Touri-Werbung mit Eso-Humbug

Sepiola

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"Voller Geheimnisse sind die gewaltigen, neolithischen Steinkreise am Bürserberg, deren wahre Bedeutung wir nur erahnen können", so bewirbt z. B. die Alpenregion Bludenz Tourismus GmbH eine moderne Steinkreisanlage:
"Herr Gerhard Pirchl konnte auf Grund seiner hohen Sensibilität in Bezug auf Störungsfelder und Wasseradern die Steinkreise orten und für sich rekonstruieren. Er fand an den Plätzen Adernkreuze und eine hohe Kraftfeldkonzentration.
Die astronomische Ausrichtung lässt Vergleiche mit allen berühmten, europäischen Anlagen zu und deutet auf eine gigantische Kalenderanlage aus dem Neolithikum (5.000 bis 1.900 v.Chr.) hin. Kultplatz mit Blick auf eine steinerne Gottheit, wie einst von griechischen und römischen Geschichtsschreibern für die Nachwelt aufgezeichnet: Göttin Raetia. Sie bestimmt den Fluß des Lebens..."
Kultur im Brandnertal


Die "Geheimnisse" sind eigentlich längst aufgeklärt. Der Geologe J. Georg Friebe, der 2003 im Auftrag des Bundesdenkmalamts an den Untersuchungen beteiligt war, schreibt:

"Der Ort lag etwas abseits der heutigen Steinkreisanlage auf einem Hügel. Das gesamte Gelände war mit Findlingen übersät, die der abschmelzende Illgletscher gegen Ende der letzten Eiszeit dort hinterlassen hatte. Eine regelmäßige, kreisförmige Anordnung ließ sich bei bestem Willen nicht erkennen. Oder aber beliebig viele – bekanntlich liegen drei Punkte immer auf einem Kreis. Gerhard Pirchl sah wohl meinen skeptischen Blick: Die Steine seien im Laufe der Jahrhunderte umgefallen, befänden sich nicht mehr an der Stelle, wo sie ursprünglich standen. Aber mithilfe seines Pendels könne er die genaue Position rekonstruieren, und damit den ehemaligen Steinkreis.
[...]
Ein unterirdischer Schlauch, der ohne Rücksicht auf geologische Strukturen wie Verfaltungen und Verwerfungen schnurgerade vom Talboden auf die Tschengla verläuft, ist aus hydrogeologischer Sicht völlig unmöglich. Ebenso unmöglich ist das Aufeinandertreffen beliebig vieler 'Wasseradern' in beliebigem Winkel. Und wenn Wasser auf einer Hügelkuppe sternförmig zusammenströmen soll, um dort zu versickern, so müsste es zwangsweise zuvor hangaufwärts fließen. Die Schwerkraft weiß dies zu verhindern.

Diese Argumentation überzeugte auch Gerhard Pirchl. Von seiner Idee urgeschichtlicher Steinkreise abbringen konnte sie ihn aber nicht. Die Geschichte mit den Wasseradern war schnell vergessen. Gerhard Pirchl hatte eine neue, nun 'unwiderlegbare' Erklärung gefunden: Die Ureinwohner Vorarlbergs hatten dort spezielle Rätia-Steine ausgelegt, um ein Kraftfeld zu erzeugen, das ihnen bei Regen und Nebel die Orientierung im unwegsamen Gelände erlaubte. Das Zentrum eines jeden Kraftfelds markierten sie mit einem Steinkreis.

Die Idee war überzeugend genug, um Gelder für die 'Wiedererrichtung' der Steinkreise zu lukrieren. Freilich nicht am ursprünglichen Hügel, sondern an einem besser zugänglichen Ort. Mit dem Bagger ließ Pirchl die Findlinge nach seinen Vorstellungen aufstellen.
[...]
Seither stehen also die Steine auf der Tschengla im Kreis. Ob man sie rückbauen oder aber als Mahnmal menschlicher Verblendung stehen lassen soll, darüber scheiden sich die Geister. Wer auf der Tschengla einen Kraftort verspüren will, wird ihn verspüren, und wer für die Reise dorthin Geld ausgeben will, wird genügend davon haben. Nur ich zweifle manchmal, ob ich über die ganze Geschichte lachen oder weinen soll."
Lasst die Steine kreisen!
 
Machen wir uns nichts vor: das Zeitalter der Aufklärung ist, zumindest was die Allgemeinheit betrifft, vorüber.

[Vor ein paar Tagen sah ich auf 3Sat ein aus dem Angelsächsischen importiertes geologisches 'Bildungsprogramm', in dem vom ZDF allen Ernstes der englische Begriff fault (Fehler, Störung, Verwerfung) wieder einmal mit "Falte" übersetzt wurde — als sei es 1950 und man hätte Grundschüler mit der deutschen Fassung beauftragt. Auch "den" und "das" Schild kann dieser Stümperhaufen seit Jahr und Tag nicht auseinander halten. Die Verblödung hat also System — wobei das ZDF im Vergleich zum 'History' Channel noch etwas Luft nach oben hat.]
 
