Warum keine Expansion?

Griffel

Mitglied
:);)Ein schönes Wochenende euich allen! Da ich diesen Platz nun einmal gefunden habe, will ich die Gelegenheit nutzen, etwas zu thematisieren, welches mich schon lange umtreibt! Zumindest gedanklich:

Ich nehme doch einmal stark an, dass man mir hier nicht widersprechen wird wenn, ich sage bzw. behaupte, dass die Kultur des alten Ägypten, eine der interessantessten der Welt ist!:cool: Und auch ich, habe mich damit beschäftigt, soweit mir dies als Laie ohne Ausbildung und Mittel möglich war. Dabei viel mir etwas auf, dass für solch hochentwickelte Kulturen eher untypisch ist.

Es gab in der Geschichte des ägyptischen Reiches, nie eine Phase größerer Expansion!? Natürlich, wurden immer mal wieder Kriege gegen Nachbarn geführt. Gewonnen und verloren. Und auch auf den benachbarten Sudan, hatte Ägypten großen Einfluss!

Jedoch wundert es mich, dass ein Volk, welches Wissen und Bildung offensichtlich so sehr geschätzt hat, nie irgendwelche Entdeckungsfahrten unternommen hat. Oder jenseits der eigenen Grenzen, Kolonien gegründet hat.

Bitte halten wir uns vor Augen, dass eigentlich, alle Vorraussetzungen für solche Unternehmungen gegeben waren! Ein Volk, welches die Mumifizierung, Astronomie und Baukunst derart perfektioniert hatte, Müsste folglich auch in der Lage gewesen sein, Schiffe und Boote zu bauen, die für längere Seereisen tauglich waren.

Immerhin, trieben die alten Ägypter mit dem gesamten Mittelmeerraum handel. Und der erfolgte ab einem gewissen Punkt, immer über das Meer. Nicht zu vergessen, dass das Wasser und Boote bzw. Barken eine wichtige Rolle in der Religion spielten.

Alle späteren sogenannten"Hochkulturen", haben das ja getan! Kreter, Phönizier, Griechen und auch Römer. Wobei ich schwer damit tue, Letztere als Hochkultur zu bezeichnen!:rolleyes: Und das liegt nicht nur an ihrem Lebensstil und ihrem Verhalten. Was Kolonisation angeht, waren ja vorallem die Griechen erfolgreich. Ich denke, ich brauche die Gründungen hier nicht mehr zu nennen. Und nun. Frohes Diskutiern.
 
Im Auftrag des Pharaos Necho wurde Afrika umrundet, Start im Roten Meer. Ein anderer Pharao hatte das schon einmal unternommen, die Expedition, die im Mittelmeer gestartet war, brach den Umrundungsversuch aber ab.

Diplomatische und kriegerische Beziehungen gab es mit den Hethitern in Anatolien und anderen Völkern der Levante. Z.B. waren es Phönizier, die für Necho Afrika umrundeten. Herodot, der uns die Geschichte überliefert, glaubte sie im Übrigen nicht, weil der Bericht der Expediteure die Info beinhaltete, dass die Sonne plötzlich im Norden stand.

Für die Ägypter dürfte jedenfalls Syrien interessanter gewesen sein, als die Sahara abseits des Nil oder des Roten Meeres. Aber auch nach Süden hin, nach Nubien gab es Verbindungen, wesentliches Elemente dessen, was wir heute als ägyptisch wahrnehmen, war eigentlich nubisch.
 
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Nachdem ich mich letztlich für die Antike anstelle von Ägyptologie im Studium entschieden habe, bin ich bei dem Thema auch nur interessierter Laie.

Ich würde da zunächst zwei Arten zu unterscheiden, erstens Entdeckung (passiv) und zweitens Expansion (aktiv/aggressiv). Koloniegründung würde ich irgendwo dazwischen ansetzen (aktiv, aber noch nicht zwingend aggressiv). Eine kleine, aufeinander aufbauende Treppe, die hilfreich sein wird, um die konkreten Überlegungen zu deiner Frage zu ordnen.
Die Antwort dürfte eng mit der Organisation zusammenhängen. Dachte man vielleicht, man könne ein über das Meer ausgedehntes Reich nicht zusammen halten?

