Europa vor dem 1. Weltkrieg

Noch ein kurzer Nachtrag zur Bedeutung von Iswolsky.

Bertie, britischer Botschafter in Paris und kein Freund des Deutschen Reiches, notierte am 10.November 1914 in seinem Tagebuch:

At the beginning of the war he (Iswolsky) claimed to be its author. - C`est ma guerre."

"Das ist mein Krieg" (Hurrah), Iswolsky Nov. 1914.
Ich denke das hat möglicherweise weniger Bedeutung als es zunächst scheint.
Während der ersten Marokkokrise war er noch Gesandter, wurde dann steil nach oben Außenminister.
Während der Bosnischen Annektionkrise machte er wohl eine so unglückliche Figur, dass er anschließend zum Botschafter degradiert wurde.
Die Umstände waren, wenn ich es recht verstehe, geeignet demütigend zu sein.
Na, da hat er wohl einen Groll gehabt.
Und wenn man sich anschaut was für Suppe im ersten Jahr des Krieges ganz allgemein in den Köpfen brodelte, könnte das noch in der internationalen Bandbreite liegen.

Die russische Haltung zur 1. Marokkokrise ist vielleicht am einfachsten zu verstehen.
Russland ist im inneren hochgefährlich destabilisiert, taumelt am Abgrund des unmittelbaren Zusammenbruchs, und hätte wahrlich ganz andere Probleme, gäb es da nicht einen üblen Umstand:
Russland befindet sich zudem in einer gefährlichen finanziellen Schieflage.
Witte ist der russische Krisenmanager dieses Jahres und er verhandelt verzweifelt mit Frankreich über einen Großkredit.
In seinen Memoiren beschreibt er wie das Ende der "verwünschten" Algeciras-Konferenz herbeisehnte. Denn der Abschluss der Konferenz wurde von Frankreich zur Voraussetzung des Kredits gemacht.
-- Witte - Memoirs - Chapter XI - The Loan That Saved Russia
(Übrigens das Buch gibt es antiquarisch auch auf Deutsch)

Ansonsten aber versteh ich die Haltung der unmittelbaren Spieler überhaupt nicht.
Als junger Mann war ich mal in Marokko und frag mich ehrlich warum jemand Marokko haben wollte.:)
 
...
...
Die Geheimdiplomatie der Großmächte höhlten völkerrechtliche Vereinbarungen aus und steigerten die Gefahr eines Krieges

Das ist auch ein sehr interessanter Punkt.
Die "Geheimdiplomatie", als solche, ist ja die Kunst der Intrige.
Da stellt sich die Frage der übergeordneten Organisationsfähigkeit.

Danke für den Hinweis.
Die "Geheimdiplomatie" ist wohl ein wichtiger Bestandteil des Gemisches, das Europa explodieren ließ.
 
"Das ist mein Krieg" (Hurrah), Iswolsky Nov. 1914.
Ich denke das hat möglicherweise weniger Bedeutung als es zunächst scheint.
Während der ersten Marokkokrise war er noch Gesandter, wurde dann steil nach oben Außenminister.
Während der Bosnischen Annektionkrise machte er wohl eine so unglückliche Figur, dass er anschließend zum Botschafter degradiert wurde.
Die Umstände waren, wenn ich es recht verstehe, geeignet demütigend zu sein.
Na, da hat er wohl einen Groll gehabt.
Und wenn man sich anschaut was für Suppe im ersten Jahr des Krieges ganz allgemein in den Köpfen brodelte, könnte das noch in der internationalen Bandbreite liegen.

Die russische Haltung zur 1. Marokkokrise ist vielleicht am einfachsten zu verstehen.
Russland ist im inneren hochgefährlich destabilisiert, taumelt am Abgrund des unmittelbaren Zusammenbruchs, und hätte wahrlich ganz andere Probleme, gäb es da nicht einen üblen Umstand:
Russland befindet sich zudem in einer gefährlichen finanziellen Schieflage.
Witte ist der russische Krisenmanager dieses Jahres und er verhandelt verzweifelt mit Frankreich über einen Großkredit.
In seinen Memoiren beschreibt er wie das Ende der "verwünschten" Algeciras-Konferenz herbeisehnte. Denn der Abschluss der Konferenz wurde von Frankreich zur Voraussetzung des Kredits gemacht.
-- Witte - Memoirs - Chapter XI - The Loan That Saved Russia
(Übrigens das Buch gibt es antiquarisch auch auf Deutsch)

Ansonsten aber versteh ich die Haltung der unmittelbaren Spieler überhaupt nicht.
Als junger Mann war ich mal in Marokko und frag mich ehrlich warum jemand Marokko haben wollte.:)

Iswolsky hat im Zuge der Annektionskrise wiederholt die Weltöffentlichkeit massiv angelogen und schwere, unwahre, Vorwürfe gegen seinen österreichisch-ungarischen Amtskollegen Aehrenthal erhoben. Iswolskys Agieren als unglücklich agieren hieße den Wolf zum Schäfchen zu degradieren. Es ist ohnehin recht erstaunlich, das ein Mann wie Iswolsky Außenminister wurde. Er hatte zuvor keine große Botschaft geleitet und in der Sängerbrücke auch keine praktische Erfahrung sammeln können. Schlimm war, das dieser Mann dann auch noch Botschafter in Paris wurde, wo er dann fortlaufend gegen den Zweibund sein gift verspritzen konnte.

