Ist Deutschlands Blick auf Osteuropa "kolonial"? (Zitat Timothy Synder)

Kolonial ist die deutsche Sichtweise auf die Ukraine doch allein schon wenn sie Russland als Hegemonialmacht betrachtet, der man "legitime Interessen" zugesteht, die das Völkerrecht verletzen.
Wer das tut, denkt ganz sicher kolonial, stellt sich auf die Seite derer die andere kolonial beherrschen wollen.
 
Kolonial ist die deutsche Sichtweise auf die Ukraine doch allein schon wenn sie Russland als Hegemonialmacht betrachtet, der man "legitime Interessen" zugesteht, die das Völkerrecht verletzen.
Wer das tut, denkt ganz sicher kolonial, stellt sich auf die Seite derer die andere kolonial beherrschen wollen.
Und wer macht das in Deutschland? Doch allenfalls nur eine verschwindend kleine Minderheit.
 
Interessante Beiträge bisher. Einige allgemeine Gedanken (ohne direkte Zitate, weil sie regelmäßig von mehreren Personen angesprochen wurden):

Auf die Gefahr hin, in die Niederungen der Tagespolitik abzugleiten: Ich halte es für unstrittig, dass in Deutschland eine paternalistische Betrachtungsweise den Ton angibt, fraglich war für mich nur, was von Snyders Kernaussage zu halten ist, dass Berlin sozusagen Hitlers koloniale Brille noch nicht abgesetzt habe.

Diese Sichtweite scheint auch durchaus verbreitet, wie mehrere Umfragen der letzten Monate nahelegen, in denen regelmäßig bis zu vierzig Prozent der Befragten gegen Militärhilfe für die Ukraine plädierten, und/oder der Regierung in Kiew eine Mitschuld gaben, und/oder eine Verhandlungslösung forderten.

(Anmerkung: In Anbetracht der verbrieften Äußerungen der russischen Regierung, warum sie die Ukraine angegriffen hat und was sie dort zu tun gedenkt, behaupte ich, dass man die Aufforderung, eine Verhandlungslösung anzustreben, nur als politisches Statement wider die Sache der Ukraine werten kann.)

Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass der offene Brief Alice Schwarzers eine Minderheitenmeinung repräsentiere, so kann sie dennoch den Diskurs bestimmen und Politik prägen (sonst würden sich Prominente schwerlich politisch engagieren). Insofern sehe ich Snyders Theorie noch nicht widerlegt.

Insgesamt würde ich meinen, dass pro-russische und anti-ukrainische Positionen in Ostdeutschland und im linken Flügel der SPD mehrheitsfähig sind, sowie unter Anhängern von Die Linke und AfD die absolute Mehrheit bilden. In jedem Falle handelt es sich um eine politisch bedeutsame Wählermasse.

Zu konstatieren ist auch, dass die deutsche Bundesregierung keineswegs alle Maßnahmen ergreift, die sie ergreifen könnte und die Deutschlands Partner von ihr einfordern. Führende Parlamentarier der Koalition, wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann, widersprechen dem Bundeskanzler hier in eindeutiger Schärfe.

Es lassen sich mehrere Erklärungsansätze dazu entwickeln.

Erstens, Snyders koloniale Brille. Ich halte seine Erklärung für insgesamt überzeugend, zögere aber, mich ihr anzuschließen, weil sie zwar die Haltung der Entscheidungsträger des Landes erklärt, aber womöglich nicht die der Bevölkerung. Waren Hitlers koloniale Absichten im Dritten Reich allgemein verinnerlicht?

Ich bin zwar kein ein Experte für die NS-Zeit, wage aber zu behaupten, dass die Deutschen Hitler gefolgt wären, ganz gleich, was er ausgeheckt hätte. Die Losung vom "Lebensraum im Osten" scheint mir eher diffus, und zumindest im allgemeinen Sprachgebrauch der Zeit nicht gegen die Ukraine per se gerichtet.

Dann steht die Frage im Raum, ob der Durchschnittsdeutsche im Weltkrieg, und danach bis 1991, die Ukraine als eigenständige Entität wahrnahm. Ich zweifle daran, denn so würde die Verwunderung erklärt, die Kiews Aussage auslöste, Deutschland habe wegen seines Angriffs auf die Ukraine eine Bringschuld.

