kleine Geschichte der Atombombe..

Aber so daneben ist der nicht.
Doch, vor allem da Deine Denke in die falsche Richtung geht. ;)

Das geht tatsächlich kreuz und quer und durcheinander.
Diese Darstellung verzerrt aber völlig das Gefühl für die Größenverhältnisse. Bei völlig statistischer Bewegung (und die haben wir nicht!) muss für jedes Teilchen Das pro Sekunde durchflogene Volumen berechnet werden. D.h. für jedes Teilchen wird der Querschnitt senkrecht zur Flugachse mit der Wegstrecke (plus der Länge, kann hier aber vernachlässigt werden) multipliziert. Ein Satellit mit 1 m² und der Geschwindigkeit 8 km/s durchfliegt also 8000 m³/s. Ein Trümmerteil mit 1 cm² Querschnitt und 10 km/s durchfliegt also nur 1 m³/s. Dies muss mit dem Volumen dieser Orbits in der Größenordnung von etlichen 10e20 m³ und ca. 31,5e6 s/a ins Verhältnis gesetzt werden.

Dazu kommt aber ein Faktor deutlich kleiner 1, da die Flugbahnen eben nicht zufällig sind und natürlich steigt die Wahrscheinlichkeit quadratisch mit der Zahl der Teile im Orbit.

Was für einen Sinn sollte denn auch eine exklusive Äquatorialbahn haben (nur da kann dein Einwand gelten) wenn man etwa Kartierungen vornehmen oder ein Navigationssystem betreiben will?
Treffen z.B. zwei erdnahe Satelliten unter dem Winkel von 90° aufeinander, dann beträgt die Relativgeschwindigkeit zwischen diesen 'Geisterfahrern' die 1,41 fache der Orbit-Geschwindigkeit, also ca. 12 km/s.
Klar bei stark gegeneinander geneigten Bahnen greift das Beispiel zweier LKW auf der Autobahn nicht, da trifft eher der kreuzende Verkehr an einer großen Kreuzung ohne Ampel und ohne Bremsen. Aber dafür gibt es dann nur für einen kleinen Teil der Flugbahn überhaupt eine Chance auf eine Kollision.

Jetzt stellen wir uns mal idealisiert vor ein Satellit von 50kg zerplatzt bei der Gelegenheit in 5000 Einzelteile zu je 10g.
10g ist die ungefähre Masse des Projektils eines NATO-Sturmgewehrs.
5,56 × 45 mm NATO – Wikipedia

Die Geschwindigkeit dieses Geschosses beträgt ca. 1km/s.
Wäre es jedoch mit 8 km/s unterwegs hätte es, hier als taumelnder Querschläger, die 64-fache (!) Bewegungsenergie.
Also man kann sich das schon vorstellen, dass dann, mit der Überschreitung einer kritischen Schwelle, schlagartig einer neuer Zustand eintritt.

„Bereits Trümmerteile aus wenigen Zusammenstößen könnten eine unkontrollierbare Kaskade immer neuer Fragmente auslösen und den erdnahen Weltraum unbenutzbar machen.“
https://www.spektrum.de/magazin/wie-beseitigen-wir-den-weltraumschrott/1609512


Man weiß nicht zu welchem Zeitpunkt dieses Ereignis eintreten wird, weiß aber, in welcher Weise die Wahrscheinlichkeit dafür steigt.
Aber bei den hohen Geschwindigkeiten werden kleine Teile nicht ihre Energie komplett übertragen können und sehr oft die größeren Teile einfach durchschlagen. Diese Löcher würden ein Sonnensegel (tragen am meisten zum Querschnitt bei) dann vielleicht um 1% in ihrer Leistung beeinträchtigen, zumindest solange nicht ein kritisches Teil getroffen wurde. Daher ist es sinnvoll statt des Energieübertrags den Impulsübertrag zu betrachten. Dadurch werden auch die Fälle abgedeckt, dass z.B. ein Satellit zwar getroffen, aber nicht zerstört oder kritisch beschädigt wird, dafür aber aus der Bahn gelenkt wird und seine Aufgabe nicht mehr wahrnehmen kann.

Ein Zerplatzen in 5000 Einzelteile gleicher Größe ist ein falsches Bild, es werden Trümmer unterschiedlichster Größen erzeugt, davon werden manche sehr schnell zu Erde fallen, andere werden nur allmählich gebremst und verbleiben für lange Zeit im Orbit. Und ein Teil wird auch so stark beschleunigt, dass sie das Schwerefeld der Erde verlassen.

