thanepower

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Es jährt sich der "Kapp-Lüttwitz-Putsch", der am 13.03.1920 gestartet wurde. Ein Putsch gegen die Demokratie von Weimar mit dem Ziel, die Demokratisierung Deutschlands rückgängig zu machen und die Fortschritte im Arbeitsleben für Millionen von Beschäftigten zu beschneiden. Und zum anderen mit dem Ziel, dem VV entgegen zu arbeiten.

Das historische Ereignis alleine ist es wert, dass daran erinnert wird. Auch, weil sich im Rahmen des "Ruhraufstands" eine Widerstandsfront bildete, die zum einen den Widerstand gegen den Putsch organisierte, aber zum anderen auch die Polarisierung des politischen System relativ früh deutlich verschärfte

Und so hat der Kapp-Lüttwitz-Putsch maßgeblich dazu beigetragen, dass der Reichswehr eine stabilisierende Rolle der Demokratie zugesprochen wurde, die sie sehr widerwillig bereit war zu akzeptieren. Und die verhindert hat, dass es zu einer durchgreifenden Demokratisierung u.a. auch der Reichswehr kam und sie so zunehmend zu einem "Staat im Staate" werden konnte.

So bildete der Kapp-Lüttwitz-Putsch den Kristallisationspunkt, von dem ausgehend auf der Rechten die Radikalisierung sich fortsetzte und im "Bierhallen-Putsch" von 1923 durch Hitler und Ludendorff seine Fortsetzung fand. Aber auch auf der Linken bis ca. 1923 die Vorstellung in der Comitern vorhanden war, dass es in der Weimarer Republik noch zu einer Revolution kommen könnte.

https://www.geschichtsforum.de/thema/die-radikalisierung-der-rechten-in-der-weimarer-republik.52652/

Diese Illusionen und diese Polarisierung auf der extremen Rechten und Linken bildeten die Rahmenbedingungen, in denen die demokratischen Parteien von Weimar ihre pragmatische Politik umsetzen mußten. Angefeuert durch die Hugenberg`sche Hetzpresse und den mobilisierenden Klang von Schalmeyen.

https://www.bpb.de/geschichte/natio...alismus/39531/kampf-um-die-republik-1919-1923

https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/306434/kapp-luettwitz-putsch

https://de.wikipedia.org/wiki/Kapp-Putsch

https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Dokumente-zur-Zeitgeschichte/19200313_kapp-putsch.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Ruhraufstand

Biographien:
https://www.dhm.de/lemo/biografie/biografie-gustav-noske.html

https://www.dhm.de/lemo/biografie/biografie-hans-von-seeckt.html

https://www.dhm.de/lemo/biografie/biografie-wolfgang-kapp.html

https://www.dhm.de/lemo/biografie/biografie-walther-freiherr-von-luettwitz.html

Übersichtsdarstellungen bieten u.a.:
Jones, Nigel H. (2004): The birth of the Nazis. Rev. and updated ed. London: Robinson
Fraschka, Mark A. (2016): Franz Pfeffer von Salomon. Hitlers vergessener Oberster SA-Führer. Göttingen: Wallstein Verlag.
Jones, Mark (2017): Am Anfang war Gewalt. Die deutsche Revolution 1918/19 und der Beginn der Weimarer Republik. Unter Mitarbeit von Karl Heinz Siber. Berlin, Berlin: Propyläen.
Galkin, A. A. (2014-2015): Deutschland, Russland, Komintern. Hg. v. Hermann Weber. Berlin, Boston: De Gruyter (Archive des Kommunismus--Pfade des XX. Jahrhunderts, Band 5-6).
Gerwarth, Robert (2018): Die größte aller Revolutionen. November 1918 und der Aufbruch in eine neue Zeit. München: Siedler.
McElligott, Anthony (2014): Rethinking the Weimar Republic. Authority and authoritarianism, 1916 - 1936. London: Bloomsbury.
Rosenberg, Arthur (1988): Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt.
Wette, Wolfram (2010): Gustav Noske und die Revolution in Kiel 1918. Heide: Boyens
Winkler, Heinrich August (2018): Weimar 1918-1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie. München: C.H. Beck
 
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Und so hat der Kapp-Lüttwitz-Putsch maßgeblich dazu beigetragen, dass der Reichswehr eine stabilisierende Rolle der Demokratie zugesprochen wurde, die sie sehr widerwillig bereit war zu akzeptieren. Und die verhindert hat, dass es zu einer durchgreifenden Demokratisierung u.a. auch der Reichswehr kam und sie so zunehmend zu einem "Staat im Staate" werden konnte.

