Lippa <> Lippstadt?

jchatt

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Hallo,

im LWL-Museum in Münster habe ich heute ein Propagandablättchen aus dem 30-jährigen Krieg gesehen, auf dem die "Abbildungen der furnembsten Örter in Westphalen die der Herzog Christian von Braunschweig eingenommen hat" abgebildet sind. Die meisten aufgezählten Städte sind leicht zu identifizieren (Paderborn, Lippspringe, Soest, Brackel, Horn etc.)
Neben Lippstadt ist nun aber auch eine Ortschaft Lippa aufgezählt.
Die Wikipedia berichtet, daß der alte Name von Lippstadt "Lippe" war. Ohne die parallelen Nennung von Lippstadt und Lippa, hätte ich Lippa also auch als Lippstadt identifiziert.
Offenbar gab es im 16.Jhd. aber zwei Orte dieses Namens.
Weiss jemand, welche Ortschaft(Wüstung?) sich hinter diesem Namen(Lippa) verbirgt ?


Gruß
jchatt
 
Oder doch nur ein Fehler des Autors dieses Blättchens? Einige der Ortschaften, die dort aufgeführt werden, sind weder westfälisch noch "furnem", sondern gehören zum 1621 besetzten Oberhessen.
 
Es scheint sich um die Grafschaft Lippe bzw. deren Schloss zu handeln:

Nach dem nun Hertzog Christian merckte/daß er Freund und Feind halben in Gefahr stuende / zog er den 16. Julij bey Hammeln vber die weser/ und wendete sich nach der Graffschafft Lippa / nach dem er zu vorhero auff dem Eichßfeld viel Maynzische Doerffer beneben der Aptey Geroda in die Aschen gelegt. So bald nun Tilly seinen Auffbuch und For[t]zug vernommen /ist er ihm durch das Stifft Paderborn nachgeruckt: da es dann / nach dem er sich mit dem Graffen von Anhold conjugirt/bey Statloo[n] im Stifft Muenster den 6[.] Augusti zu einem HauptTreffen kommen/in welchem Herzog Christian den Kuerzern gezogen/vnd seines Volcks etlich tausend Mañ erschlagen/bey 5000. gefangen/...
Auszug aus Johann Petrus Arentin: Extremi secvli fvrores. Warhaffftige Beschreibung deß verderblichen Kriegwesens und jaemmerlichen Zerrüttungen auch anderer denckwuerdigen Haendel/so sich nicht allein in Teutschland/sondern auch an anderen Orthen in der Welt vom Jahr 1618. biß auff gegenwertige Zeit zugetragen (1634).

Umlaute im Originaldruck mit -e- über Vokal, [eckige Klammern] Ergänzungen von mir
 
Nach einem Schloss sieht das allerdings nicht aus.

Zumindest einige der Ortschaften scheinen aus der Fantasie gezeichnet. Anzefahr zum Beispiel ist ein winziges Nest, hatte weder Mauer noch Türme oder Graben. Die Höhenburg im Hintergrund könnte bestenfalls die Amöneburg sein, welche im ersten Bild aber völlig anders dargestellt ist.
 
Soll das im Vordergrund ähnlich Paderborn und Lippstadt einen Fluss darstellen?
Dann wäre der sechseckige Wehrturm evt. an der Lippe zu verorten?
 
Ich habe das zuerst auch für die Lippe gehalten, meine aber bei längerer Betrachtung, dass es sich eher um einen Weg handelt. Denn wie bei anderen Ortschaften auch (etwa Werl[e]) direkt darüber) führt der Weg auf das Stadttor zu
 
Soll das im Vordergrund ähnlich Paderborn und Lippstadt einen Fluss darstellen?
Dann wäre der sechseckige Wehrturm evt. an der Lippe zu verorten?

Sieht für mich eher wie ein Weg aus. Aber im Zeichestil eindeutig erkennen kann man den Unterschied nur an einer hinzugefügten Brücke ;-)

Gruß
jchatt
 
Es scheint sich um die Grafschaft Lippe bzw. deren Schloss zu handeln:

Nach dem nun Hertzog Christian merckte/daß er Freund und Feind halben in Gefahr stuende / zog er den 16. Julij bey Hammeln vber die weser/ und wendete sich nach der Graffschafft Lippa / nach dem er zu vorhero auff dem Eichßfeld viel Maynzische Doerffer beneben der Aptey Geroda in die Aschen gelegt. So bald nun Tilly seinen Auffbuch und For[t]zug vernommen /ist er ihm durch das Stifft Paderborn nachgeruckt: da es dann / nach dem er sich mit dem Graffen von Anhold conjugirt/bey Statloo[n] im Stifft Muenster den 6[.] Augusti zu einem HauptTreffen kommen/in welchem Herzog Christian den Kuerzern gezogen/vnd seines Volcks etlich tausend Mañ erschlagen/bey 5000. gefangen/...
Auszug aus Johann Petrus Arentin: Extremi secvli fvrores. Warhaffftige Beschreibung deß verderblichen Kriegwesens und jaemmerlichen Zerrüttungen auch anderer denckwuerdigen Haendel/so sich nicht allein in Teutschland/sondern auch an anderen Orthen in der Welt vom Jahr 1618. biß auff gegenwertige Zeit zugetragen (1634).