Ich habe gerade noch eine andere Theorie, versuche mal das direkt zu formulieren. Vorsicht "steile These".
Könnte es sein, dass der Hinderungsgrund für eine mögliche Expansion oder auch nur Koloniegründung die Religion war? So stark, wie Teile der Kultur und insbesondere die Religion am Land Ägypten selbst hingen, mit dem Land untrennbar verbunden war, wäre es überhaupt theoretisch möglich gewesen, dass die Kultur anderswo existieren kann? Wenn wir zu möglichen Kolonieorten am Mittelmeer schauen, da funktioniert das ganze Land völlig anders.
Nehmen wir einen Haufen Ägypter und stellen sie nach, sagen wir mal, Italien. Was sollen sie machen? Ihre Religion (die unbestreitbar den ganzen Alltag prägt) hängt an Ägypten, ihr (Landwirtschafts-)Kalender hängt am Nil, die Bedingungen sind völlig anders. Ich bezweifle nicht, dass sie sich mit der Zeit anpassen könnten, aber meiner Meinung nach nicht ohne eine wenigstens teilweise Veränderung der Religion und damit der kulturellen Identität.
Dann müsste man natürlich historisch an die Sache herangehen. War die kulturelle Prägung durch das Land so stark, dass sie nie versucht haben, das Gebiet des Nils dauerhaft zu verlassen? Oder gab es (kleinere) Versuche von Expansion oder Koloniegründung? Dabei würden nach der Argumentation die Gebiete des Nils südlich von Ägypten sowie wohl auch die Aktionen nach Osten (soweit jedenfalls das "Erscheinungsbild", der Charakter der Gegend sich nicht komplett ändert) nicht zählen.
Wie gesagt, sehr steile These. Ich hoffe man versteht, was ich meine. Was sagt ihr dazu?
 
Ich denke dass Ägypten ein riesiges Produktionszentrum für Tuch, Getreide, hochwertige Exportgüter war. Und in einer arbeitsteiligen Handelswelt fuhren die Ägypter ganz gut mit dem Expertenwissen seefahrender Völker wie den Phöniziern.
Der Wohlstand Ägyptens beruhte auch auf stabilen Handelsverbindungen. Und die waren durch Kriege und Konflikte außerhalb Ägyptens nachhaltig bedroht.
 
Ich kann die Behauptung, die alten Ägypter seien nicht expansiv gewesen, nicht nachvollziehen.

Zunächst muss man sich aber die räumlichen Gegebenheiten vor Augen führen, die das Expandieren erschwerten. Ägypten war schließlich im Westen von Wüste umgeben, im Norden und Osten von Meer. Eine Expansion auf dem Landwege war somit nur entlang des Nils nach Süden, nach Westen allenfalls entlang der Mittelmeerküste Richtung Kyrenaika, im Nordosten nach Sinai, Palästina und Syrien möglich. All diese Expansionsmöglichkeiten wurden sehr wohl genutzt: Nach Süden, Richtung Nubien, war Ägypten seit dem Mittleren Reich expansiv tätig. Die Sinaihalbinsel mit ihren Türkisvorkommen versuchte bereits das Alte Reich zu kontrollieren. Einzelne Vorstöße nach Palästina gab es möglicherweise bereits in frühdynastischer Zeit und im Alten Reich; mehrmals im Mittleren Reich. Im Neuen Reich gerieten Palästina und Teile Syriens effektiv unter ägyptische Herrschaft. Pharao Apries führte in der Spätzeit außerdem einen fehlgeschlagenen Feldzug gegen Kyrene.
Vor allem in Nubien und in Vorderasien wurde im Laufe der Jahrtausende wahrlich genug Blut vergossen.

Generell sollte man die expansiven Aktivitäten der Ägypter aber nicht mit denen späterer Kulturen vergleichen. Expansion erfordert auch Logistik und die Möglichkeit, das Eroberte zu halten und zu verwalten. Truppen müssen organisiert und versorgt werden, es muss brauchbare Kommunikationsmöglichkeiten (schnelle Schiffe, Reiter) geben. Eine Expansion über das Meer erfordert entsprechend leistungsfähige Schiffe, die natürlich erst einmal entwickelt werden müssen. Zwischen dem Alten Reich und der griechischen Koloniegründungsphase liegen immerhin zwei Jahrtausende.

Dennoch war Ägypten auch zur See aktiv. Ich verweise etwa auf die Handelsexpeditionen nach Punt seit dem Alten Reich. In der Spätzeit wurde Ägypten auch militärisch zur Seemacht, führte Marineoperationen im Levanteraum durch und brachte zeitweise Zypern unter seine Vorherrschaft.

