von Amateur-Archäologen, ohne dass dies der Fachmann vom Landschaftsverband dies bestätigen kann. (Ausschließen kann er das anhand der Faktenlage allerdings auch nicht). Und die Daten des Bodenradars liegen ihm ebenfalls nicht vor.

Das ganze Story macht auf mich einen eher windigen Eindruck.
 
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