Römerlager Augsburg-Oberhausen: Münzspektrum etc.

Guten Morgen ELQ,

hast du dir mal die Mühe gemacht und nach meinem Hinweis die Chronologie vom Magdalensberg angesehen? Dann wüsstest du, dass es verschiedene Varianten/Formen gibt.
Mit Prof. Heynowski (damals noch Dr.) telefonierte ich vor Jahren 2x wegen den kaiserzeitlichen Fundplätzen in NW-Sachsen. Jedoch läge er mit seiner Chronologie völlig daneben. Bist du dir sicher das er so datiert hat? Kann ich mir beim besten Willen so nicht vorstellen.

Datierung Almgren A236c allgemein folgend:

J. Bemann - frühes B1 (in Mitteldeutschland laut Gräber augusteisch/tiberisch)
Kolnik - B1b (25/30 - 50 n. Chr.)
Völling - Gruppe IV (2. Jahrzehnt bis Claudius)
Deschler-Erb - (spätaugusteisch - claudisch)

Die 4 Exemplare von Augsburg-Oberhausen sind nach Deschler-Erb autark und bilden eine eigenständige Variante (Raetien). Mit meinem Exemplar sind es 5. Aus Weißenfels wie gesagt gibt es eine weitere A 236c. Ob es eine rätische Variante ist, bleibt offen. Fest steht, dass in Oberhausen u.a. Männer aus dem freien Germanien laut Deschler-Erb stationiert waren. Der Schwerpunkt der norisch-pannonischen Trachtbestandteile liegt nach J. Bemann im Freien Germanien in Mitteldeutschland und Böhmen. Er erklärt das mit römischen Kontakten durch Händler und Handwerker zum Reich des Marbod. Das zeigen auch die Fibeln vom Typ A236b mit Zapfen am Nadelhalter (tiberisch-claudisch), welche hauptsächlich in den römischen Militärlagern an der Donau in Raetien und in Böhmen aufgefunden worden. Von diesen liegen auch keine geschlossenen Grabfunde vor. Fibeln vom Typ A236b kommen in Augsburg-Oberhausen jedoch nicht mehr vor.

Im Gegensatz zu J. Bemann sehe ich die Funde in Mitteldeutschland und Böhmen nicht im Handel und Handwerk, sondern mit militärischem Gesichtspunkt. Durch die römische Geschichtsschreibung ist belegt, dass viele Reichsrömer nach der Varus-Schlacht sich der Zwangsrekrutierung des Augustus widersetzten. Offensichtlich wurde dieser Mangel auch durch Auxiliar-Verbände aus Mitteldeutschland und Böhmen ausgeglichen.
 
@Sepiola

die bisher aufgefundene Keramik besagt gar nichts. Mit ihr kann kein enges chronologisches Gerüst gefasst werden. Ich lenke von was ab??? Ich habe klare Fakten (!) an Hand von Münzen und Fibeln. Letztere sogar in chronologischer Abfolge.
 
Ich habe mir angesehen, was auf Academia.edu zu lesen ist. Von Deschler-Erb und von Helga Sedlmeyer. Leider sind von Helga Seldmeyer die fraglichen Seiten nicht online. Da ich derzeit nicht für die Uni arbeite, muss ich mal sehen, wann ich in die Stadt komme und dort mal en detail nachschauen kann.

Ich gönne dir wirklich deine Funde. Was mich stört, sind deine leichtfertigen Überinterpretationen.
 
@ ELQ

So einfach mache ich es mir nun auch nicht. Wenn ich aber Trachtbestandteile (Fibeln) und Münzen des Germanicus-Horizont zwischen Werra und Saale habe, dann kann ich das nicht so einfach ignorieren.

Ich bin auch wieder fündig geworden, passt aber nicht zu diesem Thema. Danke.
 
So einfach mache ich es mir nun auch nicht. Wenn ich aber Trachtbestandteile (Fibeln) und Münzen des Germanicus-Horizont zwischen Werra und Saale habe, dann kann ich das nicht so einfach ignorieren.
Bei Trachtbestandteilen musst du mit einem Umlauf von einer Generation rechnen, bei Münzen mit einem Umlauf von mehreren Generationen.
Die Fibeln Almgren A236 haben eine breite Datierung. Ich will mir nicht anmaßen zu bestimmen, welches Exemplar A236 a-h du da vorliegen hast, denn dazu fehlt mir jegliche Kompetenz. Deschler-Erb betont, dass es sich um einen weiblichen Trachtbestanteil handelte, bei Seldmeyer war, wenn ich das richtig auf dem Schirm habe, von einer oder mehreren Gußformen die Rede, daraus ist zu schlussfolgern, dass also entweder eine Werkstatt auf dem Magdalensberg ansässig war oder ein Wanderhandwerker dort Station gemacht hat.
Allein das reicht schon aus, um deine militärische Zuordnung bei einem Verlustfund an einer Furt, als Überinterpretation zurückzuweisen. Du vermengst da unstrittige Dinge mit deiner These, dass anders als Taictus schreibt, der Operationsraum von Germanicus nicht in Norddeutschland lag, sondern in Thüringen/Sachsen Anhalt.
Der Magdalensberg war eine Zivilsiedlung (oppidum), in der in wohl claudischer Zeit und auch später auch Detachments von einer 8. und 9. Legion nachgewiesen sind (Sedlmeyer: Evidenz der 9. Legion in Noricum. Ausgangspunkt zur Spurensuche einer rebellischen Truppe. In: H. Dolenz / K. Strobel (Hrsg.), Chronologie und vergleichende Chronologien zum Ausgang der Römischen Republik und zur Frühen Kaiserzeit. Kärntner Museumsschriften 87. Klagenfurt 2020, 449-471.)