Zuletzt bearbeitet:
2005 gab es eine dringliche Anfrage einiger Vorarlberger Landtagsabgeordneten:

Auf der Homepage der Gemeinde Bürserberg (www.buerserberg.at) stand monatelang im Hinblick auf dieses mit öffentlichen Geldern geförderte Projekt: “ Die Entdeckung eines megalithischen Himmelsobservatoriums mit vier bisher rekonstruierten, besonderen Steinkreisen und einem Netzwerksystem von künstlichen Steinsetzungen ist eine Weltsensation. Ein Türspalt für ein ganz neues Kapitel europäischer Urgeschichte ist mit der Entdeckung der Steinkreise in Bürserberg / Tschengla Rona Alpe geöffnet: Folgenreicher als die Entdeckung des Ötzi!“ (Erst vor wenigen Tagen sind diese Aussagen auf der Homepage abgeschwächt worden.)
http://stonedance.de/Hilfsmittel/Au...strittenen_Steinkreise_auf_dem_Bürserberg.pdf

Der Antwort der Landesregierung vom 4. Juli 2005 ist zu entnehmen, dass zu diesem Zeitpunkt € 38.452,18 an EU-Mitteln und € 5.898,36 an Landesmitteln für das Steinkreis-Projekt ausbezahlt worden waren.
 
Machen wir uns nichts vor: das Zeitalter der Aufklärung ist, zumindest was die Allgemeinheit betrifft, vorüber.

..]

Ich denke eher, wir warten immer noch auf seine Ankunft ;)

Wenn die ein paar Findlinge, die sowieso rumlagen, "schön ordentlich" drapiert haben, um Touris anzulocken, muss man das mE nicht schlimmer finden als Skilifte und Beschneiungsanlagen in die Landschaft zu klotzen. Weshalb sollen nur Neuschwanstein oder die Hochkönigsburg oder die Leute, die ein preußisches Schloss nachbauen, von der Sehnsucht des Publikums nach Märchenwelten profitieren? Wenn den Leuten nicht mit unhaltbaren Heilsversprechen unmäßig Geld aus der Tasche gezogen wird, na ja.
 
Wenn die ein paar Findlinge, die sowieso rumlagen, "schön ordentlich" drapiert haben, um Touris anzulocken, muss man das mE nicht schlimmer finden als Skilifte und Beschneiungsanlagen in die Landschaft zu klotzen. Weshalb sollen nur Neuschwanstein oder die Hochkönigsburg oder die Leute, die ein preußisches Schloss nachbauen, von der Sehnsucht des Publikums nach Märchenwelten profitieren? Wenn den Leuten nicht mit unhaltbaren Heilsversprechen unmäßig Geld aus der Tasche gezogen wird, na ja.
Das eine ist Umweltzerstörung, das andere historische Desinformation. Letzteres ist im GF natürlich auch immer wieder Thema. Umweltzerstörung eher in seiner historischen Dimension.
 
Weshalb sollen nur Neuschwanstein oder die Hochkönigsburg oder die Leute, die ein preußisches Schloss nachbauen, von der Sehnsucht des Publikums nach Märchenwelten profitieren?
Besonders angesichts eines Publikums, das vorwiegend mit Harry Potter, Herr der Ringe, 'History' Channel und allerlei Computerspielunfug aufgewachsen ist, erscheint diese Frage berechtigt. Wenn der Antrag bei der EU durchgeht, entsteht bei mir auf einer Wiese demnächst ein Landeplatz für transsexuelle Aliens. Let's do the time warp again!
 
historische Desinformation
Es wurden € 23.404,- für Tagungen ausgegeben, auf denen hochkarätige Wissenschaftler allerlei Hypothesen aufstellten.
Am besten gefällt mir diese hier:

"Es wäre die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass es sich bei den steinzeitlichen Anlagen auf dem Bürserberg um rundfunktechnische Einrichtungen gehandelt haben könnte. Die erhöhte Ortslage spricht u. a. dafür. Zudem wissen wir heute, dass die magnetische Feldstärke in der Antike mehr als das 1000-fache der heutigen betragen hatte [...]
Es muss jetzt nur nach einem gleich großen Steinkreis gesucht werden und schon wissen wir, wo die Nachricht empfangen worden war. Das Ganze funktioniert natürlich auch in umgekehrte Richtung, so dass wir die auf den Steinkreisen errichteten Rundtempeln als antike Telegraphenstationen bezeichnen könnten und sie mit Telefonzellen zu vergleichen wären. Herr Pirchl hat in dem gleichen ORF-Beitrag auf den Umstand hingewiesen, wie mühsam und gefährlich das Reisen in der Wildnis gewesen sein muss, bevor die Römer das Land mit Straßen durchzogen. Daraus lässt sich die Notwendigkeit einer funktionierenden Telekommunikationstechnik ablesen. Die zahlreichen steinernen Zeugnisse lassen vermuten, dass Druiden auf dem Bürserberg vor langer Zeit eine Nachrichtenzentrale betrieben haben und hier von vielen Seiten Nachrichten zusammengelaufen waren, um über andere Kanäle weitergegeben zu werden. Damals war der Bürserberg vielleicht so etwas wie der Nabel der Welt ..."
http://leader-vlbg.telesis.eu/pressroom/news/WTagung_Buerserberg_0304.pdf
 
