Zusammensetzung römischer Legionen

C

Curiosus

Gast
Hallo Forumsfreunde,

würde mich freuen, wenn mir jemand diese Frage beantworten könnte. Wieviel Prozent der römischen Legionen bestanden im 5. Jahrhundert aus römischen Soldaten? Nach meinen Informationen schwankte ihre Zahl. Zu manchen Zeiten gab es so gut wie keine Römer in den Legionen des Imperiums, dann wiederum wurde eine Wehrpflicht eingeführt, was die Zahl naturgemäß steigen ließ. Wie war es im 5. Jahrhundert?
 
1. Die "Wehrpflicht" gab es vor allem in den früheren jahrhunderten. Sie wurde problematisch, weil das römische Reich einmal eine Agrargesellschaft war, der größte Teil auch der einzuberufenden Truppen, also im Zivilberuf aus Bauern bestand, die sich eine Abwesenheit während der Saat und Erntezeit von ihren Höfen nicht leisten konnten.
So lange Rom seine Kriege vorwiegend auf der italischen Halbinsel ausfocht, war das vergleichsweise unproblematisch, als das Reichsgebiet aber darüber hinaus wuchs und Kriege außerhalb geführt wurden, wo alleine der Aufmarsch mitunter schon Wochen und Monate in Anspruch nehmen konnte, wurde der Übergang zum Berufsheer mehr oder minder nötig.
2. Was genau ist für dich "römisch"? Im Hinblick auf das Römische Bürgerrecht, ist der begriff ja nun im besonderen in der Spätzeit des Imperiums relativ dehnbar, als das Bürgerrecht bereits weitgehend auf die Bewohner der Provinzen ausgedehnt war.
 
Du hast recht, der Begriff "römisch" ist tatsächlich ein bisschen schwammig. Ich meinte damit, wie hoch der Anteil von Soldaten von außerhalb der Grenzen des Reiches war. Also, speziell Germanen oder Hunnen. Wurden sie in die Legionen integriert, oder dienten sie ausschließlich als auxiliares? Falls sie integriert waren, wie hoch war ihr Anteil in Prozent?
 
Meinst du mit "Legionen" die römische Armee oder die Einheit? Beim römischen Militär gab es zu jeder Zeit und insbesondere im 4. Jahrhundert noch ganz andere Truppen.

Eigentlich setzte der Eintritt in eine Legion das römische Bürgerrecht voraus. Nicht-Bürger dienten in den Auxilia. Diese machten unter Augustus etwa die Hälfte der Armee aus.

Aber es wurden -wohl auch schon unter Augustus, aber da muss ich für Genaueres erst nachschlagen- auch Ausnahmen gemacht. Caracalla dehnte dann 212 das Bürgerrecht auf fast alle freien Bewohner des Reichs aus.

Nach verschiedensten Reformen war die Armee der Spätantike auch ganz anders organisiert.

Zunächst gab es die reguläre Armee. Grob und vereinfacht gesagt: Die Legionen waren auf ca. 1000 Mann reduziert worden, während ihre Anzahl erhöht wurde. Die Legionäre waren auch nicht mehr so mobil und nur eingeschränkt kaserniert, da sie einen Teil ihres Soldes bearbeite mussten: Ihnen wurde Land überlassen. Seit wann und in welchem Umfang sie Land bebauten ist wegen der lückenhaften Quellenlage seit eh und je umstritten. Sie sollten vorwiegend als "limitanei", als einfache "Grenztruppen" dienen. Das eigentliche Bewegungsheer bestand aus den Truppen, die den Kaiser, bzw. die Feldherrn begleitete, den "Comitatenses", so genannt, weil sie der Begleitung/Gefolgschaft ("comitatus") des Kaisers zugeordnet waren. Diese sollten beweglicher sein, weshalb sie vorwiegend aus Reiterei, die es so eigentlich nur als Hilfstruppen gab, und damit nur zu einem geringen Teil aus Legionen gebildet wurden. Die besseren Einheiten der Limitanei konnten vorübergehend zum Bewegungsheer versetzt werden und nannten sich dann "Pseudocomitatenses". Es kam vor, dass Einheiten innerhalb dieses Systems befördert oder degradiert wurden. Einheiten, die innerhalb der Comitatenses zur unmittelbaren Verfügung des Kaisers standen -im 5. Jahrhundert nur im Ostreich- sind am Wörtchen "praesentalis" zu erkennen. Die eigentlichen Garde wurden als "Palatini" bezeichnet. In dies System ordneten sich die älteren Einheiten ein, wobei ältere Bezeichnungen und mitunter Organisationsformen beibehalten wurden. In den Wikipedia-Artikeln Römische Legion, auf den leider von Römische Armee weitergeleitet wird, Comitatenses und Limitanei kannst du einen ersten Überblick gewinnen.
Von der regulären Armee und den Beamten des Reichs hat sich mit den "Notitia Dignitatum" ein Überblick aus der Zeit um 400 oder den ersten Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts erhalten, der genaue Zeitpunkt ist umstritten, wahrscheinlich ist die Liste je nach Region auf einem unterschiedlichen Stand. (Die Notitia Dignitatum bei Wikipedia und eine Seite mit einer alphabetischen Liste der darin erwähnten Einheiten.)

Dummerweise gab es neben der regulären Armee vier weitere Erscheinungen.

