@Der_Conscriptor , im 1. Beitrag hast du von hunderten von Steinhügelgräbern auf einem Bergkamm in Hinterzarten geschrieben (Heizmannshöhe?), Gerhard Wesselkamp notierte 1993 20-40 auf/um der Heizmannshöhe + ca. 40 auf Buchbühl/Oberer Bühlwald/waldacker.

Deine eigene Angabe beruht auf?
 
Der Archäobotaniker und Prof. an der Uni Heidelberg hatte von der DFG ein Forschungsprojekt mit Laufzeit 20006-2018 gefördert bekommen. Titel:


Der Link führt zur Übersichtsseite mit diversen Publikationen in Folge der Projekte und Untersuchungen, einige sind im Netz frei zugänglich. So beispielsweise

Auch im Südschwarzwald, und hier beim Schluchsee (Steerenmoos) wie auch in Breitnau-Neuhof (Nähe Hinterzarten/Titisee) hat Rösch Pollenanalysen-Forschung betrieben,
  • auf Englisch im Netz frei zugänglich, 2000 veröffentlicht:
    Long-term human impact as registered in an upland pollen profile from the southern Black Forest, south-western Germany

  • deutschsprachiger Artikel nur zu den Ergebnissen im Steerenmoos unter dem Titel:
    Das Steerenmoos bei Faulenfürst/Schluchsee. Ein Pollenprofil aus der Nähe des Fundortes des Einbaums als Beitrag zur frühen Besiedlung des südlichen Schwarzwaldes.
    User von academia.edu kommen an diesen Artikel, der im Band Einbaum, Lastensegler, Dampfschiff: Frühe Schifffahrt in Südwestdeutschland (ALManach), 2000, S. 71-75, erschienen ist.
Fazit: Ja, auch eine bronzezeitliche vielfache, verbreitete Nutzung und wohl zumindest teilweise dauerhafte Besiedlung ist nachweisbar/ableitbar. Beachtenswert sind die auch möglichen, vieljährigen saisonalen Nutzungen mit temporären Niederlassungen, natürlich in den nicht winterlichen Monaten.

So wurde im Nordschwarzwald bis ins spätere 19. Jh. die Waldweide in den entlegeneren Gebieten oft in der Form betrieben, dass die meist jungen Viehhirten dort in den wärmeren Monaten vollständig lebten, wohnten, meist in Kleinstgruppen und in festen Waldhütten.


 
@Der_Conscriptor , im 1. Beitrag hast du von hunderten von Steinhügelgräbern auf einem Bergkamm in Hinterzarten geschrieben (Heizmannshöhe?), Gerhard Wesselkamp notierte 1993 20-40 auf/um der Heizmannshöhe + ca. 40 auf Buchbühl/Oberer Bühlwald/waldacker.

Deine eigene Angabe beruht auf?
Lieber @andreassolar , vielen Dank erstmal für deine neutrale und objektive Herangehensweise. Du scheinst dich wohl mit der Materie sehr gut auseinander gesetzt zu haben und auch die Gegend zu kennen. Ja richtig die Bilder stammen von der Heizmannshöhe, allerdings war die formulierung mehrere hundert etwas missverständlich ausgedrückt da ich es eher auf die gesamte Gegend anwenden wollte. Allerdings sind es nach intensiver persönlicher Begehung nach meiner Einschätzung mehr als 40. Spielt allerdings auch keine so große Rolle, da es mir darum ging, einen Verweis auf die frühe Siedlungstätigkeit im Hochschwarzwald zu geben.

Die meisten Grabhügel dort sind südlich vom Berg gelegen, also Richtung Seebachtal, wo auch die mit zu den ältest gehörenden Schwarzwald Höfe liegen. Daraus schließe ich das dieses geschützte und fruchtbare Tal sowie general die Gegend um den Titisee seit eh und je sehr beliebt für Siedlungszwecke war.