Ein Vergleich mit den Phöniziern (ausgenommen Karthago) und Griechen ist meiner Meinung nach insofern verfehlt, als deren Expansion großteils nicht auf die Bildung von Reichen, sondern die Gründung neuer eigenständiger Stadtstaaten in Übersee abzielte. Ich vermute, es wäre mit dem Selbstverständnis des Pharaos nicht vereinbar gewesen, irgendwo in Übersee einen vom Mutterland unabhängigen neuen ägyptischen Staat zu gründen.
 
Das lässt sich doch mal gut an!

Ich habe mal in einer Dokumentation gehört, dass die Ägypter, an sich, eher isolationistisch geprägt waren. Das mag durchaus Sinn ergeben. Dazu kam dann noch sicher eine Art von Überlegenheitsgefühl.

Das die Religion, sehr stark mit dem Land verflochten ist, war mir entfallen. Unter diesen Umständen, ist es natürlich logisch, dass man darauf verzichtet, irgendwo fernab der Heimat zu siedeln.

Einer meiner Hauptgedanken war, dass sich auch in Ägypten, so eine Art von Entdeckergeist gebildet haben müsste. Da man ja auch auf anderen Gebieten, stets nach höchsten Leistungen strebte. Auch eine eventuelle Überbevölkerung, kann ja ein Grund für eine expansive Politik sein.:cool:

Aber mal sehen! Noch ist nicht aller Tage Abend, wie man so schön sagt. Es wird seit 200 Jahren in Ägypten geforscht. Man hat schon viel gefunden und herausgefunden! Und da wartet noch so einiges. Bei 4000 Jahren Geschichte.:p Vielleicht hat die Wüste noch so einige Überraschungen parat. Kürzlich, konnte man ja ermitteln, dass man beim Bau der Pyramiden, sogar kurzzeitig Häfen für die Frachter angelegt und dann wieder zugeschüttet hat. Wir werden sehen.
Freue mich auf weitere Meinungen zu dem Thema.
 
Ich hoffe es ist vollständig...

Alle Kriege v. Chr.:

· 8 Schlachten gewann im Altertum Ägypten (1457, 1274, 1271, 1208, 274-271, 260–253, 246-241, 217)
· 4 verlor Ägypten, davon der 5. Syrischer Krieg mit Gebietsverlusten für Ägypten (607-605, 525, 202-195, 170-168)
· 2 Bürgerkriege (Kleopatra II. gegen Ptolemalos VIII./ Kleopatra III. gegen Ptolemalos X wobei Ptolemalos wohl stirbt. (132-124, 103-101)

Ptolemalos VIII – 180-116, man nannte ihn wohl auch „der Wohltäter“.
Ptolemalos X.- 110-109 und dann noch 107 – 88.

Kleopatra III. – zw. 160/155 – 101 und
Kleopatra II. – um 185 – 116/115.

Wenn gewünscht schreib ich auch gern mit wem man sich bekämpfte.
 
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Das die Religion, sehr stark mit dem Land verflochten ist, war mir entfallen. Unter diesen Umständen, ist es natürlich logisch, dass man darauf verzichtet, irgendwo fernab der Heimat zu siedeln.
Das haben allerdings viele Religionen so an sich:

Vor allem die griechische: Die Götter residierten auf einem Berg in Nordgriechenland; von vielen Göttern hieß es explizit, sie seien in Griechenland geboren; die wichtigsten Orakel, mittels derer man mit den Göttern Kontakt aufnehmen konnte, lagen in Griechenland, Epeiros oder Westkleinasien; die vier großen Spiele (olympische, pythische, isthmische, nemeische) mit religiösem Hintergrund fanden in Griechenland statt; und auch ihre Liebschaften mit Irdischen hatten die Götter bevorzugt in Griechenland oder Westkleinasien. Wer sich etwa in Massalia oder Naukratis niederließ, war von alledem weit weg.

Oder die jüdische: Immerhin war Israel das von Gott zugesagte gelobte Land. Trotzdem lebten auch in der Zeit zwischen babylonischem Exil und Diaspora viele Juden außerhalb Palästinas, vor allem in Alexandria und sogar in Rom.