An der Stelle möchte ich widersprechen, weil ich die Rolle der Reichswehr mindestens in der frühen Weimarer Republik bis zu den Locarno-Verträgen maßgeblich für ein Ergebnis des Versailler Vertrages im Hinblick auf die Reduktion der Reichswehr auf 100.000 Mann (+ ein bisschen Marine) und die ungeklärten Grenzfragen-Ost halte.
Die Bildung der Freikorps und die Anlage von Waffendepots in den Grenzregionen, aus den Beständen des alten Heeres, aus denen sich die Extremisten dann teilweise bedienen konnten, war ja gezielte Politik zur Schaffung paramilitärischen Potentials um militärisches Potential zu ersetzen, dass man nicht mehr haben durfte, für den Fall einer Auseinandersetzung mit dem östlichen Nachbarn um die strittigen Gebiete.
Diese Politik war natürlich hoch riskant, weil klar sein musste, dass man die irregulären, paramilitärischen Formationen, die sich daraus bildeten kaum kontrollieren konnte, bei den Kräfteverhältnissen und den ungeklärten Fragen von 1918/1919, halte ich sie aber vom wehrpolitischen Standpunkt her durchaus nicht für vollkommen unvernünftig.
Hätte der Versailler Vertrag Deutschland, was die Anzahl seiner Truppen betrifft, mindestens nummerische Parität mit Polen gestattet (was angesichts der noch immer fehlenden schweren Waffen, eines französisch besetzten Rheinlands und des faktischen Französisch-Polnischen Bündnisses weder für Frankreich noch für Polen eine aktive Gefahr dargestellt hätte), wäre diese Politik nicht nötig gewesen.
Die irregulären Formationen hätte man sich sparen können und damit den Extremisten in weit größerem Umfang die Machtmittel entzogen.

Unter den gegebenen außenpolitischen Umständen, sehe ich nicht, wo (auch ohne Kapp-Lüttwitz-Putsch) eine Säuberung und Demokratisierung der Reichswehr, zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Diese Möglichkeit sehe ich erst im zuge der Locarno-Verträge und damit der faktischen Entwertung der Polnisch-Französischen Zusammenarbeit im Hinblick auf eine direkte außenpolitische Bedrohungslage, die wohl einen Abbau demokratiefeindlichen Potentials und einen Umbau der Reichswehr von der sicherheitspolitischen Lage her ermöglicht hätte.
 
Unter den gegebenen außenpolitischen Umständen, sehe ich nicht, wo (auch ohne Kapp-Lüttwitz-Putsch) eine Säuberung und Demokratisierung der Reichswehr, zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen wäre.
Die 100.000 + 15.000 Mann Armee war sicher eine Belastung der Weimarer Republik. Vor allem unter den Umständen, dass noch Grenzschutz und die Rückführung der Frontsoldaten geregelt werden musste. Vor allem die Freikorps, die im Baltikum zur Sicherung der deutschen Grenze eingesetzt worden sind, wurden zur Belastung der Weimarer Republik indem sie maßgeblich zur Brutalisierung der Gesellschaft beitrugen.
Nichtsdestotrotz gab es Vorschläge, Möglichkeiten und Gelegenheiten zur Demokratisierung der Reichswehr und wie @thanepower richtig angemerkt hat ist der Kapp-Lüttwitz-Putsch der zentrale Punkt darin, wie die Chancen verspielt wurden, die Reichswehr zu demokratisieren.

