Päpstin Johanna

Kann sein - aber der beweist nicht die Existenz einer "Päpstin Johanna".

Mich wundert, dass hier in einem doch seriösen (?) Forum auch nur eine einzige Person an dieses Märchen glaubt.

Da hast Du mich gründlich missverstanden! Natürlich ist die Päpstin Johanna eine Legende. Auch der Stuhl wurde ja diesbezüglich umgedeutet - von einem Thron einer mittelalterlichen Possessio-Zeremonie zu dieser doch absurden "habet"-Deutung.
 
Vorsorglich hat er sich gleich mal gegen alle Kritik an seiner These immunisiert: "Others will entirely reject the idea and make a big media noise against such claims. A big mud-pie battle may follow. It might go on forever."
Eigentlich hat er sich damit nach Wissenschaftliche Maßstäben selbst disqualifiziert, denn eine These muss per se falsifizierbar sein. Wenn er Falsifikationen a priori als Schlammschlacht bezeichnet und Widerspruch als viel Lärm (der wohl tatsächlich um nichts gemacht würde) bezeichnet, dann enthebt er andere der Möglichkeit sich sachlich zu positionieren.
Aus dem Artikel wird nun leider seine Argumentation überhaupt nicht deutlich, aber eigentlich kann er sich ja nur aufs Monogramm beziehen. Der Artikel insinuiert, ohne näher darauf einzugehen, eine Veränderung im Monogramm, die nur dann erklärlich sei, wenn ein unbekannter Papst im 9. Jhdt. eingeschoben würde.

Die Umschrift liest sich SCS PETRWS, also Sanctus Petrus. Das Monogramm zeigt SNOAH (willkürliche Buchstabenreihenfolge). I/J fehlt, muss wohl als im NH verborgen angesehen werden. Bringen wir also die Buchstaben in die richtige Reihenfolge ergibt sich jOHANniS. Nun kann man argumentieren, dass, wenn sich zwei J/I in dem NHA verbergen, warum nicht auch ein zweites A? Könnte. Theoretisch. Nur... in Johanna steckt nun mal kein S. Also nur weil ein Monogramm abweicht (die Möglichkeit das selber zu beurteilen bietet der Artikel nicht) wird aus einem Papst noch lange keine Päpstin.
 
Seine Argumentation ist natürlich nicht, dass da Johanna stände. Er will, denke ich, behaupten, dass aus einer anderen Form eines Johannis-Monogramms folgt, dass es auch zwei unterschiedliche Personen gewesen sein müssen. Die zweite Person fügt er nun willkürlich in die Chronologie ein, um laut zu schreien: "Das muss sie sein." Auch dies funktioniert natürlich nicht.

Und er müsste natürlich nachweisen, dass das Monogramm nicht nur wegen eines neuen Münzstempels entstand, was ja die gewöhnlichere Erklärung wäre...

Mal sehen, ob da mehr als eine Zusammenfassung kommt.
 
He noted several historical sources that suggested a Pope John reigned from 856 to 858. For example, the chronicler Conrad Botho reported that a Pope Johannes crowned Louis II of Italy as Holy Roman Emperor in 856, Habicht said.

"The monogram was the forerunner of today's signature," Habicht said. "Thus, we probably might even have a kind of signature of Pope Joan."

Habicht suggested that the sequence of popes in the middle of the ninth century should include Leo IV from about 846 to 853, followed by Benedict III from 853 to 855, Johannes Anglicus from 856 to 858 and Nicholas I from 858 to 867.

Conrad Botho, der vermutliche Verfasser der "Croneken der sassen" schreibt ca. 635 (!) Jahre nach den berichteten Ereignissen.
Unter dem Jahr 856 erwäht er die Abdankung Lothars. Fälschlicherweise, denn die fand bereits 855 statt. (Die falsche Jahreszahl ignoriert Habicht, denn er lässt 855 noch Papst Benedikt amtieren.)

