Franken und Türken

tela

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In der Fredegar Version vom Ursprung der Franken aus den Trojanern steht in meiner Übersetzung (Reinhold Kaiser, Sebastian Scholz, Quellen zur Geschichte der Franken und der Merowinger):

"Die Sage bestätigt dass als drittes Volk die Türken von gleicher Abstammung seien".
Im Lateinischen: origine gentem Torcorum.

Was genau hat es mit diesem Volk auf sich? Die Türken im historischen Sinn können es ja wohl kaum sein, da sind ja gut 500-600 Jahre dazwischen? Ungeschickte Übersetzung? Kann mir da irgendjemand weiterhelfen?
 
Die Türken im historischen Sinn können es ja wohl kaum sein, da sind ja gut 500-600 Jahre dazwischen?

Nicht?

"Es ist bekannt, daß oströmische Gesandtschaften in der zweiten Hälfte des. 6. Jahrhunderts türkische Khane in Zentralasien besucht haben und umgekehrt türkische Gesandte vom oströmischen Kaiser empfangen wurden."

Die Beziehungen des oströmischen Reiches zu Zentralasien und ihre Resonanz on JSTOR


Eugen Ewig meint sogar:

"Da die Franken im letzten Viertel des 6. Jhs. rege Beziehungen zum Kaiserhof unterhielten, können fränkische Gesandte türkischen Gesandtschaften in in Constantinopel begegnet sein und zu Hause von den Türken berichtet haben. Da mochte ein erfinderischer Erzähler leicht auf den Gedanken verfallen, das ferne und fremde Volk in die Wanderung der Trojanerfranken von Asien nach Europa einzuschleusen."

Die Franken und die Alemannen bis zur "Schlacht bei Zülpich" (496/97)
 
Eugen Ewig befasst sich mit dem Ethnonym und meint, dass es sich um Protobulgaren handele. (Ewig, E.: Troiamythos und fränkische Frühgeschichte, in: Geuenich, Dieter et al.: Die Franken und die Alemannen bis zur "Schlacht bei Zülpich" (496/97) RGA, Ergänzungsband 19, Berlin/NY 1998, S. 1 - 30 (S. 7 f.))
 
Danke schön. Türken in dieser frühen Zeit war mir neu, vielleicht hab ich sie aber mit dem Aufkommen der Osmanen verbunden mit meiner Datierung...
 
Eugen Ewig befasst sich mit dem Ethnonym und meint, dass es sich um Protobulgaren handele.

Wenn ich es richtig sehe, bringt Ewig nur die bei Agathias erwähnten Tourkoi mit den Protobulgaren in Verbindung. Wie er darauf kommt, ist mir nicht klar. Die byzantinisch-türkischen Beziehungen gehen auf die 560er Jahre zurück.

"Im Jahre 568 haben türkische Gesandte begleitet von dem sogdischen Stadtfürsten Maniak die byzantinische Hauptstadt besucht. Die Protokolle der Empfänge der Türken durch den damals regierenden byzantinischen Kaiser Justin II. wurden Wort für Wort von den Stenographen festgehalten, sie enthalten einen zuverlässigen Bericht über die großen politischen Veränderungen, die sich in Zentralasien in der Mitte des 6. Jahrhunderts vollzogen hatten. Zu den unmittelbaren Folgen dieser Gesandtschaft gehörte ein ständiger Austausch byzantinischer und türkischer Gesandtschaften. Es befanden sich zeitweise 86 Türken in Konstantinopel. Diese Epoche, in der Gesandte beider Völker, der Türken und der Oströmer, ständig zwischen den jeweiligen Residenzen der türkischen Khane und Konstantinopel hin- und herreisten, umfaßt die Jahre von 568 bis 581." (Hans-Wilhelm Haussig, Link siehe oben)
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Sage bestätigt dass als drittes Volk die Türken von gleicher Abstammung seien
Interessant in dem Zusammenhang ist auch die Disskussion um eine mögliche Verwandtschaft zwischen den germanischen Runen und den Orchon-Runen der Kök - Türken, Runen, die in dieser Zeit auftauchen.
 
