Angabe von Verlusten in Schlachten

Pausanias

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Ich habe mir gerade die Liste der Verluste der preußischen Armee in der Schlacht von Leuthen angeschaut. Die Originalakten aus dieser Zeit sind ja im Weltkrieg verloren gegangen (so weit ich weiß), aber im Werk des Großen Generalstabs zu den Kriegen Friedrich des Großen findet man die Verlustlisten (Digitale Sammlungen / Leuthen [182 ). Nun wäre meine Frage, ob sich die Zahl der amgegebenen Gefallenen nur auf die direkt Verstorbenen bezieht oder auch Verwundete, die kurz nach der Schlacht verstarben, miteinschließt.
 
Für Leuthen gibt Duffy (2009, S. 356) eine Zahl von "Verlusten" mit 11. 589 an. Vermutlich Druckfehler und es sollen 1,589 "Verluste" als "Tote" gemeint sein.

In seiner Biographie zu FdG (1994, S. 221) schreibt Duffy: "Die preußischen Verluste beliefen sich auf 6382 Offiziere und Mannschaften, von denen die Mehrzahl vermutlich nur leicht verwundet war"

Ähnlich Dorn & Engelmann (S.99), die Gesamtverluste mit 6382, davon Tote 59 Offiziere und 1116 Mannschaften angeben.

Insgesamt ist die Frage was "Verluste" einer Schlacht sind, nicht ganz klar zu definieren. Das kann Tot, verwundet, desertiert, gefangen genommen etc. bedeuten. Also sit "Verlust" eine übergeordnete Sammelkategorie.

Über Verluste kann man ohnehin streiten, wie es auch ausführlich für die Verlustzahlen für den WW2 im Forum schon ausführlich gemacht wurde. Letztlich sind es immer nur Annäherungen, die die Brutalität derartiger Schlachten ohnehin nicht darstellen. (vgl. dazu Keegan: Die Schlacht)

Dorn, Günter; Engelmann, Joachim (1979): Die Schlachten Friedrich des Grossen. Führung, Verlauf, Gefechts-Szenen, Gliederungen, Karten. Augsburg: Bechtermünz Verlag (Dörfler Geschichte).
Duffy, Christopher (1994): Friedrich der Grosse. Ein Soldatenleben. Augsburg: Weltbild-Verl.
Duffy, Christopher (2009): Friedrich der Grosse und seine Armee. . Stuttgart: Motorbuch-Verl.
 
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Die Zahlen von Duffy 1993 und Dorn / Engelmann ensprechen den Angaben des Großen Generalstabes. Gibt Duffy 2009 eine Quellenangabe?
Was ich mich frage, ist, ob schon am Abend der Schlacht, am nächsten Tag oder erst später die Verlustlisten erstellt wurden, denn von den Verwundeten, die direkt nach der Schlacht noch lebten, sind ja wahrscheinlich in den Tagen danach noch ein gewisser Anteil verstorben.

Abgesehen davon ist das teils unterschiedliche Verhältnis zwischen Toten und Verwundeten der einzelnen Einheiten auffällig. Beispiel:
IR Markgraf Karl: 64 gefallen, 643 verwundet
IR Prinz von Preußen: 42 gefallen, 47 verwundet
Woran könnte das liegen?
 
Quellenangaben zu allgemeinen, nahezu konsensualen Informationen sind eher ungewöhnlich. Und es werden keine Verweise gegeben.

Bereits in der 1842 von Franz Kugler geschriebenen Biographie: "Geschichte Friedrichs des Großen" wurden die Verluste mit ca. 6000 beziffert (S. 365). Und weder bei Kugler, nebenbei auch nicht bei Ranke "Preussische Geschichte", wurden irgendwelche Quellen angeführt.

Blanning "Frderick the Great" bezieht sich (S. 223) auf Duffy in seiner Angabe, führt aber noch einen Brief von FdG an, den er am 19.12.1757 an d´Argens geschrieben hat und in dem er u.a. Angaben zu den österreichischen Gefangenenzahlen gemacht hat.