Der Schluchsee stellt sowieso eine sehr rätselhafte Gegend dar. Hier wurden definitv rießige Granit Brocken u.a. bei den Steinkreisen als auch beim Bübleshof in Szene gesetzt. Bei solch vorhandenen Großprojekten gehe ich auch von einer längeren Siedlungsbeständigkeit aus. Wie lange Sie dauert kann man heute überhaupt nicht mehr einschätzen da die Bronzezeit ja auch etwas länger als eine Genration dauerte.

Bezugnehmend auf dein Fund auf der Burg Hohennagold denke ich das der Schwarzwald schon immer für Eisenerz interessant war. In Eisenbach gibt es ja auch den bekannten Kuckucksweiher, ob allerdings die Menschen der Bronzezeit schon Eisen abgebaut haben, ist selbstverständlich eine ganz andere Diskussion. In den Pyramiden wurde ja auch Eisen gefunden.

Definitv sollten wir die Menschen von damals nicht unterschätzen.
 
ob allerdings die Menschen der Bronzezeit schon Eisen abgebaut haben, ist selbstverständlich eine ganz andere Diskussion.
Die Funde in/um Tarodunum sind eisenzeitlich.
Die tatsächlichen Grabhügel bei Titisee/Neustadt (Heizmannshöhe) sind wohl sehr viel älter (mit tatsächlich meine ich, dass fehlgedeutete Lesesteinhaufen keine Grabhügel sind)
 
Die Funde in/um Tarodunum sind eisenzeitlich.
Die tatsächlichen Grabhügel bei Titisee/Neustadt (Heizmannshöhe) sind wohl sehr viel älter (mit tatsächlich meine ich, dass fehlgedeutete Lesesteinhaufen keine Grabhügel sind)
Man kann die Grabhügel eigentlich sehr gut von Lesesteinanordnungen unterscheiden, da Lesesteine üblicherweise länglich am Waldesrand angehäuft sind und auch nicht die Gleichmäßigkeit der verwendeten Steine aufweist, anders als die Gräber.

Das sie aus der Bronzezeit stammen kann man natürlich nur anhand vergleichsweiser Funde machen, die diese Bestattungsform wie gesagt in die Steinhügelgräber Zelt datieren. Es gibt ja auch Erdgrabhügel. Was die Menschen damals allerdings bewogen haben soll ausschließlich Steinhügelgräber zu benutzen, ist mir schleierhaft.
 
Bezugnehmend auf dein Fund auf der Burg Hohennagold denke ich das der Schwarzwald schon immer für Eisenerz interessant war. In Eisenbach gibt es ja auch den bekannten Kuckucksweiher, ob allerdings die Menschen der Bronzezeit schon Eisen abgebaut haben, ist selbstverständlich eine ganz andere Diskussion.
Nein, wohl nicht - deswegen wird es ja Bronzezeit genannt, und nicht Eisenzeit, die darauf folgt. Und die Steinzeit wird so genannt, weil....
Der zeitliche Ablauf der Metallgewinnungs-Fähigkeiten und -techniken ist doch hinlänglich bekannt, meine ich...;) Dass Eisengewinnung anderswo in den 'Hochkulturen' schon früher möglich war, ebenso.

Daraus schließe ich das dieses geschützte und fruchtbare Tal
Sind die Talauen um den Titisee fruchtbar?

Spielt allerdings auch keine so große Rolle, da es mir darum ging, einen Verweis auf die frühe Siedlungstätigkeit im Hochschwarzwald zu geben.
Hier wäre eine Erörterung des Begriffes Siedlungstätigkeit hilfreich.

Man findet im Schwarzwald verbreitet Nachweise für vorgeschichtliche Nutzung (Pollenanalyse), und wohl vielfach auch Funde, die eben durch wiederholt saisonal aufgesuchte und genutzte Plätze/Orte entstanden sind. Auch am Schluchsee.
Die bei Altensteig in den 1990ern zunächst wohl etwas übereilt als altsteinzeitliche Siedlung eingestufte Örtlichkeit Nonnenwiesen, wurde nach der 2. Untersuchung als mittelsteinzeitlicher Lagerplatz bzw, saisonale, wiederholt aufgesuchte Freilandstation eingestuft.

