Verteidigung des deutschen Kolonialismus von Bruce Gilley

Natürlich tragen die Eliten auch eine Schuld, diese wurden freilich im Westen ja ausgebildet und kennen wahrscheinlich europäische Lösungen mehr als afrikanische oder äthiopische und was weiß ich noch.

Wobei ich mir hier sehr die Frage stellen würde, ob wir nicht auch diverse Probleme Afrikas oder was wir für seine Probleme halten, viel zu europäisch denken.

Etwa die Sache mit den Grenzziehungen:

Ich persönlich denke z.B. dass in den Diskussionen, die wir darüber führen, daraus ein viel größeres Problem gemacht wird, als es das eigentlich ist.

Und dass liegt vermutlich an dem Bild, war wir hier in Europa vor Augen haben, wenn wir an den Begriff "Grenze" denken.
Denn wir wir im modernen Sinne diesen Begriff denken, gerade auch vor dem Hintergrund des kalten Krieges oder der Art und Weise, wie sich Europa heute gegen Afrika abzugrenzen versucht, denken wir dabei ja an engmaschig überwachte, teilweise gar befestigte Linien, die nicht so ohne weiteres zu überwinden sind.

Inwiefern entspricht das aber den afrikanischen Verhältnissen?

In der Kolonialzeit gab es keine tatsächlich raumgreifende Überwachung der Grenzen durch die Kolonialmächte (jedenfalls nicht in den Flächenkolonien), dafür hatten die in den entsprechenden Gebieten überhaupt nicht die adäquate Manpower.
Die konnten mit dem, was sie hatten vieleicht Grenzpunkte an den Hauptverkehrsrouten überwachen, mehr aber nicht.
Und insofern bestimmten diese Grenzen zwar die Art und Weise, wie die jeweiligen Gebiete verwaltet wurden und welche Politik man gegenüber den Bewohnern verfolgte, aber sie waren in keiner Weise nicht überwindbare Barrieren.

Und in dieser Hinsicht dürften sie für die Europäer als Demarkationslinien der jeweiligen Intertessensphären wahrscheinlich mehr bedeutung gehabt haben, als für den Alltag der lokalen Bevölkerungen in den Grenzgebieten.

Und ohne das nachweisen zu können, würde ich mich so weit aus dem Fesnter lehnen wollen, zu behaupten, dass sich das wahrscheinlich auch nach der Dekolonisierung nicht maßgeblich geändert hat, weil den meisten Staaten in Afrika schlicht die Mittel für ein konsequentes Grenzregime fehlen und bei diversen Staaten die Grenzen auch einfach so ausgedehnt sind, dass selbst mit mehr Mitteln eine tatsächliche Überwachung undenkbar wäre.


Deswegen, ohne das Handeln der Kolonialmächte entschuldigen zu wollen, denke ich, dass wir gerade die Grenzproblematik wesentlich größer machen als sie tatsächlich ist.
Weil wir wahrscheinlich genuin europäische Erfahrungen da hineinimaginieren, die aber mit den Realitäten vor Ort nicht viel zu tun haben.
 
Ich war ja dreimal in Afrika und Grenzkontrollen dort können wirklich nicht witzig sein und man sitzt im Auto, die Klimaanlage gibt den Geist auf, obwohl man für das Auto ein Vermögen bezahlt hat und die Grenze arbeiten ganze 3 STunden, über Nacht bleibt man meisten da und kann nicht schlafen, weil ja ich bin ungern in der Grenze und werde überfahren, dass gilt auch für Horgos in Ungarn geschweige den in Tansania. Irgendwo habe ich gelesen der Grenzübergang zwischen Afghanistan und Pakistan ist genauso geregelt.

Korrupte Beamte die Geld wollen und ständig wird zugemacht weil die Politik nicht stimmt oder eine Seuche ausgebrochen ist (was ich ja sehr verstehe).

Das nur die Menschen selbst sich helfen können davon bin ich überzeugt, das gilt für den Depressiven der sein eigener Psychologe sein muss, wie für alle Communities dieser Welt. Natürlich kann und muss man helfen, aber mit Verstand nicht nur mit Herz, die Nazis dachten ja auch sie tuen der Welt einen Gefallen, wenn sie die Welt vor dem "Ungeziefer" befreien.