Auch die ägyptische Religion selbst expandierte, wenn auch erst in späterer Zeit, durchaus: Isisheiligtümer gab es sogar in Rom.
 
Danke @Ralf.M .
Wenn gewünscht schreib ich auch gern mit wem man sich bekämpfte.
Halte ich im Moment für nicht nötig, interessant wären allerdings Angaben zu Gebietserweiterungen, sofern vorhanden. Also wann und wo.

Auch die ägyptische Religion selbst expandierte, wenn auch erst in späterer Zeit, durchaus: Isisheiligtümer gab es sogar in Rom.
Den Teil kenne ich, über die Verbreitung von Isis und Sarapis habe ich eine Arbeit geschrieben. Da hast du natürlich Recht, aber nur in Teilen. Man muss unterscheiden: Der hellenistische, exportierte Isiskult kann nicht gleichgesetzt werden mit der gesamten ägyptischen Religion. Und nur weil man Anhänger dieses einzelnen Kultes war, war man nicht Ägypter bzw. Anhänger der ägyptischen Religion - Isis wurde vor Ort in die bestehenden Religionen integriert (das lässt sich natürlich nicht in allen Fällen mit völliger Sicherheit sagen, es gibt einige Erwähnungen von Tempeln dieses Kultes, wo wir einfach keine weiteren Informationen haben), ebenso wie Sarapis (wobei der von Anfang an nicht rein ägyptisch war).

Zu Recht sprichst du auch die ebenfalls vorhandene Verbindung von Religion und Land in Griechenland an. Diese ist aber meiner Meinung nach im Fall von Ägypten deutlich stärker. Beim Götterursprung stimme ich dir zu, wobei ich fraglich finde, ob die Bindung alleine durch die Herkunft der Götter wirklich so stark gewesen sein kann - gleiches gilt selbstverständlich auch für Ägypten. Die von dir genannten Orakel und panhellenischen Heiligtümer - nun, Heiligtümer lassen sich in Kolonien neu bauen, obgleich die Bedeutung nicht einfach übertragbar ist. Gleichzeitig darf man nicht vergessen, dass es abseits dieser großen Spiele (und Orakel) nie die einheitliche "griechische Religion" gab. Ich glaube auch, nicht zuletzt mit deinen Argumenten, dass sich die Praxis der "griechischen" Religion in den entfernteren Kolonien in vielerlei Hinsicht völlig anders gestaltete. Dennoch waren die Bewohner eben jener Griechen. (Eine Entschuldigung zwischendurch, ich glaube das wird noch ein längerer Text...)

Nun sind Fragen zu klären.
Wie stark unterscheidet sich der Anteil der Religion an der kulturellen Identität bei Griechen und Ägyptern? Die finale Frage: Hätten sich die Bewohner einer theoretischen ägyptischen Kolonie als Ägypter gesehen? (Annahme: Die Bewohner kommen aus dem ägyptischen Kernland)
Und das hängt jetzt eben wieder mit der Landbindung zusammen, die meiner Meinung nach in Ägypten viel stärker ist. Angefangen (noch so halb abseits der Religion) bei dem Nilkalender. Dann die starke Bindung des Totenkultes an den Nil (wobei mir klar ist, dass das in der Praxis im Wesentlich bei Herrscherhaus und Oberpriestern relevant ist, nicht bei den "normalen" Menschen). Letztlich hat jede lokale Bindung in Ägypten in irgendeiner Form mit dem Nil zu tun, abseits davon gibt es ja relativ wenig. Dazu kommen gewisse Wesensunterschiede im grundsätzlichen Verständnis, was die Götter eigentlich sind - nur am Rande erwähnt, sehr umfangreiches eigenes Thema, ich forsche aktuell genau dazu im Rahmen einer Seminararbeit und stehe noch recht am Anfang.
Natürlich gibt es noch etwas, das man nicht vergessen sollte. Einige Herrschaften, zum Beispiel die Perser, haben reichlich Expansion betrieben und die Menschen der eroberten Regionen relativ selbstständig gelassen, vor allem was ihre Religion angeht. Daher habe ich oben die Annahme vorausgesetzt, dass die Kolonisten aus Ägypten selbst kommen. Da wird die ganz oben von mir aufgestellte Unterscheidung innerhalb der Aktionen nach draußen wichtig, denn Kolonien sind hier gänzlich anders zu betrachten als aggressive Gebietserweiterungen, die eventuell überhaupt keine Bewegung in der ägyptischen Bevölkerung nach sich ziehen.

