Warum gelang es nicht, chemische und biologische Waffen zu verbieten?

Griffel

Mitglied
Ich möchte mich mal über ein Thema unterhalten, das meines Erachtens zu Unrecht sehr stiefmütterlich behandelt wird! Im Rahmen nach dem 1. Weltkrieg, gab es ja eine Menge Versuche, Kriege künftig zu verhindern oder zumindest einzudämmen.:cool: Hierbei tat sich besonders der US-Präsident Woodrow Wilson hervor!:rolleyes: Der Mann hatte sicherlich gute Absichten, war aber seiner Zeit voraus. Aber das nur am Rande.
https://de.wikipedia.org/wiki/Woodrow_Wilson
In der Zeit vor dem 1. Weltkrieg, gab es ja erste Versuche, die Leiden und Probleme von Kriegen, wenigstens etwas im Zaum zu halten. Durch die Haager Konvention oder Haager Landkriegsordnung!
https://de.wikipedia.org/wiki/Haager_Landkriegsordnung
Aus geschichtlichem Interesse, habe ich mir mal vor längerer Zeit, sowohl die Haager Landkriegsordnung als auch die Genfer Konventionen zugelegt. Und man sich Bücher ja nicht nur als Staubfänger zulegt, habe ich natürlich darin gelesen.:p Dabei bin ich auf einen Passus gestoßen, der mich stutzig gemacht hat!? In der Haager Landkriegsordnung, heißt es recht klar, dass der Einsatz von giftigen Waffen aller Art verboten ist.

Wenn, dies also quasi verbindlich und damit gesetzlich geregelt war bzw. ist, warum konnten dann alle größeren Länder, die später am 1.WK beteiligt waren, Giftgas herstellen und einsetzen? Und selbst wenn, man damals Gas als Waffe ausgenommen hat bzw. nicht als Waffe anerkannt hat, warum wurde dann nach dem Krieg Wilsons Vorschlag zum Verbot nicht umgesetzt?:eek: Was die "Auswirkungen" dieser neuen Waffen anging, dürften ja bei keiner der größeren Kriegsparteien nach dem Krieg noch irgendwelche Illusionen bestanden haben. Somit hätte es doch sicherlich eine Möglichkeit gegeben, dieses Verbot durchzubringen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es in Europa und dem Rest der Welt Leute gab, die ernsthaft gesagt haben:
"Nein! Wir brauchen Giftgas, lasst es uns behalten."

Ähnlich dürfte es sich mit biologischen Waffen verhalten haben. Es gab, glaube ich, 1928 schon einmal einen Anlauf, die Produktion und Nutzung solcher Waffen, zu verbieten. Bei dem SCHRECKEN, welcher dieser Krieg angeblich, bei allen Völkern ausgelöst hat, hätte es dafür bei den Menschen doch sicherlich eine Mehrheit gegeben.

Man kann natürlich anführen, dass der Mensch aus seinen Fehlern nichts lernt.
 
Die Anwendung von chemischen Waffen wurde 1925 im Genfer Protokoll verboten. Das Anwendungsverbot wurde 1928 auf bakteriologische Waffen erweitert.
Das Genfer Protokoll verbietet den Einsatz von Giftgas, nicht jedoch die Entwicklung oder Lagerung. Vermutlich wollten einige Staaten die Möglichkeit behalten einen Gegenschlag mit Giftgas durchzuführen, falls sie selbst mit Giftgas angegriffen wurden - vergleichbar mit dem "atomaren Gleichgewicht des Schreckens".

Italien hat aber als Erstunterzeichner in Äthiopien und Libyen dennoch Giftgas eingesetzt. Das war ein glatter Bruch des Genfer Protokolls. Nach dem 2.Weltkrieg hat Äthiopien versucht diese Kriegsverbrechen nach dem Vorbild der Nürnberger und Tokioter Prozesse aufarbeiten zu lassen. Eine Strafverfolgung der verantwortlichen italienischen Militärs und Politiker wurde jedoch in der Nachkriegszeit von Italien verhindert.
 