Denn anders als etwa die Japaner zögern viele Deutsche ja nicht, sich anderen Staaten gegenüber zur historischen Verantwortung Deutschlands zu bekennen. Warum also sollten sie die Ukraine ausnehmen?

Freilich sehe ich, dass diese Diskrepanz nahelegt, dass Snyder Recht hat. Bereits daraus, dass die ukrainische Regierung eine (im Innern unwidersprochene) derartige Position einnimmt, sollte doch erhellen, dass sie der Wahrnehmung der Ukrainer ihrer eigenen Geschichte Ausdruck verleiht.

Demnach würden wir wirklich an einem blinden Fleck leiden.

Welche Erklärungsansätze gäbe es noch?

Recht simpel ist, zweitens, mein Vorschlag, dass die langen Jahre, in der der Ukraine die Eigenstaatlichkeit verwehrt blieb, unbewusst den Eindruck erzeugt haben, dass es sich um keine "richtige" Nation handele. Allerdings bliebe damit offen, warum nur die Deutschen diesem Irrtum aufgesessen wären.

Drittens existiert unter vielen Ostdeutschen, Spätaussiedlern und, natürlich, russischen Immigranten ganz einfach eine starke Russland-Affinität. (Dieses Wählerreservoir will nicht vergrätzt werden.)

Viertens herrscht in Deutschland eine starke pazifistische Grundhaltung vor.

(Ich persönlich würde diesen Pazifismus zwar in Anführungszeichen setzen, denn ich habe nie auf Ostermarsch-Plakaten die Forderung gelesen, die Nordvietnamesen möchten sich den Amerikanern ergeben, oder die Palästinenser den Israelis, um "weiteres Blutvergießen" und eine "Eskalation" zu vermeiden.

Insofern handelt es sich vielleicht eher um moralisch bemäntelten Anti-Imperialismus und Isolationismus, eine biedermeiereske Neigung zur Nichteinmischung, eine sich als nobel gerierende Ausprägung der deutschen Tendenz zum Wegsehen. Aber natürlich kann ich mich auch irren.)

Fünftens und zuletzt gibt es im links- und rechtspopulistischen Milieu starke Sympathien für die Person Wladimir Putins, für die erzkonservativen Werte der russischen Gesellschaft, für die Rolle Russlands als Gegengewicht zu den USA, und natürlich eine nostalgische Sympathie für die untergegangene UdSSR.

All dies dürfte die Haltung der Gesellschaft, und damit die der Bundesregierung, ebenfalls beeinflussen.
Bitte max. 20 % </= 12 Seiten.
Also, aus einem Buch kannst du bist zu 12 Seiten wiedergeben, wenn diese 12 Seiten nicht 20 % der Textmasse überschreiten. Aus kürzeren Textformaten - also z.B. einem Zeitungsartikel - Max. 20 %.
Verstanden.
"Ist Deutschlands Blick auf Osteuropa "kolonial"? (Zitat Timothy Synder)"

@-muck- , das ist schon eine sehr verunglückte Überschrift. Was ist den nun ein Zitat Snyders? Nur "kolonial"?
Das äußere Paar Anführungszeichen stammt nicht von mir, soweit ich das sehen kann. Zur Diskussion gestellt habe ich das Adjektiv "kolonial". Den Bezug zum Autor habe ich nur deshalb schon in der Überschrift hergestellt, damit unverkennbar wird, wohin die Reise geht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Denn anders als etwa die Japaner zögern viele Deutsche ja nicht, sich anderen Staaten gegenüber zur historischen Verantwortung Deutschlands zu bekennen. Warum also sollten sie die Ukraine ausnehmen?
Die Frage ist aber, was bedeutet Verantwortung?

Ich würde für meinen Teil meinen, dass die Vorstellung jenseits einvernehmlich geschlossener Verträge für irgendwen oder irgendwas verantwortlich zu sein, bereits inhärent eine paternalistische Vorstellung von der eigenen Position voraussetzt.
Verantwortlich ist man doch in der Regel für Leute zu denen man in einem näheren Verhältnis steht und die die Verantwortung für sich selbst nicht wahrnehmen können, oder aber im Hinblick auf Obliegenheiten auf die bezogen man Handlungsermächtigungen irgendeiner Art besitzt.