Zuletzt bearbeitet:
Es wurden € 23.404,- für Tagungen ausgegeben, auf denen hochkarätige Wissenschaftler allerlei Hypothesen aufstellten.
Am besten gefällt mir diese hier:

"Es wäre die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass es sich bei den steinzeitlichen Anlagen auf dem Bürserberg um rundfunktechnische Einrichtungen gehandelt haben könnte. Die erhöhte Ortslage spricht u. a. dafür. Zudem wissen wir heute, dass die magnetische Feldstärke in der Antike mehr als das 1000-fache der heutigen betragen hatte [...]
Es muss jetzt nur nach einem gleich großen Steinkreis gesucht werden und schon wissen wir, wo die Nachricht empfangen worden war. Das Ganze funktioniert natürlich auch in umgekehrte Richtung, so dass wir die auf den Steinkreisen errichteten Rundtempeln als antike Telegraphenstationen bezeichnen könnten und sie mit Telefonzellen zu vergleichen wären. Herr Pirchl hat in dem gleichen ORF-Beitrag auf den Umstand hingewiesen, wie mühsam und gefährlich das Reisen in der Wildnis gewesen sein muss, bevor die Römer das Land mit Straßen durchzogen. Daraus lässt sich die Notwendigkeit einer funktionierenden Telekommunikationstechnik ablesen. Die zahlreichen steinernen Zeugnisse lassen vermuten, dass Druiden auf dem Bürserberg vor langer Zeit eine Nachrichtenzentrale betrieben haben und hier von vielen Seiten Nachrichten zusammengelaufen waren, um über andere Kanäle weitergegeben zu werden. Damals war der Bürserberg vielleicht so etwas wie der Nabel der Welt ..."
http://leader-vlbg.telesis.eu/pressroom/news/WTagung_Buerserberg_0304.pdf
Gut, diese These wird ihr Verfasser nicht ganz ernst gemeint haben. Was ich aber erschreckend finde, ist, was - zumindest dem Titel nach - hochkarätige Wissenschaftler so von sich zu geben bereit sind. Und zwar nicht einer, sondern gleich mehrere.
 
Gut, diese These wird ihr Verfasser nicht ganz ernst gemeint haben. Was ich aber erschreckend finde, ist, was - zumindest dem Titel nach - hochkarätige Wissenschaftler so von sich zu geben bereit sind. Und zwar nicht einer, sondern gleich mehrere.
Ich lese gerade den Wikipedia-Artikel zu dem Typen: Der meint das ernst!
 
Gut, diese These wird ihr Verfasser nicht ganz ernst gemeint haben. Was ich aber erschreckend finde, ist, was - zumindest dem Titel nach - hochkarätige Wissenschaftler so von sich zu geben bereit sind. Und zwar nicht einer, sondern gleich mehrere.

Ich lese gerade den Wikipedia-Artikel zu dem Typen: Der meint das ernst!

Wenn du den Artikel über Meyl bei der WP schon interessant findest, dann schau doch mal hier:
Konstantin Meyl – Psiram
Bei den anderen genannten Herrschaften tauchen ja auch gleich sattsam bekannte Stichwort auf, ich möchte da jetzt nur Geomantie und Radiästhesie, Aura, Bioresonanz und Kirlian-Fotografie erwähnen und einige der eindruckschindenen Profs und Docs sind offenbar nicht unbedingt humoris causa, sondern title mill. Andere, wie Meyl, haben sich zwar mal an einer Uni rumgedrückt, aber in ganz anderen Fächern. Oder der Bau-Ing, der auf Rutengänger wissenschaftlich macht. Andererseits sind so klingende Titelchen wie "Naturwissenschaftler", "Forscher" oder so ja auch nicht geschützt oder mit sonderlich handfester Aussage verbunden. Dafür ist der Herr, der in Bioresonanz, Aura, Kirlian macht, offenbar beruflich am Amt für Umweltschutz Salzburg. Ja Servus!

MaW: das war eine hochkarätige Eso-Veranstaltung mit einigen Schwurbelkönigen. Und wer weiß, wer das nun wieder bezuschußt hat...
 
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Das eine ist Umweltzerstörung, das andere historische Desinformation. Letzteres ist im GF natürlich auch immer wieder Thema. Umweltzerstörung eher in seiner historischen Dimension.
Ich lese gerade den Wikipedia-Artikel zu dem Typen: Der meint das ernst!

Angesichts der nachfolgenden Postings sehe ich meinen kleinen Verstoß gegen die Zwecksetzung des Forums kritischer, insbesondere auch, weil der Sarkasmus nicht recht rüberkam und es vllt. auch im Nachhinein betrachtet nicht kommen konnte. Anscheinend wurde nicht nur ein Bagger aus Wirtschaftsfördermitteln bezahlt.
 
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