Wenn ich es richtig sehe, ist Ludwig II. zweimal zum Kaiser gekrönt bzw. gesalbt worden, das erste Mal 850 durch Leo IV., das zweite Mal 872 durch Hadrian II.:

RI I,3,1 n. 67, Ludwig II, 850 April (4-14), St. Peter in Rom : Regesta Imperii
RI I,3,1 n. 349, Ludwig II, 872 Mai (21-25), Rom, (St. Peter u.) Lateranpalast : Regesta Imperii

Die im zweiten Link erwähnte Reichsversammlung und die Lösung von dem Eid wird von Regino von Prüm fälschlicherweise in das Pontifikat Johannes VIII. verlegt, der erst im Dezember 872 zum Papst gewählt wurde. Die Angabe, Ludwig sei von Papst Johannes gekrönt worden, könnte auf einen ähnlichen Fehler zurückgehen.
 
nun ja wenn ich den Bericht richtig gelesen habe hat Habicht die Untersuchung für einen unbekannten ? Auftraggeber durchgeführt wobei Ziel des Auftrags war,wie Habicht explzit angibt, die Reihenfolge der Pontifikate und die Existenz der "Päpstin" zu klären-
Un dann haben wir es aus meiner Sicht klar nicht mit einer ergebnisoffenen Untersuchug und Interpretation sondern mit einem durch den Auftrag bereits vorgegebenen Ergebnis zu tun, Wissenschaftlich ist anders;)

Im übrigen handelt es sich bei den beiden Johannes-Monogrammen um das gleiche Monogramm, einmal ist es nur um 180 Grad gedreht ,
Das scheint eher so als habe man bei der Fertigung des neuen Münzstempels den alten Monogrammstempel anders angesetzt ,
Ein anderer Papst hätte sicherlich ein anders gestaltetes Monogramm gewählt
 
Zuletzt bearbeitet:
Offenbar hat er noch ein paar andere "Belege" als das Monogramm gefunden: Gab es Päpstin Johanna doch? - wissenschaft.de
Bei dem Link stimmt ja schon der erste Absatz nicht. Der endet mit

Darunter sind Münzen aus der damaligen Zeit, die ihre Signatur tragen, aber auch Verweise in zeitgenössischen Dokumenten.
Es gibt offenbar zwei Stempel eines Papstes Johannes. Nix mit einer Signatur die auf Johanna bzw. Johannis Angelicus hinweisen. Es ist eine Behauptung, dass die zwei Stempel zwei verschiedenen Päpsten zuzuordnen seien und eine weitere, dass einer der beiden weiblich gewesen sei. Riothamus wies bereits darauf hin: Wenn ein Stempel neu geschnitten wurde, unterschied er sich natürlich vom vorhergehenden Stempel. Bei gut überlieferten Münzen kann man sogar nachweisen, dass Oberstempel und Unterstempel verschieden lang in Gebrauch waren.

Die identifizierbaren zeitgenössischen Dokumente sind zwischen 400 und 600 Jahre nach den nämlichen Ereignissen verfasst.
Das dritte Dokument wird die Angelsächsische Chronik (hier nach MS A) sein. Darin ist für 853 zu lesen:
þy ilcan geare sende Æþelwulf cyning Ælfred his sunu to Rome. Þa was domne Leo papa on Rome, 7 he hine to cyninge gehalgode 7 hiene him to biscepsuna nam.
Dasselbe Jahr schickte König Æþelwulf seinen Sohn Ælfred nach Rome. Da war Herr Leo (IV.) Papst in Rom und er weihte ihn zum König und und er nahm ihn zum Bischofssohn. [Die engl. Wikipedia interpretiert das als Firmung/Konfirmation: In 853 Alfred is reported by the Anglo-Saxon Chronicle to have been sent to Rome where he was confirmed by Pope Leo IV, who "anointed him as king".]​

Für 855 ist zu lesen:
... Æþelwulf cyning .... 7 þy ilcan geare ferde to Rome mid micelre weorþnesse 7 þær was .xii. monaþ wuniende 7 þa him hamweard fór, 7 him þa Carl Francna cyning his dohtor geaf him to cuene, 7 æfter þam to his leodum cuom 7 hie þæs gefægene wærun.
...König Æþelwulf... fuhr dasselbe Jahr nach Rom mit großer Würdigkeit. Dort lebte [was .... wuniende] (er) zwölf Monate und als er heimwärts fuhr, da gab ihm Karl der König der Franken (der Kahle) seine Tochter zur Frau und nach dem kam er zu seinen Leuten und die waren darüber sehr erfreut.​

Für 853 wird Leo IV. erwähnt, bei der Romfahrt von Æþelwulf selbst ist kein Papst namentlich erwähnt.
Anmerkung zum Text bzw. zur ÜS, was hier als Ziffer "7" auftaucht ist nicht die Zahl sondern das tironische "et" und entspricht "&".
MS B ist im Text identisch, wenn auch die Graphie etwas abweicht. Von MS E habe ich nur eine modernenglische ÜS gefunden, die stimmt aber mit A und B überein, also kein Papst Johannes
MS C habe ich nicht einsehen können.