Deswegen finde ich den Begriff "Verantwortung" an und für sich schon difficil, wenn man einerseits eine paternalistische Haltung beklagt, andererseits aber Verantwortung oder verantwortliches Handeln einfordert ohne das vertraglich fixierte Schuldigkeiten bestehen würden.

Ich denke dass (ungeachtet dessen, dass die Ukraine, schon im Rahmen des Völkerrechts Unterstützung verdient), dafür eine andere Formel gefunden werden müsse, wenn man paternalistische Vorstellungen abbauen will.
 
Deine Deutung überrascht mich. Zunächst einmal ist im vorliegenden Falle die Regierung des betroffenen Staates der Meinung, dass Deutschland eine Verantwortung habe – und wenn dieser Standpunkt ohne deutsche Beeinflussung zustande kam, kann von deutscher Bevormundung doch eigentlich keine Rede sein.

Zweitens geht es hier um eine moralische Verantwortung aufgrund historischer Geschehnisse, die also nicht paternalistisch angemaßt wird, sondern per se besteht (oder auch nicht), unabhängig davon, ob sie von Dritten gefordert bzw. von Deutschland anerkannt wird (oder auch nicht).
 
Zweitens geht es hier um eine moralische Verantwortung aufgrund historischer Geschehnisse
Nein, wenn es darum ginge, wäre die Formel unproblematisch.

Es geht nicht um die moralische Verantwortung an und für sich, sondern um die aus dieser Verantwortung resultierenden Konsequenzen.
Von ukrainischer Seite her wird diese Rhetorik ja nicht in erster Linie benutzt, um Kritik an der deutschen Selbstreflektion zu üben, sondern es wird als Argument dafür benutzt, dass man bitteschön Waffen zu liefern habe.

In diesem Moment wird aber aus der Verpflichtung der eigenen Geschichte gegenüber eine Verpflichtung Verantwortung für bestimmte Regionen oder Protégés oder einen bstimmten Zustand zu übernehmen. Damit wird ein asymetrisches Verhältnis angetragen, sofern man sich darauf einlässt.

Natürlich kann man für sich feststellen, Deutschland habe in den vergangenen Jahrhunderten in Osteuropa großes Unrecht getan und daher für diese Region und um weiteres Unheil von ihr abzuwenden eine besondere Verantwortung.
Oder für andere Regionen.
Wenn man sich auf dieses Gedankengebäude aber einlässt*, egal ob man sich das selbst so zurecht gelegt hat oder es angetragen bekommt, nimmt man damit ein implizites Verständnis als Schutzherr bestimmter Verhältnisse an.
Und die Rolle eines Schutzherren ist notwendigerweise paternalistisch.

Ich will das an dieser Stelle gar nicht bewerten ob ich das gut oder schlecht finde.
Ich stelle nur fest, dass sobald daraus historische Verantwortung gegenüber der eigenen Geschichte zu haben, ein Verantwortung übernehmen gegen irgendjemanden oder irgendwas wird, selbst wenn das erbeten ist, eine asymetrische, Beziehung entsteht.

Man kann nicht einerseits verlangen, dass ein Akteur, ganz gleich welcher das ist, sich durch bestimmtes konkretes Handeln zum Garanten bestimmter Verhältnisse zu machen, es aber andererseits kritisieren, wenn sich dieser Garant auch genau so wahrnimmt und nach diesem Rollenbild handelt, was er notwendiger Weise muss um die Rolle auszuführen.
Das wäre etwas anderes, wenn das Verhältnis auf gegenseitiger, freiwilliger, vertraglich fixierter Schuldigkeit beruhte, nur das tut es im vorliegenden Fall ja nicht.

*und ich möchte hier nicht dafür oder dagegen votieren, sondern einfach nur darlegen, was mMn zwangsläufig daraus resultierte.
 
Deiner Argumentation kann ich mich nicht anschließen, denn ich erkenne kein solches Unterordnungsverhältnis, und zwar sowohl allgemein – in der Beziehung zwischen der Partei, die Beistand fordert und der, die Beistand leistet –, als auch im konkreten Fall. Deutschland soll nicht Verantwortung für die Ukraine übernehmen, sondern für seine Geschichte, und daraus eine Politik ableiten, die ihr Rechnung trägt.

