[Bin krank, korrigiert mich einfach, wo ich Blödsinn unterbringe oder abschweife.]
Nein, ein Ritter war nicht automatisch mit einem Lehen versehen. Nach Schlachten wurden oft einfach alle oder viele Waffenknechte zu Rittern geschlagen. Sozial waren sie dann bei einer evt. Siegesfeier adlig, aber die wenigsten konnten sich ein Leben als Ritter leisten. Zeitweise reichten die Einkünfte von 10 Höfen aus, so ein Leben zu finanzieren, doch stieg die Zahl der Höfe, die hierzu ausreichten aus verschiedenen Gründen im Laufe der Zeit immer weiter an.
Lehen konnten in allen Größen verliehen werden. Die Edelherren zur Lippe (die späteren Fürsten) besaßen hier in der Umgegend, zumindest zeitweise, die gesamte Feldflur in der das Römerlager Anreppen liegt, aber auch eine einzelne Kirche, das Geleitrecht in diesem Teil des Hochstifts Paderborn. Sie waren keine Grafen, weil sie kein Gericht direkt vom König oder Herzog besaßen. Die Gerichte im heutigen Lippe hatten sie vom Paderborner Bischof zu Lehen, anderes von Hessen, Lippstadt gar von Köln. Der Kölner Erzbischof war zwar Herzog von Westfalen, aber die Gerichtsbarkeit in Lippstadt hing von einem anderen Lehnsherrn ab, war also weiterverlehnt.
Grafschaft bedeutete ursprünglich (und vereinfacht gesagt), dass jemand die hohe Gerichtsbarkeit innehatte. Später konnte es auch bedeuteten, dass er in einem Gebiet alle wichtigen Gerichtsrechte besaß. Das ist sehr weit von den karolingischen Grafen entfernt, die Mandatsträger des Königs in einem bestimmten Gebiet waren und ebenso weit vom bloßen Titel oder der Innhaberschaft eines als Grafschaft geltenden Territoriums in der Neuzeit entfernt.
Die Herren von Hörde zu Boke waren bloße Ministeriale. Und doch waren sie so reich, wie viele Freiherren und Grafen nicht. Zeitweise hatte ihnen der Paderborner Bischof sogar das Amt Neuhaus verpfändet, dass als Oberamt in etwa den heutigen Kreis Paderborn umfasste. Andere hatten zu wenig für ihren Lebensunterhalt und gingen ins Kloster, zogen dahin, wo sie sich mit der Waffe einen Unterhalt schaffen konnten oder stiegen zu Bauern ab. Ein Beispiel für letzteres sind die Valepagen im Hochstift Paderborn, denen der Bischof zunächst noch einen Gutshof beim heutigen Delbrück verschaffte, der aber bald nicht mehr ausreichte, ihr Leben als Ritter zu finanzieren. (Der Valepagenhof ist heute im Freilichtmuseum Detmold zu finden und zierte schon eine Briefmarke.)
Die Lehensherren vergaben ihren Besitz so, wie sie wollten. Daher gab es Grafschaften, die kleiner waren als einige Edelherrschaften oder bloße Herrschaften. Man muss zwischen einer Herrschaft und dem Titel "Herr" unterscheiden. In großen Teilen des Landes war es einfach der Titel für einen ritterlich lebenden Ministerialen, mitunter oder zeitweise sogar für bürgerliche Ministeriale.
Die Ministeriale waren ursprünglich Unfreie, die bestimmte Verwaltungsaufgaben und Kriegsdienste übernahmen. Durch das Rittertum stiegen viele sozial auf. Einige bildeten auch das städtische Patriziat. Andere wurden wiederum Bauern.
Barone gab es hier eigentlich nicht. Der Titel verbreitete sich hier durch Napoleon. Eigentlich gab es nur Freiherrn. Manche nannten sich auch Edelherren. Freiherren standen sozial über den Ministerialen aber unter den Rittern, während die westeuropäischen Barone über den Rittern standen. U.a. daher ist der Unterschied wichtig.
Das ist im HRR alles sehr undurchsichtig. Wenn du das idealtypische willst, musst du dir das Herzogtum Normandie anschauen. Wenn du dich für Mitteleuropa interessierst, dürfte es am einfachsten sein, dich in die Geschichte eines kleinen bis mittleren Territoriums einzulesen und dann erst in die Handbücher zu schauen, um das Allgemeine zu erfahren. Sonst besteht die Gefahr, die Darstellung der Handbücher für alle Regionen anzunehmen. Das schon genannte Delbrück ist so eine Ausnahme. Noch um 1000 war das Gebiet ganz oder fast unbesiedelt und galt -zusammen mit Senne, Teutoburger Wald und Eggegebirge- als Reichsforst. Der Forstbann über südliche Teil wurde den Paderborner Bischöfen von den Ottonen zu Lehen gegeben, im Teil um die Iburg östlich Paderborn besaßen sie den Forst nach einer alten örtlichen Tradition vielleicht schon seit karolingischer Zeit. Die Bischöfe begannen, den westlichen Teil zu besiedeln, während der Osten als Jagdrevier, für Wildpferd-, Honig- und Wachsgewinnung genutzt wurde und ein Teil um die Falkenburg an die Lipper verlehnt wurde. Diesen westlichen Teil organisierte der Bischof als seine Familia, also, vereinfacht gesagt, als Gemeinschaft seiner Unfreien. Die beeindruckenden späteren Privilegien zeigen, dass Unfreie keineswegs rechtlos waren. Nur einzelne Bauernstellen waren an ritterlich lebende Ministeriale vergeben, die einzigen Ansässigen ritterlichen Ministerialen waren die Valepagen, denen der Bischof wie gesagt eine Lebensgrundlage geben wurde. Dieses "Land Delbrück" sprengt als regional Besonderheit so einige Vorstellungen über die Ämterverfassung. (In einigen Werken steht, dass große Teile des Bereichs erst durch eine Auseinandersetzung mit der Burggrafschaft Stromberg an das Hochstift kam. Dies ist eine Tradition aus der frühen Neuzeit, die wahrscheinlich, schon aufgrund der Besitzverteilung im fraglichen Gebiet, nicht zutrifft. Dies ist wahrscheinlich eine Verwechslung mit der Reichsexekution gegen die Grafschaft Rietberg, die einige Orte ganz im Westen wohl einfach besiedelt hatte. Darüber gab es schon zuvor Streit mit Paderborn, der jetzt geklärt wurde. Ich will sagen: Auch bei solchen Ausnahmen gibt es wieder Ausnahmen.)
[Und darum beziehe ich mich auch so oft auf konkrete Beispiele.]