Vorschläge zur Demokratisierung bestanden bspw. darin, eine republikanische Armee aufzubauen, wie dies am 16. November 1918 noch beraten wurde. Eine weitere Möglichkeit waren die Hamburger Punkte, die ernsthaft diskutiert wurden und u.a. beinhalteten, dass die militärische Kommandogewalt von den Volksbeauftragten unter Kontrolle des neu zu wählenden Zentralrats der Arbeiter- und Soldatenräte ausgeübt wurde. Die meisten Möglichkeiten zur Demokratisierung der Reichswehr scheiterten daran, dass in den staatlichen Institutionen wie dem Beamtenapparat diesselben Leute vorhanden waren, wie im Kaiserreich und Demokratie negativ konnotiert wurde. Oberst Reinhardt war ein Offizier und als neuer Chef der Heeresleitung auch gewillt, die Reichswehr Loyal zur Republik einzustellen.

Der Kapp-Putsch ist deshalb so gravierend, weil Militärs und rechte Parteigänger gegen die Republik putschten und die Rädelsführer eigentlich alle verurteilt hätten werden müssen. Kurze Zeit später allerdings amnestierte man diese sogar. Der Ruhraufstand hingegen, ursprünglich gegen den Putsch gerichtet, erfuhr die volle militärische Härte. Die Regierung der Weimarer Republik bekämpfte linke Aufständische mit rechten Parteigängern und verspielte damit jegliche Chance einer Demokratisierung.
 
Die 100.000 + 15.000 Mann Armee war sicher eine Belastung der Weimarer Republik. Vor allem unter den Umständen, dass noch Grenzschutz und die Rückführung der Frontsoldaten geregelt werden musste. Vor allem die Freikorps, die im Baltikum zur Sicherung der deutschen Grenze eingesetzt worden sind,
Freikorps die zum Schutz der deutschen Grenze im Baltikum eingesetzt worden wären? Jetzt wird es aber ein bisschen sehr abstrus. Welche Grenzen hatte das Reich denn gegen Kurland?

Ich spreche von den ganzen inoffiziellen Selbst- und Grenzschutzverbänden im Raum über Pommern bis Schlesien. Hinzu kommen die absolut chaotischen Zustände bei der Rückkehr der Frontsoldaten, die eine geordnete Demobilisation, in Form dessen, dass man in der Lage gewesen wäre denn auch tatsächlich die Waffen einzusammeln, schlicht nicht möglich war, so das Arsenale in den Händen der Zivilbevölkerung zurückblieben, die denen, die die Reichswehr offiziell noch unterhalten durfte in Teilen in wenig nachstanden.


Nichtsdestotrotz gab es Vorschläge, Möglichkeiten und Gelegenheiten zur Demokratisierung der Reichswehr und wie @thanepower richtig angemerkt hat ist der Kapp-Lüttwitz-Putsch der zentrale Punkt darin, wie die Chancen verspielt wurden, die Reichswehr zu demokratisieren.
Natürlich gab es Vorschläge die Reichswehr entsprechend umzubauen. Gelegenheit gab es aber außenpolitisch betrachtet relativ wenig.
Man hatte bis nach 1920 hinein offene Grenzfragen mit Polen, zumal die Abstimmungen in Oberschlesien und Masuren noch nicht gelaufen waren, die sich jederzeit in einem offenen Konflikt hätten entladen können und die Wahrscheinlichkeit dessen hätte sich drastisch erhöht, hätte man in dieser Situation angefangen sein Heer zu säubern.
Abgesehen davon, wenn man es getan hätte, hätte man damit weitere altgediente und erfahrene Militärs, die man damit hätte rauswerfen müssen den extremistischen Kreisen zugetrieben und damit sowohl deren militärische Expertise, als auch deren Organisationsfähigkeit erhöht und ihnen noch einige zusätzliche potentielle Galionsfiguren zugeschoben.