Weiterhin sei daran erinnert, dass es deutliche Nutzungs-/Siedlungslücken oder -rückgänge in und zwischen den vorgeschichtlichen Phasen gibt.
In den Pollenanalysen aus dem Schwarzwald lässt sich dass erneut und vielfach sogar für die Zeit ab bzw. nach der römischen Kaiserzeit belegen.

Das sie aus der Bronzezeit stammen kann man natürlich nur anhand vergleichsweiser Funde machen, die diese Bestattungsform wie gesagt in die Steinhügelgräber Zelt datieren.

Dass sie alle bronzezeitlich sind, ist so nicht belegt, wenngleich Roland Weis eine generelle Datierung für viele durch das LDA in seinem Titel S. 50 so hinstellt, was das LDA so nicht generalisiert hat und die vorläufige interne Einschätzung der Außenstelle Freiburg des LDA von 1988 in dieser Hinsicht kann nur schwerlich mehr als 20 Jahre später sinnvoll als Beleg eingebracht werden. Man konnte diese Steingrabhügel, soweit schon archäologisch untersucht, teils der Bronzezeit (überwiegend), teils der Hallstattzeit, teils sogar der Merowingerzeit/dem Frühmittelalter zuordnen. Und teils gehörten sie allen Phasen an, durch Nachbestattungen.

Einige wurden 2015 auf der Fehrn bei Neustadt untersucht, die waren lt. Bericht über die Grabung des Archäologen-Teams unter Leitung von Thomas Knopf gar keine Grabhügel gewesen.

Die Steingrabhügelverteilung konzentriert sich im Schwarzwald deutlich auf gewisse Cluster im/am Südschwarzwald.
  • Cluster Dinkelberg bei Lörrach
  • Cluster Raum Titisee-Neustadt
  • Cluster Schwarzwald-Baar
 
Ein achtzig seitiges Paper, 2020 veröffentlicht, referiert und resümiert verschiedene Projekte und Untersuchungen seit 2000 zur Landnutzungsgeschichte des Südschwarzwaldes.

Thomas Knopf, Elske Fischer u.a., Zur Landnutzungsgeschichte des Südschwarzwaldes - Archäologische und naturwissenschaftliche Untersuchungen, in Fundberichte aus Baden-Württemberg 2019, S. 19-101, hier zitiert S. 92 (Abschnitt 6 AUSSAGEN ZUR LANDNUTZUNGSGESCHICHTE ANHAND ARCHÄOLOGISCHER UND NATURWISSENSCHAFTLICHER UNTERSUCHUNGEN: ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN)

wg. der geringen vorgeschichtlichen, bronzezeitlichen Scherbenfunde:

Für den Grundgebirgsschwarzwald wird zudem immer wieder die schlechte Überlieferung von Keramik in den sauren Böden als weiterer Grund für das geringe Fundaufkommen genannt. Einige wenige kleine Scherben vorgeschichtlicher Machart aus den hier vorgelegten Begehungen zeigen immerhin, dass nicht immer von einer vollständigen Zerstörung auszugehen ist. Die Funde bronzezeitlicher bzw. urnenfelderzeitlicher Keramik von Burgstellen am Rand des Schwarzwalds, hier aber auf einem Untergrund aus Granit, Buntsandstein etc. (etwa von der Gutenburg bei Aichen-Gutenburg), machen zudem deutlich, dass sich vorgeschichtliche Keramik auch in saurem Boden erhalten kann. Desgleichen legen die wenigen Scherbenfunde von „Immeneich“ nahe, dass nicht allein die Art des Bodens für den Mangel an Keramik verantwortlich zu machen ist.