Es ist wie gesagt nur eine These. Und bisher gibt es noch nicht genügend Belege dafür, aber auch nicht genügend gute Argumente dagegen. Fakt ist, dass viele Überlegungen hier auch rein theoretisch sind.
Das wird auf jeden Fall noch eine interessante Diskussion, ich freue mich.
 
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Ich hoffe es ist vollständig...
Nicht einmal ansatzweise.
Schon die Einigung Ägyptens wird nicht gerade friedlich abgelaufen sein, wenngleich es dazu kaum historisch fundierte Informationen gibt.
Schon auf der berühmten Narmer-Palette wird der Pharao beim Erschlagen eines Feindes dargestellt.
Und schon Pharao Aha aus der 1. Dynastie führte anscheinend Krieg gegen Nubien.

Hingegen würde ich die Kriege der Ptolemäer nicht mehr im Rahmen dieses Themas berücksichtigen, da sie makedonischer Herkunft waren und blieben und im Stile hellenistischer Herrscher sozialisiert waren. Eine aktive expansive Außenpolitik war geradezu typisch für die großen hellenistischen Reiche. Das eigentliche Ägypten war außerdem nur der Kern des ptolemäischen Machtbereichs, der zeitweise auch die Kyrenaika, Zypern, Teile der Ägäis, Gebiete in Kleinasien, Palästina, Syrien, Mesopotamien und sogar in Thrakien umfasste, ohne dass man diese Gebiete auf bloße Anhängsel Ägyptens reduzieren sollte, da die Ptolemäer eben keine national-ägyptischen Herrscher waren.

Den Teil kenne ich, über die Verbreitung von Isis und Sarapis habe ich eine Arbeit geschrieben. Da hast du natürlich Recht, aber nur in Teilen. Man muss unterscheiden: Der hellenistische, exportierte Isiskult kann nicht gleichgesetzt werden mit der gesamten ägyptischen Religion. Und nur weil man Anhänger dieses einzelnen Kultes war, war man nicht Ägypter bzw. Anhänger der ägyptischen Religion - Isis wurde vor Ort in die bestehenden Religionen integriert (das lässt sich natürlich nicht in allen Fällen mit völliger Sicherheit sagen, es gibt einige Erwähnungen von Tempeln dieses Kultes, wo wir einfach keine weiteren Informationen haben), ebenso wie Sarapis (wobei der von Anfang an nicht rein ägyptisch war).
Allerdings war auch die ägyptische Religion kein statischer Einheitsbrei. Auch sie entwickelte sich im Laufe der Zeit weiter (ich verweise nur auf den Wechsel von Ra zu Amun als "Hauptgottheit"), und regional/lokal war hier der eine, da der andere Kult bedeutender. Die "gesamte ägyptische Religion" gab es somit auch nicht.

Zu Recht sprichst du auch die ebenfalls vorhandene Verbindung von Religion und Land in Griechenland an. Diese ist aber meiner Meinung nach im Fall von Ägypten deutlich stärker. Beim Götterursprung stimme ich dir zu, wobei ich fraglich finde, ob die Bindung alleine durch die Herkunft der Götter wirklich so stark gewesen sein kann - gleiches gilt selbstverständlich auch für Ägypten. Die von dir genannten Orakel und panhellenischen Heiligtümer - nun, Heiligtümer lassen sich in Kolonien neu bauen, obgleich die Bedeutung nicht einfach übertragbar ist. Gleichzeitig darf man nicht vergessen, dass es abseits dieser großen Spiele (und Orakel) nie die einheitliche "griechische Religion" gab. Ich glaube auch, nicht zuletzt mit deinen Argumenten, dass sich die Praxis der "griechischen" Religion in den entfernteren Kolonien in vielerlei Hinsicht völlig anders gestaltete.
Immerhin kehrten die Griechen auch von weither nach Griechenland zurück, wenn es um zentrale religiöse Angelegenheiten ging.
 
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Immerhin kehrten die Griechen auch von weither nach Griechenland zurück, wenn es um zentrale religiöse Angelegenheiten ging.
Interessant, kannst du mir Beispiele mit Quellen nennen? Das wusste ich gar nicht, was bekanntlich nichts heißen muss. Wobei ich mit den griechischen Kolonien auch bisher wenig zu tun hatte.

