Hallo liebes Forum,
Zum Vorbereiten des Themas Imperialismus fürs Abitur, soll ich Argumene dafür finden, wer die Gewinner des Imperialismus und welcher Staat am schlimmsten von den Imperialisten war.
Das halte ich analog zu ELQ ebenfalls für ein wahrscheinliches Missverständnis.
Bisher weiß ich nur, dass die Briten und Franzosen das größte Kolonialreich hatten. Außerdem sind indirekt ja auch alle Gewinner des ersten Weltkrieges Gewinner des Imperialismus. Aber kann man überhaupt von einem Gewinn sprechen, wenn daraus ein Weltkrieg entsteht
Sind sie das?
Welchen Gewinn schlugen die imperialen Mächte denn aus ihren Kolonien und welchen Aufwand mussten sie betrieben um diese zu erhalten?
Gerade was den ersten Weltkrieg betrifft und die Zeit danach betrifft.
Im Hinblick auf das Wirtschaftliche, schau mal in die Seiten 3 und 4 dieses Fadens für einen schnellen Überblick, was etwa die Rentabilität der deutschen Kolonien betrifft.
Da wirst du relativ schnell sehen, dass sich von den größeren deutschen Kolonien keine einzige netto wirklich rechnete und die briten und franzosen, als sie diese Kolonien unter sich aufteilten, sich finanziell gesehen, damit laufende Defizite ans Bein banden, was die Erholung vom Krieg nicht gerade beförderte.
Wirtschaftlich uns das gilt für alle Kolonialreiche, waren die Kolonien in weiten Teilen eher Prestigeobjekte als tatsächlich gewinnträchtige Unternehmungen.
Wenn es hier lediglich um Profite gegangen wäre, wäre es für alle beteiligten Staaten logisch gewesen einen großen Teil der kolonialisierten Landmasse, der keine interessanten Bodenschätze hergab und nicht an geostrategisch wichtigen Orten lag, schleunigst wieder abzustoßen.
Ein Punkt ist einfach, dass hier Wahrnehmung und wirtschaftliche Realität weit auseinander gingen und in Teilen nach wie vor gehen.
Nehmen wir als Aufhänger den Versailler Vertrag:
Der Verlust der Kolonien und damit der (eingebildeten) Weltgeltung Deutschlands, wurde in Deutschland in Teilen als Schande und als Affront aufgefasst. Rational gesehen, wenn man sich mit der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit befasst hätte, hätte man froh sein müssen, dass unter das Thema Kolonien ein Schlusstrich kam. Nicht nur wegen moralischer Verantwortung, über die man sich damals noch wenig Gedanken machte, sondern weil die aus den Kolonien resultierenden wirtschaftlichen Defizite und der Umgang mit Aufständen die Probleme Deutschlands zwischen den Weltkriegen noch massiv verschärft hätten.
Von den Schwierigkeiten die Kolonialreiche zusammen zub halten zeugt etwa auch der weitgehende Zusammenbruch der britischen Herrschaft in Ägypten in den 1920er Jahren, so wie die desintegration des Empire im Hinblick auf Kanada und Australien und das Ausscheiden Irlands aus dem Staatsverband.
Inwiefern aus der imperialen Konkurrenz um Kolonien tatsächlich der Krieg resultierte und inwieweit der Erwerb von Kolonien durch das Binden der Kräfte außerhalb Europas zur Pazifizierung Europas vor dem Weltkrieg beitrug, wäre ebenfalls zu hinterfragen.
So gesehen ist fraglich ob man im Bezug auf die Kolonien selbst, wenn man es rein wirtschaftlich sieht generell von "Gewinnern" sprechen kann.
Die Einwohner der Kolonien verloren grundsätzlich, durch die fremdherrschaft an Lebensqualität und Möglichkeiten. Die Kolonialmächte gewannen wirtschaftlich meist weniger als man vermuten würde, da sie aus den Überschüssen der rentablen Kolonien die defizite der Unrentablen aufzufangen hatten. Der Aufwand für die permanenten militärischen Interventionen um Aufstände niederzuschlagen band andauernd Kräfte irgendwo am anderen Ende der Welt (der Herero-Austand ist da kein Unicum).
Wenn es dabei einen Gewinn gab, war der vorallem strategischer Natur, wenn es gelang rechtzeitig die günstigsten Punkte zu besetzen um die globalen Handelsmöglichkeiten beeinflussen zu können und sofern die Kolonisation Gebiete mit Vorkommen knapper Rohstoffe betraf, die der eigenen Industrie auf diesem Wege so exklusiv zugänglich gemacht werden konnten.
