Deplaziertes Verhalten an/in Gedenkstätten und Erinnerungsorten

Bei uns (Bayern) ist eine Exkursion in der 9. Klasse in eine Gedenkstätte eines Konzentrationslagers am Gymnasium durch den Lehrplan vorgeschrieben (schon lange) und ich stehe da absolut dahinter. Die Wirkung eines solchen Ortes (vernünftige Begleitung voraus gesetzt) ist durch nichts anderes im Unterricht so zu erreichen. Ich habe noch nie SchülerInnen erlebt, die sich dort daneben benommen hätten.
Das mit der Grundschulklasse ... ohne Worte. Ja, es liegt wohl viel am Lehrer.
 
bei der Abschlussfahrt von der Realschule waren wir in der Gedenkstätte Plötzensee Berlin. Das war unheimlig.
Gerade in der Realschule hat unsere Geschichtslehrerin (gab auch Deutsch) viele Aspekte aus dem Nationalsozialismus näher gebracht und in mir das Interesse für diesen Bereich geweckt. Privat war ich in Dachau.

Es gibt nicht nur Grundschüler, die sich respektlos benehmen, das kriegen Erwachsene auch ganz gut hin
 
Die Vorbereitung ist sicherlich der Schlüssel für eine angemessene, empathische Wahrnehmung der menschenverachtenden Vorgänge an vielen historischen Orten. Da sind Stätten der Massenvernichtung, wie Konzentrationslager nur ein Beispiel.

Und die Betroffenheit wird vermutlich durch die Didaktik vor Ort in unterschiedlicher Weise gefördert. Die beispielsweise gut gemachte Aufbereitung im KZ Dachau vermittelt einen direkten Eindruck über den Horror in den Konzentrationslager. Während das Holocaust-Mahnmal in Berlin in seiner Abstraktheit m.E. deutlich weniger Betroffenheit erzeugt.

In der Verantwortung für die angemessene Vorbereitung ist sicherlich einerseits die Schule, aber das Elternhaus kann man wohl kaum aus der Verantwortung entlassen. Ebenso die Politik. Und gerade aus diesem Umfeld, der rechtsextremen Partei im BT, kamen die irritierendsten Verhaltensweisen wie z.B. im August 2018 im KZ Sachsenhausen. Wie beispielsweise von einer Gruppe von parteinahen Aktivisten aus dem Wahlkreis der stellv. Fraktionsvorsitzenden.

Was soll ich mich da über picknickende, selfi-schießende gelangweilte Teenager aufregen. Sie sind das Spiegelbild großer Teile der Verfassung der Gesellschaft.

Es ist vor allem die Zivilgesellschaft, also Du und ich, überall - also auch in diesem Forum gefragt - die Erinnerung an diese Periode wahrheitsgemäß wach zu halten. Und dafür einzutreten, dass die Erfahrungen aus der Vergangenheit ähnlich Vorgänge - also Formen einer extremen rassistisch motivierten Politik - zu verhindern.

Das ist das Resümee, dass ich aus den meisten Äußerungen von früheren Insassen von KZ immer wieder höre.

Damit haben wir die drei relevanten Gruppen beisammen. Die erste Gruppe sieht sich in der historischen Kontinuität des Mahnens an den Holocaust. Und hält die Erinnerung auch im Sinne der Überlebenden wach. Die zweite - vermutlich die weitaus größte Gruppe - verhält sich passiv und dazu gehören dann auch die kritisierten Teenager. Und zur dritten Gruppe gehören dann die Personen, die als Apologeten oder als Leugner historischer Ereignisse im Rahmen von rassistischen, nationalistischen oder religiösen Ideologien auftreten.

Ihnen sollte der kollektive Widerspruch der Demokraten gelten, da diese Gruppe aktiv gegen den demokratisch verfassten, pluralistischen und liberalen Rechtsstaat polemisiert. Und diese Gruppe versucht historisches Unrecht in Recht durch einen neuen Narrativ zu verändern.

Dieser "neue Narrativ" stellt eine Gefahr für Gedenkstätten dar! Weil die Ablehnung und Negierung der NS-Vergangenheit der Bezug für eine zukünftige Politik ist. Und in dieser Politik haben KZ-Gedenkstätten keinen Platz mehr.
 
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Ich möchte mal eine andere Sichtweise auf die Nahrungsaufnahme in Gedenkstätten darlegen.

