Der Rassebegriff biologisch und politisch

Es ist zwar fraglich, ob die Steuerung des Sprachgebrauchs gesellschaftliches Verhalten ändert, man sollte trotzdem Sprache so gebrauchen, als wäre das der Fall.
In meinen Augen ein hochproblematischer Gedanke, jedenfalls wenn dieser Imperativ sich auf staatliche Stellen bezieht. Private können machen, was sie wollen, aber der Staat sollte den Menschen nicht vorschreiben, wie sie sich ausdrücken.

Denn es ist das eine, Rede (im Sinne von Redefreiheit) einzuschränken, aber etwas völlig anderes, Rede vorzuschreiben.

Außerdem lehrt die Erfahrung, dass diejenigen Kreise, auf die Sie einwirken wollen, die ihnen verordnete Sprache hintersinnig verwenden, sodass die ganze Wirkung verpufft.

So gebrauchen Gegner der merkel’schen Flüchtlingspolitik die von Politik und Medien lancierten positiven Begriffe durchweg mit negativer Konnotation. Wenn etwa die AfD von "Vielfalt" spricht, meint sie "Chaos". Wenn sie von "kultureller Bereicherung" spricht, meint sie "Kriminalität" und "Terrorismus".

In Anbetracht dessen wäre es mir persönlich lieber, man machte diese Büchse der Pandora wieder zu.
 
Interessiert schon, weil "man" der Person die vermeintliche oder tatsächliche Abstammung von einer Person "dunkelhäutiger Rasse" ansieht.
Der deutsche Kolonial-Jargon kannte den Begriff der "Verkafferung", auch als "Vernegerung" oder "Entartung".
Die Idee dahinter ist, dass ein deutschblütiger, weißer Mensch durch den Umgang mit Mensch niederer Rassen entartet, er verliert seine hohe Kulturstufe und gleich sich den "Wilden" an.
So funktionierte Rassismus, ganz ohne Abstammung. Die Rasse färbt ab wie Schmutz und aus dem reinen und unvermischten Herrenmensch wird ein entarteter Primitivling.
Dieses scheinbare Problem wurde in allen europäische Kolonien. Die Lösung dieses Problems war die Rassentrennung.

Ein weiteres Problem, dass so gelöst wurde war die Telegonie bzw. Fremdzeugung.
Lord Molton hatte mit seiner Stute scheinbar nachgewiesen, dass ein reinblütiges Weibchen, dass einmal rassefremd beschmutzt wurde, nie mehr dazu in der Lage war reinblütigen Nachwuchs zu bekommen. Oberstes Ziel der Rassentrennung war es daher die weißen Frauen vor Kontakten mit niederen Rassen zu bewahren.
Ncht experimentell nachgewiesen war Vorstellung, dass Frauen schon dadurch beschmutzt werden können, dass während der Schwangerschaft niederrassige Männer nur ansahen oder auch nur an sich dachten. Aus diesen Gründen sollten sich schwangere Frau laut Lavater niemals eine Freakshow ansehen oder sonst wie erschreckt werden, weil dies zu Missgeburten führt. Das ungeborene Kind nimmt natürlich die Missgestalt der Schreckfigur an, obwohl Mutter und Vater doch rein und unvermischter Abstammung waren.
Die Rassentrennung war natürlich auch hierfür die Lösung. Missgeburten wurden angeblich verhindert, wenn weiße Frauen keine Neger sahen

Schwieriger wird es bei Spielarten der Klimatheorie. Hier gingen europäische Stubengelehrte davon aus, dass der Nachwuchs reinblütiger europäischer, die unter amerikanischer oder afrikanischer Sonne aufwachsen degeneriert seien. Nicht umsonst hielten die Spanier, jene, die in Europa geboren waren für die höchsten Casta.

