Kreuzzüge: Landweg vs. Anreise per Schiffe

Normanne

Neues Mitglied
Guten Tag
Als geschichtsinteressierter Mensch habe ich das Forum in letzter Zeit immer wieder mal besucht, und konnte so schon viele meiner Fragen klären oder mich in Themen weiter vertiefen.
Aktuell sind bei mir die Kreuzzüge sehr prominent. Etwas ist mir allerdings auch nach längerer Recherche noch nicht ganz klar:
Wieso wurde ein Grossteil der Kreuzzüge auf dem Landweg in Angriff genommen? Dies bedeutete eine mehrmonatige Reise durch (lebens-)feindliche Gebiete.
Ich könnte es mir aus folgenden Gründen vorstellen:

Logistik
- es wäre schlicht nicht möglich gewesen, genügend grosse Flotten für die ersten Kreuzzüge zusammenzuziehen.

Kosten
- Schiffe zu kaufen war zu teuer für dieses Unterfangen. Wie steht es aber im Gegensatz dazu, ein Heer über Monate zu verpflegen? Ist das nicht noch teurer?

Wallfahrt
- Zumindest die ersten Kreuzzüge hatten noch den "groove" einer Wallfahrt. Die Reisestrapazen wurden als Teil dieser Erfahrung bewusst in Kauf genommen oder gar gesucht?

Was sagen die Experten dazu? Gab es andere / weitere Gründe die Heere wochenlang durch Wüsten, Gebirgspässe und Gegenden voller Feinde zu führen?

Besten Dank für eure Unterstützung!
 
Logistik
- es wäre schlicht nicht möglich gewesen, genügend grosse Flotten für die ersten Kreuzzüge zusammenzuziehen.
Tatsächlich gab es ja Kreuzfahrerflotten, also z.B. aus Norddeutschland/Flandern oder England. Auch die italienischen Seerepubliken verdienten an den Kruezfahrern mit, womit wir zu Punkt 2 kommen:

Kosten
- Schiffe zu kaufen war zu teuer für dieses Unterfangen.
Man musste Schiffe nicht unbedingt kaufen. Für Schiffseigner war es durchaus lukrativ auf dem Hinweg Kreuzfahrer zu transportieren und auf dem Rückweg Waren. (Wobei hierzu einschränkend gesagt sein muss, dass z.B. Venedig hauptsächlich böhmische Edelmetalle in die Levante brachte und von dort Seide und Gewürze etc. zurückbrachte. Und Kreuzfahrer zahlten zwra für die Überfahrt, dafür hatte man keine bzw. deutlich weniger Handelsware an Bord.)

Wie steht es aber im Gegensatz dazu, ein Heer über Monate zu verpflegen? Ist das nicht noch teurer?
Sicherlich werden die Kreuzfahrer für mehrere Tage oder sogar Wochen Proviant dabei gehabt haben. Das wissen wir z.T. von Kriegszügen, dass bei den Aufrufen zur Heeraufgeboten (im Zuge der Vasallentreue) recht detailliert gesagt wurde, bringt soundsoviel hiervon und soundsoviel davon mit. Wie gesagt, für ein paar Tage konnte man sich sicher verproviantieren. Bei einem Kreuzzug waren aber auch andere Christen verpflichtet zu helfen, darauf konnte man sich schon mal berufen. Sprich: Die Fürsten der durchzogenen Länder, sofern diese noch katholisch waren, werden für Nahrungszufuhr gesorgt haben. Tatsen sie das nicht, mussten sie ggf. mit Exkommunikation rechnen und - konkret - damit, dass ein feindliches Heer mitten in oder zumindest am Rande des eigenen Territoriums stand. Es kommt sicher billiger, wenn man einen Teil der Ernte abgibt und das fremde Heer freundschaftlich ziehen lässt - zumal das dann noch aufgrund der Kreuzzugssituation eine fromme Tat ist - als wenn man damit rechnen muss, dass wütende Kreuzfahrer die Scheunen leer räumen, die Bauern erschlagen, die Felder verheeren und die Dörfer anzünden. Und obendrein wird man noch exkommuniziert, weil man seiner Christenpflicht nicht nachgekommen ist...

Im byzantinischen Bereich hat man Verhandlungen geführt und sich versorgen lassen und im muslimischen Bereich wird das ähnlich gewesen sein - z.B. war das muslimische Damaskus ja zeitweise mit den Kreuzfahrern verbündet - oder man hat eben fouragiert. Und solange es Kreuzfahrerstaaten gab, war ja auch die Versorgung der Kreuzfahrer einigermaßen gesichert.

Für den Zweiten Kreuzzug ist überliefert, dass die Kreuzfahrer in Anatolien schon ihre Lasttiere schlachteten, um ihren Hunger zu stillen. Wenn man nichts mehr zu essen hat, wird das Lastier eben entbehrlich und mit ihm vielleicht auch der eine oder andere Luxusgegenstand.

Wallfahrt
- Zumindest die ersten Kreuzzüge hatten noch den "groove" einer Wallfahrt. Die Reisestrapazen wurden als Teil dieser Erfahrung bewusst in Kauf genommen oder gar gesucht?
Das Suchen der Strapazen dürfte eher ein modernes Motiv der Neo-Wallfahrten sein. Früher war Reisen einfach strapaziös, da hatte man wenig Auswahl.