Diskutiert das jemand von Relevanz? Also jemand, der sowohl altgermanische und skandinavische Schriftzeugnisse lesen kann als auch alttürkische?
 
Vor einiger Zeit habe ich irgendwo einen Artikel zu dem Thema gesehen (aber nicht gelesen, da mir die Verwandtschaft zwischen den beiden weit voneinander entfernten Schriftsystemen doch zu fantastisch vorkam). Das war in irgendeiner größeren Publikation, in einer seriösen Zeitung. Muß noch mal ein wenig suchen....vielleicht finde ich das noch irgendwo in den Weiten des Internet.

Nachschlag:
hier ist noch der Link zu einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

Das Geheimnis germanischer und alttürkischer Runen lüften
 
Zuletzt bearbeitet:
hier ist noch der Link zu einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

Das Geheimnis germanischer und alttürkischer Runen lüften

"Ich habe ganz Unerwartetes herausgefunden. Zunächst war erstaunlich, dass kaum komparatistische Arbeiten zu den beiden Schriftsystemen zu finden waren. Sie wurden meist voneinander getrennt behandelt, ohne dass intensive Vergleiche stattgefunden hätten."

Was daran "überraschend" sein soll, erschließt sich mir nicht. Die Ähnlichkeit einiger alttürkischer Buchstaben mit denen anderer Alphabete springt ja ins Auge. Nicht wenige ähneln den Buchstaben des lateinischen Alphabets:

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Was ebenfalls sofort auffällt: Die Laute der beiden Schriftsysteme haben so gut wie keine Entsprechung.

Ganz anders ist es, wenn wir germanische Runen mit lateinischen Buchstaben vergleichen, hier einige Buchstaben des älteren Futhark:

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Vergleichen wir nun das Futhark mit den Orchon-Alphabet, sieht es nicht viel besser aus wie mit dem Vergleich Orchon-Latein:

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Und daran werden noch so "intensive Vergleiche" nichts Wesentliches ändern können.


Ancient Scripts: Turkic Runes
Ancient Scripts: Futhark
 

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Die Laute der beiden Schriftsysteme haben so gut wie keine Entsprechung.
Was ich jetzt nicht ganz verstehe ist, warum die Lautwerte mit den europäischen eine Übereinstimmung zeigen müssen, um eine Verwandtschaft der Zeichen untereinander zu beweisen oder zu widerlegen. Kann mir das jemand erklären?
 
Was ich jetzt nicht ganz verstehe ist, warum die Lautwerte mit den europäischen eine Übereinstimmung zeigen müssen, um eine Verwandtschaft der Zeichen untereinander zu beweisen oder zu widerlegen. Kann mir das jemand erklären?

Es geht um die Verwandtschaft von Schriftsystemen.
Ein (phonographisches) Schriftsystem besteht darin, dass bestimmten Zeichen bestimmte Laute zugeordnet sind.
Ein Vergleich von Zeichenformen ist kein Vergleich der Systeme.
 
Das hab ich schon verstanden. Aber nur weil die türkischen Runen andere Laute wiedergeben als die lateinischen und germanischen, heißt das dann zwingend, dass man nicht von einer Verwandtschaft sprechen kann?
 
Aber nur weil die türkischen Runen andere Laute wiedergeben als die lateinischen und germanischen, heißt das dann zwingend, dass man nicht von einer Verwandtschaft sprechen kann?
Ich will dir das mal an zwei anderen Schriften versuchen zu erklären.
Auf dem Bild siehst du den Spa-Hammam „Aguas de Ronda“.

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Es werden arabische Buchstaben so benutzt, dass sie als lateinische Buchstaben gelesen werden können. Was wir als Aguas de lesen ist auf arabisch hqnhā hq. Aber anstatt hqnhā hq (bzw. qh āhnqh) lesen wir Aguas de, weil wir uns von Ähnlichkeiten, nicht von echten Verwandtschaften leiten lassen.
 