Wenn, dies also quasi verbindlich und damit gesetzlich geregelt war bzw. ist, warum konnten dann alle größeren Länder, die später am 1.WK beteiligt waren, Giftgas herstellen und einsetzen?
Den Einsatz von chemischen Kampfstoffen zur Gaskriegsführung rechtfertigten die Konfliktparteien durch entsprechende Interpretationen der in Art. 23 der Haager Landkriegsordnung enthaltenen Verbote. So würde das Verbot von giftigen Substanzen in Art. 23a nach dieser Sichtweise nicht für Geschosse gelten, die Gift freisetzten, sondern nur für das Vergiften beispielsweise von Wasser, Lebensmitteln oder Böden. Dem in Art. 23e formulierten Verbot von Waffen, Geschossen oder Stoffen, die unnötige Leiden verursachen, wurde die Notwendigkeit chemischer Kampfstoffe zur Erlangung von potentiellen militärischen Vorteilen entgegengehalten.
zitiert aus dem von dir verlinkten Wikipedia-Artikel:
 
Und selbst wenn, man damals Gas als Waffe ausgenommen hat bzw. nicht als Waffe anerkannt hat, warum wurde dann nach dem Krieg Wilsons Vorschlag zum Verbot nicht umgesetzt?:eek:
Es wurde de facto umgesetzt.
Was meinst du wie der 2. Weltkrieg in weiten Teilen Europas ausgesehen hätte, wäre der Luftkrieg unter Einsatz von Giftgas geführt worden, dass jeden Bunker zur Todesfalle hätte werden lassen?
Davor sind selbst Hitler und Konsorten zurückgeschreckt.

Ansonsten schlitterten die Parteien im 1. Weltkrieg da mehr oder weniger hinein. Der ursprüngliche Gedanke war der Einsatz von Reizgas um feindliche Stellungen möglichst unblutig erobern zu können.
Da ging es zunächst nicht um massenhaftes Töten, das entwickelte sich erst im Kriegsverlauf.

So lange da Stoffe verwendet wurden, die keine/kaum ernsthafte bleibende Schäden hinterließen, konnte man sich ja trefflich darüber streiten, ob das "Gift" im klassischen Sinne sei.


Sehen wir heute alles etwas anders, aber das vor allem auch, weil wir das Ende kennen und wissen, wohin das geführt hat und das es eben nicht bei vergleichbar wenig tödlichen Stoffen (oder solchen, die kaum dauerhafte Schäden hinterlassen) geblieben ist.

Es ist heute natürlich zurecht verboten, nach dem man diese Erfahrungen hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich meine ja nur, dass diese Vorschläge, die damals gemacht wurden, sehr vernünftig waren!:) Und insbesondere die Schäden und Verletzungen, welche die verschiedenen Giftgase verursacht haben, sollten eigentlich abschreckend genug sein. Nachdem 1. Weltkrieg, gab es ja den weitverbreiteten Wunsch, Kriege möglichst auszuschließen. Daher wäre es doch logisch gewesen, das von Wilson geforderte Verbot, rasch umzusetzen.

Leider brauchte es noch einen Weltkrieg und den Kalten Krieg, um diese an sich logische Konsequenz zu ziehen! Wobei man hier natürlich einschränken muss, dass durch die Entwicklung der Kernwaffen, chemische und biologische Waffen, "relativ harmlos" wirken im Vergleich dazu! Was natürlich vollkommener Quatsch ist. Seinerzeit, hat man damit eine große Chance verpasst, etwas für die Menschheit zu tun!:( Aber so ist das nun einmal. Man wird nur aus Schaden klug.
 
Ich möchte mich mal über ein Thema unterhalten, das meines Erachtens zu Unrecht sehr stiefmütterlich behandelt wird! Im Rahmen nach dem 1. Weltkrieg, gab es ja eine Menge Versuche, Kriege künftig zu verhindern oder zumindest einzudämmen.:cool: Hierbei tat sich besonders der US-Präsident Woodrow Wilson hervor!:rolleyes: Der Mann hatte sicherlich gute Absichten, war aber seiner Zeit voraus. Aber das nur am Rande.
https://de.wikipedia.org/wiki/Woodrow_Wilson
In der Zeit vor dem 1. Weltkrieg, gab es ja erste Versuche, die Leiden und Probleme von Kriegen, wenigstens etwas im Zaum zu halten. Durch die Haager Konvention oder Haager Landkriegsordnung!
https://de.wikipedia.org/wiki/Haager_Landkriegsordnung
Aus geschichtlichem Interesse, habe ich mir mal vor längerer Zeit, sowohl die Haager Landkriegsordnung als auch die Genfer Konventionen zugelegt. Und man sich Bücher ja nicht nur als Staubfänger zulegt, habe ich natürlich darin gelesen.:p Dabei bin ich auf einen Passus gestoßen, der mich stutzig gemacht hat!? In der Haager Landkriegsordnung, heißt es recht klar, dass der Einsatz von giftigen Waffen aller Art verboten ist.