Das hat jetzt alles nichts mit Abstammung zu un, aber sehr viel mit dem Rassismus historischer Epochen.
Im Postrassismus wird ganz penibel das biologisch-genetische und das kulturelle Unterschiede. Diese Unterscheidung gab es aber in früheren Epochen gar nicht. Die Ursprünge des Rasse-Begriffs liegen im Spanien der Reconquista und der Abgrenzung von Christen und Heiden und von Adel und Volk. Mit Biologie, Naturwissenschaft, Medizin u.a. hatte das alles noch gar nichts zu tun. Wer Rasse als rein biologistische Kategorie auffast, ignoriert die Geschichte des Rassismus. Der Postrassist sagt, Rasse interessiere ihn nicht, es ginge um Kulturen u.a. Natürlich wertet der Postrassist auch diese anderen Kulturen ab, aber redet nicht von Rassen, weil der Rasse-Begriff in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tabusiert wurde, sodass der postmoderne Rassist dieses Versteckpiel "Ich bin ja kein Rassist, aber ..." spielen muss, weil der antirassistische Diskurs so mächig geworden ist, dass sich selbst die Rassisten ihm anschließen mussten.
 
Jedes autoritäre Regime braucht (mindestens) eine Gruppe, auf die der "Volkszorn" von den Herrschenden weg umgelenkt werden kann. Gibt es gerade keine "traditionell" Ausgegrenzte, dann werden welche geschaffen.
Braucht es dafür autoritäre Regime? Rassenhass gibt es auch in Gesellschaften, die nicht-autoritär sind und in denen die Regierung sich nicht schert, welche Hautfarbe ihr Bürger haben, also den Rassismus nicht (bewusst) fördert.
 
Der Postrassist sagt, Rasse interessiere ihn nicht, es ginge um Kulturen u.a. Natürlich wertet der Postrassist auch diese anderen Kulturen ab, aber redet nicht von Rassen, weil der Rasse-Begriff in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tabusiert wurde, sodass der postmoderne Rassist dieses Versteckpiel "Ich bin ja kein Rassist, aber ..." spielen muss, weil der antirassistische Diskurs so mächig geworden ist, dass sich selbst die Rassisten ihm anschließen mussten.
Auch auf diesen Absatz ließe sich anwenden: Alle Eulen sind Vögel, aber nicht alle Vögel sind Eulen. Mit Kulturen kann man sich kritisch auseinandersetzen, muss es vielleicht sogar, mit unveränderlichen biologischen Merkmalen jedoch nicht, die evident keinerlei Aussagekraft besitzen – erst recht nicht über die Wertigkeit des Individuums, darin sich diese Merkmale zufällig vereinigen.

Außerdem steckt die Theorie des postrassischen Rassismus voller teils schwerwiegender Widersprüche, die ein grelles Schlaglicht werfen auf die Verstrickung ihrer Vordenker in tagespolitische Auseinandersetzungen gerade in den USA und in Großbritannien, was in meinen Augen dazu anhalten sollte, sich ihr mit gehöriger Distanz zu nähern.

Der bereits erwähnte Dyson schreibt etwa, dass Rassismus sich nicht durch die Diskriminierung, sondern durch ein Machtungleichgewicht auszeichne und demnach Minderheiten niemals rassistisch gegen Mehrheiten handeln könnten. Dieses Machtungleichgewicht definiere sich freilich intersektionalistisch, mithin durch die Zugehörigkeit zu einer demographischen Gruppe, nicht individuell.

Wenn also – Dyson nahm dabei Bezug auf einen Vorfall in New York 2016 – vier Afroamerikaner einen (nach amerikanischem Sprachgebrauch) "Kaukasier" töteten, den sie sich seiner Hautfarbe wegen als Opfer erwählt hatten, wäre dies kein rassistischer Mord, da schließlich in den USA die "Kaukasier" herrschten.

Ähnlich widersprüchlich gehen die Rassismusforscher vor, wenn sie beispielsweise von einem immanenten "subconscious bias" bei Weißen sprechen.

Die Entstehungsgeschichte dieses Begriffs, der mit Wissenschaft nichts zu tun hat, ist übrigens überaus lesenswert und lehrreich; er zeigt, wie leicht sich gerade die Humanwissenschaften politisch vereinnahmen lassen.

Freilich betätigen sich die Autoren entgegen ihrer Verurteilung des Kulturalismus durchaus auch selber kulturalistisch, indem sie etwa den Kulturen des "Westens" einen Hang zum Kolonialismus und zur Zerstörung der Umwelt als Alleinstellungsmerkmal zuschreiben – als fänden sich nicht in allen Zeitaltern der Weltgeschichte und allen Weltregionen Kolonialreiche sowie Hinweise auf Ressourcenverschwendung.