Eine unkontrollierbare Kaskade wird es nicht geben, der Vergleich mit der kritische Masse bei Fission ist einfach grundfalsch (weswegen ich mich über Deinen Beitrag hier im Strang gewundert habe). Bei mehr Trümmern wird das Risiko größer und Schäden haben bei den Kosten für einen Satelliten große Auswirkungen bzw. bei Astronauten wird schnell die Grenze der Letalität überschritten.
 
Kessler-Syndrom

Eine unkontrollierbare Kaskade wird es nicht geben, der Vergleich mit der kritische Masse bei Fission ist einfach grundfalsch (weswegen ich mich über Deinen Beitrag hier im Strang gewundert habe)

Solwac, Ich kann Deine Einwände nachvollziehen.
Der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis geht jedoch davon aus, dass es nicht nur eine solche Kettenreaktion geben kann, sondern bei unverändertem Einbringen von weiteren Satelliten in den LEO (Low Earth Orbit) auch stattfinden wird.
Das ist der Kessler-Effekt, bzw. Kessler-Syndrom.

Beschrieben wurde diese Kettenreaktion 1978 von dem Astrophysiker der NASA Donald J. Kessler.
Dieser beschäftigte sich mit dem Trümmerfeld des Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter.
Die gewonnenen Einsichten überträgt er auf die Satellitenwolke im Erdorbit und entwickelt dafür mathematische Modelle. (Das erinnert an die Übertragung der Erkenntnisse über den Effekt von Staubstürmen auf dem Mars auf die Effekte eines Atomkriegs auf der Erde durch Sagan et al)
Diese Modelle wurden weiter verfeinert und man geht allgemein mindestens von der Möglichkeit einer zerstörerischen Kettenreaktion im LEO aus. [1]
Es stellt sich sogar die Frage, ob denn die kritische Masse bereits schon erreicht sei und selbst wenn keine neuen Satelliten hinzukämen diese Kettenreaktion über kurz oder lang einsetzen müsse.[2] [3]
Die Frage wann diese ausgelöst werden wird lässt sich nicht beantworten.

Und insofern finden sich sich durchaus Analogien zur Kettenreaktion in einer Atombombe wie sie in der Grafik von Wellerstein [4] veranschaulicht wird.
Die Kollisionstrümmer entsprechen dann dem Anschwellen der freigesetzten Neutronen beim Zerplatzen eines U235- oder Pu239-Kerns. Ein Teil dieser verlässt das System und ein Teil treibt die weitere Reaktion an. Überschreitet man die kritische Masse, dann überwiegt die Wirkung des im System verbleibenden Teils und Kettenreaktion setzt ein.
Beim Beispiel der Satellitenwolke werden immer neue reaktionsfähige Elemente in das System eingebracht und damit die Kritische Masse erreicht, bei der Atombombe werden unterkritische Massen zu kritischen zusammengeführt.
Wenn man sich fragt wann denn der genaue Zeitpunkt des Beginns der Kettenreaktion ist, dann ist dieser auch bei der Atombombe zunächst zufällig. Deshalb ist z.B. im Zentrum der Pu-Bombe eine Neutronenquelle als Starter angebracht. [5]

Mir helfen solche Analogien eine Sache zu begreifen, und ich finde das macht Spaß, sofern man einen solchen dabei haben kann.

Grüße hatl


[1] https://www.nasa.gov/centers/wstf/s...ratory/micrometeoroid_and_orbital_debris.html
[2]„https://www.researchgate.net/public...e_stability_of_the_orbital_debris_environment
[3] „However, simulations of the long-term evolution of the space debris environment indicate that within a few decades, generated collision fragments will start to dominate, at least in orbits around 800–1400 km altitude. This will be true even if all launch activities were to be discontinued now, which is an extremely unlikely development.
In the most probable scenario, fragments will initially collide with large, intact objects. Then, the resulting collision fragments will start to collide with such objects, and ultimately collision fragments will collide with collision fragments until all remaining objects are reduced to subcritical sizes. This self-sustained collisional cascading process is most likely to set in at altitudes with high debris population densities and insufficient cleansing by air drag, i.e. around 900 km and 1400 km.“ (Hervorhebung durch mich)
http://www.esa.int/Our_Activities/Operations/Space_Debris/FAQ_Frequently_asked_questions
[4] http://blog.nuclearsecrecy.com/wp-content/uploads/2015/04/1977-Glasstone-Critical-mass-600x421.jpg
[5] https://en.wikipedia.org/wiki/Modulated_neutron_initiator
 