Vorschläge zur Demokratisierung bestanden bspw. darin, eine republikanische Armee aufzubauen, wie dies am 16. November 1918 noch beraten wurde. Eine weitere Möglichkeit waren die Hamburger Punkte, die ernsthaft diskutiert wurden und u.a. beinhalteten, dass die militärische Kommandogewalt von den Volksbeauftragten unter Kontrolle des neu zu wählenden Zentralrats der Arbeiter- und Soldatenräte ausgeübt wurde. Die meisten Möglichkeiten zur Demokratisierung der Reichswehr scheiterten daran, dass in den staatlichen Institutionen wie dem Beamtenapparat diesselben Leute vorhanden waren, wie im Kaiserreich und Demokratie negativ konnotiert wurde. Oberst Reinhardt war ein Offizier und als neuer Chef der Heeresleitung auch gewillt, die Reichswehr Loyal zur Republik einzustellen.
Das mag ja alles sein. Aber angesichts der vorhandenen, ganz gut bewaffneten extremistischen Bewegungen im Inneren und der außenpolitischen, strategischen Sicherheitslage durch den Grenzkonflikt mit Polen und unter der gegebenen Vorraussetzung, dass ein Austausch einer größeren Menge an Kadern und Führungspersönlichkeiten die Truppe zunächst mal schwächen musste, da Ausbildung und Integration der neuen Kader seine Zeit gebraucht hätte und in dieser Zeit wäre man sowohl gegen innen, als auch außen verwundbar gewesen, hätte das zu massiven Problemen führen können.
Durch die Beibehaltung der alten Kader, war wenigstens der Bedrohungslage gegen Außen, was Polen betrifft, kontinuierlich abzuhelfen und der inneren Bedrohung, sofern sie von linker Seite kam.

Das wäre zu unterlaufen gewesen, wenn der Versailler Vertrag die Beibehaltung von 200.000-300.000 Mann Reichswehr zugelassen (was für keinen der Nachbarstaaten unter der Bedingung des Verbots schwerer Waffen eine ernstzunehmende Bedrohung dargestellt hätte) hätte und es somit möglich gewesen wäre unter Beibehaltung eines Kerns des alten Heeres, darum herum das neue aufzubauen und die Vertreter des alten Systems dann nach und nach in den Ruhestand zu schicken, respektive zu entlassen.
Bei einer deutlich größeren Truppenzahl (die für die Nachbarn wie gesagt keine Bedrohung gewesen wäre), wäre das möglich gewesen ohne die militärissche Wehrhaftigkeit Deutschlands zwischenzeitlich gegen Null zu senken und damit die Polen und die Extremistgen gleichermaßen zum aktiven Handeln einzuladen.


Der Kapp-Putsch ist deshalb so gravierend, weil Militärs und rechte Parteigänger gegen die Republik putschten und die Rädelsführer eigentlich alle verurteilt hätten werden müssen. Kurze Zeit später allerdings amnestierte man diese sogar. Der Ruhraufstand hingegen, ursprünglich gegen den Putsch gerichtet, erfuhr die volle militärische Härte. Die Regierung der Weimarer Republik bekämpfte linke Aufständische mit rechten Parteigängern und verspielte damit jegliche Chance einer Demokratisierung.

Das ist so nicht richtig dargestellt.
Der Ruhraufstand hätte firedlich beendet werden können, wären die Aufständischen im westlichen Teil des Ruhrgebiets um Essen, Mühlheim und Duisburg herum, analog zu den Aufständischen Arbeitern, die sich unter dem Dach der Hagener Zentrale versammelt hatten bereit gewesen ihre Waffen abzugeben und jeglichen Kampf gegen die legale Reichsregierung bedingungslos einzustellen. (siehe Bielefelder Abkommen)
Waren sie aber nun einmal eben nicht und dass dann dort mit Waffengewalt durchgegriffen wurde, ist folgerichtig. Das dafür die selben Truppen bemüht wurden, die vorher noch putschten oder sich jedenfalls dem Kampf gegen die Putschisten entzogen, hat selbstredend einen entsprechenden Beigeschmack, zeigt aber doch nur, wie wenige Mittel der Regierung ohne diese Truppen zu Gebote standen und wie wehrlos diese gewesen wäre, hätte sie diese Truppen entlassen, damit vollends gegen sich aufgebracht und keine Möglichkeit gehabt sie im Rahmen eines fliegenden Wechsels augenblicklich gegen eingespielte gut ausgebildete, und loyale Formationen auszutauschen.