Manuskript D, die auf Latein geschriebene Worcester Chronik aus dem 11. Jhdt. greift das auf, basiert eindeutig auf der Angelsächsischen Chronik - die Wortwahl und -folge ist dieselbe, setzt aber Informationen hinzu, welche die Angelsächsische Chronik nicht liefert, wobei einige Zusätze bereits bei Asser(ius) (bei dem aber nur Alfreds, nicht Aethelwulfs Romreise vorkommt) zu finden sind. Aber auch hier: Kein Papst Johannes!

Eodem anno Æthelwlfus rex præfatum filium suum Ælfredum magno nobilium et etim ignobilium numero constipatum, honorifice Romam transmisit; quem Leo papa, sui patris rogatu, oppido ordinans, unxit in regem, et in filiumadoptionis sibiemt accipiens, confirmavit.
[...]
Sicque magno cum hoore Romam perrexit, filiumque suum Ælfredum, quem plus ceteris dielxit, iterum in eandem viam secum ducens, ibi anno integro remoratus est. Quo peracto, ad patriam suam remeavit, afferens secum Juthittam, Karoli Francorum regis filiam.

damals schrieb:
Einen noch handfesteren Beleg aber entdeckte Habicht, als er Münzen aus der Zeit der Frankenherrschaft untersucht. Dabei fiel ihm eine Silbermünze (Denier) aus der Zeit zwischen 856 bis 858 mit der Inschrift SCS PETRVS (Sankt Peter) und dem päpstlichen Monogramm IOHANIS auf. „In der Numismatik wird dieser Münztyp fälschlich dem späteren Papst Johannes VIII zugewiesen, obschon dessen Namensmonogramm deutliche Unterschiede aufweist“, erklärt der Forscher. Stilistisch gesehen müsse diese Münze aus der Zeit der 850er bis 860er stammen. Hinzu kommt, dass auf der Rückseite dieser Münze Kaiser Ludwig II. dargestellt ist, der ab 855 regierte.
Wir reden hier über eine Münze, die durch die LEGENDEN datierbar ist. Das Monogramm iOHANniS ergibt einen Terminus post quem (tpq), die Aufschrift Ludowicus Rex einen Terminus ante quem (taq), denn Johannes VIII. regierte von 872 - 882, Ludwig der Deutsche von 843 - 876. Ergo überschneiden sich die Regierungszeiträume in den Jahren 872 (tpq) bis 876 (taq), ergo stammt die Münze aus diesem Zeitraum.* Die Behauptung, Habicht könne die Münze anhand des Typs auf zwanzig Jahre genau bestimmen und damit taq und tpq aushebeln, ist hanebüchen.

*Theoretisch ist natürlich denkbar, dass in der Prägestätte zwei nicht zueinander zugehörige Stempel verwendet wurden und so die Münze auch noch nach Ludwigs Tod geprägt wurde. Aber das schiebt den taq nach hinten, nicht den tpq nach vorne.
 
Kommen wir noch zu Anastasius.

damals schrieb:
Ein weiteres Indiz liefert ein Brief von Anastasius, einem 853 bei der Papstwahl gegen Benedict III. gescheiterten Kandidaten. Dieser ranghohe Kleriker adressierte einen Brief an einen Papst Johannes, der bislang dem späteren Papst Johannes VIII. und damit dem Jahr 872 zugeordnet wurde. Doch wie Habicht herausfand, unterzeichnete Anastasius ab 867 mit seinem Titel „Bibliothecarius“, zwischen 855 und 858 aber unterschrieb er nur mit „Exiguus“ – und genau dies steht unter dem Brief an den Papst Johannes. Dieser Brief kann daher nach Ansicht des Forschers nur aus der Zeit der Päpstin Johanna stammen.
Bibliothecarius muss man nicht übersetzen, aber vielleicht Exiguus. Das heißt, 'der Geringe'. Sprich diesen Namenszusatz, wenn es sich nicht um zwei verschiedene Personen handelt, wie zumindest mal gemutmaßt wurde, muss man ggf. auch mit dem Briefinhalt bzw. dem Briefadressaten (dem Papst!) in Verbindung bringen.