Mir helfen solche Analogien eine Sache zu begreifen, und ich finde das macht Spaß, sofern man einen solchen dabei haben kann.
Das kann ich sehr gut nachvollziehen, deswegen schreibe ich ja auch was zum Thema. ;)

Ich sehe aber einen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Zusammenschieben von Material bis zum spontanen Einsatz der Kettenreaktion und dem dadurch verursachten Anstieg freigesetzter Energie und der Geschehnisse im LEO.

Im LEO würde ohne weitere Satelliten die Zahl der Teilchen vielleicht kurzfristig etwas ansteigen, aber weitem (viele Größenordnungen) nicht stark wie bei einer Kettenreaktion. Das Beispiel des Zusammenstoßes der beiden Satelliten 2009 zeigt ja den schnellen Rückgang der Zahl der Trümmerstücke mit einer niedrigeren Flugbahn und auch der Test der Chinesen von 2007 zeigt, dass die Trümmer als Wolke mit ähnlichem Orbit verbleibt. Die Dämpfung der Funktion der Trümmerstücke sorgt dafür, dass die Zahl der Teile innerhalb der nächsten Jahrzehnte zwar erst einmal ansteigt, dann aber abnehmen würde. Und dies bei gleichtzeitier Abnahme der durchschnittlichen Größe der Trümmerstücke. Das ist ein grundsätzlich anderes Verhalten.

Der Vergleich der Trümmerstücke mit dem Asteroidengürtel verbietet sich auch, da im Astroidengürtel nennenswerte durch die gravitionelle Wechselwirkung stattfindet, im LEO nicht. Bei den Ringen des Saturns sieht man sehr schön die Auswirkungen der "Schäfermonde". Das fehlt bei der Erde ebenfalls.
 
Was ist ein „Initiator“?

Wenn man eine kritische, bzw. überkritische, Masse erreicht geht es los. Irgendwo in dieser und irgendwann und eine Kettenreaktion findet, mehr oder minder wirksam, statt.
Doch sowohl eine Unsicherheit des Ortes, als auch des Zeitpunktes, sind inakzeptabel wenn man eine Nuklearexplosion bewerkstelligen will.
Gehen wir in das Jahr 1944/45 und betrachten die Implosionsbombe Fat Man.
Februar 1944 übernimmt Edward Teller in Los Alamos die Leitung einer kleinen Gruppe von Physikern, die die Grundlage der Implosionsbombe erarbeiten soll. (Der Initiator:D ist Hans Bethe.)
Juli 1944 fiel in Los Alamos die Entscheidung weitere Versuche das einfachere Uranbomben-Konzept „Guntype“ auf die Plutoniumbombe zu übertragen einzustellen. Rhodes S. 116

Doch wenn es nicht gelänge Pu wirksam zu einer überkritischen Masse zusammenzuquetschen, dann würde das riesige Atombombenprogramm mit seinen gigantischen Anlagen (Hanford und Oak Rich) nicht mehr hervorbringen als den Stoff für eine einzige Bombe.
Das ist eine Krise des Projekts.
Man konzentriert sich daher auf die komplizierte Implosionsbombe,
die verspricht den Stoff Plutonium zu nutzen,
und auf den Compton in seinem Report Mai 1941 so hinwies:
„It is possible that element 94, usable for this purpose [violently explosive bombs], may be produced abundantly by the chain fission reaction.“

Also jetzt bauen wir eine Implosionsbombe, ..ich wende mich hier an die Bastler des Forums.

Eine dünne aber feste Schale mit Zündern drumherum, darunter eine ausgeklügelte und genaue Anordnung von zwei verschiedenen konventionellen Sprengstoffen, noch eine Hohlkugel aus Alu, dann ordinäres Uran-238 (man hätte vielleicht auch Wolfram nehmen können oder einen anderen Neutronenreflektor. U238 ist sozusagen Abfall der Urananreicherung von U235) und dann eine kleine Hohlkugel aus Pu, kleiner als eine Billardkugel, und ganz innen, ca. so groß wie eine Haselnuss, der Initiator.