Vor Iswolsky Amtsantritt war die Politik Russlands auf dem Balkan defensiv und ging äußerst kooperstiv mit Österreich-Ungarn vor. Die Russen haben es sowohl Wien als auch Berlin schlecht gedankt, das diese die jahrelange Verlegenheit der Russen nicht entschieden für eigne Vorteile ausgenutzt haben.
 
"D
Ansonsten aber versteh ich die Haltung der unmittelbaren Spieler überhaupt nicht.
Als junger Mann war ich mal in Marokko und frag mich ehrlich warum jemand Marokko haben wollte.:)

In Marokko herrschte damals Bürgerkrieg, bzw bürgerkriegsähnliche Zustände, und Krieg verlangt nach Kriegsgerät. Schneider- Creusot und Krupp waren stark in marokkanische Händel involviert, während andere Vertreter der Schwerindustrie Interesse für die Ausbeutung der Eisenerzvorkommen hatten. Wegen der Armut der Bevölkerungsmehrheit beschränkten sich die europäischen Importe auf Luxusartikel für den Hofstaat. Dazu wurden Nähmaschinen, Feuerzeuge, Fahrräder, Kinematographen, Bauteile für Telegraphen und natürlich Waffen nach Marokko importiert, die man sowohl an den Sultan wie an Aufständische und konkurrierende Freischärler verkaufte. Eigentlich überwog in Marokko der britische Einfluß, und mit Hilfe der Briten wäre es für Deutschland ein Leichtes gewesen, Marokko zu besetzen. In einer geheimen Zusatzklausel der britisch-französischen Entente verpflichteten sich die Briten zur Preisgabe Marokkos zugunsten Frankreichs. Für die Unterstützung in Marokko entschädigtigten sich die Briten durch Mitunterzeichnung der französischen Marokkoanleihen. Starkes Interesse für das Comitee´ Marocaine bekundete neben Schneider- Creusot auch das Haus Rothschild.
 
Ein paar Worte zur unmittelbaren Vorgeschichte der Annektionskrise

Ende Feburaur 1908 führte der englische Botschafter in Petersburg Nicolson aus, "daß England kein Interesse mehr daran habe, daß Konstantinopel türkisch bleibe", da die Engländer Herr in Ägypten seien und dadurch die Starße nach Indien beherrschten.

Am 02.Juli 1908 machte Iswolsky Aehrenthal das Angebot, das Österreich-Ungarn Bosnien, die Herzegowina und sogar Novibazar endgültig annektieren könne. Als Gegenleistung erwarte er (Iswolsky) die Dardanellen, konkret die Revision der Meerengenkonvention von 1871. Es ging um die ausschliessliche Durchfahrt russischer Kriegsschiffe.
Iswolksy glaubte die Zustimmung der Großmächte sicher sein zu können. Nicolson hatte sich ja bereits entsprechend geäußert, von Deutschland und Frankreich erwartete er keinen nennenswerten Widerstand.

Iswolsky weilte im September/Oktober in Karlsbad um dort zu kuren. Nach dem Desaster der Annektionskrise bestritten Zar und Stolypin, das Iswolsky überhaupt autorierst gewesen sei, ein Treffen mit dem Außenminister der Donaumonarchie zu arrangieren und er hätte angeblich keine Verhandlungsvollmacht gehabt. Sein Adlatus Carykow brachte Licht ins Dunkel und behauptet das Gegenteil. Es gab ein entsprechendes Papier, das auch gebilligt worden sei. Aus diesem Papier geht hervor, das dass Arrangement aber von den europäischen Mächten zu billigen sei.

Jedenfalls trafen sich Iswolsky und Aehrenthal am 16.September in Schloss Buchlau auf Einladung von Berchtold. Aus den Unterlagen Aehrenthals geht klar und deutlich hervor, das die Annektion und die Frage der Meerengen nicht so mitienander verknüpft waren, wie Iswolsky später behauptet hat. Die beiden Herren einigten sich darüberhinaus auch über die Unabhängikeit Bulgariens und das Kreta zu Griechenland kommen solle. aehenthal informierte Iswolsky auch über den mutmaßlichen Zeitpunkt der Annektion, nämlich in den ersten kommenden Tagen des Oktober, also kurz vor den Zusammentritt der Delegationen. Auch diese sollte Iswolsky später mehrfach gegenüber alles und jeden vehement bestreiten.

