So, ich kann euch noch die Mühe ersparen, diesen Artikel
The Süleymaniye Complex in Istanbul: An Interpretation durchzulesen, indem ich mythische und reale Interpretationen und Stories zur Sultan Süleyman Moschee zusammenfasse:
Wie oben schon angeklungen, besteht die Süleymaniye nicht nur aus Moschee, sondern auch aus zahlreichen umliegenden und wohlkomponierten Bauten, die insgesamt den
Moscheekomplex (külliye) ausmachen:
- Mausoleen des Sultans und seiner Frau Roxelane/Haseki Hürrem (türbe)
- Astronomisches Observatorium (muvakkithane)
- Fortgeschrittene Schule der überlieferten Prophetenworte/Hadith (dar-ül hadis)
- öffentliches türk. Bad (hamam)
- Aspirantenschule (mülazimler medresesi)
- Vier öffentliche Universitäten (medrese)
- Medizinische Fakultät (tıp medresesi)
- Krankenhaus (dar-üş şifa)
- Koranschule (dar-ül kura)
- Grundschule (sibyan mektep)
- Armenküche (imaret)
- Karawanserei/Hospiz (tabhane)
- Wasserverteilstation (taksim)
- Mausoleum vom Architekten Sinan
- Friedhof
- Haus der Friedhofswärter (türbedar oda)
- Brunnen
- Residenz des Janitscharen Ağas
Fotos und Pläne von der Moschee-Stiftung kann man gut hier sehen:
Süleymaniye Complex, Istanbul, Turkey
ausserdem hier hunderte Fotos:
Süleymaniye Camii
Nun verstanden sich die osmanischen Sultane zunehmend als
Verteidiger des orthodoxen sunnitischen Islams, gegen die teilweise heterodoxen Sufi-Orden, weswegen dieses auch in der Anordnung der Theologischen Fakultäten achsial eng an der Moschee zum Ausdruck kommt.
Der wachsende Einfluss der Ulema (Geistliche Gelehrte) wird in der Anzahl der theologischen Universitäten deutlich.
Bezeichnete sich Mehmed II., der Eroberer, noch als Nachfolger der römischen Kaiser als
Sultan-i Rum (Rum=Rom), so verschiebt sich die Legitimation des Sultans nach Einnahme der arabischen Kernlanden durch Süleymans Vater und Übernahme des Kalifentitels hin zum mehr islamischen Herrscher und der Bezeichnung
Padischah-i Islam.
Diese imperiale Moschee als Ausdruck der Macht wurde natürlich auch wöchentlich vom
Sultan besucht, und wurde so beschrieben:
Das Pferd des Sultans wurde einen Tag zuvor in die Luft aufgehängt und bekam kein Futter, damit es am Tag der Prozession zur Moschee gemessen, ehrwürdig und "staatstragend" ritt.
7000 Janitscharen schritten vor dem Sultan in perfekter Disziplin voran. Bewaffnet mit türkischem Bogen, damaszierende Pfeile und vergoldeten Köcher. Sie waren absolut still. Danach kamen alle Würdenträger in Prachtkleidung, nach Rang geordnet, dann kam der Sultan, mit einem Prachtgewand, dass einem nichts mehr einfällt (wie der Autor schreibt
), und einem Pferd, welches mit orientalischen Perlen behängt ist, danach kommen alle, die vor ihm reiten in umgekehrter Reihenfolge nach, also zum Schluss nochmals 7000 Janitscharen. Gesäumt wird die Strasse von unzähligen Menschen aller Herren Länder, jedoch hört man einzig nur das Hufklappern und könnte denken, die Stadt sei ausgestorben, so ruhig ist es.
Wenn der Sultan die Zuschauer passiert, zeigen diese ihren Respekt, indem sie sich verneigen, und der Sultan ebenso mal nach rechts, mal nach links der Bevölkerung zunickt.
Nach dem Gebet verteilt Süleyman dann Almosen an die Bedürftigen und es geht wieder in den Palast zurück, wie er gekommen ist.
Kuppeln und untergeordnete Halbkuppeln seien Zwillinge der himmlichen Umlaufbahnen. "Die Erde fordert den Himmel heraus mit Kuppeln, die sogar höher wie das Paradies sind." Der plätschernde Marmor-Brunnen im Innenhof sei eine Reminiszenz an "
Kawthar", der Fluss im Paradies. Aber auch die gesamte Moschee wird als ein Symbol des Paradieses angesehen, welches auch in vorzüglichsten Kalligraphien betont wird.
Das
Licht, welches verschwenderisch in die Moschee einfällt, hat auch hohe symbolische Bedeutung (wie meistens in osmanischen Bauten), gefördert durch Steinglasfenster, die mit Kalligraphien verziert sind, so z.B. mit dem Lichtvers aus dem Koran:
"Gott ist das Licht von Himmel und Erde. Sein Licht ist einer Nische (oder: einem Fenster?) zu vergleichen, mit einer Lampe darin. Die Lampe ist in einem Glas, das (so blank) ist, wie wenn es ein funkelnder Stern wäre."