Und damit ich hier nicht falsch verstanden werde:
Natürlich war es ein Versagen der Weimarer Republik, dass man es nicht schaffte die Reichswehr zu demokratisieren. Aber es ist (jedenfalls in meinen Augen) kein Versagen der Anfangsjahre der Republik, sondern es ist ein Versagen der Politik zwischen den Jahren 1925 und 1929.
Nach 1923 gab es keine größeren extremistischen Aufstände mehr, diese Bedrohung hatte für's erste weitgehend abgewirtschaftet. Mit der Währungsreform erholte sich die Wirtschaft allmählich, eine Übereinkommen hinsichtlich des Ruhrgebiets und der Rheinlandbesetzung wurde erreicht und durch die Übereinkunft mit Frankreich und das gleichzeitige Paktieren mit der Sowjetunion waren auch Polens Handlungsmöglichkeiten dahingehend auf militärischem Weg Gebietsveränderungen zu erzwingen und damit in Paris womöglich noch anerkennung zu finden, de facto entfallen.

In diesem politisch-strategischen Gesamtklima wäre ein größerer Umbau und eine Totalreform der Reichswehr möglicherweise machbar gewesen und hätte um der Sicherung der Republik willen versucht werden müssen. Vor den Locarno-Verträgen hätte das, jedenfalls meiner bescheidenen Ansicht nach, mehr Probleme und Bedrohungspotential geschaffen, als abgewendet.
 
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Freikorps die zum Schutz der deutschen Grenze im Baltikum eingesetzt worden wären? Jetzt wird es aber ein bisschen sehr abstrus. Welche Grenzen hatte das Reich denn gegen Kurland?
Such duch einfach mal nach den "Baltikumern" und behalte dabei im Auge, dass einer der Wesentlichen Angstfaktoren der Weimarer Republik war, dass es eine bolschewistische Revolution in Deutschland gibt.

Du fokussierst dich sehr auf die außenpolitische Belastung, dass unter der relativ kleinen Armee die Sicherheit in der WEimarer Republik nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte. Allerdings glaube ich nicht, dass ein paar Hunderttausend Mann mehr gleichbedeutend dafür ist, dass eine Armee in einem von vornherein militärisch geprägten Regime ein Indikator dafür ist, dass die Armee demokratisiert werden kann. Vielmehr liegt es an den Parteien selbst, wie sie die Armee in das neue politische System integrieren. Mit deiner Größenordnung und deinen Argumenten lieferst du der Armee hingegen sogar mehr Futter dafür, dass man sie nicht ändern müsste, da sie ja mehr systemstabilisierend sind. Und durch die Fokussierung auf die Außenpolitik zeigst du den Finger zu sehr auf die Siegermächte anstatt einen eigenen Willen zu Veränderungen zu haben.

Man hätte mit den Kapp-Putschisten genau so umgehen können wie mit den Ruhraufständlern. Wieso war die Beendigung des Ruhraufstandes blutiger als der Kapp-Putsch und wieso wurden die Rädelsführer amnestiert? Warum griff man bei der Beendigung gleich auf Truppen zurück, die aktiv den Kapp-Putsch unterstützten, wie der Brigade Löwenfeld oder Freikorps-Brigaden? Wenn Politik auch daduch gemacht wird, dass man Zeichen setzt, dann war dies ein fatales.
 
Such duch einfach mal nach den "Baltikumern" und behalte dabei im Auge, dass einer der Wesentlichen Angstfaktoren der Weimarer Republik war, dass es eine bolschewistische Revolution in Deutschland gibt.