Die Publikation der diesbezüglichen Schriftverkehrs durch Bestuzew bestätigt aber Aehrenthal im großen und ganzen. Iswolsky sandte nämlich am 16.September einen Bericht an Carykow, der ganz klar dokumentiert, wie dreist Iswolsky die Welt belogen und Aehrenthal zu unrecht beschuldigt hat. So heisst es dort beispielsweise, "Ich habe mit absoluter Sicherheit festgestellt, daß die österreichisch-ungarische Regierung sich unwiderruflich für eine Annexion Bosniens und der Herzegowina entschlossen hat. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird Baron Aehenthal die Annexion, die am 06.Oktoer zusammentreten werden, bekanntgeben. Das Dokument wirft auch ein peinliches Licht auf den Zaren. In der Antwort von Carykow heisst es nämlich:" Seine Majestät ist außerordentlich erfreut über die von Ihnen erzielten ergebnisse und schätzt insbesondere die von euch geäußerte Ansicht, daß die Gegenleistung, den Meerengenstatur zu uneren Gunsten zu verändern, nun günstig ist, auch ohne daß es nötig wäre, auf die Liquidierung des Osmansichen Reiches zu warten."

Eigenartig und befremdlich ist, das Russland und ganz besonders Iswolksy nach dem Fiasko sehr wütend auf das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn waren. Nur, an diesen Mächten sind die Wünsche Russlands gar nicht gescheitert, sondern an den eigenen Verbündeten Frankreich und den Wunschpartner Großbritannien. Aber das war für die Bewertung anscheiende nicht ganz so wichtig.

Abschließend noch ein Satz zur angeblichen deutschen Kriegsdrohung. Die Russen und Iswolsky haben diese so nicht empfunden; das geht klar aus ihren Äußerungen hervor. Sir Edward Grey hatte in jenen Tagen gegenüber den deutschen Botschafer fast die gleiche Worte verwendet, als er (Grey) zu ihm von den englischen - Österreichisch-ungarischen Verhandlungen über eine von Serbien in Wien abzugebende Note sprach. Grey meinte, wenn sein vermittlungsvorschlag fehlschlage, zieh er sich zurück und lasse den Dingen ihren Lauf und die verantwortung falle österreich-Ungarn zu. Nachzulesen in der Großen Politik Band 26/2 Dokument Nr.9466 und in den Britschen Dokuemten Vol. V. Nr.739. Jedenfalls wurde aus Grey seiner Ausführung keine Kriegsdrohung unterstellt.

Quellen u.a.: Skrivan, Schwierige Partner,
Hantsch, Berchtold
Molden, Aehrenthahl
Miege, Rußland und die bosnische Annektionkrise
Rathmann, Die Balkanfrage 1904-1908 und das Werden der Triple Entente.
 
Nachdem im July 1908 die erste jungtürkische Revolution stattfand und die neue Regierung ein Reformprogramm für das Osmanische Teich ankündigte, war für Österreich und Russland die Zeit gekommen ihre eigenen imperialen Interessen zu beschleunigt zu verfolgen.
Man fürchtete den Erfolg der Jungtürken.

„Die Österreicher und Russen, Rivalen um die Großmachtdominanz auf dem Balkan versuchten einige ihrer Ziele zu erreichen bevor die Reformen der Jungtürken Wirkung zeigen würden. Im September 1908 vereinbarten der östrreichisch-ungarische Außenminister, Alois Aehrenthal, und der russische Außenminister Izvolsky, gegenseitige Unterstützung der jeweiligen Ziele auf dem Balkan. Die Österreicher wollten Bosnien-Herzegowina annektieren, welches sie seit 1878 besetzt hielten. Die Russen wollten die Kontrolle der strategischen Meerengen die das schwarze Meer mit dem Mittelmeer verbanden [Bosporus und Dardanellen; Anmerkung durch mich]. Bevor die Russen die Sanktionierung der Großmächte für ihr Ziel erlangen konnten, handelte Österreich einseitig.“

.. indem sie Bosnien-Herzegowina annektierten.
Das Verlangen der Russen dies rückgängig zu machen hatte keinen Erfolg (und wohl auch wenig Aussicht darauf).

„Das einzige Zugeständnis das Österreicher machten war die Rücknahme der Besetzung des Sandjak von Novi Pazar. Die Krise um die Annektion war eine diplomatische Niederlage Russlands. Sie begannen Wege für die Wiederherstellung ihrer Position auf dem Balkan zu suchen“


Zitiert: Richard C. Halls – The Balkan Wars - Seite7, Übersetzung durch mich.