Ich weiß ich neige zur Polemik, leider merke ich das wenn man nicht Henryk M. Broder jünger und größer (körperlich) ist, dich niemand ernst nimmt.
 
Ich war ja dreimal in Afrika und Grenzkontrollen dort können wirklich nicht witzig sein und man sitzt im Auto, die Klimaanlage gibt den Geist auf, obwohl man für das Auto ein Vermögen bezahlt hat und die Grenze arbeiten ganze 3 STunden, über Nacht bleibt man meisten da und kann nicht schlafen, weil ja ich bin ungern in der Grenze und werde überfahren, dass gilt auch für Horgos in Ungarn geschweige den in Tansania.

Ja, mit dem Auto hast du dich aber über die Hauptverkehrsachsen bewegt.
Ich rede aber vor allem von den Räumen abseits davon.

Tatsache ist doch, dass die Grenzräume dort so ausgedehnt sind, dass jeder, der rüber möchte und sich im Grenzgebiet einigermaßen auskennt auch rüber kommt und zwar einigermaßen unbehelligt.
Sicherlich nicht direkt entlang der Straßen und Bahnlinien.

Aber einige Wegstunden abseits davon? Sicherlich.
 
Naja selbst wenn ich ein Masai Krieger bin und zu meinen Verwandten über die Grenze gehe, will ich ja nicht einen halben Tag durch die Savanne watschen.

Gut, aber ich bin kein Masai Krieger müsste man einen fragen, das stimmt.
 
Naja selbst wenn ich ein Masai Krieger bin und zu meinen Verwandten über die Grenze gehe, will ich ja nicht einen halben Tag durch die Savanne watschen.

De facto wird bei den Kosten für moderne Transportmittel und bei den finanziellen Möglichkeiten der meisten Afrikaner der Verwandtschaftsbesuch in der Regel ohnehin zu Fuß erledigt werden und zwar auch wenn dass mehrere Tage dauert.

Wenn der Masai-Krieger aber ohnehin eine Woche lang zu fuß unterwegs ist um dort hin zu kommen, weil moderne Transportmittel zu teuer sind oder es in der Gegend überhaupt keine Infrastruktur dafür gibt, macht der halbe zusätzliche Tag um unbehelligt über die Grenze zu kommen, keine so großen Unterschied mehr, denke ich.
 
Wobei ich mir hier sehr die Frage stellen würde, ob wir nicht auch diverse Probleme Afrikas oder was wir für seine Probleme halten, viel zu europäisch denken.

Etwa die Sache mit den Grenzziehungen:

Ich persönlich denke z.B. dass in den Diskussionen, die wir darüber führen, daraus ein viel größeres Problem gemacht wird, als es das eigentlich ist.

Und dass liegt vermutlich an dem Bild, war wir hier in Europa vor Augen haben, wenn wir an den Begriff "Grenze" denken.
Denn wir wir im modernen Sinne diesen Begriff denken, gerade auch vor dem Hintergrund des kalten Krieges oder der Art und Weise, wie sich Europa heute gegen Afrika abzugrenzen versucht, denken wir dabei ja an engmaschig überwachte, teilweise gar befestigte Linien, die nicht so ohne weiteres zu überwinden sind.

Inwiefern entspricht das aber den afrikanischen Verhältnissen?

In der Kolonialzeit gab es keine tatsächlich raumgreifende Überwachung der Grenzen durch die Kolonialmächte (jedenfalls nicht in den Flächenkolonien), dafür hatten die in den entsprechenden Gebieten überhaupt nicht die adäquate Manpower.
Die konnten mit dem, was sie hatten vieleicht Grenzpunkte an den Hauptverkehrsrouten überwachen, mehr aber nicht.
Und insofern bestimmten diese Grenzen zwar die Art und Weise, wie die jeweiligen Gebiete verwaltet wurden und welche Politik man gegenüber den Bewohnern verfolgte, aber sie waren in keiner Weise nicht überwindbare Barrieren.