Viele Gedenkstätten verfügen über Kantinen und Restaurants, teilweise über Jugendherbergen. Die Nahrungsaufnahme ist ein Grundbedürfnis der Menschen und leerer Bauch studiert auch nicht gerne. Und die Mehrheit von uns hat auch nicht die calvinistische Haltung, wie man sie aus den USA kennt, dass die Arbeit über allem steht und Nahrungsaufnahme nur ein notweniges Übel ist und man wenigstens so tut, als würde man das Essen nicht genießen (das ist der Grund, warum in vielen Restaurants in den USA einem immer noch der Teller weggezogen wird, wenn man gerade den letzten Bissenn aufgegabelt hat).

Also ja, sofern man sich pietätvoll verhält, ist es in Ordnung in Gedenkstätten (natürlich nicht überall) auch Nahrung zu sich zu nehmen und diese auch zu genießen. Ich kenne z.B. einen Gedenkstättenpädagogen, der immer ein Stück Schokolade dabei hat, um sie entweder selbst zu essen, wenn es ihm zuviel wird, oder sie an andere weiterzugeben. Der macht das nicht aus Pietät- oder Empathielosigkeit, sondern gerade weil es z.T. schwer aushaltbar ist, was man da tw. zu sehen bekommt.

Im Krematorium im Buchenwald oder in der Baracke in Birkenau eine Wurstsemmel zu verdrücken, ist natürlich eine andere Geschichte.
 
@ El Quijote: ich bezeichne mich als Genuss-Mensch, gehe auch sehr gerne Essen.
Dennoch esse ich nicht an allen möglichen Orten, oder Unorten. Wo sollte man auch eine Grenze ziehen? Was wäre normal, was pietätlos?

Aber den Gedenkstättenpädagogen kann ich verstehen. Wenn die Beklemmung zu groß wird, hilft das als Kompensation. (ihm oder seinem Gegenüber)

Es fehlt in meinen Augen nicht nur am Respekt vor historischen Orten, sondern es breitet sich generell eine "mir doch egal" Haltung aus.

Zum Thema Selfies: Wo werden mittlerweile keine mehr gemacht? Leider sogar in unmittelbarer Lebensgefahr.
 
Möglicherweise liegt es auch daran, dass die Grauenhaftigkeit der Vernichtung - für unsere visuell abgehärtete Gesellschaft - in den Gedenkstätten der KZs zu wenig drastisch dargestellt wird. Ich war im diesjährigen Urlaub im Kriegsopfermuseum in Saigon sowie im Tuol Sleng Genocide Museum (Phol Pots Foltergefängnis) und auf den Killing Fields in Phnom Penh. An allen drei Orten werden einem die grauenvollen Ereignisse schonungslos präsentiert - Fotos der Folteropfer in den Original-Zellen von Tuol Sleng, der Baum auf den Killing-Fields, gegen den man die Kleinkinder an den Füssen haltend geschlagen hat etc. Am Brutalsten war das Kriegsopfermuseum in Saigon. Man sah dort einige Fotos, welche man zum Mindesten in meiner Generation bereits früher gesehen hat, aber auch weitere, bei uns meist unbekannte Kriegsfotos (obwohl die meisten von Amerikanern stammen). Am Schlimmsten aber waren die Fotos der Missbildungen von Agent Orange - und zu Guter Letz gab es einen Raum, wo drei Agent-Orange Opfer Musik spielten. Ich bin dort nur durchgelaufen ohne genauer hinzusehen - dabei ist im ganzen Museum, im Gegensatz zu Tuol Sleng, das Foto schiessen erlaubt. Es war für mich tatsächlich verstörend - es wird so schonungslos präsentiert, wie ich es sonst noch niergends erlebt habe. Verabschiedet wurde man am Ausgang von einem Mann mit amputierten Vorderarmen, der einem aufforderte, die Hände / Stümpfe zu schütteln.
Ich kann mir vorstellen, dass eine ähnlich ungefilterte Darstellung in den KZs auch gelangweilte Teenager schockieren und aufrütteln dürfte.
 
@Armer Konrad. Ich verstehe das Anliegen des Ansatzes. Mein Vorstellungsvermögen reicht aber andererseits nicht aus, dass heutige Teenager bei dem Anblick junger, alter etc. verängstiger, nackter Frauen und Männer, die auf dem Weg in ihren Tod sind, die Dramatik und die Verzweiflung der damaligen Zeit nicht verstehen können. Und diese bedrückenden Bilder finden sich in fast jeder Ausstellung zum Holocaust.