Ehrlich gesagt erschiene es mir sogar intuitiver, wenn Du der ukrainischen Regierung eine paternalistische Haltung unterstellen würdest. Immerhin ließe sich argumentieren, dass hier – fast achtzig Jahre nach dem Weltkrieg – jene, die nicht unmittelbar Opfer wurden, denen eine Bringschuld antragen, die nicht unmittelbar Täter waren, und sich durch ihre Kritik am Nichtanerkenntnis der Schuld moralische Überlegenheit anmaßen.
 
Deutschland soll nicht Verantwortung für die Ukraine übernehmen, sondern für seine Geschichte, und daraus eine Politik ableiten, die ihr Rechnung trägt.

Ja nur gibt es ja durchaus sehr verschiedene Auffassungen davon, was für eine Politik daraus abzuleiten wäre.

Teile der oben kritisierten politischen Linken leiten daraus ja z.B. einen Standpunkt ab, nachdem die logische Konsequenz so aussehen sollte, dass Deutschland auf gar keinen Fall mehr irgendwo hin Waffen exportieren sollte, weil Deutschland nie wieder irgendwas zu Kriegen beitragen oder daran verdienen sollte.

Ich darf an der Stelle sagen, dass ich diesen Standpunkt politisch für falsch halte. Ich kann doch aber denen, die ihn vertreten nicht absprechen, dass sie Lehren aus der deutschen Geschichte gezogen haben und daher für sich zu diesem Standpunkt gekommen sind.

Unsere Regierung indes durfte sich in der letzten Zeit schon wegen eines sehr viel moderateren Kurses von ukranischer Seite her einiges an scharfer Kritik anhören.

Nein, hier geht es nicht darum zu reflektieren und aus dieser Reflektion eine dementsprechende Politik abzuleiten, denn dass kann man Teilen der Kritisierten Personen und Parteiungen nun wirklich nicht absprechen, auch wenn man dem Ergebnis ihrer Überlegungen vielleicht nicht zustimmen kann.

Hier geht es vor allem um die Deutungshoheit, welches die richtigen politischen Konsequenzen daraus seien.
Und hier muss man sagen, läuft die ukrainische Position darauf hinaus Deutschland und seine Möglichkeiten als Faktor in den Raum jenseits des Bündnisgebietes einbinden zu wollen.

Ehrlich gesagt erschiene es mir sogar intuitiver, wenn Du der ukrainischen Regierung eine paternalistische Haltung unterstellen würdest.
Nein, eine paternalistische Haltung der ukrainischen Regierung sehe ich da nicht, ganz im Gegenteil.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ja nur gibt es ja durchaus sehr verschiedene Auffassungen davon, was für eine Politik daraus abzuleiten wäre.

Teile der oben kritisierten politischen Linken leiten daraus ja z.B. einen Standpunkt ab, nachdem die logische Konsequenz so aussehen sollte, dass Deutschland auf gar keinen Fall mehr irgendwo hin Waffen exportieren sollte, weil Deutschland nie wieder irgendwas zu Kriegen beitragen oder daran verdienen sollte.
Wäre es aber nicht gerade paternalistisch, der eigenen Interpretation dessen, welche Konsequenzen Deutschlands Verantwortlichkeit nach sich ziehen sollte, der Interpretation der Ukraine als Hauptbetroffener vorzuziehen?

Ich würde meinen: Entweder gibt es diese Verantwortung, oder es gibt sie nicht. Wenn es sie gibt, dann kann unmöglich Deutschland selbst entscheiden, wie sie auszufüllen wäre; das wäre in der Tat paternalistisch.
 
Ich würde meinen: Entweder gibt es diese Verantwortung, oder es gibt sie nicht. Wenn es sie gibt, dann kann unmöglich Deutschland selbst entscheiden, wie sie auszufüllen wäre; das wäre in der Tat paternalistisch.

Im Gegenteil, Deutschland kommt gar nicht umhin das selbst zu entscheiden, weil alles andere der Ausstellung eines Blankoscheks gleichkommen würde.

Was wäre denn, wenn man in Kiew auf den Trichter käme, dass die einzige Art und Weise, wie Deutschland seiner historischen Verantwortung gerecht werden könne nur daran bestehen kann, dass es umgehend an der Seite der Ukraine gegen die Russische Föderation in den Krieg zieht, um Russland auf seine völkerrechtlichen Grenzen zurück zu drängen und es zur Leistung umfassender Reparationen zu verpflichten?