Schließlich und zuletzt gehen manche Vertreter dieser Zunft so weit, zu behaupten, dass selbst Grundsätze wie Empirie und Logik – ohne die jede Wissenschaft undenkbar wäre – nur dazu dienten, die Deutungshoheit der "Weißen" über den wissenschaftlichen Diskurs zu erhalten, und daher abzulehnen seien.

Ich persönlich glaube nicht an die Hypothese, dass der Distelstrauch keine Erdbeeren hervorbringen könne, aber bei derart vielen Disteln, scheint mir, ist die Menschheit besser bedient, wenn sie sich auf ihren gesunden Menschenverstand besinnt.

In meinen Augen beginnt der Pfad in eine bessere Welt nicht an den Lehrstühlen für Rassismusforschung, sondern in jedem Elternhaus, das seinen Kindern eintrichtert: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, und: Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andren zu.

Ein Nachsatz:
[…] weil der antirassistische Diskurs so mäch[t]ig geworden ist, dass sich selbst die Rassisten ihm anschließen mussten.
Ich sehe hier meine vormals geäußerte Befürchtung bestätigt, dass man im Wege der Sprache keine Verhaltensänderungen erreichen kann, denn Rassisten gibt es nach wie vor.

Und ich gehe sogar noch weiter: Sollte jemals ein Wissenschaftler den Mut aufbringen, die Frage zu untersuchen, ob eine Welt ohne jedweden Rassismus überhaupt möglich ist – und zwar: untersuchen sine ira et studio –, könnten die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen wertvoller sein als jeder Beitrag, den alle Dysons hervorzubringen imstande sind.

Denn ob nun der Kampf gegen den Rassismus, gegen Ungleichheit oder auch gegen den Klimawandel – meiner Auffassung nach steht sich der moderne Mensch mit seinem Idealismus stets selbst im Wege, weil sein Streben nach der Utopie Probleme, Widerstände und Reibungsverluste erzeugt, die ihn immer wieder zurückwerfen.

Und warum ist utopistisches Streben heute wieder so verbreitet? Weil Realismus als reaktionär gilt. Doch gehen wir lieber in Trippelschritten in die richtige Richtung, als voranzustürmen und, salopp gesagt, alle fünf Meter tüchtig auf die Schnauze zu fallen.
 
Der bereits erwähnte Dyson schreibt etwa, dass Rassismus sich nicht durch die Diskriminierung, sondern durch ein Machtungleichgewicht auszeichne und demnach Minderheiten niemals rassistisch gegen Mehrheiten handeln könnten. Dieses Machtungleichgewicht definiere sich freilich intersektionalistisch, mithin durch die Zugehörigkeit zu einer demographischen Gruppe, nicht individuell.

Wenn also – Dyson nahm dabei Bezug auf einen Vorfall in New York 2016 – vier Afroamerikaner einen (nach amerikanischem Sprachgebrauch) "Kaukasier" töteten, den sie sich seiner Hautfarbe wegen als Opfer erwählt hatten, wäre dies kein rassistischer Mord, da schließlich in den USA die "Kaukasier" herrschten.

Die Kritik geht mir an der Stelle etwas in die falsche Richtung.
Der Ansatz ist, so wie hier präsentiert, sicherlich fragwürdig, was aber mMn nicht am Ansatz des Machtungleichgewichts liegt, sondern aus der Herleitung aus der Zugehörigkeit der demographischen Gruppe, in diesem Fall, so wie dem Außenvorlassen, lokaler, situativer Gegebenheiten und der Überlagerung von Herrschaftsräumen und Ebenen.

Auch wenn ich das Postulat für fragwürdig halte, mag ja sein, dass "die Kaukasier" in den USA herrschen. Herrschen sie aber auch in dem Viertel oder in der Straße, in der sich die Tat ereignet, oder reicht ihre Macht so weit dann doch wieder nicht und wird dieser Raum vielleicht von ganz anderen Gruppen beherrscht?
etc.

Ich denke über den Ansatz Machtungleichgewicht ließe sich diskutieren, die Zuschreibung zu konstruierten Gruppen und das ignorieren der konkreten Situation vor Ort, halte ich für problematischer.
 
Ein Nachsatz:Ich sehe hier meine vormals geäußerte Befürchtung bestätigt, dass man im Wege der Sprache keine Verhaltensänderungen erreichen kann, denn Rassisten gibt es nach wie vor.

Diese Aussage vermischt völlig unterschiedliche Aspekte.

