Industrialisierung in Deutschland: Motor oder Bremse für die Demokratisierung?

whocares

Neues Mitglied
Hallo! :)
Ich muss in wenigen Tagen die Dokumentation für eine mündliche Prüfung abgeben, welche die im Titel stehende Fragestellung beantworten soll. Es solenl für beide Möglichkeiten Aspekte angeführt und anschließend das Fazit formuliert werden.
Ich habe schon viel recherchiert, kann aber aber nichts konkretes dazu finden, abgesehen von der Aussage, dass die Industrialisierung wesentlich zur Demokratisierung beigetragen hat. Da ich aber verschiedene, genauere Aspekte brauche und auch Kontrapunkte, wäre ich unfassbar dankbar, wenn jemand sein Wissen zu diesem Thema mit mir teilen würde und/oder Lektüren hierzu kennt.

Vielen Dank! :winke:
 
Ich glaube, dass es bisher noch keine Reaktion gab, liegt daran, dass nicht nur du, sondern auch viele andere sich mit der Art der Fragestellung schwer tun.
Zum einen haben wir es hier mit Wirtschafts-, Sozial- und Ideengeschichte zu tun, zum anderen aber auch mit politischer Ereignisgeschichte und die laufen nun mal nicht immer kongruent, was aber die Fragestellung irgendwie zu insinuieren scheint.

Wir haben zum einen die Verelendung der Massen und verschiedene Lösungsansätze, christlicher, radikaler/sozialistischer oder auch obrigkeitsstaatlicher Natur ("nichts durch, alles für den Arbeiter"). Wir haben die Revolution von 1848, aber eigentlich hat die Industrialisierung in Dtld. erst nach dieser erst so richtig Fahrt aufgenommen (nichtsdestowenigertrotz war natürlich ein Karl Marx bereits damals publizistisch einer der Protagonisten dieser Revolution), und die Reichsgründung von 1871 als ereignispolitische Marken.
Ideengeschichtlich ist sicherlich pro Demokratisierung der Räte-Gedanke zu fassen (der dann sowohl in der Sowjetunion und ihren Satelliten als auch in den marktwirtschaftliche organisiertenn Staaten auf die eine oder andere Seite pervertiert wurde).
 
In meinem Falle hat ElQ da Recht. Die Fragestellung ist so umfassend, dass ich nicht weiß, wie man sie beantworten soll, ohne mindestens ein dickeres Buch zu schreiben (und dafür fehlen mir dann doch die Kenntnisse).

Aber eine These zur Reichsgründung 1871, die in die Richtung geht: Große Teile der Liberalen (Nationalliberale) gaben dabei demokratische Forderungen auf, bspw nach einer dem Parlament verantwortlichen Regierung oder einem demokratischen Wahlrecht im 2/3 des Reiches umfassenden Preußen; für die Aussicht, mit der fortschreitenden Industrialisierung in einem geeinten Reich wirtschaftlichen Erfolg zu haben.
 
Ich muss in wenigen Tagen die Dokumentation für eine mündliche Prüfung abgeben, welche die im Titel stehende Fragestellung beantworten soll.

1. Ideengeschichtlich sind es die radkalen Vertreter der "Aufklärung", die die entsprechenden zentralen Gedanken zur "Demokratisierung" von Gesellschaften bereitgestellt hatten (vgl. Reed)

2. Die voranschreitende Industrialisierung in Deutschland im 19. Jahrhundert hat insofern eine Bedeutung, als mit dem Entstehen eines liberalen Bürgertums und dem "Proletariat" zentrale historische Akteuere entstehen.

3. Diese politischen Akteure sind die "Agenten", die im Rahmen der praktischen Anwendung der radikalen Ideen der Französischen Revolution und später der Analyse von Marx u. a. eine Umgestaltung der aristokratisch geprägten deutschen Gesellschaft einfordern.

4. Die Zunahme vor allem der Arbeiterschaft / Proletariat - organisiert in der SPD - im Kaiserreich auf ca. 32 Prozent im Jahr 1912 bei Reichstagswahlen machte sie zu einem relevanten innenpolitischen Faktor.

5. Ihre quantitative Zunahme unterstrich die Bedeutung von politischen Vorstellungen im nationalen politischen Diskurs, die im Rahmen einer pseudorevolutionären marxistischen Ideologie vorgetragen wurden, und soziale und politische Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit propagierte.

In diesem Sinne wurde die abstrakte Vorstellung, was Demokratie sei, durch die radikal liberalen, dem politischen Kaholizismus und sozialistischen Kräfte im Kaiserreich maßgeblich beeinflusst.

Reed, Terence James (2012): Mehr Licht in Deutschland. Eine kleine Geschichte der Aufklärung. München: C.H.Beck

Ideengeschichtlich ist sicherlich pro Demokratisierung der Räte-Gedanke zu fassen

Kleine Anmerkung: Das m.E. zentrale historische Ereignis, dass die abstrakten Ideen zur Umsetzung eines Sozialismus / Marxismus / Anarchismus beeinflußt hatte, ist wohl die Pariser Commune.

Sie war das Experimentierfeld, in dessen Kontext - radikale - politische Strukturen ausprobiert werden konnten. Und es sollte auch betont werden, dass es zu keiner "Maschinenstürmerei" kam, sondern die politischen Institutionen mit der Privat-Wirtschaft relativ problemlos kooperierten.

Der Rätegedanke - verstanden als "Soldaten-Räte - ist m.E. vielmehr die spezifische Ausprägung eines "Schützengraben-Sozialismus" und durch die einseitige militärische Ausrichtung der politischen Prozesse im Rahmen der Gründung eines neuen Staates, bereits als frühe politische Degeneration zu verstehen.

Nicht zuletzt, da gerade auch im deutschen "Rätesystem" sich erstaunlich schnell die traditionellen Offiziere - Leutnants etc. - als Vertrauensperson wieder durchsetzten und damit den Rätegedanken frühzeitig konterkarrierten
 
Zuletzt bearbeitet:
Industrialisierung ..: Motor oder Bremse für die Demokratisierung?

Hallo! :)
... und auch Kontrapunkte, ...

Einen Kontrapunkt hätte ich als These und beziehe mich hier auf Wolfgang Lempert:
Folgt man seinen Gedanken, so hat die industrielle Revolution Lebenswirklichkeiten hervorgebracht, welche die Verantwortungsfähigkeit der Beteiligten beschädigte.
http://www.ssoar.info/ssoar/bitstre...ylorisierung_der_verantwortung.pdf?sequence=1

So etwas müsste ja dann ein Nährboden der Radikalität sein, (welche stets undemokratisch ist),
...falls der Lempert recht hat.

Ansonsten fällt mir kein Kontrapunkt ein.
 
Zurück
Oben