Einzelne Städte konnten eigene Wächter und ganze Einheiten in Sold haben. Dies liegt an der römischen Verfassungsgeschichte, was hier nicht näher erläutert werden muss. Prominent in Erscheinung traten sie während des Bürgerkriegs nach dem Sturz des Nero, weshalb einige Beispiele in den Historien des Tacitus zu finden sind. Manchmal wurden solche Einheiten als Auxilia in das reguläre Militär überführt. Die Art der Rekrutierung lag natürlich bei den Städten. In Britannien sollen städtische Truppen im 5. Jahrhundert zeitweise von Bedeutung gewesen zu sein. Das ist aber ein Schluss aus einigen Erwähnungen der Absprachen von Anführern von Städten aus einer kurzen und teils rätselhaften Quelle, also mit Vorsicht zu genießen.

Feldherrn und Senatoren haben sich irgendwann das Recht auf Leibwächter ertrotzt. Daraus entstanden schließlich richtige kleine Haustruppen, bei Männern wie Aetius und Stilicho wohl schon richtige kleine Privatarmeen. Wegen des angeblich besseren Essens wurden sie vom Volk "Bucellarii" genannt (von "bucella", zu dt.: "Brötchen, Semmel"). Die Zusammensetzung lag vom Auftraggeber ab. Bei Aetius wird man z.B. an einen großen Anteil Hunnen denken. (Wikipedia zu den Bucellarii)

Ursprünglich gingen die Auxilia aus den kleinen Kontingenten von Verbündeten und Unterworfenen Ethnien hervor. Der König von Noricum schickte z.B. Cäsar eine Einheit Reiter. Diese waren nach ihrer jeweiligen eigenen Tradition gerüstet und organisiert. Augustus machte daraus stehende Einheiten und als solche sind sie oben bei der regulären Armee mitbehandelt. Von Augustus bis zu Claudius oder den Flaviern wurde die Ausrüstung immer mehr vereinheitlicht und ebenso die Organisation. Im einzelnen ist die genaue Entwicklung umstritten und einige Einheiten haben noch lange danach ihr typisches Aussehen behalten, z.B. die numidischen Reiter. Hinzu kommt, dass es immer Verbündete gab, die kleine Kontingente in Einheitengröße schickten und diese dann natürlich deren Traditionen folgten, oft aber auch dem großen Verbündeten oder hellenistischen Traditionen nacheiferten. In der Spätantike wurden dann auch oft ganze 'barbarische' Einheiten als Söldner angeworben, so dass einzelne nichtrömisch organisierte und ausgerüstete Einheiten wieder eine häufigere Erscheinung wurden als in den Jahrhunderten zuvor.

Schließlich gab es die Armeen und Truppen der "foederati", der Verbündeten oder Vertragspartner, für die es oft um Geld und Versorgung, statt um Politik ging. Das konnten Truppen, kaum größer als ein Einheit sein, aber auch ganze Armeen. (Siehe wieder Wikipedia.) Doch der Begriff ist herrlich ungenau: Eigentlich sind alle Vertragspartner des römischen Reichs darunter zu verstehen. Ob diese im Ernstfall Truppen stellten oder im Reich siedeln durften oder was auch immer, wird durch den Begriff selbst nicht gesagt.

Es kommt hier also darauf an, was mit der Frage gemeint ist. Die Legionen dürften auch im 5. Jahrhundert eher aus Römern rekrutiert worden sein, in der Regel wurde wohl der Sohn auch Soldat, denn der Zugang zu diesem Beruf war eingeschränkt worden, um eine Flucht der Bauern in die Armee zu unterbinden. Bei der regulären Armee müsste es näher betrachtet werden, aber so Armeen, wie oft unter Aetius vorwiegend aus Foederaten bestanden, waren die Römer sicher in der Minderheit.
 
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1. Die "Wehrpflicht" gab es vor allem in den früheren jahrhunderten. Sie wurde problematisch, weil das römische Reich einmal eine Agrargesellschaft war, der größte Teil auch der einzuberufenden Truppen, also im Zivilberuf aus Bauern bestand, die sich eine Abwesenheit während der Saat und Erntezeit von ihren Höfen nicht leisten konnten

Allerdings blieb auch nach der Schaffung des Berufsheeres die Wehrpflicht bestehen. Bürger konnten weiterhin zu den Legionen, Peregrine zu den Hilfstruppen eingezogen werden. In Friedenszeiten war dies für gewöhnlich nicht nötig, da aufgrund der langen Dienstzeit der jährliche Bedarf gering war. Trotzdem blieb die Zwangsrekrutierung immer eine Möglichkeit: "Therefore in the first two centuries AD the government was probably not slow to resort to conscription in provincial communities to supplement the legions, though usually not in Italy." [1]
im Kriegsfalle, insbesondere nach sehr großen Verlusten, waren Aushebungen nötig um die Verluste zu kompensieren, zum Beispiel während des Pannonischen Aufstandes oder nach der Varusschlacht. In diesen Fällen wurden sogar Sklaven rekrutiert. Unter Diokletian wurde die Wehrpflicht wieder regelmäßig eingesetzt und Städte und Landbesitzer wurden verpflichtet, bestimmte Mengen an Rekruten abzuliefern.
Allerdings wurden diese Verpflichtigen nicht mehr wie in der Zeit der Republik für einen feldzug rekrutiert, sondern wie alle anderen für 25 Jahre.

[1] Campbell, Brian: War and Society in Imperial Rome, London 2002, S. 31.
 
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