Eine weitere Erklärung, warum im Südschwarzwald so wenige vorgeschichtliche Besiedlungsfunde bzw. Besiedlungs-/Siedlungsnachweise zu finden sind:

Geht man zudem nicht von einer Besiedlung wie in den Gebieten außerhalb des Schwarzwalds aus, sondern eher von einer temporären und saisonalen Nutzung, so ist auch zu fragen, wie viel an recht schwerer Keramik man für solche Aufenthalte mitzubringen gewillt war. Meist dürften dies nur sehr wenige Koch- und einzelne Vorratsgefäße gewesen sein. Ebenso können grundsätzliche Überlegungen hinsichtlich der Überdauerung und Eingriffstiefe von Befunden angestellt werden: Für möglicherweise nur in den wärmeren Monaten benötigte oder allein auf wenige Jahre saisonaler Benutzung ausgelegte Häuser oder Hütten waren kaum aufwändige Konstruktionen mit tiefen Pfostengruben oder überhaupt große Gebäude notwendig. Ebenfalls Abfall- und Vorratsgruben fallen dann weitgehend aus. Somit könnte eine Vielzahl von Faktoren zur geringeren und schlechteren Befund- und Fundüberlieferung im Schwarzwald beigetragen haben.

S. 93 u.a.:

Auf Basis der durch die Pollenanalysen gewonnenen Daten ist die Perspektive auf die ur- und frühgeschichtliche Nutzung des Südschwarzwalds und vielleicht auch des Schwarzwalds generell vor allem eine ökonomische:
Die Menschen gingen auf die Höhen, um ihre Nahrungsgrundlage zu verbessern bzw. spezifische Ressourcen zu nutzen. Diese Nutzung war einerseits sicher durch ganz praktische, etwa naturräumliche Parameter bestimmt: Lagerplätze für das Vieh an Quellen oder Bächen und Seen, Waldflächen, die leichter aufzulichten waren oder vereinzelte Feldstandorte mit akzeptablen Böden. Offensichtlich wurden bestimmte Plätze wiederholt aufgesucht, da dies für eigene Zwecke von praktischem Nutzen war: Freie Flächen waren so leichter zu schaffen, und es wurden, wie schon angesprochen, vielleicht sogar gezielt Waldrandflächen mit nutzbaren Sträuchern wie Himbeeren und Brombeeren erzeugt.
 
Thomas Knopf, Elske Fischer u.a., Zur Landnutzungsgeschichte des Südschwarzwaldes - Archäologische und naturwissenschaftliche Untersuchungen, in Fundberichte aus Baden-Württemberg 2019, S. 19-101

...und ist auch im Netz frei zugänglich

Mir war weiterhin auf den Bildern im Beitrag 1 etwas aufgefallen, ebenso bei der Ortsangabe 'Heizmannshöhe', das hat sich nun vorsichtig bestätigt, wie die zuletzt zitierte Arbeit aus 'Fundberichte' zeigt.

  • Angesichts der tausende von behaupteten/vermuteten bronzezeitlichen Steingrabhügeln im Südschwarzwald fällt/fiel auf, dass dort bislang keinerlei bronzezeitliche Siedlungen bzw. Siedlungsstellen entdeckt worden waren, keine Verfärbungen durch Pfosten-, Abfall- und Vorratsgruben beim Straßen-, Wege- und Hausbau, Geländeplanierungen für Sportplätze, Tennisplätze, beim Ausheben von Baugruben für Tiefgaragen, sonstige Gebäude wie Wasserreservoirs usw.
  • Auch und gerade im Nordschwarzwald wurden die großen entlegenen Gebiete kontinuierlich erneut ab dem frühen Mittelalter wirtschaftlich genutzt, beispielsweise durch Waldweide, Holzwirtschaft, vielfach begleitet durch den wiederkehrenden saisonalen Aufenthalt der Beschäftigten in diesen Gebieten, die saisonal in wiederholt genutzten Wald- und Holzhütten bzw. -häusern vor Ort lebten. Diese Lebens- und Wirtschaftsformen hatten sich bis weit ins 19. Jh. gehalten und sind daher gut dokumentiert, und können so anschaulich machen, wie große Gebiete des Schwarzwaldes Siedlungs- und Nutzungsspuren zeigen auch weit abseits fester Dauersiedlungen.
  • Dauerbesiedlung wird daher am besten von temporären Aufenthalten mit wenigen Monaten + Jahren, nach welchen die Menschen zum nächsten attraktiven Nutzungsort weiterziehen, und den vielfachen, weit verbreiteten, wiederholten saisonalen Nutzungsaufenthalten unterschieden.
 