Was wäre dann?
Dem Anspruch nach, dass Deutschland unmöglich selbst entscheiden könne, welche Konsequenzen angemessen seien und es hier also der Interpretation Kiews zu folgen habe, müssten wir stehenden Fußes die Hacken zusammenschlagen und Herrn Putin die deutsche Kriegserklärung übermitteln.

Das kann es nicht sein.

Historische Verantwortung ist das eine, aber es gibt auch noch eine Verantwortung für Land und Bevölkerung im hier und jetzt.
Und eine Regierung kann aus der Vergangenheit nur solche Konsequenzen ableiten, die für die eigene Bevölkerung im hier und jetzt, zu ertragen sind.
Abzuwägen, welche Konsequenzen das im einzelnen sein können, ist für Deutschland Sache der Bundesregierug, nicht der Regierung in Kiew.
Erstere hat dazu ein Mandat, letztere nicht.

Mal davon abgesehen, dass ich es nicht für einen Ausdruck besonderen Verantwortungsbewusstseins halte, sich selbst im Zweifel für entscheidungsunfähig zu erklären und deswegen einer von außen herangetragenen Vorstellung zu folgen, ohne diese gegen zu prüfen oder sich Vetos in bestimmten Dingen vorzubehalten.
 
Die Bundesregierung, nicht die in Kiew, hat hier zu entscheiden; ganz meine Meinung.

Ich bin zwar kein Jurist, aber beide Weltkriege sind doch völkerrechtlich abgeschlossen. Alle noch offenen Fragen aus dem letzten Krieg sind mit dem 2+4 Vertrag einer Regelung überführt worden. Der Erste Weltkrieg hat seinen Abschluss mit dem Versailler Vertrag gefunden. Damit sind die Komplexe geregelt. Die Bundesrepublik hat in den vergangenen Jahrzehnten umfassend Entschädigung und Wiedergutmachung für das Unrecht der Nazis geleistet.
Noch heute leistet die Bundesrepublik jährlich über 1 Milliarde; bisher wurden über 80 Milliarden an Wiedergutmachung geleistet.
Mir ist kein Staat bekannt, der umfassender seine eigene Geschichte aufgearbeitet und so umfänglich Wiedergutmachung geleistet.

Ich persönlich sehe keine Verpflichtung der Bundesrepublik gegenüber der Ukraine.
 
@Shinigami & @Turgot

Ihr habt mich missverstanden.

Über (völker)rechtliche Belange brauchen wir hier nicht zu diskutieren, die spielen keine Rolle, argumentiert wurde von Snyder oder auch dem ukrainischen Botschafter allein auf der Ebene der Moral.

Was moralisch geboten ist, darüber kann man – innerhalb des kleinsten gemeinsamen Nenners unserer Gesellschaft, wie er in den Gesetzen Ausdruck findet – genauso wenig streiten wie über Schönheit oder Geschmack. Fraglich ist nur (laut Snyder) die Gewichtung der anderen entscheidungserheblichen Faktoren.

Und von einem Verzicht auf ein Veto habe ich nichts geschrieben.

Mein Argument in Bezug auf Shinigamis letzte Aussage lautete und lautet, dass Kiew als Regierung des unmittelbar betroffenen Staates in einer weit besseren Position ist als das 2.000 Kilometer von der Front entfernte Berlin, um zu entscheiden, welche Hilfe die Ukraine benötigt, und dass es in der Tat paternalistisch wäre, dem Land vorzuschreiben, welche Hilfe es vernünftigerweise erbitten soll und moralisch erbitten darf.

Das heißt nicht, dass Berlin nicht dennoch ablehnen könnte, und sei es aus Gründen der Praktikabilität.
Passt es zum Thema, dass bei einem großen Teil der heutigen Meldungen der Rumänische Präsident ignoriert wurde?
Ja, durchaus, zumal Rumänien und Bulgarien "Frontstaaten" mit etwas unklarer Haltung sind und damit besondere Aufmerksamkeit verdienen sollten.
 
Über (völker)rechtliche Belange brauchen wir hier nicht zu diskutieren, die spielen keine Rolle, argumentiert wurde von Snyder oder auch dem ukrainischen Botschafter allein auf der Ebene der Moral.