1. Über ein Agenda-Setting bzw. Framing kann man Themen über die veröffentlichte bzw. dann auch öffentliche Meinung - als sozialer Diskurs - beeinflussen.

Historisch konnte man das durch die "Ächtung" einer nationalsozialistischen - im speziellen antisemitischen - Ideologie nach 1945 in der Bundesrepublik sehen. Dieser Mechanismus der "Schweigespirale" wurde durch Noelle-Neumann empirisch gut belegt.

Das hat die rechtsextreme Neue Recht verstanden und hat auf vielfältige Wege die "sprachliche Anknüpfung" an die Werte der "Mitte" versucht herzustellen (vgl. die entsprechende "Grundlagenarbeit" von Mohler). Die sich auf vielfältige Weise "bedankte", indem sie die Grenzen dessen, was man "sagen" kann ohne sich als Rechtsextremer zu positionieren, noch rechtsaußen verschoben hat.

Und somit über die semantische Modifizierung der Sprache den tolerablen Bereich von gesellschaftlichen Werten verschoben hat. Bis hin zur Zitierung von Reden von Akteuren des NS-Systems.

2. Sprache alleine verändert keine Werte- oder Einstellungsdimensionen, die man im Verlauf der allgemeinen oder politischen Sozialisation erworben hat. Die Anpassung des Wertesystems ist ein komplexer und bis jetzt noch nicht steuerbarer sozialtechnologischer Prozess. "Den "Neuen Menschen" kann man nicht herstellen, obwohl vor allem autoritäre Regime an diesem Projekt sich versucht haben.

Dennoch ist ein Individuum im Sinne der kognitiven Dissonanz gezwungen, sprachlich transportierte konträre ideologische Aussagen zu bewerten und mit der eigenen Überzeugung abzugleichen. Und für das Ergebnis dieses Prozesses ist es wichtig, in welchem sozialen Milieu man sich bewegt und wie entsprechende "Meinungsführer" agieren.

Das kann zu einer Einstellungsveränderung über die Zeit bei einer Person oder bei einer Gruppe führen. Sofern es nicht in einer Alterskohorte - Generationslagerung - wirksam wird, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich die folgende Generation in ihrem Wertesystem verändert.

3. Unabhängig davon wird über Sprache die zentralen Werte einer Gesellschaft transportiert. Und der Grad der Elaboration von Sprache in Bezug auf bestimmte Sachverhalte schafft die Voraussetzung für ein differenziertes Kommunizieren. In diesem Sinne war eine "elaborierte Fachsprache" in der SS vorhanden, um Sachverhalte zu beschreiben und sie einer administrativen Lösung - dem KZ - zuzuführen.

Deswegen ist es nicht egal, über welche Themen eine Gesellschaft ihren Diskurs eröffnet und mit welchem Repertoir an Konstrukten argumentiert wird.

Vor diesem Hintergrund wird betont, dass der umfassende Zugang zu Informationen und zur herrschaftsfreien Diskussion - als grundsätzlicher, nicht veränderbarer Mechanismus der Meinungsbildung - notwendig ist, um rationale begründbare Alternativen zu diskutieren und zu entscheiden. Und es wird schwer sein, in diesem Diskurs irrationale oder hegemoniale Ziele durchzusetzen, also auch rassistische Strategien.
 
Rassenhass gibt es auch in Gesellschaften, die nicht-autoritär sind und in denen die Regierung sich nicht schert, welche Hautfarbe ihr Bürger haben, also den Rassismus nicht (bewusst) fördert.
Eben: Aus „Frauen der politischen Rechten in Kaiserreich und Republik“ – Zitat (Fettschreibung durch mich):

Die DNVP-Frauen initiierten Kampagnen gegen die Auslieferung deutscher Militärführer, gegen die Ruhrbesetzung und vor allem gegen die „Schwarze Schmach“. Die Stationierung afrikanischer Truppen in Deutschland löste eine wahre Flut rassistischer Propaganda aus, die von allen Parteien außer der KPD getragen wurde.

Klar, diese Menschen wurden fast alle im Kaiserreich groß, deswegen war diese Reaktion vielleicht verständlich. Aber das Beispiel der KPD zeigt uns, dass einige sich von ihrer Erziehung befreien und gegen den Strom schwimmen konnten.