Durch den Aufwand hier die Kontrolle zu behalten, ist dieses Modell allerdings im Vergleich etwa mit moderner postkolonialer Einflussnahme, als sehr relativ anzusehen.
Bei der zweiten Frage habe ich an das Deutsche Reich gedacht, da ich dessen Kolonialpolitik am meisten weiß. Meiner Meinung nach waren die Deutschen am aggressivsten, was sich auch in der Veränderung der Bündniskonstellation zeigt, da sich Willhelm 2. nicht mit anderen Staaten verpflichten wollte, um selber eine Politik der freien Hand durchzuführen, in der Hoffnung mehr Weltmacht zu erhalten.
Dann hätte ich eine methodische Frage an dich:
Wenn du selbst zugibst, über andere Imperialismen wenig zu wissen, warum versuchst du dann einen Vergleich abzuhalten? Das jetzt nur am Rande ohne es inhaltlich bewerten zu wollen.
Wilhelm lehnte es zeitweise ab sich fest zu verpflichten (da war er wie immer sehr inkonsequent), aber auch das stellt eigentlich keine wesentliche Besonderheit dar.
Damit imitierte er letztendlich die Britische Haltung das ganze postnapoleonische 19. jahrhundert hindurch bis zum britisch-japanischen Bündnis 1902.
In der Zeit war man seitens Britanniens ebenfalls nicht an festen politischen Partnerschaften und Bündnissen interessiert.
Im Hinblick auf die Dynamik der Blockbildung seit der Deutsch-Östereischisch-Ungarischen Bündnis unter Bismarck, wäre auch zu hinterfragen, ob es nicht insgesammt besser gewesen wäre, es wäre zu keinen festen Bindungen gekommen und das diplomatische System Europas wäre weiter im Fluss geblieben, führt jetzt aber zu weit.
Hinsichtlich der "Politik der freien Hand" wird man Wilhelm Don Quijoterie vorhalten können, weil die Zeit sich nicht zu binden bereits vor seinem Regierungsantritt unter Bismarcks Wirken abgelaufen war. das Bündnis mit Wien und die (lockere) Einbindung Italiens standen da bereits, womit sich auch die Annäherung Paris-Petersburg bereits abzeichnete.
Im Hinblick auf die Gefahr des Krieges aber wird man festhalten müssen, dass das Problem nicht darin lag keine Bindungen eingehen zu wollen, sondern dass im Gegenteil die Bindung an die Donaumonarchie zu stark war und dadurch Deutschland sich letztlich in Konflikte um Einflusspähren einließ, die eigentlich nur originäre österreichische und russische Interessengebiete betrafen.
Die "Politik der freien Hand" ist im Übrigen auch nicht als ausschließlich selbstbezogener egositischer Alleingang zu bezeichnen, sondern ist vor dem Hintergrund des Russisch-Britischen Interssengegensatzes zu sehen. Sich von vorn herein an einen von beiden zu binden hätte zunächst mal bedeutet sich den jeweils anderen zum Feind zu machen.
Großbritannien zum Feind zu haben, hätte bedeutet in Sachen Kolonien mehr oder weniger alle weiteren Erwerbsprojekte einzustellen, denn so lange die Briten die mit Abstand stärkste Seemacht stellten, ging in Übersee ohne deren Wohlwollen herzlich wenig.
Russland zum Feind zu haben, hätte Gefahr in Europa bedeutet, zumal mit einer offenen Verwendung für England und Feindschaft gegenüber russischen Interessen dadurch Russland noch mehr provoziert worden wäre mit Frankreich gegen Deutschland zusammen zu arbeiten.
Insofern fand sich die wilhelminische Politik hier in einem Dilemma wieder. es konnte eine der beiden Schwierigkeiten inkauf genommen werden oder versucht werden sich neutral zu verhalten um mit keiner der beiden Seiten Probleme zu bekommen und mit beiden bei Zeiten locker zusammen arbeiten zu können.
Das Problem ist nur (und das war hier in Teilen der Fall) dass wenn man sich in keine Richtung, was die großakteure angeht, bindet, man Gefahr läuft beiden vor den Kopf zu stoßen.
Im Grunde genommen ist das eine Neuauflage der Problematik vor der Österreich im Rahmen des Krimkrieges stand
Man verpasste den Zeitpunkt eine Seite zu wählen mit der Konsequenz dass man anschließend bei beiden Hauptaktrueren des weltpolitischen Spiels unten durch war.