Und folgt man Clark (Schlafwandler - Seite 126) so stellt sich das ähnlich dar. Iswolsky ist jedenfalls der Verlierer des Spiels.
„Dem russischen Außenminister waren zwei schwere Fehleinschätzungen unterlaufen: Erstens hatte er angenommen, dass London seine Forderung einer Öffnung der Meerengen unterstützen würde. Und er hatte zweitens die Wirkung der Annexion auf die russische nationalistische Meinung unterschätzt.“

@Turgot,

nun scheint es Dir ja auch verwunderlich wie dieser Iswolsky Außenminister werden konnte.
Danach war er es jedenfalls nicht mehr, sondern wurde degradiert, jedoch immerhin Botschafter in Paris. Vielleicht war er da immer noch dem Peter-Prinzip zuzuordnen.
Als Außenminister hatte er wohl versagt...
.. und die Wege des Herrn Autokraten Nikolaus sind schwer ergründlich.
Zumal dieser nicht nur wankelmütig ist, sondern zudem ein politischer Idiot. (ich denke, das kann man sachlich so feststellen
und es ist m.E. das was du als "peinliches Licht auf den Zaren" bezeichnest, eine Grundbeleuchtung des Nikolaus ;))

Wenn man sich aber im Ergebnis anschaut, wer wen reingelegt hatte, dann kann man schon annehmen, dass Iswolsky der war, der sich als Gelackmeierter empfand, und nicht Aehrenthal.
 
Das findet sich so seit Hillgrubers "Kalkuliertem Risiko" oder Jarauschs "The Illusion of Limited War: Chancellor Bethmann Hollweg's Calculated Risk, July 1914".

Ziel der (Hoch-)Risikopolitik war es, die Entente über die diplomatische Krise zerbrechen zu lassen. Findet sich zB auch bei Riezler unter dem 8.7.
.....

"Kalter Krieg" könnte man sagen.
Ich hab den Eindruck, dass sozusagen permanent das vorhanden war, was wir heute als "Kalten Krieg" bezeichnen.

Ich versuche ein Bild zu malen:
Wenn etwas explodiert nennt man das Sprengstoff.
Nimmt man den als technischen Begriff, dann sind die einzelnen Substanzen relativ harmlos, im Gegensatz zum Gemisch.
Nachdem Europa, und auch andere Teile der Welt, eine sehr plötzliche Verwüstung erlebten, ist dieser bildliche Vergleich vielleicht hilfreich ein erkennbares Muster zu zeigen.

Und jetzt brauen wir mal fröhlich eine Bombe:
Wir mischen Intrigen/Geheimdiplomatie mit Kaltem Krieg,
geben den Imperialismus hinzu,
rühren den Nationalismus hinein,
geistige, wirtschaftliche und demografische Umbrüche ebenso,
auch technische und militärische Neuerungen nicht gekannten Ausmaßes,
und nicht zu knapp bemessen, den Niedergang des Adels.

Es bleibt doch ein Rätsel.
Denn wollte man so eine Bombe bauen, könnte man sich kaum sicher sein, dass sie auch losginge.

So wie ich es verstehe, war das was Du zitierst, schon ein länger bestehender Zustand im Umgang der später involvierten Nationen untereinander.
 
@hatl

Iswolsky hat sich als der Gelackmeierte gefühlt?

Wenn er das gewesen sein sollte, dann nicht durch die Zweibundmächte, sondern durch seinem Zaren, Stolypin und vielleicht auch seinem neuen Freund Großbritannien.

Iswolsky wollte sein "Haut" retten und ging zu diesem Zwecke sehr aggressiv gegen Aehrenthal vor.
 
Zuletzt bearbeitet:
@hatl

Iswolsky ist erst im September 1910 von seinen Posten als Außenminister zurückgetreten. Er war also noch zwei weitere Jahre in Amt und Würden und ob der Botschafterposter in Paris, immerhin der wichtigste Verbündete des Zarenreichs, eine Degradierung war, das möchte ich bezweifeln. Dann hätte Nikolaus ih auf einen weitaus unwichtigeren Posten versetzten müssen, dort, wo er weniger Schaden anrichten hätte können.

Es gibt genügend andere Beispiele wo Staatssekretäre des AA auf Botschafterposten gewechselt haben und dies nicht als Degradierung empfunden hatten. Diese Posten waren nämlich auch erheblich fetter dotiert.

