Der Krieg gegen die Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika

MissHistory

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Guten Tag,
ich beschäftige mich derzeit mit dem Krieg gegen die Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika 1904-1907 und frage mich, in welcher Originalsprache der Brief samt Schießbefehl Lothar von Trothas vom 2. Oktober 1904 verfasst wurde? Allgemein frage ich mich, in welcher Sprache die indigene Bevölkerung und Vertreter des Deutschen Reichs miteinander kommunizierten?
Vielen Dank schon einmal und LG
 
Lothar von Throta hatte einen Übersetzer - Manuel Timbu -, der 1918 einen Bericht unter dem Titel Blue Book veröffentlichte.
 
Was die Sprache angeht hatten die Britischen und deutschen Kolonien ein unterschiedliches System. In den Britischen Kolonien hatten im Zweifel die Einheimischen Englisch zu lernen, in den Deutschen hatten die Beamten vor Ort die lokale Sprache zu lernen. Innerhalb der Verwaltung wurde natürlich Deutsch gesprochen und was mit den höheren Beamten war, steht auf einem anderen Blatt. Aus Sicht der Kolonialherren hatte wohl beides Vor- und Nachteile. Bekanntmachungen gab es also auf Deutsch und in den einheimischen Sprachen, bzw. der einheimischen Lingua Franka.

Soweit zur Theorie. Gerade in Südwestafrika wurden Regeln immer wieder ignoriert. Dass das meist durchging erklärt natürlich auch einiges hinsichtlich Schießbefehl und Völkermord u.s.w..
 
Tagebuch Lothar von Trotha, 1. Oktober 1904, “Vormittags versucht einige Vögel zu schießen nichts gefunden.
Nachmittags Proklamation an die Hereros fabriziert mit Hilfe von Kean und Philippus.


Es scheint, dass Kean und Philippus Ovaherero waren oder mindestens relativ gut Otjiherero sprachen.
Das Exemplar der Erklärung Trothas, welches heute im Nationalarchiv Botswanas aufbewahrt wird, ist jedenfalls in leidlichem Otjiherero verfasst.
Es ist allerdings nicht klar, wann und ob diese Fassung die Ovaherero erreichte.
View of Oomambo wandje komuhoko wOvaherero. Lothar von Trotha’ s ‘Words to the Ovaherero people’

Daneben spricht Maximilian Bayer – Wikipedia in seinen Aufzeichnungen von einem Herero Namens Erasmus, der als Mittelsmann zwischen Maharero und Leutwein handelte. Ob dieser Erasmus, als ehemaliger Kolonialsoldat, deutsch sprach oder ob es für seine Meldungen einen Dolmetscher benötigte, erwähnt Bayer nicht. Ich gehe aber davon aus, dass er auch deutsch sprach.
Mit dem Hauptquartier in Südwestafrika, Maximilian Bayer, 1909, Seite 95f
 
Was die Sprache angeht hatten die Britischen und deutschen Kolonien ein unterschiedliches System. In den Britischen Kolonien hatten im Zweifel die Einheimischen Englisch zu lernen, in den Deutschen hatten die Beamten vor Ort die lokale Sprache zu lernen. Innerhalb der Verwaltung wurde natürlich Deutsch gesprochen und was mit den höheren Beamten war, steht auf einem anderen Blatt. Aus Sicht der Kolonialherren hatte wohl beides Vor- und Nachteile. Bekanntmachungen gab es also auf Deutsch und in den einheimischen Sprachen, bzw. der einheimischen Lingua Franka.

Soweit zur Theorie. Gerade in Südwestafrika wurden Regeln immer wieder ignoriert. Dass das meist durchging erklärt natürlich auch einiges hinsichtlich Schießbefehl und Völkermord u.s.w..

In Tansania ist der Ruf der deutschen Kolonialherren weit besser, als in Namibia. Als die Deutschen nach dem Maji Maji Aufstand in Deutsch-Ostafrika Suaheli als Amtssprache einführten und zuließen, dass Eingeborene Land erwerben konnten, war das vielleicht das Vernünftigste, was die deutsche Kolonialverwaltung überhaupt je getan hat. Suaheli war schon lange vor dem Wettlauf um Afrika in Ostafrika eine Art Lingua franca. Eine gemeinsame Sprache erleichterte es sehr, nach der Unabhängigkeit ein tansanisches Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln.
 