Wenn, dies also quasi verbindlich und damit gesetzlich geregelt war bzw. ist, warum konnten dann alle größeren Länder, die später am 1.WK beteiligt waren, Giftgas herstellen und einsetzen? Und selbst wenn, man damals Gas als Waffe ausgenommen hat bzw. nicht als Waffe anerkannt hat, warum wurde dann nach dem Krieg Wilsons Vorschlag zum Verbot nicht umgesetzt?:eek: Was die "Auswirkungen" dieser neuen Waffen anging, dürften ja bei keiner der größeren Kriegsparteien nach dem Krieg noch irgendwelche Illusionen bestanden haben. Somit hätte es doch sicherlich eine Möglichkeit gegeben, dieses Verbot durchzubringen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es in Europa und dem Rest der Welt Leute gab, die ernsthaft gesagt haben:
"Nein! Wir brauchen Giftgas, lasst es uns behalten."

Ähnlich dürfte es sich mit biologischen Waffen verhalten haben. Es gab, glaube ich, 1928 schon einmal einen Anlauf, die Produktion und Nutzung solcher Waffen, zu verbieten. Bei dem SCHRECKEN, welcher dieser Krieg angeblich, bei allen Völkern ausgelöst hat, hätte es dafür bei den Menschen doch sicherlich eine Mehrheit gegeben.

Man kann natürlich anführen, dass der Mensch aus seinen Fehlern nichts lernt.

Die Entwicklung von Giftgas wurde in Deutschland vor allem von Fritz Haber forciert, der sich durch nichts, nicht einmal den Suizid seiner Frau davon abbringen ließ. Das Haber-Bosch Verfahren hatte das Reich unabhängig von Chile-Salpeter gemacht. Es hatte Einsätze von Tränengas bereits vor dem Weltkrieg bei der Pariser Polizei gegeben, und die Franzosen hatten 1914 mal einen Versuch damit an der Westfront gegeben. Fritz Haber hatte die Militärführung unmissverständlich wissen lassen, dass man nichts von "Niesmitteln" wissen wollte und eine tödliche Waffe verlangte. Fritz Haber hatte daraufhin Chlorgas hergestellt, das abgeblasen werden musste.

Man hatte im Winter mal einen Versuch mit Chlorgas an der Ostfront gemacht, doch wegen der Kälte hatte das Gas unzureichend gewirkt.

Fritz Haber war fest davon überzeugt, dass ein Wissenschaftler im Frieden der Menschheit, im Krieg aber dem Vaterland verpflichtet ist. Er sah die Todesopfer, die der Giftgas-Einsatz hervorrufen musste, als Kollateralschäden. Einige Soldaten würden vergast und gaskrank werden, das Giftgas würde aber wieder den Bewegungskrieg möglich machen, konnte vielleicht den Krieg verkürzen und war so gesehen, ein unterm Strich humanes Mittel, den Krieg zu beenden und verkürzen.

Im April 1915 bei Ypern kam es zu einem relativ großen Erfolg. Innerhalb von 20 Minuten eroberten die Deutschen Langemarck. Zahlreiche kanadische und französische Soldaten wurden getötet, das Gelände konnte ohne nennenswerten Widerstand besetzt werden. Der Gasangriff brachte aber nur einen Teilerfolg- ein Durchbruch konnte nicht erreicht werden, und Giftgas machte den Krieg nur noch brutaler. Es wurden im Laufe 1915-1917 Schutzmasken entwickelt, die Verluste einschränkten. Es wurden nur wenige Soldaten getötet, aber viele wurden gaskrank, litten an Spätfolgen. Die Masken schützten gegen den Tod, aber etwas Gas bekam man immer ab auch mit Maske. Die Masken verursachten Atemnot und Beklemmung. Giftgas war eine Waffe, der Soldaten beider Seiten ausgeliefert waren.