Was mich doch überrascht ist, das diese obige Ausführung von mir

Sir Edward Grey hatte in jenen Tagen gegenüber den deutschen Botschafer fast die gleiche Worte verwendet, als er (Grey) zu ihm von den englischen - Österreichisch-ungarischen Verhandlungen über eine von Serbien in Wien abzugebende Note sprach. Grey meinte, wenn sein vermittlungsvorschlag fehlschlage, zieh er sich zurück und lasse den Dingen ihren Lauf und die verantwortung falle österreich-Ungarn zu. Nachzulesen in der Großen Politik Band 26/2 Dokument Nr.9466 und in den Britschen Dokuemten Vol. V. Nr.739. Jedenfalls wurde aus Grey seiner Ausführung keine Kriegsdrohung unterstellt.

kein Echo gefunden hat. Die fast gleich lautende Ausführung von Bülow gegenüber Iswolsky hingegen ein ganz erhebliches.
 
@hatl

Iswolsky hat sich als der Gelackmeierte gefühlt?

Wenn er das gewesen sein sollte, dann nicht durch die Zweibundmächte, sondern durch seinem Zaren, Stolypin und vielleicht auch seinem neuen Freund Großbritannien.

Iswolsky wollte sein "Haut" retten und ging zu diesem Zwecke sehr aggressiv gegen Aehrenthal vor.


Ich kann da doch keine Uneinigkeit unserer Betrachtungen erkennen.
Wenn er sich in der misslichen Lage sah, seine "Haut retten" zu müssen, dann könnte man schon sagen, dass er sich als "der Gelackmeierte gefühlt" haben kann.
Ich vermute, dass der Umstand eines Handelns von Ö-U, im Sinne einer Schaffung von vollendeten Tatsachen, noch bevor Iswolsky seine Pläne umsetzen konnte (falls diese überhaupt umsetzbar waren), diesen brüskierte.
Das ist aber auch eine Spekulation.

Vielleicht ist das Europa am Vorabend des großen Verheerens auch von solchen Spekulationen geprägt.

Zitate aus einem löblichen, und bewunderswerten, Studium der Quellen "Grey meinte, wenn sein vermittlungsvorschlag fehlschlage, zieh er sich zurück und lasse den Dingen ihren Lauf und die verantwortung falle österreich-Ungarn zu." sind nach meinem bescheidenen Verständnis, in einen allgemeinen Kontext zu stellen und bedürfen einer vergleichenden Interpretation.
Und das wiederum scheint mir hier eine sehr schwer zu bewältigende Aufgabe zu sein.
Feststellen kann man mE nur, dass diese Aufgabe am Vorabend des Ersten Weltkriegs nicht bewältigt wurde.
 
"stimmungsvolle" Fotos von den Überresten der Sicherungsanlagen zum Schutz Londons gibt es derzeit in der Presse.

Das sind Überreste aus den diversen "invasion scares", bei denen durch das Flottenwettrüsten der Dampf- und Panzerschiffzeiten der Eindruck aufkam, London könnte "leicht überrannt" werden. Die Anlagen verdanken diesen Hysterien ihre Existenz. Angstgegner waren zunächst Frankreich (noch ohne Tunnel :D ) und der "Great Game-Gegner" Russland (der die Invasion über Indien vorbereiten könnte :scheinheilig: ) , dann das Deutsche Reich.

Heutzutage schwer nachvollziehbar, bei der "unbesiegten Navy".

Ruined Redoubt “Fort” Built to Defend London – HeritageDaily – Heritage & Archaeology News
 
Ich hatte mir vor einigen Jahren auf Malta u.A. ein paar Forts aus dieser Zeit angesehen. Das waren jedoch eher kleinere Anlagen und m.M. nach nicht sehr gut durchdacht. Dort fürchtete man eine italienische Landung. In einem dieser Forts (Rinella) zur Verteidigung Valettas wurde eines der damals größten Geschütze eingebaut, die 100-Tonnen-Kanone von Armstrong, die den Italienischen Panzerschiffen der Duilio-Klasse Konter geben sollte (denen man kurz vorher dieselben Geschütze verkauft hatte).

https://en.wikipedia.org/wiki/100-ton_gun

Vor Kurzem war ich in Südfrankreich und konnte dort eineige Anlagen des Systems Serre de Rivieres besuchen bzw. von aussen besichtigen, die aus derselben zeit stammten.

Zum Teil einfache Batterien, zum Teil gewaltige weitläufige Anlagen die auf schwer erreichbaren Gipfeln der Alpes Maritimes errichtet wurden. Man fragt sich ebenfalls wozu das Ganze, da dieses schon rein geographisch ein sehr leicht zu verteidigendes Terrain ist.

Sowohl die britischen wie auch die französischen Anlagen dieser Art wurden sehr schnell obsolet, als man feststellte wie zerstörerisch die Artillerie mit den neuen Sprengstoffen wirkte ("Brisanzkrise").