Sie können es verstehen, zumindest diejenigen, die es wollen. Bereits das Lesen von Passagen von Kogon, "Der SS-Staat" und seine Schilderungen verändern den Blick auf diese Periode.

Sollte das bei einem Leser, individuell oder in einer Klasse keine Empathie auslösen, dann weiss ich nicht was man tun sollte. Die Lösung kann m.E. nicht darin bestehen, per VR die Betrachter zum realistischen Erleben der damaligen Zeit zu bringen. Denn wie will man Angst, die Erfahrung von Willkür, die Verweigerung von Lebensmitteln oder hygienischer Versorgung etc. transportieren.

Das kann man nur - so meine Meinung - als einen bewußten kognitiv gesteuerten Akt der Empathie nachvollziehen. Und dieses vorzubereiten bedarf einer guten Didaktik durch Eltern und Schule. Und dem politischen und gesellschaftlichen Willen, begangenes Unrecht weiterhin als Unrecht zu benennen.
 
@ El Quijote: ich bezeichne mich als Genuss-Mensch, gehe auch sehr gerne Essen.
Dennoch esse ich nicht an allen möglichen Orten, oder Unorten. Wo sollte man auch eine Grenze ziehen? Was wäre normal, was pietätlos?

Nicht jede Gedenkstätte ist ein Friedhof, aber vor allem viele Gedenkstätten, die an Verbrechen der Nazizeit erinnern, sind als Friedhöfe zu bewerten. Ich denke, man kann das mit der Beerdigung vergleichen. Bei der Trauerfeier am Grab wirst du nicht essen. Aber nachher gibt es den Leichenschmaus.

Natürlich ist die Situation an der Gedenkstätte eine andere. Aber nehmen wir die Jugendherberge von Buchenwald. Oder das Restaurant von Hohenschönhausen (okay, in dem Stasigefängnis gab es (wahrscheinlich) keine Morde, es ist kein Friedhof) oder die Kantine des Museums in Monowitz. Die existieren nicht, weil es pietätlos ist, dort zu essen, sondern weil es schlicht notwendig ist, wenn man dort die dem Ort angemessene Zeit verbringt. Und es macht keinen Toten lebendig, wenn du dich selbst kasteist und nur etwas isst, was du nicht magst, weil du zufälligerweise gerade in einer Gedenkstätte bist.
 
Ich verstehe das Anliegen des Ansatzes. Mein Vorstellungsvermögen reicht aber andererseits nicht aus, dass heutige Teenager bei dem Anblick junger, alter etc. verängstiger, nackter Frauen und Männer, die auf dem Weg in ihren Tod sind, die Dramatik und die Verzweiflung der damaligen Zeit nicht verstehen können

Da würde ich Dir empfehlen, Dein Vorstellungsvermögen abhärtend gegenüber solchen Entwicklungen zu erweitern, denn meiner Meinung nach, als 24 Jähriger Mensch, der vieles dieser Entwicklung junger Leute "heutzutage" mitgemacht hat, ist genau das immer mehr der Fall. Schon junge Buben und Mädchen werden heute freiwillig, aber auch unfreiwillig mit Medien zugeballert, die ganz selbstverständlich und ohne Rücksicht auf Alter hinter einer "Wenn Du 18 bist, dann drücke auf ok "-Wand höchst gewaltverherrlichende, politisch /ideologisch längst überwunden geglaubte und menschlich absolut ekelhafte Inhalte vermittelt bekomme. Dazu kann ich gern einmal mehr ausführen in einem passenderen Thread. Bevor ich Student wurde, habe ich solche Entwicklungen von der Hauptschule, über Berufsfachschulen & das Gymnasium hinweg beobachtet und selbst mitgemacht. Dazu kamen über alle Schulen hinweg Lehrkräfte, die nicht einmal erahnen konnten, was ihre Schüler da alles nur über zunächst das Internet selbst und später dann über mehrere Medien verteilt & im Smartphone zusammengefasst alles aufsaugten. Ich möchte hier nicht mit der "Pc Spiele führen zu Gewalt" -Debatte fortführen, jedoch muss man erahnen können, wie sich gewaltverherrlichende Inhalte auf heranwachsende Menschen auswirken. Sie werden abgehärtet und verrohen. Ich habe es selbst miterlebt: Als vorpubertärer Junge am "Half Life"- zocken und wenn man dann mit Papa "der Pate" schaut, der Vater beim Anblick des abgetrennten Pferdekopfes schaudert und der kleine Sohn nebenan nicht einmal eine Regung zeigt. Ab der 5. Klasse bekam ich regelmäßig mit, wie auf dem Schulhof Steinigungs- Vergewaltigungs und Tötungs -videos verbreitet und GENOSSEN worden sind. Stellt euch bitte einmal vor, wie eine Gruppe 13 Jähriger rund um ein altes Klapphandy stehen und unter Gelächter und Grinsen einer Frau zusehen, wie sie mit handgroßen Steinen totgequält wird. Anderes Beispiel gefällig? KZ-Besuch Struthof Natzweiler meiner Klasse (Gymnasium): Die Klasse ging in einer Führung durch die Baracken, wo all solche Bilder ausgehangen sind, die Du (thanepower) gerade oben genannt hast. Kaum aus den Baracken, packt ein Klassenkamerad sein Smartphone aus, stoßt einem anderen an die Schulter und als dieser reagiert, fragt er diesen mit dem Hinweis auf sein Smartphone gerichtet"Kennst die?" - Kurz, es war eine Pornodarstellerin in Pose. Das und viel mehr habe ich erlebt und da waren die leichtzugänglichen Inhalte, die man heute als 8 Jähriger schon konsumieren kann, erst in der Entstehung. Die Entwicklungen in Politik, Gesellschaft und Bildungseinrichtungen selbst habe ich da ja noch nicht mal mehr erwähnt.