Trotz des Erfolges gab es auch bei den Deutschen kritische Stimmen. Ein Arzt sagte sinngemäß: "Man wird sich über uns ereifern und mokieren, und dann wird man uns kopieren." Genau das passierte auch. 1915 antworteten die Briten mit einem Gasangriff bei Loos. Die Franzosen experimentierten mit Phosgen, und die Deutschen folgten mit "Grünkreuz" ebenfalls ein Phosgengas. Bei Fleury nahe Verdun verschossen die Deutschen erstmals Gasgranaten mit Grünkreuz. Die Gasgranaten waren mit einem grünen Kreuz gekennzeichnet. Es wurden aber nur wenige Franzosen getötet dank der neuen Gasmasken.

Deutschland war in der chemischen Industrie führend. 1917 gab es Innovationen. In Flandern wurde erstmals der Maskenbrecher Clark (Blaukreuz) mit Phosgen (Grünkreuz) kombiniert. Blaukreuz erzeugte Erstickungsanfälle, die zum abnehmen der Gasmaske führten. Man sprach von "bunten Räumen", wenn Gelände mit Grün- und Blaukreuz vergast wurde. Blaukreuz und Grünkreuz waren eher für den Angriff, Gelbkreuz, Yprit oder Lost genannt, roch wie Senföl, wurde daher Senfgas genannt. Es verätzte die Haut, führte zu Erblindungen und hielt sich lange im Gelände. In Flandern wurde es 1917 erstmals eingesetzt. Diesmal verloren die Briten innerhalb weniger Tage eine ganze Division 13.000 Mann an Toten und Gaskranken.

Giftgas Blau und Grünkreuz trug auch zum Erfolg des Wunders von Karfreit/Caporetto bei. Die Italiener hatten keine effektiven Schutzmasken und hatten riesige Verluste.


Giftgas ließ sich sehr leicht aus Abfallprodukten der chemischen Industrie herstellen. Die Herstellungskosten sind minimal, der Aufwand gering, die Anforderungen an Know How ebenfalls. Giftgas ist sozusagen die Atombombe des kleinen Mannes. Man braucht keine Atomphysiker, jeder Chemielaborant kann Giftgas herstellen. Das --Ausgeliefertsein beschränkte die Anwendung der Waffe. Bei einem Bewegungskrieg ist Giftgas gefährlich für die eigene Truppe, und es provoziert natürlich Gegenschläge, denn der Gegner braucht ja auch keine Atomphysiker, um Giftgas herzustellen. Das beschränkte nach dem 1. Weltkrieg die Anwendung von Giftgas. Selbst Hitler, der mal in Flandern mit Gelbkreuz vergiftet wurde, schreckte vor dem Einsatz als Kriegswaffe zurück.

Andererseits sind Giftgase Massenvernichtungswaffen, die sehr leicht und sehr einfach hergestellt werden können und mit denen sich industrieller Massenmord durchführen lässt, bei minimaler psychischer Belastung der Täter.
Giftgas ist effizient, billig und schrecklich- die Frage, weshalb es nicht gelang und nicht gelingt, Giftgas zu verbieten, kann man sich eigentlich leicht selbst beantworten: Es ist zu einfach, es herzustellen, es ist zu effektiv, zu schrecklich und zu billig herzustellen, als dass es je gelingt, eine solche Waffe aus den Arsenalen zu verbannen!
 
Ich musste an ein Gedicht "Dulce et decorum" von Wilfried Owen, in dem er den Beschuss durch Gasgranaten beschreibt:

Ich füge die Übersetzung bei:

...Gas, Gas! schnell Jungs- eine ekstatische Fummelei
um die plumpen Helme rechtzeitig aufzusetzen.
Aber jemand schrie da noch und taumelte
und zappelte wie ein von Feuer oder Löschkalk Verbrannter
Undeutlich und durch die beschlagene Scheibe und trübes grünes licht
Wie in einem grünen Meer sah ich ihn ertrinken.

...wenn du hören könntest wie bei jedem Stoß das Blut
Gurgelnd aus seinen schaumgefüllten Lungen läuft;
Ekelerregend wie der Krebs bitter wie das Wiederkäuen
Von Auswurf unheilbar auf unschuldigen Zungen,
Mein Freund, du erzähltest nicht mit so großer Lust
Kindern die nach einem verzweifelten Ruhmesglanz dürsten
Nicht die alte Lüge Dulce et decorum est pro Patria mori

Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben.
 