Und in dieser Hinsicht dürften sie für die Europäer als Demarkationslinien der jeweiligen Intertessensphären wahrscheinlich mehr bedeutung gehabt haben, als für den Alltag der lokalen Bevölkerungen in den Grenzgebieten.

Und ohne das nachweisen zu können, würde ich mich so weit aus dem Fesnter lehnen wollen, zu behaupten, dass sich das wahrscheinlich auch nach der Dekolonisierung nicht maßgeblich geändert hat, weil den meisten Staaten in Afrika schlicht die Mittel für ein konsequentes Grenzregime fehlen und bei diversen Staaten die Grenzen auch einfach so ausgedehnt sind, dass selbst mit mehr Mitteln eine tatsächliche Überwachung undenkbar wäre.


Deswegen, ohne das Handeln der Kolonialmächte entschuldigen zu wollen, denke ich, dass wir gerade die Grenzproblematik wesentlich größer machen als sie tatsächlich ist.
Weil wir wahrscheinlich genuin europäische Erfahrungen da hineinimaginieren, die aber mit den Realitäten vor Ort nicht viel zu tun haben.

In der Sahelzone gab es ein sehr altes System von Landwirtschaft und Weidewirtschaft eine Kombination aus nomadischer Lebensweise und periodischer Sesshaftigkeit. Es gab eine sehr lange Tradition der Landwirtschaft bei den Kulturen des Sahel. Periodische Sesshaftigkeit mit Landwirtschaft und nomadische Weidewirtschaft war gut an das Klima, an lokale Verfügbarkeit von Wasser usw. angepasst, dazu waren aber lange Wanderungen über Landesgrenzen hinweg notwendig. Etliche Saharaanrainerstaaten waren sich aber durchaus nicht immer grün, so dass weiträumige Wanderungsbewegungen, die über Staatengrenzen hinausgingen vielfach unterbunden wurden. Es kam so zu Überweidung und Versteppung und zu einer Hungersnot in der Sahelzone.
 
Wobei ich mir hier sehr die Frage stellen würde, ob wir nicht auch diverse Probleme Afrikas oder was wir für seine Probleme halten, viel zu europäisch denken.

Etwa die Sache mit den Grenzziehungen:

Ich persönlich denke z.B. dass in den Diskussionen, die wir darüber führen, daraus ein viel größeres Problem gemacht wird, als es das eigentlich ist.

Und dass liegt vermutlich an dem Bild, war wir hier in Europa vor Augen haben, wenn wir an den Begriff "Grenze" denken.
Denn wir wir im modernen Sinne diesen Begriff denken, gerade auch vor dem Hintergrund des kalten Krieges oder der Art und Weise, wie sich Europa heute gegen Afrika abzugrenzen versucht, denken wir dabei ja an engmaschig überwachte, teilweise gar befestigte Linien, die nicht so ohne weiteres zu überwinden sind.

Inwiefern entspricht das aber den afrikanischen Verhältnissen?
Das ist sicher von Ort zu Ort unterschiedlich. Aus der arabischen (post)kolonialen Literatur gibt es Beispiele von Beduinen, die plötzlich vor dem Suezkanal standen und nicht mehr ihre angestammten Routen ziehen konnten. Aber auch nicht mal eben nach Jordanien rüber. Rafiq Shami erzählt die Geschichte von einem Kamel, das Artischoken frisst. Als sein Besitzer es wieder auf die richtige Seite der Grenze holen will, wird er aufgegriffen und kommt wegen illegalen Grenzübertritts für einige Tage ins Gefängnis. Wahrscheinlich interessiert es einen Twareg, der zwischen Mali und Algerien unterwegs ist, nicht die Bohne, dass er zig mal die Grenzen überschreitet (und wenn er ideologisch Boko haram nahesteht, sowieso nicht). Andernorts spielt das dann aber sehr wohl eine Rolle.
 
Das plötzlich war vielleicht eine ungünstig gewählte Vokabel, was aber nichts daran ändert, dass der Suezkanal den Bedus ihre herkömmlichen Zugrouten zerschnitt.
 