Und Showalter "Frederick the Great" spricht lediglich von "more than 6000 Prussians were dead or wounded" ohne Verweise.

Bei Venohr findet sich ein Hinweis, dass FdG wohl selber die Verluste seiner Feldzüge berechnet haben soll.
 
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Abgesehen davon ist das teils unterschiedliche Verhältnis zwischen Toten und Verwundeten der einzelnen Einheiten auffällig. Beispiel:
IR Markgraf Karl: 64 gefallen, 643 verwundet
IR Prinz von Preußen: 42 gefallen, 47 verwundet
Woran könnte das liegen?

Da müsste man sich genauer anschauen, was die beiden Regimenter in der Schlacht durchgemacht haben. Da kann es schon zu eklatanten Unterschieden kommen, vielleicht war das eine Regiment "nur" Kanonenbeschuss ausgesetzt und sonst in der Reserve, während sich das andere im Nahkampf schlagen musste. Also auf Anhieb ungewöhnlich finde ich die Unterschiede nicht.

Gruss, muheijo
 
Da müsste man sich genauer anschauen, was die beiden Regimenter in der Schlacht durchgemacht haben. Da kann es schon zu eklatanten Unterschieden kommen, vielleicht war das eine Regiment "nur" Kanonenbeschuss ausgesetzt und sonst in der Reserve, während sich das andere im Nahkampf schlagen musste. Also auf Anhieb ungewöhnlich finde ich die Unterschiede nicht.

Dass einige Regimenter höhere Verluste erleiden, als andere, ist klar. Was ich meinte, ist die sehr unterschiedliche Verteilung von Gefallenen/Verwundeten. Beim IR Markgraf Karl sind nur 9% der Verluste Tote, beim IR Prinz von Preußen sind hingegen annäherend so viele gefallen wie verwundet.
 
Dass einige Regimenter höhere Verluste erleiden, als andere, ist klar. Was ich meinte, ist die sehr unterschiedliche Verteilung von Gefallenen/Verwundeten. Beim IR Markgraf Karl sind nur 9% der Verluste Tote, beim IR Prinz von Preußen sind hingegen annäherend so viele gefallen wie verwundet.
Auch das kann mit dem jeweiligen Einsatz in der Schlacht und der Waffenwirkung zusammenhängen, der das fragliche Regiment ausgesetzt war.
Im Besonderen, sofern ein Regiment auch in Nahkämpfe verwickelt war, kommen da neben Streifschüssen, sicherlich auch noch Stichverletzungen durch Bajonette, Säbelhiebe und Schläge mit dem Kolben hinzu, die möglicherweise zu leichteren Verletzungen führten.
War ein Regiment demgegenüber vor allem Artillerie-Beschuss ausgesetzt, wäre es nicht verwunderlich, wenn sich die Zahl der Toten vergleichsweise in Grenzen hielt, in Relation zu den Verwundungen aber viele Todesfälle zu stande gekommmen wären, einfach weil die Wunden größer (falls der Treffer überhaupt überlebt wurde) und die Brüche großflächiger und komplizierter gewesen sein dürften (ggf. auch die Notwendigkeit zur Amputation), als durch die nahkampftypischen Verletzungen (so lange nicht gerade mit Kartätschen gesschossen wurde) und damit die Chance binnen kurzer Frist daran zu versterben, durchaus auch höher gewesen sein dürfte.
 
IR Markgraf Karl: 64 gefallen, 643 verwundet
IR Prinz von Preußen: 42 gefallen, 47 verwundet
Woran könnte das liegen?