Aus Anlass des Erscheinens des Tagebuchs (Lothar von Trotha in Deutsch-Südwestafrika, 1904–1905: Band I: Das Tagebuch. Band II: Das Fotoalbum (von Trotha: Tagebuch & Fotoalbum und Faksimile) – erscheint am 29. Januar 2024) gab einer der Herausgeber (der Historiker, Philosoph und Sozialwissenschaftler Matthias Häussler) der Süddeutschen Zeitung ein Interview, aus dem ich Folgendes zitiere (fettgeschriebenen Sätze sind von der SZ):

Das sind die Gefechte, nach denen die Herero in die Wüste flohen.

Das lief alles nicht so, wie Trotha es sich vorgestellt hat. Er wollte einen großen Sieg und sich danach den Lorbeerkranz aufsetzen. Stattdessen gelingt den Ovaherero der Ausbruch aus dem Kessel, und es kommt zu einem unübersichtlichen Kleinkrieg, dessen Ende nicht abzusehen ist. Trotha ließ die Ovaherero verfolgen, das ist das Standardvorgehen im preußischen Militär gewesen, aber es ist auch eine Maßnahme, um einen Misserfolg wettzumachen. Doch das gelingt nicht, und so steigt die Frustration.

Der Völkermord war nicht geplant, sondern eine Reaktion auf militärische Fehlschläge?

Ja. Berlin wollte einen klaren Sieg, um sich vor der Welt als Großmacht darstellen zu können und die Kolonisierten einzuschüchtern. Trotha kündigt einen solchen Sieg vollmundig an, aber er erringt ihn nicht. Und dann entkommt auch noch Samuel Maharero, der Anführer der Aufständischen, über die Grenze, und die deutschen Truppen können endgültig nicht mehr weiter, weil sie sich nicht mehr versorgen können. Damit ist klar, dass Trotha keine Entscheidung mehr finden kann. Deswegen wechselt er die Strategie: Er lässt die Wasserstellen am westlichen Rand der Omaheke-Wüste besetzen, um die Rückkehr der Ovaherero in ihr eigenes Land zu verhindern.

In einer heute als "Vernichtungsbefehl" bekannten Erklärung verkündete Trotha, die Ovaherero seien in Deutsch-Südwestafrika nicht mehr erwünscht und vogelfrei, er werde sogar auf Frauen und Kinder schießen lassen. In der Omaheke-Wüste verdursteten daraufhin Abertausende.

Trotha fliegt dieser Befehl aber um die Ohren. Denn der Chef des Generalstabes Alfred von Schlieffen liest Trothas Bericht und sagt: Militärisch ist das eine Sackgasse, wir können den Krieg nicht mehr aus eigener Kraft gewinnen. Am Ende befahl Kaiser Wilhelm II. Trotha, den Befehl zurückzunehmen.
 
Das Interview liest sich für mich absolut überzeugend, ohne dass ich selbst viel Ahnung vom Thema hätte. Die deutschen Handlungen werden da in keiner Weise beschönigt. Dass es etwa einen Völkermord gegeben hat, wird als gegeben vorausgesetzt, und deshalb hat Häussler kein Problem damit, auch auf Dinge hinzuweisen, die in ein simples Schwarz-Weiß-Schema nicht zu passen scheinen. So sagt er, in Trothas Tagebuch habe ihn überrascht, dass dieser "kaum jemals das Wort 'Neger' verwendet.... Trotha war ein Rassist, so wie alle anderen auch. Aber er will sich sozusagen nicht mit Schaum vor dem Mund darstellen." (Was ich mich frage: dachte er daran, dass das Tagebuch vielleicht mal veröffentlicht würde, oder ging es ihm um sein eigenes Selbstbild?)
Trothas Einstellung ändert sich dann freilich, wie Dion zitiert, als seine Operationen nicht den gewünschten Erfolg haben.

Häussler hat seine Dissertation über den Genozid an den Herero geschrieben.
 
(Was ich mich frage: dachte er daran, dass das Tagebuch vielleicht mal veröffentlicht würde, oder ging es ihm um sein eigenes Selbstbild?)