Dafür, dass das einer der größten Angstfaktoren war und man unbedigt deutsche Grenzen in Kurland sichern musste, wo es selbst als das Memel-Gebiet noch nicht abgetrennt war, überhaupt noch keine Grenze gab, unternahm man allerdings verdammt wenig um die "bolschewistische Gefahr" von den deutschen Grenzen fern zu halten, als die "Rote Armee" dann vor den Toren von Warschau stand. Damals tat man noch alles um den Polen jegliche Hilfe zu verweigern und ging im Rahmen der Internierung der abgedrängten sowjetischen Truppen in Ostpreußen relativ korrekt mit diesen um.
Scheint also nicht so entscheidend gewesen sein, die "Bedrohung durch den Bolschewismus", denn sonst hätte man den Polen in dieser Situation ja ungeachtet aller außenpolitischen Differenzen zur Hilfe kommen müssen.



Du fokussierst dich sehr auf die außenpolitische Belastung, dass unter der relativ kleinen Armee die Sicherheit in der WEimarer Republik nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte. Allerdings glaube ich nicht, dass ein paar Hunderttausend Mann mehr gleichbedeutend dafür ist, dass eine Armee in einem von vornherein militärisch geprägten Regime ein Indikator dafür ist, dass die Armee demokratisiert werden kann.
Nein, ein paar Hunderttausend Mann mehr sind nicht gleichbedeutend mit automatischer Demokratisierung, aber sie hätten Möglichkeiten einer kontinuierlichen Umgestaltung ermöglicht.
Wie gesagt, ein weitgehender Austausch der Kader hätte die Ausbildung neuer, zuverlässiger Kräfte und die Integration in die bestehenden Strukturen vorausgesetzt. Bis man aus einem Rekruten einen einigermaßen zuverlässigen Berufssoldaten gemacht hat, dauert es aber 1-2 Jahre und das ist en masse, wenn gleichzeitig massive innen- und außenpolitische Bedrohungen bestehen und sowohl Extremistengruppen, als auch feindliches Ausland nur auf einen Moment der Schwäche lauern, ist das schlicht nicht hinnehmbar, zumal wenn man die tatsächlich erfahrenen Kader durch Entlassung noch den Extremisten zutreibt.
Die Alternative wäre gewesen weiterhin Frontsoldaten des Krieges zu rekrutieren, womit man sich aber die damit verbundene völlige Verrohung und die Tatsache, dass auch diese noch im alten System sozialisiert worden waren und es weitgehend durchlaufen hatten, billigend akzeptiert und damit die Reform des Heeres allenfalls halbherzig betrieben hätte.


Vielmehr liegt es an den Parteien selbst, wie sie die Armee in das neue politische System integrieren. Mit deiner Größenordnung und deinen Argumenten lieferst du der Armee hingegen sogar mehr Futter dafür, dass man sie nicht ändern müsste, da sie ja mehr systemstabilisierend sind. Und durch die Fokussierung auf die Außenpolitik zeigst du den Finger zu sehr auf die Siegermächte anstatt einen eigenen Willen zu Veränderungen zu haben.

Nun verdrehst du, was ich schreibe. Ich zeige nicht mit dem Finger auf die Siegermächts, sondern weise auf die prekäre Sicherheitslage durch die enge polnisch-französische Zusammenarbeit und die offenen Grenzstreitigkeiten mit Polen und die teilweise bewaffneten Auseinandersetzungen "schlesische Aufstände" hin, die in den Anfangsjahren der Republik eine reale Größe darstellten.
Ferner habe ich auch die inneren Bedrohungen angesprochen, die von den extremistischen Bewegungen ausgingen.

Unter diesen Umständen war es schlicht nicht möglich noch sein halbes verbliebenes Rumpf-Herr abzuwracken und seine Wehrfähigkeit gegen innen und außen auf 1-2 Jahre komplett auf Eis zu legen.
Ein deutlich größeres Herr hätte neben dem Bestand eines Rumpfkaders die Selektion nach politischer Zuverlässigkeit und die Ausbildung neuer Kader bei gleichzeitigem Bestand minimaler, aber hinreichender Sicherheit und somit eine organische Reform des Heeres ermöglicht.
Die Möglichkeit dazu ist absolut noch nicht gleichbedeutend mit der faktischen Umsetzung, aber es hätte Tore aufgestoßen, die ich ohne eine entsprechend große Truppenzahl erst nach Locarno offen sehe.
 
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