Giftgas ist effizient, billig und schrecklich- die Frage, weshalb es nicht gelang und nicht gelingt, Giftgas zu verbieten, kann man sich eigentlich leicht selbst beantworten: Es ist zu einfach, es herzustellen, es ist zu effektiv, zu schrecklich und zu billig herzustellen, als dass es je gelingt, eine solche Waffe aus den Arsenalen zu verbannen!
Anders formuliert: etwas zu verbieten und unter Strafe zu stellen, ist machbar - ob sich dann alle daran halten, steht auf einem anderen Blatt...
 
Die Entwicklung von Giftgas wurde in Deutschland vor allem von Fritz Haber forciert, der sich durch nichts, nicht einmal den Suizid seiner Frau davon abbringen ließ.

Clara Immerwahr, die Frau von Fritz Haber, die erste promovierte Chemikerin der Uni Breslau, verstand das Tun ihres Mannes sehr genau. War die Ehe ohnehin nicht besonders glücklich, so war sie geradezu entsetzt als sie sehen musste zu was ihr Gatte fähig war.

Am 22. April 1915 gelingt ein erfolgreicher Giftgasangriff bei Ypern. Allein die Franzosen werden Verluste von 18.000 Soldaten verzeichnen. Engländer sind auch betroffen und auch deutsche Soldaten sterben, weil sie zu früh in die Todeszone vorrücken. Sozusagen im „friendly fire“.

Dem Fritz Haber wird applaudiert und er kehrt zum Hauptmann befördert nach Berlin zurück.
Dies wird im Hause Haber am 1. Mai 1915 gefeiert und der Fritz glänzt in seiner neuen Uniform im Ruhm.
Als nun alle Gäste aufgebrochen nimmt der Fritz ein Schlafmittel und geht ins Bett.
Die Clara wird noch stundenlang sitzen und Abschiedsbriefe schreiben. Dann nimmt sie eine Pistole und feuert 2 Schüsse ab. Der erste ist ein Probeschuss in die Luft, den zweiten richtet sie auf ihr Herz.
Der Sohn Hermann hört das und weckt den Vater. Clara wird zwei Stunden später in der Nachthälfte des 2. Mai sterben .
Und Fritz Haber eilt noch am gleichen Tag wieder an die Front.

Ich beziehe mich auf - Gerit von Leitner – Der Fall Clara Immerwahr – 1993 C .H. Beck

Am 7. Mai zeigen Vater Fritz („zur Zeit im Felde“) und Sohn Hermann in der Vossischen Zeitung an, dass Clara Haber, geborene Immerwahr, am 2. Mai „plötzlich verstorben“ sei, und die Einäscherung bereits „in aller Stille“ stattgefunden habe.
https://dfg-viewer.de/show?tx_dlf[double]=0&tx_dlf[id]=https://content.staatsbibliothek-berlin.de/zefys/SNP27112366-19150507-0-0-0-0.xml&tx_dlf[page]=16&cHash=497bee7c593cc4c058bf64df5f45811a
 
Die ersten Gasmasken waren äußerst unzuverlässig und unsicher, oft nicht viel mehr als simple Mundschutzbinden oder mit Chemikalien imprägnierte Kapuzen. Einige Frontberichte berichten, dass Soldaten auf Stofffetzen urinierten und solche improvisatorischen Mittel sollen vereinzelt sogar geholfen haben. Bei höherer Gaskonzentration war das völlig wirkungslos. Das Blasverfahren war sehr stark wetterabhängig gewesen, Gasgranaten aber konnten sehr plötzlich einschlagen-Senfgasgranaten waren heimtückisch. Senfgas hielt sich noch im Gelände, in einzelnen Trichtern oder Unterständen, wenn schon wieder entwarnt war-oft wurden unerfahrene junge Soldaten gaskrank. Bei niedrigen Temperaturen kristallisierte Gelbkreuz, Soldaten schleppten es als Anhaftungen in ihre Unterstände, wo es bei höher Temperatur wieder gasförmig wurde. Schon kurzer Kontakt, wenige Atemzüge konnten irreparable Schäden verursachen, die freilich oft nach Jahren sich auswirkten.

Nicht die Maske abzunehmen, erforderte auch ohne dass Maskenbrecher verschossen wurden große Disziplin. Die Atmung war äußerst erschwert, die Lungen wollten sich mit Sauerstoff vollpumpen, man durfte aber nur durch die Maske atmen. Die Gläser beschlugen. Giftgas war eine Waffe, der man sich sehr ausgeliefert wurde, selbst wenn die Masken verbessert wurden.