Die "gesamte ägyptische Religion" gab es somit auch nicht.
Stimmt. Ich hatte nur versucht, es in diesem Begriff etwas zusammenzuführen und den Unterschied zu den Griechen zu kennzeichnen, den die Religion schon alleine durch die einheitliche politische Organisation erfährt. Selbstverständlich bleibt das aber nicht alles gleich über solch lange Zeiträume. Ich würde den Begriff "ägyptische Religion" trotzdem im Folgenden weiter verwenden, wenn das für dich auch passt, wissend, dass er nicht ideal ist, und wie die "griechische Religion" immer in Anführungszeichen setzen. Um die Begrifflichkeiten etwas zu vereinfachen.

Zu den Kriegen, da müsste man also wie von Ravenik vorgeschlagen die Ptolemäer weglassen, und den ganzen Zeitraum vorher nach denen durchsuchen, die Gebietsgewinne beinhalteten. Diese kann man dann unterteilen in solchen im ägyptischen Kernland/am südlichen Nil und solche, die weiter weg sind. Wenn wir uns erstmal möglichst alle einig sind bezüglich der Stärke der (relevanten) Expansion - oder wenigstens alle auf ungefähr dem gleichen Informationsstand dazu sind -, dann können wir zum eigentlichen Thema kommen, nämlich eben den Gründen, warum sie nicht/kaum vorhanden war (sofern wir bei der vorherigen Informationssammlung zu diesem Ergebnis kommen).
Leider muss ich mich da für den Moment weitestgehend ausklinken, bin diese Woche sehr im Prüfungsstress. Ich werde mich an der Diskussion beteiligen, habe aber nicht die Zeit für wissenschaftliche Recherche.
 
Interessant, kannst du mir Beispiele mit Quellen nennen? Das wusste ich gar nicht, was bekanntlich nichts heißen muss. Wobei ich mit den griechischen Kolonien auch bisher wenig zu tun hatte.
Zu den olympischen Spielen reisten Teilnehmer von überall her an, auch aus Sizilien und Italien. Man denke nur an den oftmaligen Olympiasieger Milon von Kroton. Auch aus Kyrene sind mehrere Olympiasieger bekannt, ebenso einer aus Naukratis in Ägypten.

Auch das Orakel von Delphi behielt seine Bedeutung für die ganze griechische Welt. Pausanias erwähnt u. a. Weihegeschenke aus Massalia, Tarent, Lipara und Kyrene.
 
es gibt noch zwei Aspekte,die ich hier mal einbringen will:
Das ist zum einen die Stellung der Statthalter der einzelnen Gaue, die teilweise sehr stark war und je nach politischer Lage bis zu einer Art Teilautonomie ging- vergleichbar der der Fürsten im HRR. Und wie schwer es hier selbst starken Kaisern fiel, die Truppen für einen simplen Italienfeldzug zusammen zukratzen wissen wir ja.
Erfolgreiche Expansion und Koloniengründung hätten sicherlich die Stellung der Zentralmacht/des Pharao gestärkt und daher bestand vermutlich nicht unbedingt Interessengleichheit.

Zum anderen war die ägyptische Wirtschaft, insbesondere die Landwirtschaft stark saisonal geprägt-Stichwort Nilhochwasser-, was bedeutete dass die Bauern um Versorgungssicherheit zu garantieren zu bestimmten Zeiträumen zu Hause sein mussten. Damit waren größere Militäroperationen über einen längeren Zeitraum , wie sie zur Sicherung dauerhafter Expansion und Kolonisation Voraussetzung waren so gut wie ausgeschlossen und zu dem war ihre Dauer aufgrund dieser periodischen, festen Zeiten berechenbar.
Die umgebenden Völkerschaften waren da in ihrer "Zeitgestaltung" flexibler
 
Komischerweise wird unhinterfragt angenommen, dass Expansion das Natürlichste der Welt sei. Ist es das?

In der Regel kann man für expansive Staaten eine Reihe von Motiven zuordnen, warum eine Gesellschaft Expansion begünstigt. Das können Prestige sein, das können machtpolitische Gründe, wirtschaftliche, Rache, religiöse Gründe, demographischer "Druck" usw.

Diese einzelnen Gründe können natürlich auch in Kombination auftreten, dennoch wird man dominante Aspekte finden können.