Man kann die Grabhügel eigentlich sehr gut von Lesesteinanordnungen unterscheiden, da Lesesteine üblicherweise länglich am Waldesrand angehäuft sind und auch nicht die Gleichmäßigkeit der verwendeten Steine aufweist, anders als die Gräber.

Das trifft so nicht zu. Die bislang wenigen Untersuchungen von 'Steingrabhügeln' im/am Schwarzwald durch Archäologie-Teams wie auch die sonstige Wissenschaftslit. sowie auch mir bekannte, persönliche Aussagen von Leuten vom Fach betonen konstant, dass Lesesteinhügel ggf. nur schwerlich gesichert von sonstigen Hügeln/Steingrabhügeln ohne eindeutige archäologische Funde unterschieden werden können.

Ein mir bekannter Archäologe, seit Jahrzehnten u.a. in zahllosen Touren archäologisch im gesamten Schwarzwald unterwegs, hat diesen Umstand immer wieder schon früher thematisiert und bestätigte dies erneut für die Gegenwart.
 
Was auffällt ist, dass die Gebirge östlich des Rheins , also nicht nur der Schwarzwald in der vorrömischen Zeit sondern auch der Odenwald eine geringe Fundlage und Dichte aufweisen während sich in den westlich des Rheins gelegenen Gebirgen eine relativ grosse Siedlungsdichte findet.Im Odenwald ist das noch krasser, da finden sich ausser dem Oppidum bei Heidelbergm.W. eigentlich keine nennenswerten Besiedlungsspuren.
....

...
Was mich schon immer gewundert hat ist die Tatsache, dass östlich des Rheins ,z.B. an der klimatisch und von der Lage her mindestens ebenso angenehmen Bergstrasse zwischen dem Maingebiet und Heidelberg überhaupt keine Siedlungsspuren zu finden sind und im angrenzenden Odenwald erst recht nicht.
..
Das legt den Gedanken nah, dass wir es hier mit einem ähnlichen Phänomen zu haben könnten, also mit einer rechtsrheinischen Tabuzone am Oberrhein in vorrömischer Zeit
Dies könnte sowohl das völlige Fehlen von Funden im Odenwald als auch die auch die Fundarmut in Teilen des Schwarzwalds erklären
Würde ich so nicht sagen.
Oppidum Finsterlohr – Wikipedia
Viereckschanze – Wikipedia
Römermuseum Osterburken – Wikipedia
Limesmuseum Aalen – Wikipedia
Ausgrabungen in Unterbalbach bei Lauda-Königshofen
 
Zuletzt bearbeitet:
Thomas Knopf, Elske Fischer u.a., Zur Landnutzungsgeschichte des Südschwarzwaldes - Archäologische und naturwissenschaftliche Untersuchungen, in Fundberichte aus Baden-Württemberg 2019, S. 19-101,

S. 93 wird im letzten Abschnitt ein weiterer Gesichtspunkt bei den möglichen Gründen für das Aufsuchen des Südschwarzwaldes genannt, der natürlich selten in der einschlägigen Fachlit. vorkommt, doch um der Vollständigkeit willen bei den Überlegungen zu vorgeschichtlichen Nutzungs-/Siedlungsformen im Südschwarzwald dazu gehört:

Daneben oder damit verbunden sind aber desgleichen andere Gründe für die Aufsuchung dieser andersartigen naturräumlichen Gegebenheiten denkbar: Vergleichsweise hohe Berge, Felsformationen, Moore, Schluchten etc. konnten für prähistorische Menschen offensichtlich immer wieder auch ,naturheilige‘ Plätze sein, wie Beispiele aus anderen Regionen nahelegen. Aus dem hier untersuchten Gebiet sind solche Plätze (noch) nicht bekannt.
[...]
Zudem ist eine Betrachtungsweise als sog. liminales Gebiet nicht auszuschließen. Dabei geht es um Räume oder Orte mit einer Art Übergangscharakter, die vom ,normalen‘ Lebensraum abgetrennt sind.
[...]

Warum auch immer: nach dem Lit.-Verzeichnis taucht eine Zusammenfassung auf (S. 100), wie ich jetzt erst sah...dort wird u.a. notiert:

[...]
Die grundsätzliche Frage war, wann, auf welche Art und mit welcher Intensität die Menschen den klassischen ‚Ungunstraum‘ von der Steinzeit bis in die frühe Neuzeit nutzten
[...]
Die archäologischen Begehungen erbrachten zahlreiche neue Silexartefakte. Vorgeschichtliche Keramik war sehr selten, ab der Merowingerzeit häufen sich jedoch die Funde. Am Rand des Schwarzwalds konnten zahlreiche neue Fundstellen entdeckt werden, die eine intensivere Nutzung dieses Raums nahelegen. Die Ausgrabung mehrerer sog. Steinhügel belegte, dass diese als Zeugnisse spätmittelalterlicher und neuzeitlicher Landnutzung zu deuten sind. Kolluvien weisen auf die vor allem seit dem Mittelalter intensive Erosion bzw. Bodenüberdeckung hin.
Die pollenanalytische Untersuchung erbrachte zahlreiche meist kurze und kleinräumige Landnutzungsphasen durch alle Zeitstufen hindurch, in etwa belegt durch Getreide- und Spitzwegerichpollen, wohingegen ihr Ende durch Birkengipfel angezeigt wird.
[...]​
 
Na Ihr habt Euch ja ein schönes Schlachtfeld ausgesucht. Eine Discussio Adnobae. Man entschuldige bitte das schlechte Latein, ich lese zu viele christlich geprägte Urkunden :)
Danke für die vielen gut gewählten Literaturverweise @andreassolar, ein bisschen weniger "ich kenne da jemanden" wäre entkrampfend. Die sollen schreiben :) Am Besten hier. Als hilfreiche und freundliche Kritik gedacht.

Eine Frage drängt sich mir aber gerade auf und ich hau sie mal raus. Was ist (Titel des Threads) falsch oder nachteilig daran, wenn die Geschichte von irgendwo umgeschrieben werden muss? In meiner nicht gesetzgebenden oder entscheidenden Meinung haben wir doch einen Punkt erreicht, an dem die Geschichte fast überall umgeschrieben werden muss. Oder dringend sollte. Und die positiv angeregte Diskussion hier zeigt ja beispielhaft, wie nötig und spannend das werden kann.

Und noch ein kleiner Beitrag. Ich glaube erfahrenen Begehern, dass sie in der Lage sind, einen Lesesteinhaufen ziemlich sicher von einem verschliffenen Grabhügel unterscheiden zu können. Auch ohne wissenschaftlichen Abschluss. Die Technik des Sehens ist älter, als die Einrichtung der Fachdisziplinen.

P. S. Ich kenne persönlich nur zwei Menschen, die im Odenwald leben. Weiss nicht sicher, ob es da mehr gibt. Scheint aber auch heute noch kein besonders gern gewählter Wohnort zu sein. Nur, weil Zaphod mal wieder rechtsrheinisch fabuliert :)
 
Peinlicher Schreibfehler. Kanns leider nicht mehr ändern. Müsste mindestens Discussio Abnobae heißen. Tz, Tz. Autokorrektur vermutlich.
 