Andererseits zeigen uns diese Kampagnen auch, dass man vorhandene Ressentiments nur aufgreifen musste, um damit Erfolg zu haben. NSDAP machte das – mehr als andere Parteien – zum Programm: Man musste nur „Negermusik“ sagen und schon hat man Zustimmung geerntet. Und das nicht nur während der 12 Jahre, sondern bis weit in die 1950er Jahre.
 
Eben: Aus „Frauen der politischen Rechten in Kaiserreich und Republik“ – Zitat (Fettschreibung durch mich):

Die DNVP-Frauen initiierten Kampagnen gegen die Auslieferung deutscher Militärführer, gegen die Ruhrbesetzung und vor allem gegen die „Schwarze Schmach“. Die Stationierung afrikanischer Truppen in Deutschland löste eine wahre Flut rassistischer Propaganda aus, die von allen Parteien außer der KPD getragen wurde.

Klar, diese Menschen wurden fast alle im Kaiserreich groß, deswegen war diese Reaktion vielleicht verständlich. Aber das Beispiel der KPD zeigt uns, dass einige sich von ihrer Erziehung befreien und gegen den Strom schwimmen konnten.

Andererseits zeigen uns diese Kampagnen auch, dass man vorhandene Ressentiments nur aufgreifen musste, um damit Erfolg zu haben. NSDAP machte das – mehr als andere Parteien – zum Programm: Man musste nur „Negermusik“ sagen und schon hat man Zustimmung geerntet. Und das nicht nur während der 12 Jahre, sondern bis weit in die 1950er Jahre.

Da übersiehst du vor allen Dingen auch zum Teil die eigentlichen Adressaten, dieser Kampagnen.

Selbiger Adressat war bei einem Großteil dieser Kampagnen nicht die eigene Bevölkerung sondern die Weltöffentlichkeit und im Besonderen auch die politische Rechte in Großbritannien und in den USA .
Schließlich ging es daraum internationalen Druck gegen Frankreich in Sachen Ruhrbesetzung zu organisieren, vorrangig bei den anderen Großmächten.

Und da stellte, die Möglichkeit die rassistische Karte zu spielen, durchaus eine sinnvolle Option (sinnvoll hinsichtlich der politischen Zielsetzung Frankreich zu isolieren, nicht hinsichtlich des Rassismus) da um die jeweilige politische Rechte in den USA und Großbritannien, die sonst mit der Besetzung wahrscheinlich herzlich wenige Probleme gehabt hätte, gegen Frankreich auszuspielen und auf die deutsche Seite zu ziehen.

In diesem Sinne, wäre darüber nachzudenken, welche Teile dieser Kampagnen ein real vorhandenes Sentiment wiederspiegelte und bediente und welche davon vor allen Dingen taktisch lanciert waren, mit der Absicht die Rassisten Europas und der USA gegen Frankreich aufzubringen.
 
Kommt dir das nicht selbst auch viel zu sehr simplifiziert vor?
Nein, denn in der jüngsten SVR-Studie wird u.a. gesagt – Zitat:

Menschen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland die Schule besucht haben, sind seltener antisemitisch und antimuslimisch eingestellt als jene, die in einem anderen Land zur Schule gegangen sind.

Grade das, also die Rolle der Erziehung, habe ich im Folgesatz thematisiert, den du aber nicht zitiert hast – um mir Simplifizierung vorwerfen zu können?
 
Menschen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland die Schule besucht haben, sind seltener antisemitisch und antimuslimisch eingestellt als jene, die in einem anderen Land zur Schule gegangen sind.

Was allerdings erstmal nur eine Feststellung und kein Nachweis dafür ist, dass es einen expliziten Zusammenhang zwischen Schulbesuch und vorhandenem oder nicht vorhandenem Antisemitismus gibt.

Es kann z.B. auch einfach sein, dass Menschen mit Migrationshintergrund, die hier die Schule besucht haben, es in dieser Gesellschaft etwas leicher haben, also solche, bei denen das nicht der Fall ist, deren Abschlüsse etc. hier gegebenenfalls nicht anerkannt werden, mit entsprechenden Konsequenzen für Chancen auf dem Arbeits markt etc. und dass daraus sehr verschiedene Frustrationspotentiale entstehen können, die mir größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit die Übernahme bestimmter Narrative, Resentiments und Einstellungen befördern oder eben nicht.

