Frauen in Hosen

Divico

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Kürzlich stieß ich eher zufällig auf historische Fotografien aus dem Val d'Illiez im Wallis, teils aus dem ganz frühen 20. Jahrhundert — auf denen die Frauen Hosen tragen! Dieses nachkolorierte Foto etwa soll von 1904 stammen (weitere Bilder).

Kann es sein, dass die Frauen in dieser damals recht entlegenen Hochgebirgsregion so etwas wie heimliche Vorreiterinnen waren? Oder anders gefragt, gibt es Parallelen in anderen westlichen Ländern?
 
Mir fallen spontan die pit brow women (häufiger auch unter pit girls zu finden) in den englischen Kohleminen ein. Ob's dazu Parallelen in anderen Ländern gibt, weiß ich nicht. Die Gemeinsamkeit mit Deinen - mutmaßlich - Sennerinnen könnte sein, daß es um pragmatisch gewählte Arbeitskleidung geht, weniger um modische oder gesellschaftspolitische Aspekte.
 
Mir fallen spontan die pit brow women (häufiger auch unter pit girls zu finden) in den englischen Kohleminen ein.
Also noch ein paar Jahrzehnte früher, sehr interessant.
Ob's dazu Parallelen in anderen Ländern gibt, weiß ich nicht. Die Gemeinsamkeit mit Deinen - mutmaßlich - Sennerinnen könnte sein, daß es um pragmatisch gewählte Arbeitskleidung geht, weniger um modische oder gesellschaftspolitische Aspekte.
Es sind Sennerinnen, und ich stimme Dir prinzipiell zu.

Jetzt muss ich doch einmal genauer schauen, ob es da nicht einen Einfluss durch britische Touristinnen gegeben hat, die es vielleicht in der anonymen alpinen Fremde den pit brow women gleichgetan haben.
 
Das war sicher die Arbeitskleidung der Sennerinnen, an Sonn- und Feiertagen werden sie wohl eine andere Tracht getragen haben.
Auf die Idee, die praktischeren Hosen als Arbeitskleidung zu tragen, könnten sie angesichts der männlichen arbeitenden Bevölkerung gekommen sein.
Dass britische Touristinnen sich Arbeitskleidung der Unterschicht zugelegt haben, halte ich für wenig wahrscheinlich. Und dass sie sich für einen Urlaub im Wallis nun ausgerechnet als Kohlekumpelinnen verkleiden wollten, ist absurd.

Hosen als weibliche Arbeitskleidung waren insbesondere im 1. Weltkrieg häufiger zu sehen:
Hosen an der Heimatfront: Frauenbeinkleider 1914-1918
Frauenarbeit im Ersten Weltkrieg (1917) | filmportal.de

Das fand ich ganz lustig:
Die Frauenrechtlerin Elizabeth Smith Miller trug aus praktischen Gründen und um besser der Gartenarbeit nachgehen zu können ab 1851 eine knöchellange, weite Hose, die am Saum eingehalten war, darüber einen etwa knielangen Rock und einen locker geschnittenen, knielangen Mantel. Sie hatte dieses Hosenkostüm, was der „Türkischen Tracht“ ähnelte, 1850 in einem Schweizer Sanatorium kennengelernt, in dem sich Frauen von den Folgen zu eng geschnürter Korsette erholen konnten.
Modegeschichte: Frauen in Hosen
 
Das war sicher die Arbeitskleidung der Sennerinnen, an Sonn- und Feiertagen werden sie wohl eine andere Tracht getragen haben.
Auf diesem Bild sieht man den Mann in Festtagstracht, gleichwohl die Frau in Hosen.
Dass britische Touristinnen sich Arbeitskleidung der Unterschicht zugelegt haben, halte ich für wenig wahrscheinlich.
Offenbar ist Wintersportkleidung im 20. Jh. die erste Gelegenheit für nicht der Unterschicht angehörige Frauen gewesen, Hosen zu tragen, ohne dabei schief angesehen zu werden. Da es Briten waren, die den Wintersport begründeten, scheint mir die Vermutung nicht so leicht von der Hand zu weisen. Nebenbei erleben wir auch heute, dass Angehörige der Oberschicht- und Mittelschicht Modetrends aus der Unterschicht aufnehmen — wie in den letzten Jahrzehnten etwa Tätowierungen, die zuvor auf Matrosen und Knastologen beschränkt gewesen waren.
 
Zuletzt bearbeitet:
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The Saint Paul Daily Globe, 14. April 1895
 
Sehr interessant, die Geschichte der Frauenradrennen im späten 19. Jh. kannte ich noch nicht. Allerdings findet diese Entwicklung in Amerika statt und blieb in der europäischen Provinz wohl weitgehend unbeachtet.

Näher dran wäre die amerikanische Bergsteigerin Annie Smith Peck, die zeitweise in Europa lebte und unter anderem 1895 das Matterhorn bestieg — in Hosen. Das wäre 9 Jahre vor dem ersten Foto mit Sennerinnen in Hosen, ebenfalls im Wallis. Da Champéry schon sehr für den Alpintourismus erschlossen wurde, würde ich darum nicht ausschließen wollen, dass zunächst Touristinnen es dem weiblichen Alpinisten-Superstar ihrer Zeit gleich taten, die dann wiederum die örtlichen Sennerinnen inspirierten.

Danke für die informativen Links!
 
Die Adelitas der Mexikanischen Revolution trugen wohl auch des öfteren Hosen.
https://www.mexicodesconocido.com.mx/wp-content/uploads/2019/11/adela-velarde.jpg
Von Katharina II gibt es mindestens ein zeitgenössisches Porträt das zeigt, dass sie "die Hosen" an hatte.
https://upload.wikimedia.org/wikipe..._Конный_портрет_Екатерины_Великой._-_1762.jpg
(Ich kann mir auch nur schwer vorstellen, dass sie an der Spitze der Kaiserlichen Garde im Ballkleid ihren Gatten entmachtete.)
 
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