Aus einem Artikel im Neuen Ruhrwort vom März 2022:

Tagebücher und Fotoalbum waren für den Oberkommandierenden nicht ausschließlich persönliche Erinnerungsstücke, sondern für die Öffentlichkeit gedacht, insbesondere das Fotoalbum. “Lothar von Trotha erzählt darin seine eigene Geschichte des Krieges”, so Eckl. Denn nach seiner Rückkehr aus Afrika war er kein gefeierter Held. Es gab durchaus Kritik an seiner Kriegsführung. Seine Schriften und mehr noch seine Bilder waren Trothas Versuch, dieser Kritik entgegenzuwirken.
Marion Koessler: Kolonialzeit: Tagebücher des Völkermörders Lothar von Trotha werden veröffentlicht, 9. März 2022
Dennoch sind die Tagebücher wohl nie veröffentlicht worden, wohingegen er sein Fotoalbum vervielfältigte, um es an mehrere einflussreiche Personen zu versenden. Tw. soll er die Tagebücher unterwegs (auf dem Pferderücken) geschrieben haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aus einem Artikel im Neuen Ruhrwort vom März 2022:

Tagebücher und Fotoalbum waren für den Oberkommandierenden nicht ausschließlich persönliche Erinnerungsstücke, sondern für die Öffentlichkeit gedacht, insbesondere das Fotoalbum.
erstaunlich, dass es 120 Jahre dauern musste, ehe diese für die Öffentlichkeit gedachten Aufzeichnungen auch an die Öffentlichkeit gelangen - oder übersehe ich da was?
 
erstaunlich, dass es 120 Jahre dauern musste, ehe diese für die Öffentlichkeit gedachten Aufzeichnungen auch an die Öffentlichkeit gelangen - oder übersehe ich da was?
Aus dem von El Quichote zitierten Artikel: “'Nach seiner Rückkehr aus Afrika hat Lothar von Trotha vier Exemplare des Fotoalbums angefertigt und sozusagen an die damaligen Influencer verschickt', erzählt Andreas Eckl." Er sagt auch, dass die Entzifferung der Tagebücher eine Herausforderung war, denn Trotha schrieb auf Reisen auch zu Pferd...
 
erstaunlich, dass es 120 Jahre dauern musste, ehe diese für die Öffentlichkeit gedachten Aufzeichnungen auch an die Öffentlichkeit gelangen - oder übersehe ich da was?
Stell dir mal vor, du hast nur handschriftliche Aufzeichnungen, die du selbst kaum noch entziffern kannst....
Goebbels wollte seine Tagebücher (die ja streng genommen im engeren Sinne der Gattung keine sind) ja auch veröffentlichen und hat daran professionell gearbeitet - gut da hat die Veröffentlichung dann einige Jahrzehnte gedauert, weil er sie nach dem "Endsieg" veröffentlichen wollte... Allerdings war bei Goebbels die Lektüre nicht so schwierig, da er sie ja sogar auf Glasplatten übertragen ließ.
 
Stell dir mal vor, du
liest das:
(...)“Nach seiner Rückkehr aus Afrika hat Lothar von Trotha vier Exemplare des Fotoalbums angefertigt und sozusagen an die damaligen Influencer verschickt”, erzählt Andreas Eckl.(...)
und ein paar Zeilen darunter dann das:
(...)Tagebücher und Fotoalbum waren für den Oberkommandierenden nicht ausschließlich persönliche Erinnerungsstücke, sondern für die Öffentlichkeit gedacht, insbesondere das Fotoalbum.“Lothar von Trotha erzählt darin seine eigene Geschichte des Krieges”, so Eckl. Denn nach seiner Rückkehr aus Afrika war er kein gefeierter Held. Es gab durchaus Kritik an seiner Kriegsführung. Seine Schriften und mehr noch seine Bilder waren Trothas Versuch, dieser Kritik entgegenzuwirken.
Seine Tagebücher, die er doch explizit publizieren wollte, um Kritik entgegenzuwirken, hat er offenbar dann doch nicht publiziert, von seinen Fotoalben nur vier Exemplare verteilt (publiziert waren die offenbar nie) - stell dir vor, du liest das: hättest du dann nicht auch den Eindruck, dass es dem Herrn Trotha nicht sonderlich dringlich war mit der Publikation dieser für die Öffentlichkeit gedachten Schriften? Oder hat er stattdessen anderes publiziert, um sein Image zu polieren? (ich weiß es nicht)
 