Umlaute im Originaldruck mit -e- über Vokal, [eckige Klammern] Ergänzungen von mir

Scheint mir am plausibelsten. Demnach würde die Stadtansicht wahrscheinlich einen bedeutenden Ort innerhalb der Grafschaft zeigen.
Vielleicht Lemgo?
Hier sind vieleckige Türme in der Stadtbefestigung zu erkennen.

Gruß
jchatt
 
Scheint mir am plausibelsten. Demnach würde die Stadtansicht wahrscheinlich einen bedeutenden Ort innerhalb der Grafschaft zeigen.
Vielleicht Lemgo?
Hier sind vieleckige Türme in der Stadtbefestigung zu erkennen.

Ich habe mir gerade mal die Ansichten Paderborns und Soests bei Merian angeschaut und tendiere daher eher - bei Paderborn mehr als bei Soest, wo man die eine oder andere Parallele vielleicht erkennen kann - zu Stilichos Annahme:

Zumindest einige der Ortschaften scheinen aus der Fantasie gezeichnet.

Demnach wären das mehr "Symbolbbilder".
 
Dann würde ich doch nochmal die Wasserburg Lipperode ins Spiel bringen, die wurde anscheinend tatsächlich "Burg Lippe" genannt:

Alte Nachrichten von Lippstadt und benachbarten Gegenden wie auch etwas von dem Hochgräfl. Lippischen Hause und Ländern

Dann hätten wir aber das Problem, dass die von elQuichote belegte Eroberung der Grafschaft Lippa nicht auf dem Propaganda-Blättchen auftaucht, die Gegend um Lippstadt dann aber mit zwei Piktogrammen vertreten wäre.
Zudem sind ja auf dem Blatt auch Klöster und Schlösser extra genannt ("Kloster Daalen", "Drosten von Werle Schloss").
"Burg" oder "Schloß Lippa" wäre meiner Meinung nach dann zu erwarten gewesen...

Gruß
jchatt
 
Dann hätten wir aber das Problem, dass die von elQuichote belegte Eroberung der Grafschaft Lippa nicht auf dem Propaganda-Blättchen auftaucht

Die Grafschaft wurde ja nicht erobert.

Zudem sind ja auf dem Blatt auch Klöster und Schlösser extra genannt ("Kloster Daalen", "Drosten von Werle Schloss").
"Burg" oder "Schloß Lippa" wäre meiner Meinung nach dann zu erwarten gewesen...
Oder auch nicht, siehe "Newenhauß" - Schloss Neuhaus.
 
Die Grafschaft wurde ja nicht erobert.
Oder auch nicht, siehe "Newenhauß" - Schloss Neuhaus.

Wenn das stimmt hätte ich da dann auch wieder Zweifel. So wie ich das in der Wiki sehe, gehörte Lippstadt und die Burg Lippe/Lippa ja auch rechtlich noch gemeinsam zur Grafschaft Lippe, auch wenn es untereinander Streitigkeiten über den reformierten Glauben gab, oder ?

Letztendlich braucht es ja auch noch einen Grund für die Änderung des Ortsnamens Lippe zu Lippstadt. Eine Unterscheidung zu Lippe die Burg erscheint da plausible. Bis kurz vor dem 30jährigen Krieg schien Lippe aber noch gebräuchlich gewesen zu sein

Gruß
jchatt
 
Bis kurz vor dem 30jährigen Krieg schien Lippe aber noch gebräuchlich gewesen zu sein

Richtig. 1589 hieß es noch stadt Lippe, der erste Beleg für Lipstatt stammt aus dem Dreißigjährigen Krieg:

Warhafftige Newe Zeittung Oder Kurtzer Bericht, was massen die Lipstatt nach ungefehr zwey Monatlicher Belägerung sich ergeben.
https://epub.ub.uni-muenchen.de/17264/1/4Hist.4037_17.pdf


"Seit dem 14. Jh. belegte volkssprachliche Fügungen wie die Stat zu der Lippe werden seit dem 16. Jh. zu Stadt Lippe zusammengezogen und -stadt durch Umstellung zum Gw." (Deutsches Ortsnamenbuch)
 
Wenn das stimmt hätte ich da dann auch wieder Zweifel. So wie ich das in der Wiki sehe, gehörte Lippstadt und die Burg Lippe/Lippa ja auch rechtlich noch gemeinsam zur Grafschaft Lippe

Lipperode ja, Lippstadt nein:

Erstmals erlangten die Grafen von der Mark einen Teil der Herrschaftsrechte 1376 im Rahmen von Erbstreitigkeiten der Edelherren zur Lippe (Gründergeschlecht von Lippstadt) mit den Tecklenburger Grafen, bei denen sie als Vermittler zwischen den Fehdeparteien auftraten. Mit dem Übergang der Grafschaft an die Markgrafen von Brandenburg 1609 und endgültig 1666 vereinnahmten die neuen Herren Lippstadt als Festungsstadt für Brandenburg-Preußen.
Grafschaft Mark – Wikipedia

EDIT:
Details gibt es hier: https://www.lwl.org/301av-download/pdf/Christiansmeyer.pdf
 
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