Spannend, wo studiert man denn sowas? Und noch spannender ist, welche Fragestellungen werfen denn Kulturanthropologen an die Analyse von Versammlungsorten radikaler Parteien auf und warum gerade in Hammerbrook?
Ich studiere an der Uni Hamburg, dort heißt der Studiengang seit Anfang dieses Semesters "Empirische Kulturwissenschaft", vorher war es "Volkskunde/ Kulturanthropologie" (den Namen "Volkskunde, der nicht mehr sinngemäß ist wollte man jedoch nach dem 100 Jährigen Jubiläum der Uni und gleichzeitig des Instituts ablegen), anderswo firmiert es unter "Europäische Ethnologie", Kulturanthropologie" oder ähnlichem..es ist ein sog. "Vielnamenfach", da man sich nach dem "cultural turn" der 70er scheinbar nicht auf einen Namen für die ehemalige "Volkskunde" einigen konnte. Im englischen heißt es, unter minimal anderen Ausrichtungen, schlicht "cultural studies" oder "anthropology" (nicht zu verwechseln mit der deutschen Anthropologie. Es ist kompliziert aber interessant!
– Es behandelt den Begriff "Kultur" als jegliche menschliche Handlung und der damit zusammenhängenden Ergebnisse, kurz die "Alltagskultur".
Das Seminar, welches sich über zwei Semester erstreckt (dies ist das Zweite) hat das eigentliche Ziel einen "Erinnerungsort" an der ehemaligen "Mädchen Volksschule" in der Rosenallee 11 zu errichten, bzw. die akademische Grundlagenarbeit zu unternehmen. In der ehem. Schule sind nun verschiedene Initiativen des Münzviertels angesiedelt, u.a. das "Viertelzimmer" in dessen Bereich auch ein Stadtteil-Archiv entsteht. Durch dieses wurden sie auf 2 ehem. Lehrerinnen aufmerksam, beides Jüdinnen, die erst aus dem Dienst entlassen und später deportiert wurden.
Ich habe es mir nun zur Aufgabe gemacht erstmal die Geschichte und das soziale Leben in dem total untergegangen Stadtteil zu "rekonstruieren".
Im ersten Semester habe ich eine Präsentation mit Gegenüberstellungen von alten und aktuellen Bildern erstellt und die Entstehung bis zur "Auslöschung" 1943 thematisiert. In einer Hausarbeit habe ich das Thema unter Nutzung von "Raum-Theorien" (Henri Lefebvre) und der "Akteur-Netzwerk-Theorie" (Bruno Latour) die Entstehung und die Auswirkungen der örtlichen, landschaftlichen Begebenheiten thematisiert ("Unten-Hamm", "Oben-Hamm"). – Hammerbrook ist selbst bei der Neuplanung wieder ähnlich unstrukturiert und geschichtet entstanden, wie einst!
Nun schreibe ich über die politische Struktur in diesem von größtenteils Kommunisten und Sozialdemokraten bewohnten "Arbeiterslum", wobei ich noch einmal die damalige Wohnsituation aufzeige, dann über die Bedeutung von Kneipen allgemein für die Arbeiter zu den politischen Agitationslokalen zu den einzelnen Kampfbünden und deren Mitglieder komme (wenn ich den soweit bin...).
Bei dieser Arbeit halte ich mich an das Konzept der "Kulturanalyse" (Rolf Lindner) um nicht, ausversehen, zu sehr in das historische Fach abzurutschen.
Ich habe bereits einen guten Quellenapparat zusammenstellen können (Quellen zu Hammerbrook sind nur Bruchstückweise zusammen zu klauben, es gibt so gut wie keine generellen Infos/ Berichte zu dem Stadtteil), nur um jetzt in die Tiefe einzelner Themen zu gehen fehlt die Möglichkeit Bibliotheken und Archive zu durchforsten..
Gerade zum Thema SA in Hamburg, deren Gliederung und "Stürme" finde ich keinerlei Informationen!? Selbst in den Bibliotheken, im Staatsarchiv scheint eine Magisterarbeit zum Thema hinterlegt zu sein, nur auch da ist kein rankommen in absehbarer Zeit!
Generell finde ich "really lost places" sehr spannend und Hammerbrook ist, so gut wie, unerforschtes Terrain in der Hamburger Geschichte und bestimmt auch für weitere arbeiten ein sehr ergiebiger Ort!
Soweit die kurze Fassung..