Ich habe auf diese Frage auch nie eine allgemeingültige Antwort gefunden, daher meine Vermutung:

Die Definition "verwundet" war nicht standardisiert und so zählte jeder Chef (Regiments- oder Kompaniechef) anders. So kam es dann zu den unterschiedlichen Zahlen. Diese geben m. E. meistens auch nur das Schlaglicht unmittelbar nach der Schlacht wieder. Vermutlich dürften alle Verletzten, die ihren Verletzungen erst später oder erst einen bestimmten Zeitraum später erlagen, ebenfalls nicht nachträglich in die Gefallenenzahlen eingegangen sein. Man betrachte alleine die ganzen Leute, die später am Wundbrand gestorben sind oder deren anfangs harmlose Fleischwunde Tage später wegen Entzündung zu einer Amputation und damit einhergehend dauerhafter Invalidität geführt hat.

Der eine zählte die Verwundeten auf einem/dem Verbandsplatz; im Lazarett. Hier dürfte also der Ursprung der Quelle sogar das Personal gewesen sein, das auf diesem Verbandsplatz eingesetzt war. Verletzte, die noch irgendwo lagen oder sich bei ihren Kameraden befanden, wurden womöglich nicht gezählt.
Der nächste die, die gar nicht mehr oder nur eingeschränkt kampffähig waren.
Der nächste die, die gar nicht mehr oder nur eingeschränkt dienstfähig waren.
Der nächst zählte die, die bei der an die Schlacht anschließenden Musterung wegen "Verletzung" nicht teilnahm.
Der nächste jeden, der nicht mehr im Originalzustand von vor der Schlacht war.
Dazu kam die Prognose: dauerhaft invalide, lange Genesungszeit, mittlere Genesungszeit, bald wieder hergestellt.
 
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Aus gutem Grund gibt man die später vergebenen Nummern der Regimenter an. Zeitgenössisch wurden zwar die Regimenter mit den Chefs bezeichnet, doch kennt sich da kaum ein heutiger Leser aus und der Wechsel der Chefs kann verwirrend sein. Am Besten wird beides genannt. Wenn die beiden Regimenter nicht bekannt wären, hätte ich kaum nachgeschlagen.

Das IR No. 19 (Markgraf Karl [von Brandenburg-Schwedt]) stand mit beiden Bataillonen zunächst etwas zurück, um dann weit nach rechts gezogen eher ins Zentrum des Geschehens neben dem II. und III. Bataillon der Garde (No.15; Sturm auf die Friedhofsmauer; Orts- und Häuserkampf) zu geraten.

Das 1. Bataillon des IRs No. 18 (Prinz von Preußen) stand am selben Flügel und schloss die die Flanke deckenden Grenadierbataillone ab. Während der Flügel nach rechts gezogen wurde, stand das Bataillon also lange hinter anderen Einheiten und geriet eher nicht im Zentrum des Geschehens.

Zunächst werden hier also 2 Bataillone mit 1 Bataillon verglichen. Dann liegt, ohne dass ich es genau sagen kann für die beiden Bataillone von No. 19 die Annahme von Orts- und Häuserkampf nahe. No. 19 wird von Dorn / Engelmann bei den Verlusten an zweiter Stelle an, was diese Vermutung erhärtet. I/18 (1. Bataillon von No.18) hingegen erscheint hingegen weiter rechts an der Flanke.

