Jesusspruch

Abgesehen davon, wie wir das verstehen würden, stellt sich auch die Frage, wie das möglicherweise verstanden worden ist oder zu verstehen sein sollte.

MaW, der Jurist (den Theologen kann ich nicht abbilden) würde Wortsinn, Bedeutungszusammenhang/Systematik, Entstehungsgeschichte, teleologische Auslegung betrachten.

Damit kommt man zur Debatte, ob es sich hier um eine Thukydidesreminiszenz handelt, und wenn ja, was das aussagen sollte. Das ist mW umstritten, wird aber in gängigen Kommentaren so - ohne abschließende Wertung - übernommen.

Wenn das zutreffend sein sollte, stellt sich die nächste Frage: Warum zitieren frühchristliche Autoren pagane Texte?
 
Jesus: Geben ist seliger als nehmen. Habt ihr das auch alle verstanden?

Jünger Suminoto: Ja, Nehmen ist selig!

Jesus: ???

Die Schriftgelehrten hier drehen Suminoto das Wort im Munde um. Dass Nehmen nicht unselig ist, ist eine implizite Nebenaussage des von Paulus zitierten Jesus-Spruchs. Die Schriftgelehrten sollten mal über Suminotos Argument nachdenken, dass dann, wenn Nehmen unselig wäre, jemand, der gibt, dadurch selig wird, dass er den Nehmer unselig macht.
 
(Das mit dem gut und besser usw ist sicher nur ein Randthema hier.)

Was ich damit ausdrücken wollte, ist ganz einfach: einmal wird "gut" bzw "besser" als Relation verstanden, das andere Mal absolut. Das ist mir schon vor Jahren aufgefallen, und hier hat es mal gepasst.

Ich mache das Beispiel noch elementarer mit dem Wort "gut" (es könnte auch "groß" oder "dick" usw lauten):

Paul ist so gut wie Peter. Beide sind gut.

Das 1. "gut" ist eine Relation zwischen Paul und Peter. Das 2. "gut" ist absolut gemeint (obwohl in Wirklichkeit eine verdeckte Relation darin steckt, etwa am Durchschnitt alles "Guten" gemessen o.ä.) Aber in beiden Fällen wird dasselbe Wort "gut" verwendet.

Sätze wie diese: "Paul ist so gut wie Peter. Beide sind schlecht." machen das deutlich: denn sie sind nur "gut", wenn aufeinander bezogen, absolut gesehen sind sie schlecht.

Aphoristisch ausgedrückt: Das Beste muss nicht unbedingt gut sein.
 
Eine Studie aus Amsterdam und Kopenhagen unter der Leitung von Simon Columbus und Paul van Lange hat aufgezeigt, dass Smalltalk mit Fremden - in Bussen oder Bahnen oder sonstwo - glücklich macht. Doch dieses schöne Resultat ist nicht der Grund, warum ich das hier einstelle, sondern die besondere Beziehung von Aufmerksamkeit-Gebenden (die Anstifter des Gesprächs) und Aufmerksamkeit-Nehmenden (ihre "Opfer" gewissermaßen).
Und nicht nur diejenigen profitieren, die das Gespräch suchen, sondern auch die Angesprochenen, die sich darauf einlassen.
Smalltalk: Mit Fremden zu reden, tut gut

Hinsichtlich des pars pro toto müsste man also den Jesusspruch abändern: "Geben ist genauso selig wie Nehmen."
 
Meiner unwissenschaftlichen Meinung nach sollte Geben und Nehmen in einem einigermaßen ausgewogenen Verhältnis stehen. Gibt man einem bestimmten Gegenüber sehr viel mehr als man von diesem/r bekommt, gerät die Beziehung leicht in eine Schieflage: der/die/das Nehmende fühlt sich in der Schuld, kann aber evtl. diese Schuld nicht begleichen und fühlt sich dadurch befangen. Ich stimme Eumolp daher zu: Geben ist genauso selig wie Nehmen.
 
Gibt man einem bestimmten Gegenüber sehr viel mehr als man von diesem bekommt, gerät die Beziehung leicht in eine Schieflache. Der Nehmende fühlt sich in der Schuld, kann aber evtl. diese Schuld nicht begleichen und fühlt sich dadurch befangen.

Die Sonne gibt mehr als sie empfängt. Keine Mutter zählt die Wohltaten, die sie ihrem Kinde erweist. Kein Obstbaum kann so viel empfangen wie er gibt. Keine Quelle schreibt eine Wasserrechnung. Als wir geboren wurden, sind wir zwar nicht gefragt worden, ob wir existieren wollen. Trotzdem empfinden wir unser Dasein nicht Schuld. Wir fühlen uns auch nicht aufgrund unseres Daseins befangen.
 
Hallo Suminoto,
im Textzusammenhang des Jesusspruchs "Geben ist seliger als Nehmen" geht es ums Helfen von Bedürftigen, z.B. ums Helfen eines Hungrigen. Dabei sagt Paulus, dass man hart arbeiten muss, um helfen zu können, also nicht hart arbeitet, um etwas zu haben, was man los werden will. Man arbeitet hart, um etwas zu haben, mit dem man helfen kann, z.B. einen Hungrigen etwas zu essen geben kann, was einen dann im Idealfall ein diesseitiges seliges Glücksgefühl verschafft.
Gruß
Oleger


Wenn ein Geber seine Gabe loswerden will, ist er auf die Existenz eines Nehmers angewiesen. Der Nehmer vollstreckt die Tat des Gebers und erweist sich dadurch als Helfer.
 
Wohltätigkeit muss man sich leisten können.

Markus 12:

41 Und Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten. Und viele Reiche legten viel ein. 42 Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; das ist ein Heller. 43 Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. 44 Denn sie haben alle von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.


Lukas 21:

1 Er blickte aber auf und sah, wie die Reichen ihre Gaben in den Gotteskasten einlegten. 2 Er sah aber eine arme Witwe, die legte dort zwei Scherflein ein. 3 Und er sprach: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr als sie alle eingelegt. 4 Denn diese alle haben etwas von ihrem Überfluss zu den Gaben eingelegt; sie aber hat von ihrer Armut alles eingelegt, was sie zum Leben hatte.
 
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