Ich will dir das mal an zwei anderen Schriften versuchen zu erklären.
Auf dem Bild siehst du den Spa-Hammam „Aguas de Ronda“.
Ok, ich hab mich wohl unverständlich ausgedrückt. Was ich fragen will: Kann man eine Verwandtschaft z.B. zwischen germanischen und den Orchon Runen nur anhand der gleichen oder ähnlichen Lautwerte ausmachen, oder können ähnliche oder sogar gleiche Zeichen, die es in beiden Schriftsytemen gibt ( aber eben nur mit grundverschiedenen Lautwerten) auch eine gemeinsame Herkunft teilen? Oder ist das eben alles Zufall?
Hoffe, dass ich es diesmal verständlich ausgedeückt habe.
 
Ok, ich hab mich wohl unverständlich ausgedrückt. Was ich fragen will: Kann man eine Verwandtschaft z.B. zwischen germanischen und den Orchonrunen nur anhand der gleichen oder ähnlichen Lautwerten ausmachen, oder können ähnliche oder sogar gleiche Zeichen, die es in beiden Schriftsytemen gibt ( aber eben nur mit grundverschiedenen Lautwerten) auch eine gemeinsame Herkunft teilen? Oder ist das eben alles Zufall?
Hoffe, dass ich es diesmal verständlich ausgedrückt habe.
Wenn du eine eigene, vom lateinischen Alphabet unabhängige phonetische Schrift entwickeln wolltest, was würdest du machen? Du würdest dir wahrscheinlich ein System bestenfalls einfach zu merkender Grapheme aus Punkten und Strichen überlegen und somit wahrscheinlich auch zu ähnlichen Zeichen kommen.
Oder aber du entwickelst eine Bilderschrift (tatsächlich stammen ja daher unsere Alphabete, von einer in Jahrtausenden auf phonetische Schrift reduzierten Bilderschrift).

Natürlich kann es sein, dass mit sprachlicher Evolution sich auch einzelne Buchstaben phonetisch von dem entfernen, was sie ursprünglich für einen Lautwert hatten.
Nehmen wir mal das -l- im Spanischen.

El lobo (der Wolf) ['el 'lobo] > l bleibt [l]
La llave (der Schlüssel) ['la 'ʎaβə] (akademische Norm) bzw. ['la 'ʝaβə] (Yeísmo, sprachliche Realität in weiten Teilen Spaniens und Lateinamerikas).
Geht man nach Argentinien wird man stattdessen anstatt ['la 'ʝaβə] (oder gar entsprechend der akademischen Form ['la 'ʎaβə]) den Žeísmo oder Šeísmo finden.
Dann wird aus ['la 'ʝaβə] plötzlich ['la 'ʒaβə] oder gar ['la 'ʃaβə].

Anderes Bsp.: Yo como pollo en la calle. (Ich esse Hähnchen auf der Straße.)

Akad. Norm: [jo 'komo 'poʎo en la 'kaʎe]

Yeísmo: [jo 'komo 'pojo en la 'kaje] (Mehrheitsfähig)

Žeísmo: [ʒo 'komo 'poʒo en la 'kaʒe]

Šeísmo: [ʃo 'komo 'poʃo en la 'kaʃe]

Wir sind es gewohnt, das Doppel-l den Lautwert [l] behält. Das spiegelverkehrte Lambda [ʎ] für spanisches <ll> (das im Übrigen als Digraph als eigenes Graphem behandelt wird), das bei uns einem <lj> entspräche, ist sicherlich noch nachvollziehbar. Aber die Entwicklung zu [ʒ] wie in Garage oder zu [ʃ] wie in schön ist für uns komisch. Also ja, hypothetisch könnte es so sein, dass eine Orchon-Rune, die einer Fuþark-Rune ähnlich sieht - trotz unterschiedlichen Lautwertes - auf dasselbe Ursprungsgraphem zurückgeht. Allein... sehr wahrscheinlich ist das nicht. Da greift dann eher, was ich oben bereits schrieb: Wenn du eine eigene, vom lateinischen Alphabet unabhängige phonetische Schrift entwickeln wolltest, würdest du dir wahrscheinlich ein System einfach zu merkender Grapheme aus Punkten und Strichen überlegen und somit wahrscheinlich auch zu ähnlichen Zeichen kommen.
 