Eine Problematik, die sich in diesem Sinne absolut nicht auf die Gesellschaft des Kaiserreichs, die in diesen Dimentsionen noch keine Einwanderungsgesellschaft war, übertragen lässt.
 
„Ein einziger feingebildeter deutscher Krieger […] hat einen höheren intellektuellen und moralischen Lebenswert als hunderte von den rohen Naturmenschen, welche England und Frankreich, Russland und Italien ihnen gegenüberstellen.“ - Zitat aus Wikipedia.

Darf ein Mensch, der Solches schrieb – und zuvor schon Unsägliches über menschliche Rassen und über „lebensunwertes Leben“ schwadronierte, was später u.a. den Nazis als Vorlage für ihr Rassismus und Euthanasie diente –, heute noch durch Namen von Schule und Straßen geehrt werden?

PS: In München existiert eine so genannte Longlist mit 327 Straßennamen, die allerdings noch geheim ist, und eine bekannte Shortlist mit 45 Straßennamen, die als historisch belastet gelten und ev. geändert oder durch andere Namen ersetzt werden. Unter diesen letzteren befindet sich auch Ernst-Haeckel-Straße. Hierbei ist Ernst Heinrich Philipp August Haeckel (1834-1919) Zoologe und Naturphilosoph gemeint, auf den ich durch den aktuell laufenden Faden aufmerksam geworden bin.

PPS: Sollte dieser Beitrag in diesem Faden hier als nicht passend befunden werden, bitte ich um eine entsprechende Verschiebung.
 
"Er war wahrscheinlich ein guter und ein schlechter Mann, je nachdem, wie man ihn betrachtet. Er ist mir egal, und sein Schicksal ebenso. Ich denke, dass jeder, der gegen Russland ist, schuldig ist, sogar wenn er Recht hat."
Seitdem es nationale Staaten gibt, ist Nationalismus das eigentliche Problem. Dieser unterscheidet zwischen wir und den anderen. Das Wirgefühl ist für den Zusammenhalt einer Nation nötig, klar. In gewisser Weise hat es das schon immer gegeben, nur war er früher auf Familie, Clan oder Stamm beschränkt, entsprechend begrenzt waren es die Folgen, wenn es zu Konflikten mit den Nachbarn kam. Aber mittlerweile zählen nationale Staaten Millionen Menschen, die überwiegend mit diesem Wirgefühl aufwachsen und bei Bedarf zur Verteidigung des eigenen Landes aufgerufen werden können. Wobei diese Verteidigung auch als Angriffskrieg stattfinden kann: Deutschland hat z.B. nicht nur einen solchen Krieg geführt.

Staaten können solche Kriege aus dem Gefühl der Stärke oder der Schwäche beginnen. Russland begann den Krieg gegen die Ukraine aus einem Gefühl der Schwäche. Der übertriebene Stolz der Russen auf sich selbst und auf ihre Vergangenheit zeugt von einem Minderwertigkeitskomplex. Deshalb hat der Satz Obamas, Russland sei nur noch eine lokale Größe, Russen tief getroffen, weil sie wussten: Es ist wahr.

Ab dem Zeitpunkt setzte und setzt Putin alles daran, das Gegenteil zu beweisen, wobei auch das ein Zeichen von Schwäche ist: Wer wirklich groß und stark ist, muss das nicht beweisen. Deshalb will Putin Russland in ihrer zaristischen bzw. sowjetischen Größe wiedererrichten.

Das geht auch aus dem oben zitierten Spruch hervor: Recht oder Unrecht, Hauptsache Russland wird wieder groß.

Damit haben Nationalisten schon früher erfolgreich Menschen gefangen. Denn wir sind an dieser Stelle verwundbar: Blut ist dicker als Wasser – das galt schon in der Vorzeit.

Die Begriffe Nationalismus und Patriotismus sind eng verwandt, aber nicht jeder Patriot ist auch ein Nationalist. Ist jemand, der "America first" oder "Deutschland zuerst" sagt, nur ein Patriot oder schon ein Nationalist?
 
Schwierige Frage. Und vielleicht nur anhand der daraus abgeleiteten Forderungen zu beantworten.

Prinzipiell ist eine Regierung zunächst einmal ausschließlich dem Wohl ihrer Bürger verpflichtet. Eine Losung wie "America first" ist in diesem Sinne nicht verwerflich und entspricht lediglich dem Auftrag, den die US-amerikanische Verfassung an die Regierung formuliert.