Der fragliche Brief, in dem Anastasius mit Exiguus überschreibt (MGH Epp. Karol. Aevi Bd. V, S. 416), ist sein einziger Brief an Johannes VIII., der ja angeblich nach Habicht an Johanna gehen soll. In diesem Brief bezieht sich Anastasius auf Ereignisse hundert Jahre zuvor, auf das zur Zeit Papst Hadrians I. unter Kaiserin Irene ausgerufene zweite Konzil von Nikaia. Ich habe in dem Brief nichts gefunden, was sich für eine Datierung eignet, außer, dass Johannes VIII. der Adressat ist. Das Exiguus, welches Habicht zur Vordatierung verwendet funzt nicht, da das anders als Bibliothecarius eben kein Titel ist.
 
Namenszusatz - Adressat
ohne Absender - Nicolaus I. (MGH Epp. Karol. Aevi Bd. V, S. 395)
exiguus abbas monasterii Sanctae Dei genitricis Mariae Virginis siti trans Tiberim - Subdiakon Ursus (unter Nicolaus I.) (MGH Epp. Karol. Aevi Bd. V, S. 398)
bibliothecarius - Ado von Vienne (Bericht über den Tod Nicolaus I., also tpq 14. November 867)(MGH Epp. Karol. Aevi Bd. V, S. 400)
bibliothecarius - Formosus, den Vorsteher der Kirche von Porto Rufina, später Papst (MGH Epp. Karol. Aevi Bd. V, S. 402)
peccator (Sünder!), abbas et bibliothecarius - Hadrian II. (MGH Epp. Karol. Aevi Bd. V, S. 403)
exiguus - Johannes VIII. (MGH Epp. Karol. Aevi Bd. V, S. 416)
ohne Absender - Johannes VIII. (MGH Epp. Karol. Aevi Bd. V, S. 419)
exiguus, bibliothecarius - Martin von Narni (S. 422)
exiguus - Diakon Johannes (S. 423)
ohne erhaltenen Absender - die Priester Kyrri und Johannes (S. 426)
exiguus, bibliothecarius - Bischof Landulf von Capua (S. 427)
bibliothecarius - Bischof Petrus von Gavia (S. 429)
ohne Absender - Karl der Kahle (S. 430)
exiguus - Karl der Kahle (S. 434)
peccator et exiguus bibliothecarius - Bischof Gauderich (S. 436)
exiguus - Demetrius von Thessalonici (über die Leiden(schaft) Karls des Kahlen) (S. 438)
exiguus bibliothecarius - Dionysios vom Areopag (über die Leiden(schaft) Karls des Kahlen) (S. 439)
bibliothecarius - Aiono, Bischof vom Benevent (S. 441).

Wir haben hier 18 Briefe, exiguus taucht mal als Substantiv, mal als Adjektiv auf, dann meist zu bibliothecarius. Anders, als von Habicht behauptet, taucht die Selbstbezeichnung exiguus durch das gesamte Schaffenswerk von Anastasius auf, teilweise sind die Briefe datiert. Er bezeichnet sich in den Briefen als
- Geringer
- Sünder
- Abt
- geringer Abt
- Bibliothekar
- geringer Bibliothekar
Davon können nur Abt und Bibliothekar als Titel bzw. Funktionsträgerschaft gesehen werden. Sünder und Geringer (als Substantiv wie als Adjektiv) sind Bescheidenheitstopoi. Besonders interesssant sind die beiden vorletzten Briefe, welche tag- bzw. monatsgenau auf den 25. März 876 und den Juni 876 datiert werden können, die dasselbe Sujet haben und in Abstand von etwa zwei bis drei Monaten verfasst wurden.
 
Im Mittelalter gab es Fälschungen ohne Ende, die aber damals nicht ohne weiteres als solche zu erkennen gewesen waren. Auch die Kirche hat da kräftig mitgefälscht, trotz des siebten und achten Gebots, die sie lehrte und deren Einhaltung sie von anderen verlangte: Aufgrund einer solchen Lüge wurde z.B. der Kirchenstaat (Patrimonium Petri) gegründet. Obwohl die Konstantinische Schenkung schon im 15. Jahrhundert als Fälschung entlarvt wurde, leugnete katholische Kirche dies bis in das 19. Jahrhundert hinein.