Seine Tagebücher, die er doch explizit publizieren wollte, um Kritik entgegenzuwirken, hat er offenbar dann doch nicht publiziert, von seinen Fotoalben nur vier Exemplare verteilt (publiziert waren die offenbar nie) - stell dir vor, du liest das: hättest du dann nicht auch den Eindruck, dass es dem Herrn Trotha nicht sonderlich dringlich war mit der Publikation dieser für die Öffentlichkeit gedachten Schriften? Oder hat er stattdessen anderes publiziert, um sein Image zu polieren? (ich weiß es nicht)

Möglicherweise war einfach mittlerweile so viel an Information über die tatsächlichen Begebenheiten nach Deutschland durchgesickert, dass er es nicht mehr wagte eine allzu stark geschöhnte Version zu veröffentlichen, weil er wusste, dass das nur zu einem Aufschrei führen würde.
Unter der Decke halten ließen sich die Dinge jedenfalls nicht mehr.
Möglicherweise ist auch von anderer Seite auf ihn eingewirkt worden solche Versuche zu unterlassen.

Ich muss sagen, dass ich in Sachen Süd-West-Afrika und Herero-Aufstand nun bei Leibe kein Experte bin.

So weit ich weiß, war aber Trothas Vorgänger als Befehlshaber der "Schutztruppe", Theodor Leutwein, der zu Gunsten v. Trothas als militärischer Befehlshaber abgesetzt war, zunächst aber noch weiterhin als ziviler Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika fungierte, mit v. Trothas Umgang mit den Herero alles andere als einverstanden, konnte aber nichts dagegen unternehmen, da ihm der Befehl über die "Schutztruppe" entzogen war und v. Trotha ihm als Gouvereur nicht verantwortlich war, sondern dem Chef des Generalstabs v. Schlieffen und in letzter Instanz dem Oberbefehl von KW II. unterstand.
Im Falle, das v. Trotha versucht hätte tatsächlich eine extrem geschöhnte Version der Vorgänge in Umlauf zu bringen um sich selbst in ein besseres Licht zu rücken, hätte das die Gefahr mit sich gebracht, das infolge dessen Leutwein auspacken würde, zum einen um alte Rechnungen zu begleichen, zum anderen, weil er als derjenige, der als der Aufstand ausbrach auf verantwortlichem Posten saß auch unter einem gewissen Rechtfertigungsdruck stand.

Hätte sich das zu einer Auseinandersetzung v. Trotha vs Leutwein entwickelt, wären zwangsläufig auch v. Schlieffen und KW II. als diejenigen die Leutweis Absetzung und die Einengung seiner Befugnisse auf zivile Fragen zu verantworten hatten mit hineingezogen worden.

Ich kann das nicht nachweisen, kann mir aber vorstellen, dass Trotha aus solchen Gründen auf eine Veröffentlichung verzichtete.

Theodor Leutwein – Wikipedia
 
Dennoch sind die Tagebücher wohl nie veröffentlicht worden, wohingegen er sein Fotoalbum vervielfältigte, um es an mehrere einflussreiche Personen zu versenden. Tw. soll er die Tagebücher unterwegs (auf dem Pferderücken) geschrieben haben.
Sorry dass ich das nachher nochmal geschrieben habe.
 
Sorry dass ich das nachher nochmal geschrieben habe.
Naja, ich habe 16:36 de Beitrag abgeschickt. 16:41 habe ich ihn editiert. 16:50 hast du deinen Beitrag abgeschickt, also 9+n (n </= 5) Minuten, in denen du meinen Beitrag zur Kenntnis genommen, gelesen, den verlinkten Artikel gelesen und schließlich geantwortet hast. Das ist doch eine ganz normale Überschneidung.
 
hättest du dann nicht auch den Eindruck, dass es dem Herrn Trotha nicht sonderlich dringlich war mit der Publikation dieser für die Öffentlichkeit gedachten Schriften? Oder hat er stattdessen anderes publiziert, um sein Image zu polieren? (ich weiß es nicht)
Ich wäre der letzte der Prokrastination verurteilen sollte.
 
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