Wird die Losung freilich als Rechtfertigung interpretiert, anderen Staaten zu schaden, scheint die Grenze zum Nationalismus überschritten. Wobei man auf rechtliche (z.B. völkerrechtliche) oder unzweifelhafte moralische Verpflichtungen (bspw. gegenüber verbündeten Staaten) abstellen sollte, nicht auf den bloßen Eindruck einer Schlechterstellung des Auslands.
 
Wird die Losung freilich als Rechtfertigung interpretiert, anderen Staaten zu schaden, scheint die Grenze zum Nationalismus überschritten.
Dann müsste man jetzt nur noch definieren, wo "schaden" anfängt.

Z.B. wenn wir uns in der Europäischen Union zusammenschließen und alle Mitgliedsländer sich gegenseitig gewisse Vorteile gewähren, alle außereuropäischen Länder aber aus diesem Zusammenschluss von vorn herein ausgrenzen, schaden wir dann nicht diesen, in dem wir den Mitgliedern Wettbewerbsvorteile gegenüber den Nichtmitgliedern verschaffen?

Vor einiger Zeit ging mit Bezug auf die Ukraine, eventuelle Gebietsabtretungen und ob man als Deutschland oder Europa Druck in diese Richtung machen sollte mal die Parole "Keine Abkommen/Verträge zu Lasten dritter!" durch die Medien.

Ich muss sagen, dass ich davon, vollkommen logelöst vom Ukraine-Thema irritiert war, weil ich mir nicht vorstellen kann, wie denn ein Abkommen aussehen könnte, dass nicht zu Lasten irgendeines Dritten (oder einer direkten Vertragspartei) geht.
Das ist die Quadratur des Kreises.
Ein Vertrag geht entweder zu Lasten eines Vertragspartners oder wenn er für alle Partner vorteilhaft ist, zu Lasten aller, die von der partizipation an diesen Vorteilen ausgeschlossen werden.

Wer Verhandelt und Verträge schließt, der schädigt, sofern er sich nicht permanent selbst schädigt irgendeinen anderen. Geht überhaupt nicht anders.
In dieser Hinsicht ist Politik ein Nullsummenspiel.
 
Guter Einwand. Wahrscheinlich sollte man, wie im Recht üblich, auf den Vorsatz abstellen.
 
Prinzipiell ist eine Regierung zunächst einmal ausschließlich dem Wohl ihrer Bürger verpflichtet. Eine Losung wie "America first" ist in diesem Sinne nicht verwerflich und entspricht lediglich dem Auftrag, den die US-amerikanische Verfassung an die Regierung formuliert.
Das ist auch meine Meinung.
Wird die Losung freilich als Rechtfertigung interpretiert, anderen Staaten zu schaden, scheint die Grenze zum Nationalismus überschritten.
Man schadet andere nicht unbedingt, wenn man zuerst an sich denkt – gemäß der Aussage: Wer jeder sich selbst hilft, ist allen geholfen. Oder auch: Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht.

Das sagen z.B. auch jene, die Sozialleistungen abschaffen bzw. sie privatisieren wollen: Die Vermögenden sollen aus eigenem Antrieb, was von ihrem Vermögen an Bedürftige abgeben.

Das ist fern einer sozialen Marktwirtschaft, wie wir sie haben, sondern ein Kapitalismus in Reinkultur, auch Anarchokapitalismus genannt, den z.B. US-Republikaner und jetzt auch der neugewählte argentinische Präsident Milei vertreten; gemeinsam ist ihnen allen die Bestrebung, den Staat auf ein absolut notwendiges Minimum zu beschränken, und so dem einzelnen Individuum zur größtmöglichen Freiheit zu verhelfen.

Wenn man aber weiterdenkt, bestünde diese Freiheit des Individuums nur auf dem Papier, denn eine tatsächliche Vertragsfreiheit gibt es nicht, weil es immer Individuen gibt, die stärker sind als andere und deshalb sagen können: Nimm, was ich dir anbiete, oder stirb. Da wären wir wieder bald in einer Sklavenhaltergesellschaft.

Eine wirkliche Vertragsfreiheit gibt es auch zwischen den Staaten nicht: Der schwache Staat muss tun, was der stärkere ihm diktiert oder Nachteile in kaufnehmen, was ihn ev. noch weiter schwächte. Etc
Es ist kompliziert.
 
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