Zweite spätantike Festung auf dem Terrain der CUT/Xanten (APX)

Nur war die CUT erst ab Trajan eine römische Stadt, als eben auch der Mauerbau (105 n.Chr. aufgrund von dendrochronologischen Daten) begonnen wurde. Zuvor war es ein Cugernischer Ort. Das Problem mit Stadtmauern ist ja, dass sie Leute brauchen, die sie verteidigen. In einer römischen Stadt leicht zu regeln mit einer Wacheinheit* und im Notfall mit dem Wehrdienst der Bewohner, war es hochproblematisch, wenn die Bevölkerung nicht als zuverlässig angesehen wurde. Und die wilden Sugambrer aus denen sich die Cugerner entwickelt haben sollen, wurden ja geradezu zum Topos des wilden Barbaren stilisiert.

Es mag ja schon seit dem Bataveraufstand geplant gewesen sein, die Stadt neu zu bauen. Aber so etwas dauert ja auch seine Zeit. Die Mauer ist 3.400 m lang. Da dürften schon 3.000 Mann genug sein, wenn wir davon ausgehen, dass die Römer die Frauen nicht berücksichtigten und die Hälfte der Bevölkerung in vorindustriellen Zeiten Kinder waren, kommen wir auf eine Bevölkerung von 12.000. Hier sind die alten und Kranken noch nicht berücksichtigt und Wikipedia geht nur von 10.000 aus. Nun, auch 2.500 werden im Notfall genügt haben, einen barbarischen Überfall abzuweisen, wenn schnelle Hilfe zu erwarten war. Zudem sind das alles ja nur ungefähre Zahlen. Das lässt dann schon eher verstehen, warum die nach 71 wiedererrichtete und wahrscheinlich in Teilen neu bevölkerte Siedlung erst 105 befestigt und nach festem Plan neugebaut wurde. Sicher hätte für eine kleinere Bevölkerung der Mauerumfang verringert werden können, aber auch für die geplante und/oder vorhandene wirtschaftliche und administrative Funktion? Denn Tempel, Verwaltung, Werkstätten, Lager und Foren brauchen ja auch Raum. Und es sollen ja auch im Zusammenhang mit der Coloniegründung Veteranen dort angesiedelt worden sein.

150 mag übrigens die Stadtbevölkerung wieder ziviler ausgesehen haben. Die Jüngsten der um 105 angesiedelten Veteranen sind zu jenem Zeitpunkt ja schon 81 oder 86 Jahre alt gewesen, je nachdem sie die 'Reservezeit' von 5 Jahren unter den Adlern verbringen mussten oder hier der Staat eine Möglichkeit sah, durch die nahe Stadt den Sold zu sparen, ohne den Zugriff auf die erfahrenen Soldaten zu verlieren.

Und da in der Stadt nicht unendlich Raum für neue Veteranen zur Verfügung stand, kann es schon aus diesem Grund ratsam erschienen sein, eine Einheit in der CUT zu stationieren. Aber, wie oben schon gesagt, sehe ich keinen Grund, hierfür nach einem solchen zu suchen. Es ist hier nur naheliegend, auch daran zu denken, dass eine nicht ausreichend verteidigte Mauer eher gefährlich als nützlich ist.

*Tacitus erwähnt solche von civitates aufgestellte 'Kohorten'. Auch um diese musste sich der römische Staat also nicht kümmern. Meines Wissens ist nicht überliefert, zu welchen Bedingungen solche Kohorten aufgestellt werden durften, bzw. welche Rechtsform eine civitas haben musste, um sie aufzustellen.
 
...Nun, auch 2.500 werden im Notfall genügt haben, einen barbarischen Überfall abzuweisen, wenn schnelle Hilfe zu erwarten war. Zudem sind das alles ja nur ungefähre Zahlen. ....
Ich denke, dass auch mit einer deutlich kleineren Truppe schon eine erhebliche Sicherheit zu erreichen war, denn schließlich waren die Germanen zunächst mal gar keine Belagerungs-Profis. Und wir sprechen ja von der Stadtmauer, die maximal bis ins (späte) 3. Jahrhundert Bestand hatte. Der Xantener Archäologe B. Liesen und einige seiner Kollegen haben sogar erhebliche Zweifel an der alten These, die Stadt sei 276 bei den Frankeneinfällen erobert und gebrandschatzt worden. Ein einziger Brandhorizont in einem Raum der Hafenherberge gilt mittlerweile als nicht mehr ausreichendes Indiz dafür. Damit erscheint es auch gut möglich, dass die CUT nie erobert, sondern nach dem Bevölkerungsrückgang in der 2. Hälfte des 3. Jh. im beginnenden 4. Jh. (oder früher) systematisch verkleinert und auf die spätantike Festung (Tricensimae) reduziert wurde. Das hieße, die Verteidigung hat bis Mitte des 4. Jh. funktioniert (erst für 352 ist eine Eroberung der CUT-Nachfolgerin Tricensimae archäologisch und durch Erwähnung von Ammianus Marcellinus belegt). Die kleine Garnison in der Süd-Ecke der CUT dürfte dazu einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet haben.
 
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