Welche Gründe werden als treibende Kraft für unterschiedliche Perioden Ägyptens unter den Pharaonen also angenommen? Und wie stark waren diese in der Durchsetzung ihrer kriegerischen Ambitionen?

Der Gedanke von zaphodB weist ja schon auf eine Ambivalenz der potentiellen machtpolitischen Ambitionen und deren Realisierung hin.
 
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nun ja, einer der expansivsten Pharaonen war wohl Thutmosis I. /18 Dynastie
der sowohl Nubien bis Kurgus als Syrien und Nordmesopotamien bis zum Euphrat bei Karkemis eroberte .Auf der dortigen Siegesstele ist als Grund für den Syrienfeldzug in einer Inschrift "Vergeltung für das Böse" angegeben.
Was auffällt ist dass zwischen beiden relativ grossen Feldzügen mehrere Jahre lagen
 

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Welche Gründe werden als treibende Kraft für unterschiedliche Perioden Ägyptens unter den Pharaonen also angenommen? Und wie stark waren diese in der Durchsetzung ihrer kriegerischen Ambitionen?
In gewisser Weise gehörte das Führen von Kriegen wohl zum Selbstverständnis des Pharaos. Ich verweise etwa auf das sich durch einen Großteil der altägyptischen Geschichte ziehende Motiv in der bildenden Kunst, bei dem der Pharao beim Erschlagen von Feinden dargestellt wurde. Das findet man schon auf der sog. "Narmer-Palette": Narmer-Palette – Wikipedia Näheres dazu: Erschlagen des Feindes (Ägypten) – Wikipedia

es gibt noch zwei Aspekte,die ich hier mal einbringen will:
Das ist zum einen die Stellung der Statthalter der einzelnen Gaue, die teilweise sehr stark war und je nach politischer Lage bis zu einer Art Teilautonomie ging- vergleichbar der der Fürsten im HRR. Und wie schwer es hier selbst starken Kaisern fiel, die Truppen für einen simplen Italienfeldzug zusammen zukratzen wissen wir ja.
Erfolgreiche Expansion und Koloniengründung hätten sicherlich die Stellung der Zentralmacht/des Pharao gestärkt und daher bestand vermutlich nicht unbedingt Interessengleichheit.

Zum anderen war die ägyptische Wirtschaft, insbesondere die Landwirtschaft stark saisonal geprägt-Stichwort Nilhochwasser-, was bedeutete dass die Bauern um Versorgungssicherheit zu garantieren zu bestimmten Zeiträumen zu Hause sein mussten. Damit waren größere Militäroperationen über einen längeren Zeitraum , wie sie zur Sicherung dauerhafter Expansion und Kolonisation Voraussetzung waren so gut wie ausgeschlossen und zu dem war ihre Dauer aufgrund dieser periodischen, festen Zeiten berechenbar.
Die umgebenden Völkerschaften waren da in ihrer "Zeitgestaltung" flexibler
Zumindest konnten Truppen für Garnisonen abgestellt werden, etwa für die mächtige Festung Buhen an der Grenze zu Nubien. Außerdem konnte (oder wollte) sich Ägypten stets den Einsatz von Söldnern leisten, vor allem aus Nubien.

Im Neuen Reich verfügte Ägypten dann über ein stehendes Feldheer von 20.000 Mann Infanterie und 2.000 Streitwagen. Aber ja, es wird kein Zufall sein, dass in diese Zeit die Phase der größten Expansionen fällt.
 
Im Auftrag des Pharaos Necho wurde Afrika umrundet, Start im Roten Meer. Ein anderer Pharao hatte das schon einmal unternommen, die Expedition, die im Mittelmeer gestartet war, brach den Umrundungsversuch aber ab.

Diplomatische und kriegerische Beziehungen gab es mit den Hethitern in Anatolien und anderen Völkern der Levante. Z.B. waren es Phönizier, die für Necho Afrika umrundeten. Herodot, der uns die Geschichte überliefert, glaubte sie im Übrigen nicht, weil der Bericht der Expediteure die Info beinhaltete, dass die Sonne plötzlich im Norden stand.

Für die Ägypter dürfte jedenfalls Syrien interessanter gewesen sein, als die Sahara abseits des Nil oder des Roten Meeres. Aber auch nach Süden hin, nach Nubien gab es Verbindungen, wesentliches Elemente dessen, was wir heute als ägyptisch wahrnehmen, war eigentlich nubisch.