Die Moschee wird also gleichsam durch göttliches Licht geflutet. Dazu erhellen in der Nacht unzählige Öllampen (auch in halbierten Straussen-Eiern) das Innere wie ein Sternenzelt. (Neben den Straussen-Eiern über 2000 Glaslampen)
Die Wandnische Richtung Mekka (kibla) ist mit erlesenen Iznik-Fliesen geschmückt, die Pflanzen und Blumen aus einem paradiesischen Garten zeigen.
Dieses
Paradiesthema wird wiederholt im Mausoleum von Süleyman und seiner Frau. Auch hat Süleyman diese blau-roten Iznik-Fliesen dem
Felsendom in Jerusalem gestiftet, als er sie renovierte und sie damit so geschmückt, wie wir sie heute wahrnehmen. Interessant ist, dass im Gegenzuge das Mausoleum von Süleyman ein Zitat des Felsendomes ist, mit seiner Doppelkuppel, seinen inneren runden Arkaden, seinem achteckigen Grundriss, seinem äußeren Kolonnaden. Zudem ist die Decke innen ebenso mit Bergkristall-Steinen eingelassen und anderweitig ausgeschmückt, welches eine große Ähnlichkeit zum Felsendom hat. Diese Ähnlichkeiten kommen nicht von ungefähr, sollen sie doch auf den sagenhaften Tempel des Königs und Propheten
Salomon verweisen, so verweist Süleyman in Brunnen-Inschriften explizit darauf und spricht von sich als Süleyman-i Zaman (Salomon des Zeitalters).
Die Stiftungsurkunde verweist auf die Moschee als das neu errichtete legendäre
Iram,
die Stadt der tausend Säulen, ein Abbild des Paradieses.
Dieser Verweis auf das mystische Iram erhellt auch die enormen Anstrengungen, die beim Finden und Aussuchen der Granit-, Pophyr- und Marmor-Säulen verwendet wurde. Diese Säulen wurden überall im Imperium gesucht, von Ruinen, aber auch von ruinösen Gebäuden, die schon Spolien verwendet haben. So wird berichtet, dass vom Hippodrom aus Konstantinopel 17 Marmorsäulen Verwendung fanden. Die enormen Schwierigkeiten diese massiven Steine zu transportieren führten bald zu zahlreichen Legenden, ähnlich denen, die beim Bau der Hagia Sophia auftraten, und die letztlich die Stärke, Reichtum und Leistungsfähigkeit des Reiches demonstriert.
So wie die
Hagia Sophia den legendären Tempel Salomons nachempfunden ist (templum novum salomonis), führt die Süleymaniye mit ihrem gleichem Bauschema (Kuppel -> zwei Halbkuppeln - zwei Schildwände) diese Deutung fort. Ebenso holt Süleyman auch mit Spezialschiffen unbezahlbare Säulenspolien aus dem
Jupitertempel von Baalbek, wie es in der Hagia Sophia geschah. Ausserdem brachte er Säulen von seinen Eroberungszügen von Rhodos, Belgrad und Malta mit.
Der Baalbek Tempel wird in islamischen Quellen als legendärer Palast Salomons gedeutet, erbaut für die
Königin von Saba.
Wir sehen also, die salomonischen Referenzen sind nicht zufällig.
Jede Säule, welche aus weit entfernten Gebieten geholt wurde, symbolisiert die Erinnerungen der verschiedenen Völkern.
So stützen innen je zwei gewaltige Rosengranitsäulen ein triumphbogenartiges Motiv unter den Schildwänden. Zwei der Säulen sollen aus Alexandria und Baalbek stammen, die anderen beiden aus einem königlichen Palast in Istanbul und einem anderen Ort in Istanbul. Zwei weitere Säulen aus Alexandria sind auf einem Schiff in einem Sturm versunken.
Diese vier Säulen symbolisieren auch die vier Nachfolger Muhammads (des Propheten): Abu Bakr, Umar, Uthman, und Ali. Gleichfalls wurden die vier Rechtsschulen des sunnitischen Islam darin gesehen, ebenso wie in den vier Universitäten um die Moschee herum. Eine Analogie geben auch die vier Minarette (Gebetstürme): Die vier "Freunde"/Nachfolger von Muhammad. Die andere Assoziation habe ich oben im Post schon gegeben.
Gleichfalls kann man die Kuppel, getragen von vier gewaltigen Bögen, mit dieser Deutung assoziieren. Dieses Baldachinmotiv wird in Quellen auch mit den Bögen des
Sassanidenherrschers Chosraus verglichen.
Die Moschee wurde auch als "
zweite Kaaba (Mekka)" angesehen.