Ich hatte eigentlich nicht den Eindruck, dass es das Hauptanliegen von Herrn Melnyk war der deutschen Bevölkerung Ethik-Unterricht zu erteilen, ich hatte das eher so wahrgenommen, dass sein Hauptanliegen war Druck auf die Deutsche Regierung auszuüben, um Waffenlieferungen an die Ukraine und Embargos gegen Russland durchzusetzen.
(ohne das hier vertiefen zu wollen)

Das sind Schritte und Forderungen, die sich jenseits von moralischen Erwägungen und Geschichtsbildern bewegen.

Herrn Snyder würde ich einfach folgendes entgegnen wollen:

Es mag sein, dass die deutsche Tendenz sich mit Russland gutstellen zu wollen, daher rührt, dass man:

1. Historisch die Erfahrung gemacht hat, dass es prinzipiell erstmal nicht gut ist, Russland zum Feind zu haben, man es also vermeiden sollte, wenn es möglich ist.

2. Denke ich, dass das deutsche Bestreben sich mit Russland gut zu stellen auch einfach mit dem Bedürfnis zu tun hat, sich ein Stück weit vom amerikanischen Einfluss zu emanzipieren und hier nötigenfall eine Rückfalloption zu haben.
Ich denke, dass es da durchaus immer auch die Kalkulation gegeben hat, dass ein einigermaßen starkes Russland, mit dem man sich zusammentun könnte, die Garantie dafür sei, nicht mit unmäßigen Forderungen seitens Washington konfrontiert zu werden.

Diese Erwägungen würde ich für wesentlich einflussreicher halten, was den deutschen Widerwillen angeht mit Russland endgültig zu brechen, als die Tradition irgendwelcher Kolonialvorstellungen aus dem vergangenen Jahrhundert oder den Jahrhunderten davor.

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Was ich aber im Übrigen für eine sehr interessante Frage halte, die du gestellt hast, ist die Frage, inwiefern, vor dem Hintergrund der Sowjetunion die Ukraine eigentlich als eigenständig und ihre Bevölkerung und Politiker als eigenständig wahrgenommen wurden.

Ich denke, dass es eine solche Wahrnehmung vor dem Hintergrund der Sowjetunion nicht gegeben hat.

Das ist für die Ukraine momentan insofern ein Nachteil, als dass die Ukraine vielleicht von vielen tatsächlich bis heute als ein de facto Anhängsel Russlands betrachtet wird.
Das ist für die Ukraine aber auch in sofern von Vorteil, als dass der ukrainische Anteil an der sowjetischen Politik in Osteuropa nicht wahrgenommen wird.

Die sowjetische Staatsführung und auch die nachgeordneten Funktionärsriegen waren ja durchaus keine rein ethnisch russischen Verantstaltungen, sondern da waren ja durchaus auch Leute daran beteiligt, die innerhalb der Sowjetunion unter nicht russischer Nationalität firmierten und da waren auch einige Ukrainer dabei.


Ich denke, dass du mit dieser Frage eine Thematik ansprichst, bei der es tatsächlich einigen Nachholbedarf gibt.

Ich befürchte allerdings auch, dass das, was dabei herauskäme, wenn man das fundiert auseinandernehmen würde, den Ukrainern nicht gefiele.
 
Die Ukraine erbittet bloß nichts; sie fordert, sie verlangt. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Und es ist es auch die Frage, für welchen Zweck die Ukraine etwas fordert? Um sich zu verteidigen? Um den Krieg nach Russland zu tragen? Um vielleicht selbst zu erobern? Ich mutmaße einmal, das die Bundesregierung nicht das Material für militärische Operationen, die über die ukrainische Grenze hinausgehen, zur Verfügung stellen möchte.
 
Die Ukraine erbittet bloß nichts; sie fordert, sie verlangt. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Und es ist es auch die Frage, für welchen Zweck die Ukraine etwas fordert? Um sich zu verteidigen? Um den Krieg nach Russland zu tragen? Um vielleicht selbst zu erobern? Ich mutmaße einmal, das die Bundesregierung nicht das Material für militärische Operationen, die über die ukrainische Grenze hinausgehen, zur Verfügung stellen möchte.

Ich denke, du hast deinen Standpunkt dazu mittlerweile deutlich dargelegt. Ich wollte diese Diskussion eigentlich nicht wieder lostreten.
 
Meinung? Das ist eine Tatsache. Das sollte nicht aufgehübscht werden. Bitte bei der Wahrheit bleiben. So ein Hinweis, der der Richtigstellung dient, sollte erlaubt sein.
 
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