Was sagen die Experten dazu? Gab es andere / weitere Gründe die Heere wochenlang durch Wüsten, Gebirgspässe und Gegenden voller Feinde zu führen?
Die meisten Kreuzfahrer dürften vor dem Kreuzzug nie ein Meer gesehen haben - wenn sie nicht gerade in Küstennähe wohnten - insofern ist die Vorstellung sich auf ein Gefährt zu begeben, dass sich auf ein Gewässer begibt, dessen Enden hinterm Horizont verschwinden wahrscheinlich schon etwas sehr Waghalsiges (und dennoch haben es viele Kreuzfahrer getan). Und die meisten Gebiete, durch die man (also die Kreuzfahrerheere, die den Landweg wählten) zog, waren durchaus besiedelt. Es ist ja nicht so, dass es keine Straßen gegeben hätte. Und wo es Straßen gibt, da gibt es Siedlungen, Händler, Bauern, Fischer, vielfach dürfte man sich in Küstennähe bewegt haben, insofern dürfte auch die Versorgung einigermaßen gesichert gewesen sein.
 
Logistik
- es wäre schlicht nicht möglich gewesen, genügend grosse Flotten für die ersten Kreuzzüge zusammenzuziehen.

Zumindest beim ersten Kreuzzug war ja die gesamte Region noch in moslemischer Hand. In der Situation war es vielleicht militärisch schlicht zu riskant, eine reine Flottenoperation in Erwägung zu ziehen, ohne (gesicherte) Anlandepunkte und Rückzugswege zu haben.

Kosten
- Schiffe zu kaufen war zu teuer für dieses Unterfangen. Wie steht es aber im Gegensatz dazu, ein Heer über Monate zu verpflegen? Ist das nicht noch teurer?

Bei den Kosten der Verpflegung kommt es ua darauf, ob man die Getreidelieferanten bezahlt. Beim Marsch durch feindliche Gebiete geh ich davon aus, dass das nicht geschah... ;)
 
Bei den Kosten der Verpflegung kommt es ua darauf, ob man die Getreidelieferanten bezahlt. Beim Marsch durch feindliche Gebiete geh ich davon aus, dass das nicht geschah... ;)
Auch beim Marsch durch nicht feindliches Gebiet.;)
Semlin (bei Belgrad) wurde Juni 1096 gestürmt, 4000 Ungarn getötet und ein großes Vorratslager erbeutet.
Anschließend wird Belgrad "von oben bis unten" ausgeplündert und Brand gesteckt. (Runciman - Geschichte der Kreuzzüge - S.122ff)
 
Die Buchung einer Kreuzfahrt war damals nicht so bequem wie heute: Vierter Kreuzzug – Wikipedia

Wie schon verschiedentlich angemerkt, waren die Kreuzfahrer hauptsächlich Ritter samt Anhang. Auf ihren Gäulen fühlten sie sich in ihrem Element. Auf Bötchen übers Mittelmeer zu schaukeln war eher nicht ihr Ding.
 
Zuletzt bearbeitet:
Derzeit beschäftige ich mich mit dem 4. Kreuzzug. Und da bin ich vielleicht auf eine Ungereimtheit gestoßen:

Es wird behauptet, dass die Venezianer für den Transport der Kreuzfahrer 50 Galeeren zur Verfügung stellten – Zitat: Nach einiger Zeit einigte man sich mit Venedig, das sich bereit erklärte, den Transport von etwa 33.000 Mann zu organisieren, und ebenso eine eigene Flotte mit 50 Galeeren auszurüsten.

Ich nehme an, es handelt sich dabei um diesen Schiffstyp:

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Dann wird über die erste Belagerung Konstantinopels gesagt – Zitat: Die Venezianer konzentrierten sich in einem ersten Angriff am 17. Juli 1203 auf die Schwachstelle der Festung Konstantinopel, nämlich die vergleichsweise leicht befestigte Seemauer zum Goldenen Horn. Es gelang ihnen, von Türmen auf ihren Schiffen aus einen Abschnitt der Mauer zu erstürmen.

Die Frage, die sich stellt: Wo gab es auf diesen schlanken Schiffen genügend Platz, um vielleicht 3 oder mehr Meter hohe Türme zu bauen, die dazu ja ganz dicht an die Mauer gefahren werden müssten.

Es ist aber auch denkbar, dass die Venezianer gar nicht die oben erwähnten Galeeren einsetzten, sondern Dromone, die größer waren und am Bug sog. Schiffskastelle haben konnten.
 
Flying Bridges:
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Philipps, The Fourth Crusade and the Sack of Constantinople:
The two parts of the crusader army readied themselves to begin the siege. Robert of Clari provides a wonderfully detailed description of the ‘marvellous engines’ constructed by the doge’s crews on top of their ships. The Venetians took the cross-spars (or yard-arms), the diagonal beams from which the sails were hung, and lashed enough of them high up on the masts to form a makeshift bridge. These bridges, measuring about no feet long, were then covered in planks to form a walkway wide enough for three or four knights. Handrails and coverings of hides and canvas were added to help protect the attackers against arrows and crossbow bolts. In effect, they had suspended huge leather and wooden tubes high above their ships, from which bodies of heavily armed knights might be disgorged onto the battlements of Constantinople...
 
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