Also ja, hypothetisch könnte es so sein, dass eine Orchon-Rune, die einer Fuþark-Rune ähnlich sieht - trotz unterschiedlichen Lautwertes - auf dasselbe Ursprungsgraphem zurückgeht. Allein... sehr wahrscheinlich ist das nicht.
Gibt es Beispiele, in denen nachgewiesen wurde, dass ein ganzes Zeichen- oder Bildsystem einer Sprache von einer anderen Sprache übernommen worden ist ? Ist das nicht im Mozarabischen passiert?
 
Gibt es Beispiele, in denen nachgewiesen wurde, dass ein ganzes Zeichen- oder Bildsystem einer Sprache von einer anderen Sprache übernommen worden ist ? Ist das nicht im Mozarabischen passiert?
Unsere lateinische Schrift geht über die griechische Schrift auf das phönizische Alphabet zurück, dieses wiederum auf das ugaritische Alphabet, welches als erstes phonetische Alphabet der Welt gilt, das aber nichtsdestoweniger auf der immer mehr abstrahierten Keilschrift des Nahen Ostens basiert. Unser lateinisches Alphabet geht also somit auf sehr frühe Symbolschriften zurück und auch andere Schriften, wie das Aramäische, Hebräische oder Arabische gehen auf dieselben Schriften zurück, wahrscheinlich auch die altpersische Schrift etc.

Das Mozarabische ist einfach ein unglücklicher Begriff, der verschiedene Dinge bedeutet, das können wir an anderer Stelle vertiefen. Als Beispiel für die von dir angesprochenen Dinge taugt er nicht.
 
Gibt es Beispiele, in denen nachgewiesen wurde, dass ein ganzes Zeichen- oder Bildsystem einer Sprache von einer anderen Sprache übernommen worden ist ? Ist das nicht im Mozarabischen passiert?

Da fallen mir viele Beispiele ein:

  • das in Moldawien gesprochene Rumäisch ist in den letzten 200 Jahren je nach politischer Entscheidung mal in lateinischen mal in kyrillischen Buchstaben geschrieben worden. Derzeit ist es die lateinische Schreibweise, aber in Transnistrien die kyrillische.
  • Unter Atatürk wurde das Osmanische Reich grundlegend reformiert. U.. a. wurde das arabische Alphabet, mit dem das Türkische bis dahin geschrieben wurde, durch das lateinische 1928 ersetzt.
  • Bei allen nicht verschriftlichten Sprachen muß man bei der Verschriftlichung ein Alphabet zugrundelegen. Das geschah im Mittelalter bei den germanischen und slawischen Sprachen. Bei den germanischen Sprachen waren im geringen Umfange Runen im Gebrauch, bei den slawischen Sprachen ist mir nicht bekannt, ob schon vorher Schriftsysteme im Gebrauch waren.
  • Bereits in der Antike wurde Ägyptisch, also das Koptische, mit griechischen Buchstaben geschrieben.
  • Ladino, das Spanisch der aus Spanien vor 500 Jahren vertriebenen Juden, wurde mit hebräischen, griechischen, kyrillischen und natürlich mit lateinischen Buchstaben geschrieben.
  • Jiddisch, eigentlich ein hochdeutscher ma Dialekt, wird im Regelfall mit hebräischen Buchstaben geschrieben.
  • Nach der Eroberung Mittelamerikas wurden die bis dahin benutzten Schriftsysteme für die indigenen Sprachen durch das lateinische Alphabet ersetzt (allerdings wurde Spanisch zur dominanten Sprache und ersetzte weitgehend die präkolumbianischen Sprachen).
Das sind jetzt nur die Beispiele, die mir spontan einfallen.

Aber auch Deutsch ließe sich m. E. auch in anderen Schriftsystemen schreiben. Kurz nach der Wende habe ich ein T-Shirt gesehen, auf dem ein kyrillischer Text aufgedruckt war. Auf den ersten Blick denk man, dass es wohl Russisch wäre. Aber auf den zweiten Blick erkannte ich den Text bzw. konnte ihn transkribieren: "Wenn Du das lesen kannst, bist Du kein dummer Wessi." :) (Hintergrund war, dass in der DDR in der Schule Russisch unterrichtet wurde und damit man dort die kyrillische Buchstaben lesen konnten. Im Westen war Russisch als Schulfach ein Orchideenfach.)
 
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