In des Kaisers Namen! Höret!

Naresuan

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Ich durfte kürzlich eine großartige Inszenierung Schillers "Wilhelm Tell" am "Originalschauplatz" in Altdorf genießen.
Weit davon entfernt, in dem Stück nach historischer Genauigkeit zu suchen, fiel mir doch etwas auf: ständig wird von einem Kaiser gesprochen, wo Albrecht doch gar keiner war.

Mal abgesehen von Schiller, ich frage euch, mit welchem Begriff die Leute im deutschsprachigen Raum des HRR um 1300 auf ihren obersten Lehensherrn Bezug nahmen, wenn nicht spezifisch eine Person gemeint war. Waren die Institutionen des Reiches kaiserlich, auch wenn es seit 50 Jahren keinen Kaiser mehr gegeben hatte?

Eine Stichprobe in der "Lyrik des deutschen Mittelalters" ergab 73 Treffer für Kaiser (keiser) und nur 7 für König (kung, kunc).
Beispiel:
ich wolde niht ein keiser sin,
daz ich die lieben frowen min
gesêhe niemer z’allen tagen:
sone wolde ich niht der krone tragen.
Der von Gliers, "Ich klage mich vil leide" im Codex Manesse

Ich behaupte, dass Schiller, wahrscheinlich ohne sich dessen bewusst zu sein, mit den vielen Erwähnungen eines Kaisers, nicht nur für seine Zeit, sondern auch für das 13./14. Jh. richtig lag. Meine Stichprobe ist allerdings ein bescheidener Beweis.

Dagegen steht im Wikipedia-Artikel über Königspfalzen, dass der historisch korrekte Ausdruck "Königspfalz" und nicht "Kaiserpfalz" sei. Ist das so? Ich fand schon "ministerialis aulae imperialis" und das in der Königszeit eines Nicht-Kaisers, wobei ich nicht recht fassen kann, was das imperialis in lateinischen Texten dieser Zeit genau bedeutete, bzw. wann und ob die Schreiber mit den Adjektiven imperatorius/imperialis und regius/regalis überhaupt etwas unterscheiden wollten.
 
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Dagegen steht im Wikipedia-Artikel über Königspfalzen, dass der historisch korrekte Ausdruck "Königspfalz" und nicht "Kaiserpfalz" sei. Ist das so?
Insofern einige Anlagen bereits bstanden oder im Bau waren (etwa Aachen) bevor Karl d. Große nach Rom ging und die Kaiserwürde erlangte, dürfte es durchaus plausibel sein, dass es sich in der urprünglichen historischen Diktion warscheinlich zunächst mal um "Königspfalzen" handelte.
 
Insofern einige Anlagen bereits bstanden oder im Bau waren (etwa Aachen) bevor Karl d. Große nach Rom ging und die Kaiserwürde erlangte, dürfte es durchaus plausibel sein, dass es sich in der urprünglichen historischen Diktion warscheinlich zunächst mal um "Königspfalzen" handelte.
Nicht so in Ingelheim. Die Pfalz wurde 780-800 erbaut, nennt sich offiziell Kaiserpfalz. Karl wurde 800 zum Kaiser gekrönt.
In Aachen spricht man hingegen von einer Königshalle in einer Königspfalz. Auch hier ließ Karl ab 780 bauen, wenn auch bereits römische und herrschaftliche Gebäude von Pippin d. Jüngeren bestanden.
Aber damit befinden wir uns eigentlich in einer Zeit, auf die Naresuan wohl nicht abzielte. Es ging ja nicht um das Fränkische Reich im Frühmittelalter, sondern um das HRR im Hoch-, bzw. Spätmittelalter.
 
dass es sich in der urprünglichen historischen Diktion warscheinlich zunächst mal um "Königspfalzen" handelte.
Damit kann ich mich anfreunden. Der Wikipedia-Artikel lässt jedoch bis ins 19. Jh. keinen Raum für "Kaiserpfalz". Der Begriff soll erst dann aufgekommen sein. Begründet wird es mit dem Umstand, dass nicht jeder König ein Kaiser war.

Meine Vermutung ist nun, dass es in kaiserlosen Zeiten des HRR ab 1250 umgekehrt war und das Reich und seine Institutionen und Gebäude trotz Fehlen eines Kaisers als "kaiserlich" betrachtet und bezeichnet wurden.
 
Meine Vermutung ist nun, dass es in kaiserlosen Zeiten des HRR ab 1250 umgekehrt war und das Reich und seine Institutionen und Gebäude trotz Fehlen eines Kaisers als "kaiserlich" betrachtet und bezeichnet wurden.
So verstehe ich das auch. Der König im deutschen Reich war ein potenzieller Kaiser, Könige anderer Reiche wie der Frankreichs waren das nicht.
 
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