Von dem System Serres de Riviere wurden einige Forts auf Grund der neuesten Erkenntnisse modernisiert (so z.B. Douamont und Vaux die eine zusätzliche Betonschicht bekamen, der so genannte "Sargdeckel"), andere wurden aufgelassen. In Südfrankreich wurden einige dann in den 30.ern in die Ligne Maginot eingefasst und in ihnen moderne Stahlbetonbunker eingebaut.

Ein interessantes Objekt dieser Art, das man jedoch leider nicht besuchen kann, ist Mont Agel, einem hohen Gipfel über Monaco: Als Fort im System Serres de Riviere errichtet (vorher waren dort schon einige sardische Stellungen) in den dreissigern als Festpunkt der Ligne Maginot weiter ausgebaut, spielte in den Kämpfen 1940 eine Rolle als die Italiener die Grenze überschritten und dann nochmals 1944 als es den Deutschen als Stützpunkt gegen die vorrückenden Amerikaner diente. Nach dem Krieg wurde dort eine militärische Radaranlage eingerichtet so wie eine Kontrollstelle die bis 2012 in Dienst war. Auch heute ist dort noch eine militärische Anlage.
 
Zuletzt bearbeitet:
Unter dem Datum des 05.Dzember 1911, Italien führt gerade seinen raubtierhaften Feldzug gegen Lybien, die Verbündeten waren nicht informiert worden, findet sich in Redlichs Tagebuch folgender Eintrag.

"[...]Ich gehe dann um 1/2 5 zu Graf Aehrenthal, bei dem ich eine halbe Stunde bleibe. [...]Er sagt mir: die äußere Lage sei sehr ernst, das muss ausdrücklich gesagt werden. Er habe beim Kaiser recht behalten: der Kaiser habe entschieden. Die Politik der beiden Kaiser von Österreich und Deutschland sei die, durch den italienisch-türkischen Krieg die bestehenden Bündnisse nicht auflösen zu lassen. Diese Politik führe er durch und darum mußte Baron Conrad fallen, denn sein Vorgehen würde Italien unfehlbar in die Arme Frankreichs und Englands treiben, die darauf nur lauern. [...] Diese Spannung werde in zwei bis drei Jahren zu den kaum noch vermeidbaren europäischen Krieg führen: für diese Zeit müssten wir unsere Kräfte aufsparen. [...]Wir aber haben unsere Armee bis dahin zu verstärken, unser Geld bis dafür aufzuwenden, nicht aber für ilusorische Festungen in Südtirol.[...]."

Kaum zu glauben die Naivität von Aehrenthal. Italien politische Führung setzte bereits voll auf die Entente. Und Conrad sein Ansinnen hinsichtlich Südtirol war leider nur zu berechtigt. Auf italiensicher Seite wurde ja auch fleißig an den Festungswerken gearbeitet.
 
Conrad sein Ansinnen hinsichtlich Südtirol war leider nur zu berechtigt.

War es das?
Politisch war Conrads Skepsis Italien gegenüber sicherlich bis zu einem gewissen Grad berechtigt, ob es allerdings sinnvoll war, den Militäretat für Fortifikationen ausgerechnet im ohnehin unzugänglichen Südtirol zu strapazieren, anstatt das Vorfeld in Galizien für eine Auseinandersetzung entsprechend herzurichten oder in einen entsprechenden Ausbau der strategischen Bahnen zu investieren, um Aufmarsch und Nachschub vernünftig hin zu bekommen, mag dahin gestellt sein.

Ebenso könnte man hinterfragen, ob mit Hinblick auf Italien, wenn man die Mittel auf diesen potentiellen Gegner verwenden wollte, es sinnvoll war, Stellungen in Südtirol zu errichten, statt sich auf eine verstärkte Sperrung des Isonzo-Tals und der Küstengegend zu konzentrieren.
Auch wenn es sicherlich Italien gegenüber die exponierteste Gegend der Monarchie war, aber einen kurzfristigen Verlust des Trentino hätte Österreich-Ungarn unter militärisschen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte wohl verkraften können und ein großangelegter Vorstoß darüber hinaus wäre angesichts des Geländes wohl ohnehin kaum denkbar gewesen.
Ein potentieller Verlust Triests und Istriens, wäre sowohl für den Österreichischen Handel (sofern man von einem regional begrenzten Krieg ausging) deutlich problematischer gewesen, mit Hinblick auf Pola hätte das wohl auch das Kräfteverhältnis in der Adria deutlich zu Gunsten Italiens verschieben können.
 