'Geschichte' wird laufend erweitert, differenziert, neu konzipiert, nachjustiert, verändert.

Was ist (Titel des Threads) falsch oder nachteilig daran, wenn die Geschichte von irgendwo umgeschrieben werden muss?

Hat wer behauptet?

ein bisschen weniger "ich kenne da jemanden" wäre entkrampfend. Die sollen schreiben :) Am Besten hier. Als hilfreiche und freundliche Kritik gedacht.

Aktive, im Berufsleben stehende Archäologen schreiben ggf. in Fachportalen, und wiederum nicht in nichtfachlichen Diskussionsplattformen.

Ich glaube erfahrenen Begehern, dass sie in der Lage sind, einen Lesesteinhaufen ziemlich sicher von einem verschliffenen Grabhügel unterscheiden zu können.

Sonstige Steinhaufen - mit dem Begriff 'Lesesteinhaufen' wird ein gewisses vereinfachtes, nicht zutreffendes Bild transportiert, wie der Archäologe Thomas Knopf am Beispiel der 2015 untersuchten Steinhügel am 'Fehrn' bei Neustadt/Schwarzwald formulierte - gesichert von Steingrabhügel-Haufen zu können, setzt ausreichende und vielfältige Vergleichserfahrungen voraus und Fähigkeiten sowie Kenntnisse zur differenzierenden Wahrnehmung. Letzteres ist nicht von Natur aus gegeben, ersteres wohl eher sehr selten vorhanden.

Die orts- bzw. heimatkundlichen Drucke diverser Gemeinden früherer Zeiten belegen vielfach, dass 'Begeher' vor Ort durchaus Fehleinschätzungen bzw. Wunschdenken unterliegen. Das ist, schwächer ausgeprägt, bis heute so. Natürlich sind langjährig beruflich tätige Archäologen im Bereich genauso erfahrene 'Begeher'.
 
Ein Beispiel für Selbstgestricktes aus dem Schwarzwald:

Eine angebliche Steinhügelgrab-Nekropole auf dem Ramstein bei Tennenbronn behauptete 2015 in einen Vortrag in Tennenbronn (Schramberg/Schwarzwald) der Schwarzwälder 'Forscher' Wilfried Kromer und sprach von 6000-10000 keltischen Steinhügelgräbern auf dem Ramstein.

Der sehr gut besuchte Vortrag im September 2015 wurde durch eine kleine Wanderung am nächsten Tag auf dem Ramstein ergänzt - Kromer und sein Co-Partner konnten den Teilnehmern tatsächlich im Wald etliche/viele Steinhügel zeigen.

Keltische Steingrabhügel? Die sind mir bisher nicht bekannt gewesen und in der einschlägigen Fachliteratur werden die Hallstattgrabhügel durchweg als Erdhügel beschrieben - so kenne ich sie aus der eigenen Anschauung.

Wahrscheinlich werden auf dem Ramstein also viele Steinhügel zu finden sein, wie Kromer zu seinen Stückzahlen kommt, wird nicht erwähnt, auch nicht die Größen der Steinhügel.
 
Eine angebliche Steinhügelgrab-Nekropole auf dem Ramstein bei Tennenbronn behauptete 2015 in einen Vortrag in Tennenbronn (Schramberg/Schwarzwald) der Schwarzwälder 'Forscher' Wilfried Kromer und sprach von 6000-10000 keltischen Steinhügelgräbern auf dem Ramstein.
@andreassolar ein köstlicher Fund! Insbesondere die imaginären Linien begeistern
Vom Ramsteiner Monolith gelangt man anhand einer imaginären Linie genau durch die Schalensteine in Schonach und erreicht so den westlichen Punkt in Waldkirch.
und auch die Kultpunkte sind brisant:
Dabei kam Erstaunliches und fast Unglaubliches heraus. Auch auf der Remsbachhöhe sind so genannte Kultpunkte miteinander verbunden, wie zum Beispiel von Ulm nach Altötting.
ich gelange jetzt entlang einer imaginären Linie zu einem Budweiser Kultpunkt im Kühlschrank :D
:D:D
 
Bei dieser Art von Selbstgestricktem gibt es Linien/Kultpunkte häufig bis üblicherweise gratis zum Deutungspaket dazu...


