Vielleicht mal zusammenfassend Gründe, die Soldaten dazu bewegten, zu desertieren:
1. quasi gewerbsmäßige Desertion
In Franken wurde im 18. Jahrhundert ein Gauner schließlich gehängt, der sich 36 oder 38 Mal als Dragoner hatte anwerben lassen, das Handgeld kassierte und dann jedesmal kurz danach mitsamt einem Gaul desertiert war, bis er dann doch endlich erwischt wurde. Es gab durchaus Gauner, die so abgebrüht waren, dass sie weder drakonische Strafen noch die Sicherungsmaßnahmen gegen Deserteure abschrecken konnten. In den Biographien vieler Banditen spielten mehr oder weniger längere Militärdienste eine bedeutende Rolle und nicht wenige Banditen waren zuvor Soldaten gewesen. Gerne auch suchten Gauner kurzzeitig Unterschlupf im Schutz einer Armee, wenn nach ihnen gefahndet wurde und schlugen sich dann wieder seitwärts in die Büsche, wenn der Sturm vorüber gezogen war. Auch wenn die Militärs des 18. Jahrhunderts nachdrücklich auf ihren Ehrenkodex pochten und es eines eigenen Rituals bedurfte, wenn Angehörige sogenannter "unehrlicher Berufe" Schäfer, Abdecker, Scharfrichter, Müller, u. a. in das Militär aufgenommen und für "ehrlich" erklärt wurden, so war kaum zu verkennen, dass das Militär kriminalisierte und kriminelle Existenzen anzog (und produzierte). Es scheint aber, als seien selbst die abgebrühten Unteroffiziere des Ancien Regime mit den Gauner- und Vagantenscharen etwas überfordert gewesen, jedenfalls gelang Leuten, die in den Kulturcode der Kochemer eingeweiht waren und über ein Netzwerk von Schlupfwinkeln und Helfern verfügen konnten die Desertion meist mühelos und relativ risikolos.
2.Kriegsmüdigkeit, Abneigung gegen den Soldatenberuf, Zwangsrekrutierung, Frust
Für einen Handwerksgesellen oder Studenten, der in die Fänge von Werbern geriet und zum Militärdienst gepresst wurde, war es ein schweres Schicksal, mit den Hessen zum jahrelangen "Auslandseinsatz" nach Amerika gehen zu müssen oder sich als Gemeiner in der preußischen Armee unter Fridericus Rex wiederzufinden wie es dem jungen Lomonossow geschah. Abenteuerlust, Hoffnung auf eventuelle Beförderung und das durchaus ansehnliche Handgeld mochte auch die Rädelsführer der geplanten Rebellion 1781 im Rekrutendepot Ziegenhain motiviert haben, sich bei den Hessen anwerben zu lassen. Die beiden, ein Sachse und ein Brandenburger, stammten aus einem "gutbürgerlichen" Umfeld. Der eine war Sohn eines Pfarrers, der andere eines Försters. In der Festung, die Seume "ein wahres Teufelsnest" nannte, konfrontiert mit hartem Drill und bewacht wie Gefangene, von denen der Kommandeur von Gohr sagte: "Es fällt schwer mit nur wenigen Unterofficiers Ordnung unter so vielen bösen Kerls zu halten," dürften sich die hochfliegenden Hoffnungen so mancher Rekruten ziemlich bald verflüchtigt haben.
3. Heimweh
Der Militärdienst bedeutete für viele oft noch sehr junge Männer häufig die erste längere Abwesenheit vom Heimatort und von familiären und sozialen Bindungen. Die Sorge um zurückgelassene Familienangehörige oder um den Hof der eigenen Familie, der durch das Militär womöglich wichtige Arbeitskräfte genommen wurden, verführte immer wieder Soldaten zur Desertion/unerlaubten Entfernung von der Truppe, um daheim mal nach dem Rechten zu sehen. solche Deserteure waren recht einfach zu verfolgen und zu fassen, wobei die Militärgerichtsbarkeit anscheinend davor zurückschreckte, drakonischste Strafen anzuwenden und tatsächlich zu vollziehen.
4. ungewollte Schwangerschaft, "Beziehungskisten"
In den meisten Staaten unterlagen Soldaten und auch Offiziere einem Heiratskonsens, und sie benötigten eine Erlaubnis, um heiraten zu dürfen. In Garnisonsorten kam es natürlich immer wieder zu sexuellen Kontakten zwischen Soldaten und Zivilbevölkerung. Ungewollte Schwangerschaft konnte für eine Frau verheerende soziale Folgen nach sich ziehen, aber auch die Väter mussten damit rechnen, wegen Verstoß gegen die obrigkeitlichen Sittlichkeitsmandate oder wegen Ehebruchs bestraft zu werden, mit teilweise empfindlichen Strafen. Diesen glaubte mancher nur durch Desertion entgehen zu können.
5. Spielschulden
Spielschulden haben so manche Offizierskarriere ruiniert und sie führten manchmal auch dazu, dass Offiziere dadurch so in Kalamitäten gerieten, dass sie desertierten. In der Garnison blieb als Zeitvertreib oft nur der Alkohol und das Glücksspiel. Von einem Offizier wurde ein standesgemäßer Lebensstil erwartet, und dazu gehörte auch der Einsatz am Spieltisch. Spielschulden waren vor allem in Offizierskreisen ein weitverbreitetes Übel, das manchen Offizier zwang, die Armee zu verlassen, um den Gläubigern zu entkommen oder sich auf krumme Geschäfte einzulassen. Ein Fähnrich Rall aus dem Regiment Knyphausen in Marburg war so ein Fall. Am 8. Juni 1787 berichtete sein Vorgesetzter, dass Rall sich unerlaubt von der Truppe entfernt hatte. Als Grund seiner Fahnenflucht stellten sich Spielschulden heraus, die er angehäuft hatte beim Spiel mit Studenten. Frühere Schulden waren vom Oberst beglichen worden, Rall hatte aber neue Schulden gemacht und einem Studenten eine Flöte gestohlen. Ein Adjutant Kiesewetter vom Regiment Boyneburg floh unter Hinterlassung von 158 fl Schulden und wurde in Absentia unehrenhaft entlassen. Gegten Soldaten wurden ganz andere Strafen verhängt wie gegen den Musketier Schabacken vom Regiment Prinz Maximilian. Dieser war in Gelnhausen desertiert und wurde mit seiner Ehefrau nahe Vacha im heutigen Thüringen gefasst. Er gab als Grund seiner Flucht an, wegen Spielschulden müsste er einige Habseligkeiten verkaufen, um sie zu begleichen. Er wurde wegen Desertion gehängt.