Das zeigt, dass die Kirche log, wenn es ihr in den Kram passte, oder, um es milder auszudrücken: Sie nahm es mit der Wahrheit nicht so genau. Warum also sollte man ihr glauben, dass es ausgerechnet bei der Aufstellung der Liste der Päpste alles mit rechten Dingen zuging, schließlich wäre eine Frau als Nachfolgerin Petri (und damit Jesu!) eine Katastrophe für eine Organisation, die Frauen den Priesterdienst verwehrte und bis heute verwehrt.

1. Dass es eine Päpstin vor oder um 1100 gab, wird erst in Metzer Weltchronik (Jean de Mailly, 1250) zum ersten Mal erwähnt. Ca. 27 Jahre später wurde sie vom Martin von Troppau in seiner Papstliste als Päpstin Johanna genannt und ihre Zeit in die Mitte des 9. Jahrhundert gelegt.

2. Sowohl Jean de Mailly als auch Martin von Troppau waren Dominikaner, dem papsttreuerster Orden. Das ist wichtig zu erwähnen, denn hier werden Argumente, die von kirchen- und/oder pastfeindlicher Seite kommen, als minderwertig betrachtet, weil parteiisch.

3. Es wird angeführt, dass es damals unmöglich gewesen wäre, die Geschehnisse geheim zu halten, und dass die Gegner des Papsttums dies sicher hinausposaunen würden, und da man bisher nichts Derartiges gefunden hatte, konnte es auch die Päpstin Johanna nicht gegeben haben. Dazu sage ich: Rom war zu dieser Zeit eine Kleinstadt von vielleicht 20.000 Einwohnern, und auch eine Osterprozession muss man sich entsprechend klein vorstellen. Die sogenannte „vicus Papessa“, in der Johanna ein Kind geboren haben soll, ist eine sehr enge Gasse, d.h. nur wenige Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung hätten das tatsächlich beobachten bzw. richtig deuten können. Erhalten hat sich dieses Wissen wahrscheinlich nur in der (kirchlichen) Begleitung der Päpstin, die natürlich dicht hielt, denn niemand gibt gern zu, auf eine Betrügerin hereingefallen zu sein.

4. Später, als die Kirche wieder mächtig wurde, gab es keinen Grund mehr, dieses Wissen geheim zu halten, schließlich gab es bei den Kirchenoberen Schlimmeres (z.B. Konkubinat, Vetternwirtschaft, Ämterkauf) zu berichten. Und dass dieses Wissen innerhalb der Kirche existierte und sehr lange Zeit auch nicht ernsthaft in Zweifel gezogen worden ist, spricht für dessen Wahrheitsgehalt. Erst im 17. Jahrhundert, als im Züge der Reformation erkennbar wurde, welch desaströse Bild die Kirche abgab, setzte sich Kirche energisch zur Wehr, aber da war es zu spät und angesichts der Lügen, die diese Kirche in anderen Fällen verbreitete (siehe oben) auch wenig glaubhaft: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht mehr, selbst wenn er die Wahrheit sagt.

Sicher, wir müssen anhand der Aktenlagen davon ausgehen, dass es sich dabei lediglich um eine Legende handelt, aber auch Legenden bewahrheiten sich ab und zu. Dementsprechend will ich damit nicht sagen, dass es irgendwann eine Päpstin gab, aber in der 1700 jährigen Geschichte der Kirche dürfte das im Rahmen des Möglichen liegen, denn so unfehlbar ist diese Institution nicht. :D
 
Was die Stelle in der Chronica Universalis Mettensis anbelangt, so soll es im Jahr 1099 - also zwischen Papst Urban ("Deus lo Vult!") und Paschalis gequetscht - eine Päpstin gegeben haben, deren Namen de Mailly aber nicht nennt. Der schreibt:

require de quodam papa vel potius papissa, quia femina erat, et simulans se esse virum, probitate ingenii factus notarius curie, deinde cardinalis et tandem papa. Quadam die cum ascenderet equum, peperit puerum et statim Romana iusticia ligatis pedibus eius ad caudam que tractatus est et a populo lapidatus per dimidiam leugam, et ubi obiit, ibi sepultus fuit, et ibi scriptum est: Petre, pater patrum, papisse prodito partum. Sub ipso institutum fuit ieiunium quatuor temporum et dicitur ieiunium papisse.