Die keltische Deutung von 'Tennenbronn' ist ebenso erfunden, soweit ich sehe.

Ein Punkt in den beiden Vorträgen, über die der Zeitungsartikel berichtet, stimmt wohl wenigsten: Es gibt Steinhügel auf dem Ramstein, der Ramsteiner Höhe bei Tennenbronn......

Tja, bemerkenswert scheint doch zu sein, dass offenbar sehr wenige oder gar keine Personen bei den Teilnehmern soweit sichere (eigene) Kenntnisse zu den Kelten haben, dass wenigsten die groben Schnitzer sofort auffallen und Widerspruch hervorrufen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die keltische Deutung von 'Tennenbronn' ist ebenso erfunden, soweit ich sehe.
Immerhin gibt es ein keltisches Wort *tanno-, welches die Eiche bezeichnet, und ein inselkeltisches Wort bronn, welches die Brust bezeichnet. (Im Kymrischen und Walisischen gibt es sogar die Bedeutungsverschiebung zu 'Hügel'.)

Allerdings gibt es auch ein deutsches Tann-Wort, welches einen Baum bezeichnet, und die Endung -bronn ist ein im Deutschen sehr gebräuchlicher Ortsnamenbestandteil (Heilbronn, Königsbronn), da bräuchte man schon gute Argumente, um einen deutschen Ursprung des Namens wegzudiskutieren.

Ob der Hobbykeltologe die 2. Lautverschiebung bedacht hat? Das keltische Tarodunum hat sich zu Zarten gewandelt, dann müsste bei einem angenommenen Tannobronn der Ortsname seit der Lautverschiebung Zannopronn lauten...
 
Immerhin gibt es ein keltisches Wort *tanno-, welches die Eiche bezeichnet, und ein inselkeltisches Wort bronn, welches die Brust bezeichnet. (Im Kymrischen und Walisischen gibt es sogar die Bedeutungsverschiebung zu 'Hügel'.)
Ersteres war mir unbekannt und 'Hügel' kannte ich als -leh oder -bühl in der einschlägigen Lit. zu den hiesigen Kelten.

Allerdings gibt es auch ein deutsches Tann-Wort, welches einen Baum bezeichnet, und die Endung -bronn ist ein im Deutschen sehr gebräuchlicher Ortsnamenbestandteil (Heilbronn, Königsbronn), da bräuchte man schon gute Argumente, um einen deutschen Ursprung des Namens wegzudiskutieren.
Ja, im Schwarzwald, klassische hochmittelalterliche Gründungen mit Rodungsinseln, an (kleineren) Fließgewässern oder Quellen, wie Moosbronn oder Kaltenbronn, selbst der ON Maulbronn spiegelt noch das wieder. Und so auch die offenkundige Situation für Tennenbronn, an der Schiltach. Die ON mit der Endung -bach, an Fließgewässern, sind weit verbreitet und hinlänglich bekannt.

Ob der Hobbykeltologe die 2. Lautverschiebung bedacht hat? Das keltische Tarodunum hat sich zu Zarten gewandelt, dann müsste bei einem angenommenen Tannobronn der Ortsname seit der Lautverschiebung Zannopronn lauten...
Ja...schöner Hinweis auf die Sprachentwicklungen, welche die Hobbykeltologen in aller Regel nicht beachten u. kennen.
 
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