Edit* Das waren jetzt alles meine eigenen Erfahrungsberichte, zu denen man stehen kann, wie man will. Ich weiß auch, dass viele in meinem Alter ähnliche und oft viel krassere Erfahrungen gemacht haben( Was nur nebenbei bemerkt schon krass vor dem Hintergrund ist, dass thanepowers Sicht darauf in diesem Satz meiner Meinung nach beispielhaft für die Diskrepanz zwischen denen, die mittendrin sind und jenen, die damit kaum in Berührung gekommen sind, was jetzt eine Unterstellung von mir gegen thanepower ist, darstellt. Thanepower, falls ich dich da zu Unrecht in eine Schublade gesteckt habe, tut es mir leid, da es nur meiner Behauptung, in dieser Frage stünden sich zwei unterschiedliche Generationen gegenüber, dienen sollte. Und von denen, mit denen ich selbst Umgang pflege ( Die allesamt anständige und gute Menschen sind), alle so etwas miterlebt haben und sogar noch miterleben.
 
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Die Entwicklung ist mir durchaus geläufig. Ich beschäftige mich intensiv seit langer Zeit mit Jugendsoziologie. Nein, ich fühle mich nicht in eine Schublade gesteckt, sondern empfinde Deinen Beitrag als konstruktiv.

Dennoch bewerte ich manche Dinge anders.
1. Bei der Diskussion über den Einfluss von Gewaltvideos oder Ego-Shootern wird von politischer Seite - wie es beispielsweise gerne Bosbach tut - unterstellt, dass es einen Wirkungszusammenhang gibt zwischen der virtuellen Kriminalität und der manifesten realen Gewaltbereitschaft. Dieser Zusammenhang ist bisher in keiner Studie belegt worden.

2. Das liegt wohl zu einem Teil daran, dass Jugendliche und Erwachsene zwischen der medialen Gewalt bzw. der Gewalt bei Computerspielen unterscheiden können. Sie das gesehene als fiktive Verhaltensweise richtig einschätzen können.

3. Das gilt m.E. auch für die Darstellung von realer Gewalt, sei es historischer Natur oder aktueller Beispiele, wie Lynchmorde.

4. Die Konsequenz aus der zunehmenden Darstellung von Gewalt durch Medien bzw. durch Computerspiele kann dann ja nicht darin bestehen, dieses noch zu toppen. Sondern im Rahmen der Aufbereitung unseres "kollektiven Gedächtnisses" eine kognitive und emotionale Einsicht zu wecken.

5. Und da sind vor allem auch die Eltern gefragt, die entsprechend der Shell Studie die Vorbilder der heutigen Jugend sind.

