Insel Luf und das Boot: Schmutzige Lüge der "Selbstauslöschung"

Maglor

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Im Fokus des medialen Interesses steht derzeit ein Boot von der winzigen Insel Luf, Bismarck-Archipel nördlich der Insel Papua - bis 1914 Deutsch-Neuguinea.

Als Prachtstück der neuen Dauerausstellung im sogenannten Humboldt-Forum in Berlin wurde das hochseetüchtige Boot dort in der Replik-Fassade des Königlichen Stadtschlosses eingemauert. Das Boot ist so groß, dass es durch keine Tür passt. Es musste daher noch im Rohbau platziert.

Vorangestellt eine stark gekürzte Version von 2018, vom Berliner Museumsblog:
Isabelle C. Bayer schrieb:
Von der Insel Luf ins Humboldt Forum: Die Geschichte eines Südseebootes

Die Reise des Südseebootes aus dem Ethnologischen Museum begann auf der Insel Luf in Papua-Neuguinea. Aus einem Baumstamm und vielen Planken ließ der Häuptling Labenan den Rumpf des Bootes bauen. Offiziell kam es jedoch nie zum Einsatz, bis Max Thiel, ein Geschäftsführer der deutschen Handelsgesellschaft Hernsheim & Co das Boot 1903 erwarb und es zu einer Niederlassung der Firma auf der Insel Matupi transportieren ließ.
Da hat doch die Handelsgesellschaft Hernsheim & Co tatsächlich dieses Boot vor dem nutzlosen Verfall gerettet!:eek: Wiebitte?

Dieser Version widerspricht der bekannte Historiker Götz Aly in seiner neuen Veröffentlichung.
ZDF Aspekte:
Der Historiker und Autor Götz Aly enthüllt in "aspekte" die koloniale Raubgeschichte des berühmten Südseebootes von der Insel Luf und Verstrickungen seiner eigenen Familie in die deutsche Kolonialgeschichte.

Das kunstvoll gezimmerte Auslegerboot ist ein Prunkstück der Sammlung des Berliner Humboldt Forums. Lange hätten die Verantwortlichen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und des Ethnologischen Museums die Geschichte der Selbstauslöschung der Inselbewohner mit verbreitet. "Eine schmutzige Lüge" nennt es Götz Aly und weist darauf hin, dass keine Belege für einen rechtmäßigen Erwerb existieren.

Die "schmutzige Lüge" ist, dass die Bevölkerugng der Insel Luf durch eine "deutsche Strafexpedition" 1882 und eingeschleppte Krankheiten weitgehend vernichtend wurde.
Eigentlich wurde das Boot für die Bestattung des Häuptling Lebenan erbaut und sollte entsprechend der Bestattungssitte im Meer versenkt werden, aber zur Seebestattung kam es nicht mehr. Stattdessen ging die Reise nach Berlin.

In Deutschland wurde jedoch durch Ethnologen eine andere Version ohne deutsche Schuld verbreitet. Demnach hätten sich Inselbevölkerung zur Selbstauslöschung entschieden - eingebettet in rassistische Ideologie.

So etwa das Deutsche Koloniallexikon von 1920:
Paramikronesien
...
Gemeinsam ist allen diesen Inselgruppen der Bevölkerungsrückgang; teils hat die Bevölkerung dazu freiwillig den Entschluß gefaßt, wie auf Kaniet, teils ist sie durch Krankheiten (Malria usw.) dezimiert, wie z.B. auf Ninigo und Wuwulu. Außerdem haben größere Unglücksfälle, Verschlagungen zur See die Volkskraft geschwächt, wie in Luf und Aua.
...
Auf Luf bestattete man die Häuptlinge in großen, prächtigen Kanus, die mit der Ebbe in See gingen. Das bewegliche Eigentum des Verstorbenen, gelegentlich auch seine Feldfrüchte,wurden vernichtet (Luf).
...
Als Verkehrsmittel und Handelsfahrzeug zwischen den Inseln Ninigo, und Kaniet, Luf dient das Auslegerboot. Unterschiede finden sich nur in den Aufsätzen, die auf Luf und Kaniet aus stilisierten, fransenbehängten Männerfiguren, auf Ninigo aus einem langen Schnabel mit aufwärts gerichteter Spitze bestehen; ein Boot kann bis 40 Personen tragen. Die Boote sind weiß gekalkt und auf Luf auch mit roten Ornamenten bemalt.

Herbert Tischner beschreibt 1950 in seinem "Eine Häuptlingsbestattung auf Luf" in der Zeitschrift der Ethnologie die "Auflösung der Luf-Kultur" infolge der der "Strafexpedition" das Kanonenboot Freya im Jahr 1882.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Spiegel-Interview beschreibt und entlarvt Aly die Verschleierungstaktik der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sehr deutlich.