Erstaunlich ein Brief des schiitischen Feindes
Schah Tahmasp aus Persien für die Eröffnungszeremonie: Er bezeichnete die Moschee als Heiligtum und schreibt, dass er sich an das "Heiliges Haus Gottes" (= Kaaba) erinnert fühlt. Diese Analogien an die Kaaba sind kein Zufall, denn im Mausoleum von Sultan Süleyman wurde über dem Eingang ein original Stückchen des heiligen schwarzen
Meteoriten der Kaaba eingefasst!
Nicht von ungefähr ist auch die Lage über dem Goldenen Horn auf dem dritten der
sieben Hügel Istanbuls. Die Moschee dominiert dort die Silhouette der Stadt. Und von dort hat man ein wunderbares Panorama über die ganze Stadt, Evliya Çelebi schreibt, von dort sieht man die "ganze Welt". Das Motiv der thronenden Moschee, über seine umliegenden Bauten, über der ganzen Stadt, mit seiner kaskadierenden Kuppelpyramide, steht für das Osmanische Reich mit dem Sultan an der Spitze.
Die Innendekoration ist verglichen z.b. mit der Hagia Sophia sparsam ausgeführt, sich ganz der Architektur unterordnend. Die kristalline geometrische Struktur des Baus sollte den Betrachter gefangen nehmen, nicht seine Oberflächen. Die euklidische Geometrie kommt voll zur Geltung. Der Blick wird gelenkt zu der Erlesenheit der Materialien. Und zu den Kalligraphien, die abgesehen von der Gründungskalligraphie alle aus dem Koran stammen und die absolute Macht des Sultans preisen sollen.
Viele
Koranverse beziehen sich auf das
Paradies:
"Diejenigen aber, die sich (in ihrem Erdenleben) vor ihrem Herrn gefürchtet haben, werden in Scharen dem Paradies zugeführt (w. in das Paradies getrieben). Wenn sie schließlich dort angelangt sind, werden seine Tore (für sie) geöffnet, und seine Wärter sagen zu ihnen: 'Heil sei über euch! Ihr seid glücklich zu preisen (?). Tretet nun in das Paradies (w. in es) ein, um (ewig darin) zu weilen!'"
Weitere Inschrift:
"Sie (d.h. die Engel) sagen (dabei zu ihnen): 'Heil sei über euch! Geht in das Paradies ein (zum Lohn) für das, was ihr (in eurem Erdenleben) getan habt!'"
Oder:
"'Heil sei über euch! (Dies ist euer Lohn) dafür, daß ihr geduldig waret.' Welch treffliche letzte Behausung!"
Diese Inschriften befinden sich über den Eingängen, und deuten damit die Moschee als Eingang in den Garten des Paradieses auf Erden.
Die
Kosmologie wird in dem Kuppelvers zitiert:
"Gott hält Himmel und Erde fest, so daß sie (nicht von der Stelle) weichen.
Und wenn sie (von der Stelle) weichen würden, gäbe es keinen, der sie daraufhin (w. nach ihm) (wieder) festhalten würde. Er ist mild und bereit zu vergeben."
Die radiale Schrift in der Kuppel, die wie Sonnenstrahlen ausläuft, ist übrigens ähnlich den Verzierungen, wie in den runden Zelten. Die Kuppel als Himmelszelt und andersrum, ein sehr altes türkisches Symbol.
So wie Gott den Kosmos zusammenhält, so halten die vier mächtigen Pfeiler mit den vier Kalligraphien der Kalifen in den Pendentifs die Kuppel zusammen.
Weitere Koransprüche versprechen dem Gläubigen beim orthodoxen Befolgen der Scharia einen Platz im Paradies zu sichern. Ein historischer Bezug zu den gleichzeitig und schon vorher stattfindenden Rivalitäten zu den heterodoxen persischen
Safawiden und
Kızılbaş.
Es ist übrigens lange Zeit Sitte im Osmanischen Reich gewesen, keine Prachtbauten zu errichten (wenn in der Stadt schon genügend Gebetsstätten bestanden), wenn der Sultan keine Eroberungen vorzuweisen hatte. Denn nur von den Einnahmen der Eroberungen durfte lange Zeit eine solche Pracht gebaut werden, alles andere galt als wenig fromm und wurde scharf von dem obersten Geistlichen gerügt. Verschwendung ist prinzipiell im Islam nicht gern gesehen, Bescheidenheit eine hohe Tugend. Deshalb auch meistens ein ganzer Moscheekomplex mit wohltätigen Einrichtungen.
Die Süleyman Moschee war die ambitionierteste Stiftung des Sultans, der aber auch auf dem Balkan, Anatolien, Mekka, Medina, Damaskus, Jerusalem, Bagdad, usw. herrliche öffentliche Bauten errichten ließ um die Macht des Herrschers zu legitimieren.
Man könnte ebenso viel über die Symbole der Hagia Sophia schreiben, aber nun seid ihr dran...
Adios, LG lynxxx