Das ist sicher von Ort zu Ort unterschiedlich. Aus der arabischen (post)kolonialen Literatur gibt es Beispiele von Beduinen, die plötzlich vor dem Suezkanal standen und nicht mehr ihre angestammten Routen ziehen konnten.

Das mag sich in Sachen Suez-Kanal durchaus so verhalten, nur ist der ja absolut kein Beispiel für eine Grenze, die von irgendwelchen europäischen Besatzern/Kolonisatoren mal eben willkührlich gezogen wurde, sondern das war ja durchaus ein Projekt, dass ohne den das politische Wohlwollen von Ägyptischer und in Teilen Osmanischer Seite und vor allem auch deren Beteiligungen, nicht möglich gewesen wäre.
 
In der Sahelzone gab es ein sehr altes System von Landwirtschaft und Weidewirtschaft eine Kombination aus nomadischer Lebensweise und periodischer Sesshaftigkeit. Es gab eine sehr lange Tradition der Landwirtschaft bei den Kulturen des Sahel. Periodische Sesshaftigkeit mit Landwirtschaft und nomadische Weidewirtschaft war gut an das Klima, an lokale Verfügbarkeit von Wasser usw. angepasst, dazu waren aber lange Wanderungen über Landesgrenzen hinweg notwendig. Etliche Saharaanrainerstaaten waren sich aber durchaus nicht immer grün, so dass weiträumige Wanderungsbewegungen, die über Staatengrenzen hinausgingen vielfach unterbunden wurden. Es kam so zu Überweidung und Versteppung und zu einer Hungersnot in der Sahelzone.

Im Hinblick auf nomadische Lebensweise ist dass Problem aber nicht, dass die Europäer dort Grenzen gezogen haben, sondern das überhaupt jemand Grenzen gezogen hat, um die sich irgendjemand schert.

Heißt um die nomadische Lebensweise in unbehinderter Form zu schützen, müsste man im Grunde genommen allen nicht nomadisch lebenden Gruppen im Gebiet die Abgrenzung ihrer Interessenssphären und die Herausbildung eines modernen Staatswesens verbieten.

Ich will den Kolonialismus wie gesagt nicht schönreden oder entschuldigen, die Verbrechen, die da begangen wurden, sind nicht zu entschuldigen und in Europa sollte man sich insgesamt schämen, dass man sich mit der Aufarbeitung und vor allem auch mit Entschädigungen und der Rückgabe von Raubgut so schwer tut.

Im Hinblick auf das Narrativ der Grenzziehungen allerdings, verdeckt das hier einfach auch das innerafrikanische Problem des Nebeneinanders vonn nomadischen oder halb nomadischen und sesshaften Gruppen, mitunter in den selben Räumen.
Die einen haben ein natürliches Interesse daran, die von ihnen bewirtschafteten Gebiete und das was sie als ihr Eigentum betrachten abzugrenzen und sich möglicherweise stärker staatlich zu organisieren, die anderen haben ein Interesse daran, dass jede Form der Abgrenzung unterbleibt, die ihren Bewegungsradius oder ihre Möglichkeit zur Nutzung bestimmter Gebiete einschränken könnte.

Die Lösung der Grenzziehung durch die Europäer war hier sicherlich nicht glücklich, allerdings hat sie das Problem nicht geschaffen.
Ist ja nicht so, als dass es ein Nebeneinander sesshafter und nicht sesshafter Gruppen in Afrika vor 1880 nicht gegeben hätte.

Und ich würde meinen eine für alle zufriedenstellende Lösung gibt es hier nicht.
Eine andere Grenzziehung wäre für nomadisch lebende Gruppen genau so ein Problem, vielleicht nicht für die gleichen Gruppen, sondern für andere, aber daas würde ja im Prinzip wenig ändern.

Eine Abschaffung jeglicher Grenzziehungen in Afrika würde den nomadischen Gruppen entgegenkommen, wäre aber für alle anderen ein Problem.
 
Zurück
Oben