ist aus meiner Sicht eine Tatsache,
Deine Sicht ist Deine Sicht. Sie sei Dir als persönliche Sicht gegönnt. Hat aber wenig mit der historischen Diskussion zu tun, die allgemein zu dem Thema vorhanden ist. Und auf die ich zumindest teilweise abgestellt habe.
Die differenzierte Darstellung der komplexen innen- und außenpolitischen Situation, unter der Adenauer agierte, läßt sich nur anhand der Sichten unterschiedlicher Arbeiten von Historikern darstellen.
Zudem ist von Dir weder:
- zur Außenpolitik der UdSSR etwas kompetentes gekommen, noch
- zur Frage der Innen- und Außenpolitik bei der Wiederbewaffnung
Und das sind ebenfalls zentrale Aspekte, auf die die Beurteilung der damaligen Handlungsalternativen eingewirkt haben. Und gerade die Frage der Wiederbewaffnung hatte eine hohe eigene Dynamik und wurde "dynamisch" verfolgt. Auf entsprechende Literatur wurde bereits verwiesen. (vgl. zusätzlich beispielweise die Darstellungen bei Schmid)
Von mir wurden die zwei zentralen Anforderungen im Rahmen der Präambel bereits benannt. Und somit stand die deutsche Außenpolitik immer in einem Prozess der Abwägung, aber so lange sie eines der Ziele verfolgte, stand sie immer auf dem Boden des GG.
Auf diesen Aspekt weist Langguth ebenfalls explizit hin: "Das Grundgesetz verankerte indes zwei miteinander konkurrierende Grundtendenzen, da in der Präambe das deutsche Volk aufgefordert wurde, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen." (S. 249).
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Kontrastierung des GG mit der Richtungsentscheidung der Westintegration durch Adenauer auch nicht der historischen Abfolge der Agenda entspringt. Zu Recht weist Colschen (S. 122) darauf hin, dass die innenpolitische Diskussion über den zukünftigen Kurs der Außenpolitik und somit auch die Frage der Gewinnung der nationalen Souveränität und der Vereinigung der einzelnen Zonen bereits im Jahr 1946 massiv einsetzte. Und somit die Formulierung des GG beeinflußt hatte und auch seiner Präambel.
Und die Frage der Westintegration, trotz eine massiven innenpolitischen Kontroverse, der einzige gangbare Weg war, den Sicherheitsinteressen der Alliierten, vor allem von Frankreich und der UdSSR, zu entsprechen.
Der Kurs der Westintegration durch Adenauer war die Voraussetzung für den "Deutschlandvertrag" (1952), der der BRD - exklusive West-Berlin - die Souveränität zurück gab.
Und in diesem Kontext kam es zum Scheitern der EVG im August 1954 und unterbrach den europäischen Einigungsprozess, in dessen Kontext die Westintegration der BRD stand. "Mit Recht hat Adenauer den 30. August deshalb als schwarzen Tag für Europa ...bezeichnet." (Schöllgen, S. 34).
Und fährt fort: "Das unrühmliche Ende von EVG und EPG bedeutete aber nicht nur einen Rückschlag für Europa, sondern auch für Deutschland. Wie wollte man jetzt noch den Westmächten die Wiedervereinigung schmackhaft machen." (Schöllgen, S. 35)
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutschlandvertrag
Es waren somit die externen Rahmenbedingungen, die den Handlungsspielraum Adenauers einengten. Nicht zuletzt weil die USA vom Containment zum Rollback über gingen und somit der Handlungsspielraum der BRD-Regierung im Zeichen des Beitritts zur Nato eingeengt wurde.
Und mit Schöllgen möchte ich abschließend resümieren: "Die Totalintegration hatte ihr Teilsouränität beschert. Anders sah es mit der Gleicherechtigung und der Wiedervereinigung aus. .... Damit warn zwei Hauptziele der Bonner Außenpolitik nach 1955, Wiedervereinigung und Gleichberechtigung, gerade auf Grund ihrer gegenseitigen Bedingtheit nicht erreichbar, jedenfalls nicht aus eigener Kraft und nicht auf absehbarer Zeit." (S. 41)
Und diese objektiv vorfindbaren Beschränkungen der deutschen Außenpolitik hatte auch ein Verfassungsgericht in der Interpretation des GG zu beachten. Und bisher hat sich - so mein Kenntnisstand - auch kein Senat des Verfassungsgerichts angemaßt, selber Politik zu formulieren. Was sie hätten tun müssen, wenn sie das Primat der Westintegration durch das Primat einer Wiedervereinigung ersetzt hätten. Und somit automatisch, vor dem Hintergrund der bipolaren Zielsetzung der Präambel, ihrerseits gegen den "Geist des GG" hätten verstoßen müssen.
Es waren somit allgemeine außenpolitsche Zielsetzungen die das GG vorgab, aber definitiv keine Anleitung oder einen Fahrplan für deren Umsetzung. Und deswegen hat Adenauer auch nicht dagegen verstoßen.
Colschen, Lars (2010): Deutsche Außenpolitik (UTB).
Langguth, Gerd (1991): Die deutsche Frage und die Europäische Gemeinschaft. In: Karl Dietrich Bracher, Manfred Funke und Hans-Peter Schwarz (Hg.): Deutschland zwischen Krieg und Frieden. Beiträge zur Politik und Kultur im 20. Jahrhundert. Festschrift für Hans-Adolf Jacobsen. Unter Mitarbeit von Hans-Adolf Jacobsen. Düsseldorf: Droste, S. 246–276.
Schmidt, Gustav (2003): Strukturen des Kalten Krieges im Wandel. In: Vojtech Mastny und Gustav Schmidt (Hg.): Konfrontationsmuster des Kalten Krieges 1946-1956. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH , S. 3–382.
Schöllgen, Gregor (2004): Die Aussenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. München: Beck