Unstrut im Verhältnis zu den bei Varus beschriebenen Feldzügen des Germancius in Germanien.jpg
 
@Sepiola

die bisher aufgefundene Keramik besagt gar nichts. Mit ihr kann kein enges chronologisches Gerüst gefasst werden. Ich lenke von was ab??? Ich habe klare Fakten (!) an Hand von Münzen und Fibeln. Letztere sogar in chronologischer Abfolge.

Wir sprechen hier vom Errichtungsdatum von Oberhausen, Du erinnerst Dich vielleicht?


Man kann sogar recht gut das Errichtungsdatum von Oberhausen festlegen

Dazu schreibt Deschler-Erb:

"Die oben skizzierte Grabungsgeschichte macht klar, dass der Fundkomplex Augsburg-Oberhausen nicht als ein absolut geschlossenes Ensemble gelten kann. Deshalb verwundern nach- oder voraugusteische Objekte im Fundmaterial nur wenig (s. auch Diskussionunten zu gewissen Fibeln). Allerdings handelt es sich dabei nur um wenige Ausnahmen; zu weit über 90% ist von augusteischem Material auszugehen. Die genaue chronologische Einordnung von Augsburg-Oberhausen wurde vor allem anhand der Münzen und anhand der Terra Sigillata vorgenommen. Danach gehört der Militärplatz in mittel- bis spätaugusteische Zeit..."

Schon von daher ist das von Dir behauptete Errichtungsdatum in nachaugusteischer Zeit Unfug.

Inzwischen ist ein riesiger Haufen an Neufunden dazugekommen. Demnach lässt sich das Errichtungsdatum noch konkreter bestimmen:

"Einen bedeutsameren Fund habe es in der Stadt seit mehr als 100 Jahre nicht mehr gegeben, so Sebastian Geirhos, Leiter der Augsburger Stadtarchäologie. Er hofft nun auf viele neue Erkenntnisse. Die Gründungsgeschichte Augsburgs wird durch die neuen Entdeckungen konkreter. Zuvor hatte die Stadt den römischen Alpenfeldzug im Jahre 15 vor Christus als ungefähres Gründungsdatum genannt. Jetzt könne der Gründungszeitraum des römischen Lagers auf die Jahre 8 bis 5 vor Christus terminiert werden.
[...]
Die neu entdeckten Objekte – chronologisch aussagekräftig sind vor allem Münzen und Importkeramik – bestätigen die Frühdatierung des Stützpunkts im heutigen Oberhausen ziemlich genau auf die Jahre zwischen 8 und 5 vor Christus."

Stadtarchäologie: Neue Funde bringen frischen Wind in die Debatte um das Augsburger Römererbe | Die Augsburger Zeitung

Hast Du Fakten, die der Augsburger Stadtarchäologie nicht bekannt sind? Dann wäre es jetzt an der Zeit, diese zu veröffentlichen.
 
J. Bemann - frühes B1 (in Mitteldeutschland laut Gräber augusteisch/tiberisch)

Der schreibt:
Seit langem ist eine als Lesefund geborgene bronzene Fibel der Variante 236c vom Gräberfeld Weißenfels-Beudefeld bekannt. Diese Variante ist unter den Doppelknopffibeln am haufigsten vertreten, bildet einen Bestandteil
der norisch-pannonischen Frauentracht und kam in den römischen Provinzen im gesamten erstenJahrhundert vor.
Die im freien Germanien entdeckten Fibeln dieser Variante sollen alle einem friihen Abschnitt der Stufe B1 angehören.
[In der zugehörigen Fußnote verweist Bemann dann auf Garbsch (1965), Kolnik (1977) und Völling (1994).]

Früher Abschnitt B 1 wäre tatsächlich wohl augusteische, maximal frühsttiberische Epoche.
(Ich weiß nicht, in dem sollen lese ich einen leisen Zweifel.)

Die Weißenfels-Fibel war demnach ein Lesefund, wenige Zeilen später ist von einer Fibel - allerdings vom Typ A 237b - die Rede, die aus einem Männergrab bei Rötha-Geschwitz stammt.
 
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