Grundsätzlich haben die Erfahrungen des 1. Weltkriegs schon dazu geführt, dass versucht wurde, die Waffe zu ächten und die Erfahrungen aus dem Weltkrieg führten dazu, dass in späteren Konflikten eine Hemmung vorhanden war, Giftgas einzusetzen. Aus den genannten Gründen hat es aber nie dazu geführt, Gas zu verbieten-
 
Clara Immerwahr, die Frau von Fritz Haber, die erste promovierte Chemikerin der Uni Breslau, verstand das Tun ihres Mannes sehr genau. War die Ehe ohnehin nicht besonders glücklich, so war sie geradezu entsetzt als sie sehen musste zu was ihr Gatte fähig war.

Am 22. April 1915 gelingt ein erfolgreicher Giftgasangriff bei Ypern. Allein die Franzosen werden Verluste von 18.000 Soldaten verzeichnen. Engländer sind auch betroffen und auch deutsche Soldaten sterben, weil sie zu früh in die Todeszone vorrücken. Sozusagen im „friendly fire“.

Dem Fritz Haber wird applaudiert und er kehrt zum Hauptmann befördert nach Berlin zurück.
Dies wird im Hause Haber am 1. Mai 1915 gefeiert und der Fritz glänzt in seiner neuen Uniform im Ruhm.
Als nun alle Gäste aufgebrochen nimmt der Fritz ein Schlafmittel und geht ins Bett.
Die Clara wird noch stundenlang sitzen und Abschiedsbriefe schreiben. Dann nimmt sie eine Pistole und feuert 2 Schüsse ab. Der erste ist ein Probeschuss in die Luft, den zweiten richtet sie auf ihr Herz.
Der Sohn Hermann hört das und weckt den Vater. Clara wird zwei Stunden später in der Nachthälfte des 2. Mai sterben .
Und Fritz Haber eilt noch am gleichen Tag wieder an die Front.

Ich beziehe mich auf - Gerit von Leitner – Der Fall Clara Immerwahr – 1993 C .H. Beck

Am 7. Mai zeigen Vater Fritz („zur Zeit im Felde“) und Sohn Hermann in der Vossischen Zeitung an, dass Clara Haber, geborene Immerwahr, am 2. Mai „plötzlich verstorben“ sei, und die Einäscherung bereits „in aller Stille“ stattgefunden habe.
https://dfg-viewer.de/show?tx_dlf[double]=0&tx_dlf[id]=https://content.staatsbibliothek-berlin.de/zefys/SNP27112366-19150507-0-0-0-0.xml&tx_dlf[page]=16&cHash=497bee7c593cc4c058bf64df5f45811a

Hinzuweisen ist darauf, das ja nicht nur deutsche Wissenschaftler an den verschiedenen chemischen Kampfmitteln forschten. Sowohl Briten als auch Franzosen experimentierten zu Beginn des Jahrhunderts, ungeachtet der Tatsache das der Einsatz von chemischen Kampfstoffen gemäß der Haager Konferenz von 1899 verboten war, Giftgasen.
 
Giftgas und Wissenschaft

Es gibt ja Figuren in der Geschichte, die immer wieder auftauchen. (Der Beispiele könnte man viele nennen.)
Der Fritz Haber erhält noch im letzten Kriegsjahr den Nobelpreis in Chemie. 1933 flüchtet er vor den Nazis und stirbt alsbald.
Es sind wohl noch andere künftige Nobelpreisträger beteiligt am ersten Einsatz von Giftgas 1915.
Otto Hahn etwa, der sich, nachdem ihm die Realität der Atombombe zur Kenntnis gelangt, mit der gnädigen Hilfe seiner britischen Bewacher vom 6. auf den 7. August 1945 in Farm Hall fassungslos betrinken wird,
und auch James Franck.
Der Soldat an der Westfront - Der Einsatz von Giftgas
James Franck wird zwei Monate vor dem moralischen Zusammenbruch des Otto Hahn eine wissenschaftliche Gruppe Manhattan Project leiten, die versucht den Einsatz der Atombombe zu verhindern.

Mei, wie klein ist doch manchmal die Welt.
 