War es das?
Politisch war Conrads Skepsis Italien gegenüber sicherlich bis zu einem gewissen Grad berechtigt, ob es allerdings sinnvoll war, den Militäretat für Fortifikationen ausgerechnet im ohnehin unzugänglichen Südtirol zu strapazieren, anstatt das Vorfeld in Galizien für eine Auseinandersetzung entsprechend herzurichten oder in einen entsprechenden Ausbau der strategischen Bahnen zu investieren, um Aufmarsch und Nachschub vernünftig hin zu bekommen, mag dahin gestellt sein.

Okay, in der Summe ist es natürlich so, das es an sehr vielen Punkten haperte. Beispielsweise gab es, ohne jetzt nachgeschlagen zu haben, nur eine einzige Bahnlinie nach Serbien. Und wo du Galizien sagst, für die dortige Festung Prezemysl waren auch dringend Arbeiten an der Ausstattung, Stichwort beispielsweise die Kanonen, nötig. Conrad musste sich entscheiden und Schwerpunkte setzten und Italien wäre vor dem Hintergrund des Mai 1915 nicht die schlechteste Wahl gewesen. Klar so eine Festung ist richtig teuer; da geht schnell 1 oder 2 Millionen drauf. Und dann die Zeit von der Genehmigung bis zur Fertigstellung vergehen auch schon mal 5 Jahre.
 
Okay, in der Summe ist es natürlich so, das es an sehr vielen Punkten haperte. Beispielsweise gab es, ohne jetzt nachgeschlagen zu haben, nur eine einzige Bahnlinie nach Serbien. Und wo du Galizien sagst, für die dortige Festung Prezemysl waren auch dringend Arbeiten an der Ausstattung, Stichwort beispielsweise die Kanonen, nötig. Conrad musste sich entscheiden und Schwerpunkte setzten und Italien wäre vor dem Hintergrund des Mai 1915 nicht die schlechteste Wahl gewesen. Klar so eine Festung ist richtig teuer; da geht schnell 1 oder 2 Millionen drauf. Und dann die Zeit von der Genehmigung bis zur Fertigstellung vergehen auch schon mal 5 Jahre.

Natürlich musste Conrad mit begrenzten Mitteln Prioritäten setzen.
Aber, um ehrlich zu sein, um so weniger verstehe ich ausgerechnet diese Wahl. Südtirol im Allgemeinen, das Trentino im Speziellen sind damals weder Territorien gewesen, die für einen wirklich verherenden Angriff auf die Monarchie prädestiniert gewesen wären, wegen der Unzugänglichkeit des Terrains und weil es in dieser Gegend zwar ideologisch aufgeladene (wenn man den "Irredentismo" in Rechnung stellt), aber nicht militärisch oder wirtschaftlich hochsensible Ziele gab.
Für eine Offensive gegen Italien selbst eignete sich die Gegend auch nicht wirklich. Aktionen nach Süden hin, wären durch den Gardasee als geographisches Hindernis extrem erschwert worden, nach Osten und Westen hin durch noch immer recht massive Gebirgszüge.
Wirklich leistungsfähige Bahnen, auf denen man im großen Stil einen aufmarsch für eine großoffensive hätte vollziehen oder dafür genügend Naschschub heranbringen konnte, waren ebenfalls nicht vorhanden.

Selbst wenn man auf einen Bewegungskrieg rechnete, musste eigentlich jedem vernünftigen Menschen klar sein, dass das Gelände hier so schwierig war, dass sich eine Großoffensive industrieller Massenheere hier kaum verwirklichen ließ und sich eine potentielle militärische Auseinandersetzung zwischen Österreich-Ungarn und dem Königreich Italien eigentlich in der Zone um den Isonzo herum entscheiden musste, dergestalt, dass es entweder den Italienern gelingen würde sich hier durchzusetzen und Triest und Istrien wegzunehmen, was Österreichs Wirtschaft und seinen militärischen Optionen auf dem adriatischen Meer ganz empfindlich geschadet hätte oder aber es den Österreichern gelingen würde ins Veneto vorzustoßen, die Alpen südlich zu umgehen und mit der Po-Ebene das industrielle Herz Italiens zu bedrohen.

Wenn man es so betrachtet, sind Fortifikationen in Südtirol, einer Gegend ohne wirklich strategisch bedeutende Ziele, die ohnehin durch natürliche Hindernisse gut gesichert war, maximaler Mumpitz.
Entweder strebte man an einen Krieg gegen Italien offensiv zu führen, dann hätte man die Mittel sinnvoller Weise in den Geschützpark und in Bahnen investieren müssen oder aber man geruhte eine Auseinandersetzung mit Italien defensiv zu führen, dann wäre es sinnvoll gewesen die strategisch wirklich bedeutsamen Ziele zu schützen und den Italienern das potentielle Einfallstor nach Österreich zu verlegen.
Das wiederrum war, wie die Dinge lagen, aber eindeutig der Isonzo, nicht Südtirol.