Danke für das Thema. Leider funzt der Link bei mir nicht.
Hier ist jetzt hoffentlich der richtige Link zu "Eine Häuptlingsbestattung auf Luf" von Tischner, 1950. Gleich am Anfang beschreibt Tischner wie der Kontakt mit den Europäern direkt zum Untergang der Kultur der sogenannten Hermiten oder Luf-Leute und des gesamten Kulturareals Südsee. Angeführt werden neben der militärischen Strafexpedition auch noch die Verschleppung von Arbeitskräften (sogenanntes Blackbirding) sowie Seuchen.
Zur Zeit als das Luf-Boot erworben wurde, war die Zivilisation auf Luf quasi schon durch den deutschen Kolonialismus zerstört.

Sehr informativ ist auch der Artikel in der Süddeutschen Zeitung. Hier wird auch der Ursprung der Selbstauslöschungslegende erklärt, demnach soll das nur auf dünnem Seemannsgarn eines betrunkenen irischen Händlers beruhen. Und ich dachte schon die Theorien von Ernst Haeckel und Oswald Spengler hätten zu der der These geführt, die Luf-Kultur hätte sich selbst abgeschafft.

Die Rassisten waren sich Ende des 19. Jahrhunderts jedenfalls darüber einig, dass die Bewohner der Südsee zu zusammen mit Tasmaniern und Feuerländern zu untersten Entwicklungsstufe zählen. Ernst Haeckel hat die Theorie vom kraushaarigen Untermenschen im wahrsten Sinne des Wortes an den Haaren herbeigezogen, denn die Locken kannte er nur vom Hörensagen. Ebenso auffällig ist, dass die Südseeinsulaner die letzten Bevölkerungsgruppen sind für die es in unserer Sprache anscheinend noch immer rassistische Sammelnamen verwendet wie Melanesier, Negritos verwendet werden.
Dazu passt auch, dass mit "Fidschi" und "Kanake" im Deutschen gleich zwei rassistische Pejorative mit klarem Südseebezug existieren.
 
Eine andere Inselgruppe im ehemaligen Deutsch-Neuguinea sind die Carteret-Inseln in den Nördlichen Salomonen. Deutsches Koloniallexikon 1920, SCHNEE, H.(Buchstabe: Carteretinseln)
Die Menschen dort erlitten Ähnliches wie die Bewohner Lufs.
GERMAN COLONIAL RULE IN THE NORTHERN SOLOMONS from Bougainville before the conflict on JSTOR

Auch die Hamburger Südsee-Expedition 1908–1910 – Wikipedia besuchte diese Inseln mit den von Luf bereits bekannten Protagonisten (Hellwig, Krämer, Thilenius). Ergebnisse der Südsee-Expedition 1908–1910, Mikronesien, Band 12
Es ist davon auszugehen, dass auch Kulturgüter von dort sich heute in Deutschland befinden.

Was diese Inseln besonders macht, ist die Tatsache, dass sie langsam im Meer versinken.
Papua-Neuguinea: Wie der Pazifik das Paradies zerstört
Manche Stimmen behaupten, die Bewohner seien selber schuld, weil sie mit Dynamit fischten und die Riffe zerstörten.
Schon wieder Selbstauslöschung?

Die Antwort muss jeder selbst finden, sonst wird das hier noch tagespolitisch, aber falls die Absicht besteht, Kulturgüter zurückzugeben, sollte man sich bei einigen der Inseln beeilen.

Ich bedanke mich sehr für die Eröffnung dieses Themas als Leseanstoß und hoffe, dass mir off-topic für die Marine-Interessierten noch etwas Erbsenzählerei gestattet ist:

In der Geschichte um die Geschehnisse auf der Insel Luf kommt tatsächlich ein Schiff mit dem Namen "Freya" vor. Nur handelt es sich dabei nicht um die SMS Freya der Kaiserlichen Marine, sondern um einen kleinen Handelsdampfer der Firma Hernsheim & Co..
Der Kapitän dieser Freya, ein Mann Namens Homeyer, soll 1882 auf Luf getötet worden sein.
An der darauf folgenden Strafexpedition waren die sich vor Ort befindenden Marine-Stationsschiffe SMS Carola SMS Carola – Wikipedia und das Kanonenboot SMS Hyäne (1878) – Wikipedia beteiligt.(Man beachte die Darstellung der Strafexpedition auf Luf im Wiki-Beitrag zur Carola).

Die Freya der Hernsheim & Co. lief im selben Jahr wie die Strafaktion, also 1882, auf das Osprey Riff und erlitt Totalschaden.
Freya. German steamer, 872 tons. Built Glasgow 1875. After leaving Cooktown, struck Osprey Reef, sank, 12 October 1882.
CORAL SEA - MAINFRAME
 
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