Ich kann nur wiederholen, dass diese Anregung, sicherlich nicht schlecht für die Menschheit gewesen ist! Es tut mir nur leid, dass man dieses Ziel erst so spät erreicht hat.:( Auf allen an Krieg beteiligten Seiten, gab es sicherlich genug "Beispiele", welche Wirkung, Giftgase haben! Insbesondere, die Angehörigen von Gasopfern, hätten sicherlich nichts gegen ein Verbot gehabt. Aus diesem Kreis, hätte man sicherlich die meisten Unterstützter, für ein staatliches und überstaatliches Verbot von diesen Waffen gewinnen können. Es sollte damals nicht sein.
 
Immerhin haben die Erfahrungen des 1. Weltkriegs dazu geführt, dass man in späteren Konflikten auf den Einsatz von Giftgas verzichtete. Nie wieder ist in späteren Kriegen so selbstverständlich von Giftgas Gebrauch gemacht worden wie im Ersten Weltkrieg.

Das geschah natürlich nicht oder nicht nur aus ethisch-humanen Gründen. Giftgas ist auch für die eigenen Truppen nicht ungefährlich. Im Bewegungskrieg war Gas relativ ineffektiv, und weil es leicht herzustellen war, forderte ein Gas-Einsatz unweigerlich einen Gegenschlag der Gegenseite heraus, und dem wollte man sich nicht aussetzen.

Grünkreuz, Blaukreuz, Buntkreuz, Blasverfahren, "bunte Räume" das hat sich in späteren Kriegen nicht wiederholt. Nie wieder seitdem hat es einen Krieg gegeben, in dem so selbstverständlich von Giftgas Gebrauch gemacht wurde.
Im 1. Weltkrieg gab es keine Waffe, die zu niederträchtig war. Das Übelste und Gemeinste war gerade schlecht genug, um den Feind zu vernichten-dem man im Übrigen in der Kriegspropaganda das Menschsein absprach. Auch Demokratien kannten keine Skrupel, solche Waffen anzuwenden, kaum eine Gruppe, die sich diesen Exzessen des Hasses verweigert hätten.

Es hat sich auch in keinen späteren Kriegen mehr ein Wissenschaftler so in die Tasche gelogen wie im 1. Weltkrieg. Niemand war mehr so zynisch oder so naiv, dass er allen Ernstes glauben konnte, etwas Gutes dem Vaterland zu tun, wenn er Massenvernichtungswaffen schuf.

Auch Fritz Haber war am Ende klar, dass er eine Büchse der Pandora öffnete, dass er etwas tat was er besser gelassen hätte. Von den Vätern der Atombombe hofften die meisten, dass sie nie gezwungen wären, sie zu benutzen.

Einen "unbeschränkten Gaskrieg" wie im 1. Weltkrieg hat es seitdem nicht mehr gegeben. Selbst Hitler schreckte vor einem Gaskrieg zurück.

Als Kriegswaffe wurde Giftgas seitdem nicht oder nur selten mehr angewendet, als Mittel für Massenvernichtung und Massenmord blieb es erhalten. Mussolini setzte Giftgas in Abessinien ein und Saddam Hussein gegen Kurden.
In Mein Kampf schrieb Hitler an einer Stelle man sollte hebräische Volksverderber unter Giftgas halten.

Mit Unternehmen Barbarossa begann auch der Holocaust. Als die Wannseekonferenz stattfand, hatten Einsatzgruppen bereits ca. 1 Millionen Juden umgebracht. Die Erschießungen waren zu belastend für die Täter, es kam zu Selbstmorden, Nervenzusammenbrüchen. Die Ermordung musste effizienter und "humaner" werden-humaner für die Täter. Arthur Nebe erzählte Kollegen, dass er im Suff sich beinahe selbst mit Autoabgasen vergiftet hätte. Wirth empfahl Kohlenmonoxid, Rudolf Höß, Kommandant von Auschwitz, auf Zyklon B. Das war ein Schädlingsbekämpfungsmittel, Kleidungsstücke wurden damit desinfiziert. Mehr zufällig entdeckte einer von Höß "Mitarbeitern", dass Zyklon B auch geeignet ist, Menschen umzubringen. Das Mittel wurde in Dosen mit Pellets geliefert. Öffnete man die Dose, verdampften die Kristalle.

Auschwitz und Treblinka wurden zu Mordfabriken ausgebaut, an einem Vormittag ließ sich eine ganze Kleinstadt vernichten.
 
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