Ich war zu faul, aus meinem Herodot die Geschichte von Pharao Necho zu zitieren (Herodot, Historien IV, 42).

Die Necho Expedition startete am Roten Meer und kehrte über das Mittelmeer via Gibraltar, die Säulen des Herakles zurück. Necho II. erlebte die Heimkehr der Expedition nicht mehr, da er zwei (?) Jahre früher verstarb. Wenn es stimmt, was Herodot berichtete, aber anzweifelte, dann hat die Besatzung Nechos II. Afrika fast auf der ganzen Länge umrundet und dabei muss sie fast 2000 Jahre vor Bartolomé Diaz und Vasco da Gama das Kap der Guten Hoffnung passiert haben. Eine ungeheure seefahrerische und navigatorische Leistung! Auch wenn man durchaus gute Gründe haben mag, ob das wirklich historisch ist, so spricht heute gerade das, was Herodot besonders unglaubwürdig erschien zumindest dafür, dass die Expedition Necho II. ein ganzes Stück südlich des Äquators vorgedrungen sein muss, wenn die Sonne vom Standpunkt eines Betrachters im Meridian genau nördlich steht.

Die Lebensader Ägyptens war der Nil. Das Schwemmland entlang des Nils war enorm fruchtbar. Der landwirtschaftlich nutzbare Teil beschränkte sich aber auf einen relativ schmalen Landstreifen zu beiden Ufern des Nils. Außerhalb war Wüste, es gab keine lukrativen Ziele, die es gelohnt hätte zu erobern. Einer geographischen Expansion Ägyptens setzten schlichtweg die natürlichen Gegebenheiten Grenzen. Westlich und östlich des Nils war nichts als Wüste. Es waren zwar weite Teile Nordafrikas in der Antike weit fruchtbarer. Der Afrikaforscher Gerhard Rohlfs, der als erster Europäer die Sahara von West nach Ost durchquerte, hielt eine Durchquerung der Sahara ohne Dromedare für völlig unmöglich.
Diese Angaben sind jetzt ohne Gewähr, aber meines Wissens kannten die Ägypter noch keine Kamele, und nach Nordafrika gelangte das Dromedar als Haustier erst relativ spät. Die Perser kannten Kamele recht gut, Herodot schreibt, dass Kyros der Große eine Schlacht gewann weil die Pferde der Gegenseite vor dem Geruch der Kamele gescheut hätten.

Ägypten hat sich im Neuen Reich aber bis weit über den VI. Nilkatarakt ausgedehnt, und die Frage nach den Quellen des Nils beschäftigte schon die Antike. Endgültig gelöst wurde das Rätsel erst Ende des 19. Jhds, und es stellte sich heraus, dass Herodot mit seiner Erklärung der Mondberge nah dran war. Tatsächlich sind vor allem die Schmelzwasser des Ruwenzori-Gebirges für das Entstehen des Nils verantwortlich.

Palästina, die Halbinsel Sinai und Syrien gehörten jahrhundertelang zum Einflussbereich Ägyptens, auch Teile der Cyrenaika . Für Gründungen von Kolonien braucht es Anlässe, die griechische Kolonisation in Kleinasien, Süditalien und Nordafrika geschah, weil die Topographie des Landes und die Kargheit des Bodens den griechischen Poleis nicht erlaubte, Bevölkerungsüberschüsse im Mutterland anzusiedeln. Für überseeische Kolonisation fehlte in Ägypten die Notwendigkeit.
 
Ich würde auch noch einen Punkt zu bedenken geben, wer schon einmal Karl Butzers "Early Hydraulic Civilization in Egypt: A Study in Cultural Ecology (Prehistoric Archaeology and Ecology)" gelesen hat, der dürfte auch über Tabelle 4 gestolpert sein. Die Bevölkerung Ägyptens war nie besonders groß, damit konnte man, zumindest im Alten Reich, keine großen Expansionen durchführen (außer Nubien bot sich eh nicht viel an). Snofru, und auch andere nach ihm, haben ja sogar Expeditionen zur Menschenjagd, anders kann man das nicht bezeichnen, durchgeführt.

Hier mal Butzers Tabelle:

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Kleiner Hinweis noch, die Zahlen sind natürlich Schätzungen/Berechnungen! Sein Buch erschien schon 1976, also auch da kann und wird sich einiges geändert haben, die Zahlen sind also nicht in Stein gemeißelt. :)
 
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