Frage nach (require ist ein Imperativ!) einem gewissen Papst oder vielmehr einer Päpstin, weil sie eine Frau war und so tat, als sei sie ein Mann. Mit der Rechtschaffenheit des Scharfsinns wurde sie zum Kuriennotar, dann zum Kardinal und schließlich Papst. Einen gewissen Tag, als sie ein Pferd besteigen wollte, gebar sie ein Kind und sofort band ihr die römische Gerechtigkeit die Füße und am Schwanz des Pferdes wurde sie geschleift und vom Volk eine halbe Meile/Leuge weit gesteinigt. Und wo sie starb, dort ist sie beerdigt und dort steht geschrieben:
Peter, Vater der Väter, die Päpstin [hat] hervorgebracht ein Kind. Unter dieser Einrichtung (also der Inschrift) war ein Fasten der vier Jahreszeiten[???) und es würde Fasten der Päpstin genannt.
Deine Überlegungen, Dion, dass die Kirche es irgendwie hat geheimhalten können, was da in der Gasse passiert sei und Jean de Mailly posaunt es dann 150 Jahre später 1000 km entfernt doch aus, wird durch de Mailly selbst widerlegt. Seiner Story nach wurde die Dame eine halbe Leuge durch die Stadt geschleift und von der aufgebrachten Bevölkerung "nach römischem Recht/Rechtsempfinden" gesteinigt.

Die Frage ist, ob Jean de Mailly die Inschrift erfunden hat oder ob sie wirklich existierte. Denn wenn sie existierte, dann ist die Frage was papissa bedeutet. Klar, de Mailly selbst deutet unumstößlich papissa als 'Päpstin'. Nur da es keine Päpstin gab, gab es auch kein Wort dafür. Es ist daher zu fragen, ob es sich bei der papissa - sofern die Inschrift existierte - wirklich um eine "Päpstin" handelte oder nicht eher um eine Tochter oder Konkubine eines Papstes. Das Adjektiv für päpstlich ist papalis, wie bei papa ist aber nicht deutlich, ob es sich um ein Maskulinum oder ein Femininum handelt, mit papisso/a als Neologismus hätte man ein solches Problem ad hoc lösen können.
 
Die Einzelheiten, El Quijote, was da genau passiert war, mögen verloren gegangen sein, wichtig ist allein, dass de Mailly von einer Frau als „Päpstin“ sprach. Und vielleicht wollte de Mailly mit dem Hinweis auf die Handlung des Mobs sagen, dass diese Ungehörigkeit, also eine Frau auf dem Papstthron, zurecht vom Volk bestraft worden ist. In der von Troppau Erzählung 27 Jahre später gibt es eine andere Variante des Geschehens, die dann von anderen immer weiter ausgeschmückt wurde, wie das bei Legenden eben ist: Sie verselbständigen sich.
 
Es fällt auf:
- Jean de Mailly 150 Jahre nach den Ereignissen, in eine gut dokumentierte Zeit, eine Päpstin setzt.
Wie du wirst zugeben müssen, passt die nicht in die Zeit zwischen Urban und Paschalis, ausgerechnet in die Zeit des Reformpapstums.
- das fällt dann auch seinem Ordenbruder auf, der die Geschichte von der Päpstin mal flugs 400 Jahre vorverlegt, in eine weniger gut dokumentierte Zeit. Allein schon dieser Umgang mit der Legende, dass man sie in der Geschichte hin und her zu schieben vermag, zeigt doch, wie wenig sie an realhistorische Ereignisse angebunden ist.

Wichtig ist auch weniger, dass de Mailly von einer Päpstin sprach, sondern wie er auf die Geschichte kam. Er nennt eine Inschrift. Diese ist offenbar nicht auf uns gekommen. Wenn wir davon ausgehen, dass die Inschrift existierte, so müssen wir zumindest eine Fehlinterpretation de Maillys in Betracht ziehen, zumal ob des Neologismus papissa, den können wir genauso wenig ignorieren wie die Alliteration Petre pater patrum papisse prodito partum wie das Wortspiel patrum-partum sowie die Uneindeutigkeit von partum, je nachdem, ob es sich um ein Maskulinum oder ein Neutrum handelt.
 
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