Anmerkung: No. statt Nr. bezeichnet altpreußische Regimenter bis 1806/07, um sie besser von den späteren preußischen Regimentern zu unterscheiden. Die genaue Art der Nummerierung wurde von Bleckwenn eingeführt, wenn auch die Reihenfolge schon bis auf die Dessauer Spezifikationen (1729, bzw. 1737) zurückgeht, in die spätere Regimenter nach 1806 eingereiht wurden. Auch Menzels Armeewerk nutzt diese Reihenfolge. Garnisonsregimenter und Bataillone werden mit römischen Ziffern angegeben; Freibataillone allerdings als F+arabische Ziffer und Freikorps als F+römische Ziffer. (Kürassiere/Husaren: K/H+arabische Ziffer, Dragoner: D+römische Ziffer) Tessin hingegen nennt das Aufstellungsjahr und nummeriert, wenn in einem Jahr mehrere Regimenter aufgestellt wurden. (No. 18 = 1698; No. 19 = 1702/1) Die Nummerierung nach Bleckwenn ist einfacher zu handhaben, während Tessin die Systematik über alle Nationen ausdehnt. Wirklich übersichtlich erscheint mir nur Bleckwenn, wobei wie gesagt der Name des Chefs eine gute Ergänzung ist. Zudem hat sich diese Nummerierung in der Literatur längst durchgesetzt. Die Nummerierung nach Tessin hat allerdings auch ihre Berechtigung. Kurzzeitig bestehende oder vor einem bestimmten Zeitpunkt aufgelöste Regimenter wurden bei den oft erst im 19. Jahrhundert eingeführten Nummerierungen in aller Regel nicht berücksichtigt. Um bei Preußen zu bleiben, betrifft das viele Regimenter des Großen Kurfürsten, der seinen Truppenbestand je nach Kassenlage regulieren musste. Leider geht dabei die Beschränkung auf zwei Ziffern und die gewohnte Nummerierung verloren. No. 3, 6 und 15 sagen jedem etwas, der sich ein wenig mit dem Thema beschäftigt. 1665/3, 1675/3 und 1688/3 müssen wohl auch von eingearbeiteten Personen nach längerer Pause nachgeschlagen werden und sind auch für das sog. 'interessierte Publikum' abschreckend. Dafür ist es wiederum eine Staaten übergreifende Systematik. Es muss also dummerweise auf den Zweck der Erwähnung, die Leserschaft und auch die gängige Literatur Rücksicht genommen werden.
 
Dann liegt, ohne dass ich es genau sagen kann für die beiden Bataillone von No. 19 die Annahme von Orts- und Häuserkampf nahe.

"Am 5. Dezember griff das ganze Regiment den Kirchhof Leuthen an "von Anfang bis Ende im Klein-Gewehrfeuer und fast gänzlich ruiniert."

Dorn, Günter; Engelmann, Joachim (1992): Die Infanterie-Regimenter Friedrich des Grossen. 1756-1763. Augsburg: Weltbild-Verl.
 
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Zur allgemeinen Ergänzung: in der laufenden Frontberichterstattung habe ich nun das ein oder andere Mal von "permanently wounded" (dauerhaft verwundet") bzw. "irrecoverably wounded" (sinngemäß: "nicht (komplett) genesungsfähig") gelesen, was ich für die Statistik für ein sinnvolles Kriterium halte: gezählt werden nur diejenigen Verwundeten, die auf Grund ihrer Verwundung definitiv nie mehr einsatzfähig sein werden.

Auch das lässt natürlich noch erhebliche zeitliche und medizinische Unschärfen zu grenzt die Gruppe der Verwundeten aber deutlich stärker ein.
Ob dieses Kriterium allerdings durch Zeit und Raum konsequent angewandt wird und wurde, weiß ich allerdings nach wie vor nicht.
 
Auch das lässt natürlich noch erhebliche zeitliche und medizinische Unschärfen zu grenzt die Gruppe der Verwundeten aber deutlich stärker ein.
Ob dieses Kriterium allerdings durch Zeit und Raum konsequent angewandt wird und wurde, weiß ich allerdings nach wie vor nicht.
Ich denke, dass da vor dem 19. Jahrhundert schlicht das Problem bestand, dass Prognosen ob Verletzungen überlebt würden, und Genesung eintreten würde, wesentlich unsicherer waren, als heute.
 
Napoleons Eingangsfrage war, wenn er einen Arzt traf: '"Wieviele Arme und Beine haben sie schon abgeschnitten?"
In der Tat war Amputation eine der häufigsten Operationen. Das Ausbrennen von Wunden glücklicherweise nicht mehr.
Dennoch starben viele an Wundbrand, und auch an Krankheiten wie Fleckfieber und Cholera, die aufgrund der mangelhaften hygienischen Verhältnisse oft in den "Lazaretten" grassierten.
Die Chance, auch kleineren Verletzungen zu erliegen war hoch.
Zynisch gesprochen waren viele der Verwundeten später zum erneuten Einsatz nicht mehr zu gebrauchen.
 
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