Man mag sich fragen, ob sich die Italiener von der Entente derart hätten kaufen lassen, wäre die Gegend um den Isonzo, entsprechend befestigt gewesen und zu erwarten gewesen wäre, dass man hier einen entsprechenden Blutzoll würde entrichten müssen.

Bei aller berechtigten Skepsis gegenüber Italien in Conrads konzeptionen werfen die Investitionen in Befestigungen in Südtirol noch eine ganz andere Frage auf und dass ist diejenige, ob Conrad eigentlich auch sinnvoll über die zu ziehenden Konsequenzen eines potentiellen Waffengangs mit Italien nachdachte.
Denn wenn man Italien weitgehend als unversöhnlichen Gegner betrachtete, welches Sinn hätte es gemacht einen Krieg zu führen ohne im Anschluss Annexionen anzustreben, die die eigene strategische Lage dauerhaft besserten und eine Garantie für künftiges italienisches Wohlverhalten bieten würden.

Das wiederrum konnte nur auf die Annexion von Gebieten südlich der Alpen, idealer Weise mit Zugang zur Po-Ebene, von denen aus man Italien jederzeit zügig matt würde setzen können, hinauslaufen.
Das musste, wenn es etwas bringen sollte, auf die Annexion entweder des Veneto oder der östlichen Lombardei hinauslaufen, denn was würde man ohne Annexion erreicht haben?
Ohne dem und zusätzliche Sicherheiten würde man vielleicht einen potentiellen Feind für 5 oder 10 Jahre ausgeschaltet, aber kein außenpolitisches Problem gelöst haben.
Wenn man aber Annexionen von Beginn an beabsichtigte, warum dann Gebiete fortifizieren, die während eines potentiellen Krieges keine herausragende Bedeutung haben konnten und nach den durchzuführenden Annexionen ohnehin im Hinterland gelegen hätten?

Soooo rational erscheint mir das, was Conrad da mitunter äußerte und dann da teilweise an Projekten umgesetzt wurde, dann auch nicht, vor allem scheint es mir nicht wirklich zusammen zu passen.
Mir macht das ganze eher den Eindruck, dass hier auf Grund ideologischer Eindrücke und Sentenzen, noch dazu ohne klare, sinnvolle Zielsetzung Mittel, in Teilen ohne Sinn und Verstand verausgabt wurden.

Selbst wenn wir mal Russland, Serbien und Rumänien vollkommen außen vor lassen und uns nur die italienischen Verhältnisse anschauen:

- Die Mittel wären besser verwendet gewesen um dem Artilleriepark mehr Schlagkraft für eine potentielle Entscheidungsschlacht im Veneto zu verschaffen.
- Die Mittel wäre besser verwendet gewesen, um das Bahnsystem, auch in Richtung auf Italien auszubauen und damit den Nachschubdurchsatz zu verbessern.
- Die Mittel wären besser verwendet gewesen, Fortifikationen so anzulegen, dass sie den Italienern den Weg in der Teifebene an der Küste entlag auf Triest zu verlegen mussten.
- Die Mittel wären besser verwendet gewesen, wenn man sie aktiv genutzt hätte un Seestreitkräften der K.u.K.-Monarchie gegenüber Italien ein eindeutiges Übergewicht zu verschaffen um bei bedarf die italienischen Küstenstädte angreifen, einen Vorstoß im Veneto gegebenenfalls maritim unterstützen zu können.


Auch wenn Aerenthal da die italienische Politik möglicherweise massiv verkannnte, besonders sinnvoll war es nicht, sich für die zusätzliche Fortifikation eines schwer zugänglichen, strategisch offensichtlich wenig bedeutenden Gebietes einzusetzen, während an anderer Stelle die Mittel fehlten, zumal angesichts eines Gegners wie Russland der offensichtlich eine wesentlich größere Gefahr darstellte, als ein militärisch eher mäßig beeindruckendes Italien, dass für weitergehende vorstöße bereits durch die Geographie mehr oder minder auf ein vielleicht 30 oder 40 km breites Nadelöhr in der Küstenregion als einzigem Einfallstor faktisch angewiesen war.
 
Conrad vertrat jedenfalls die Ansicht, man sei in Südtirol mit den Kriegsvorbereitungen in Rückstand. Auf italienischer Seite würde bedeutend mehr getan und erhebliche finanzielle Mittel aufgewendet.

Das Fort Strino diente beispielsweise der Verteidigung des Strino-Stausdamms. Das Fort Busa di Verle versperrte die Straße, die zum Asiago-Plateau führte.

Ich denke mal, wenn der Fall Italien mit Kriegsbeteiligung Russlands geplant wurde, war an einem offensiven Vorgehen gegen Italien nicht zu denken. Da kam nur Defensive in Frage.
 
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