6. Ansonsten kann ich in der Wahrnehmung von Medien ein durchaus differenziertes Beurteilen durch die heutige Generation erkennen. Also ein durchaus im medienpädagogischen Sinne kritisches Bewußtsein vorhanden ist.
Shell Studie 2019:
"Das größte Vertrauen wird jedoch nach wie vor den klassischen Medien entgegengebracht. Die große Mehrheit hält die Informationen in den ARD- oder ZDF-Fernsehnachrichten für vertrauenswürdig. Vergleichbares gilt auch für die großen überregionalen Tageszeitungen, wobei Jugendliche in Ostdeutschland (68%) auch diesen Zeitungen deutlich weniger trauen als ihre Altersgenossen im Westen (83%). YouTube bezeichnet hingegen etwa jeder zweite Jugendliche als weniger bis nicht vertrauenswürdig. Bei Facebook sind es sogar etwas mehr als zwei von drei Jugendlichen, die den dort angebotenen Informationen misstrauen. Auch Twitter vertraut nur eine Minderheit"

Wie insgesamt diese heutige junge Generation sehr realistisch ist, indem sie ein großteil der zentralen Probleme realistisch beurteilt. Und die Leistungen der politischen Systems anerkennt, trotz durchaus vorhandener massiv Krtitk an manchen Entwicklungen.

Zu den Befürchtungen als Wahrnehmung der heutigen Zeit
https://www.shell.de/ueber-uns/shel...f5c11/shell-youth-study-infographic-fears.jpg

Zufriedenheit mit der Demokratie und seinen damit impliziten Werten
https://www.shell.de/ueber-uns/shel...y-infographic-satisfaction-with-democracy.jpg

Albert, Mathias; Hurrelmann, Klaus; Quenzel, Gudrun (Hg.) (2019): Jugend 2019. Eine Generation meldet sich zu Wort. Weinheim, Basel: Beltz (Shell-Jugendstudie, 18).
 
[...] Gedenkstättenpädagogen, der immer ein Stück Schokolade dabei hat, um sie entweder selbst zu essen, wenn es ihm zuviel wird, oder sie an andere weiterzugeben. Der macht das nicht aus Pietät- oder Empathielosigkeit, sondern gerade weil es z.T. schwer aushaltbar ist, was man da tw. zu sehen bekommt.
(Hervorhebung von mir)
Meine eigenen Kinder sind knapp aus dem Alter heraus, in dem sie von schulischer Seite an diese Thematik herangeführt werden. Das ist wichtig und gut so. Aber man darf diese jungen Menschen weder über- noch unterschätzen. Das was für einen ausgebildeten Gedenkstättenpädagogen phasenweise nur mit Schokolade auszuhalten ist, geht an den Jugendlichen (die sich in aller Regel emotional sowieso gerade im Niemandsland befinden und erhebliche "eigene Probleme" haben) ganz gewiss auch nicht spurlos vorbei. Wie wir Erwachsene gehen auch Jugendliche sehr individuell mit solchen Situationen um und so manch einer verbirgt sein Entsetzen hinter einer betont coolen Maske. Wenn sich Jugendliche an Gedenkstätten völlig daneben benehmen, kann es unter Umständen doch auch sein, dass sie emotional mit dieser Situation völlig überfordert sind. Nicht jeder ist automatisch verroht, nur weil er dann Zuflucht im Smartphone sucht. Auch dann nicht, wenn die Inhalte, die er sich anschaut, in unseren Augen brutal und pietätlos erscheinen. Sie sind vielleicht in der Situation einfach nur besser auszuhalten. Und schließlich kann man als 16 oder 17 jähriger Junge schlecht ein mylittlepony oder Einhorn-Video hochladen um seine Seele wieder ins Gleichgewicht zu bringen ;)
 
es ist auch sehr schwierig den richtigen Zeitpunkt für so eine Klassenfahrt zu finden.

Ich habe als Jugendlicher Dachau zu Beginn meiner Abschlussfahrt der 10ten Klasse besucht.
Wir waren nach siebenstündiger Busfahrt (bei der wir als 16 jährige natürlich Alkohol konsumierten) in Dachau und das war der schlechtest denkbare Zeitpunkt.
Es ging einigermaßen Eklatfrei über die Bühne aber ein würdiges Gedenken war mit soviel Hormonen und Spirituosen im Kopf nicht denkbar :/
 
Wir waren in der 10. Klasse in München, Besuch in Dachau, nüchtern... Ich habe als einziger alles angeschaut und die Tafeln gelesen, auch als die restliche Klasse schon wieder an der s-bahn Station stand.
 
tja der Reifegrad ist sehr unterschiedlich in diesem Alter. Heute kann ich mir kaum Vorstellen wie kalt mich das damals gelassen hat.

Aber es schafft wenigstens Verständnis für Jugendliche die sich heute wie die Axt im Walde benehmen. Das hätte auch ich sein können und aus mir ist auch noch was anständiges geworden.
 
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