Mit guter Zündung der Sprengstoffschichten wird die noch unterkritische Pu-Masse auf das 2-3 fache ihrer Dichte gebracht und wird dann überkritisch.
(D. h., dass jede Emission eine Neutrons unausweichlich eine Kettenreaktion hervorruft)

Das ganze dauert wenige µs (Millionstel Sekunden), und wie ein Gummiball springt das verdichtete Plutonium dann wieder auseinander. Wenn es nicht gelingt im Zeitfenster von ca. einer µs einen schnellen Neutronenspritzer im Zentrum des kollabierenden Plutoniums hervorzubringen, dann war die Müh vergebens, und der Kracher geht nicht richtig los.
Man hätte besser gleich herkömmliche Vernichtungsmaschinerien bemühen können.

Der Initiator macht die Sache möglich, und er ist ein Kunststück, nach Rhodes fast so schwierig zu bewerkstelligen wie die Implosionsbombe selbst.
Es ist fast schon eine Anekdote, dass der Physiker Klaus Fuchs im August 1944 nach Los Alamos kam, dort an der Implosionsbombe arbeitete und dabei mehrere Papiere zur Initiator-Theorie verfasste.

Ich beziehe mich hier im Wesentlichen auf : Rhodes, Richard – Dark Sun - 1995
 
Vielen Dank für die interessante Zusammenfassung.
Als ergänzendes Stichwort: "Urchin" wurde die eine von 6 im Ende April 1945 ausgewählten "Mechaniken" genannt, die Neutronenanreichung für das Implosionsprinzip der Plutoniumbombe herzustellen.
Zu diesem Initiator:
Modulated neutron initiator - Wikipedia

Sehr lesenswert dazu ist das entsprechende Kapitel in Hoddeson et. al., Critical Assembly: A Technical History of Los Alamos During the Oppenheimer Years, 1943-1945.
 
Ein „Urchin“ ist ein Seeigel und ungefähr so hat wohl das Innere des Initiators ausgesehen.
Das Initiator-Design selbst wurde nie declassified, jedenfalls nicht so weit, dass man ohne weiteres den Aufbau beschreiben kann.
Beschreibungen finden sich jedoch in bekannten Berichten des sovietischen Geheimdienstes über den Fat Man im Herbst 1945.

Ein kleiner Ball mit konischen Vertiefungen die Spitzen an deren oberen Ende formen, welche eine darüber liegende Berylliumschicht berühren usw.. (Rhodes S.187-88)
Ungefähr in der Gestalt wie sie Wellerstein aus dem Penny-Report von 1947 rekonstruiert, denn wie gesagt, das Design ist nicht wirklich declassified.
(Declassified aber wurde, dass Polonium210 als Alphastrahler bei Initiatoren benutzt wurde.)

http://blog.nuclearsecrecy.com/wp-content/uploads/2015/05/Urchin.png
http://blog.nuclearsecrecy.com/2015/05/11/bohr-at-los-alamos/
Hier findet sich auch eine gute Beschreibung der Wirkungsweise des „Seeigels“.

Grüße hatl
 
Zivile“ Kernkraft und Pu.

Schauen wir uns noch mal Plutonium an.

Dieses Element findet sich zunächst nicht auf unserem Planeten, sondern es entsteht bei der Kernspaltung von U235 dadurch, dass das unvermeidlich ebenfalls vorhandene U238 mittles Neutroneneinfang, und durch nachfolgende Umwandlungsprozesse zu Plutonium wird.
Also zunächst zu Pu239 und es entstehen weitere Isotope (Pu240 und geringem Maße auch andere)
https://geschichtsforum.de/thema/kleine-geschichte-der-atombombe.45542/page-3#post-695543

Also das Zeug, welches in jedem Kernreaktor (Uran-Basis, andere sind nicht gebräuchlich) ganz von selbst im Überfluss entsteht, ist schwer so zu zünden, dass sich eine brauchbare Energieausbeute zum Zwecke der beabsichtigten Zerstörungsentfaltung nicht einfach erzielen lässt.
Es also eines ambitionierten technologischen Aufwands bedarf diesen Kernsprengstoff zu diesem Zweck zu verwenden.
Es ist wohl ein wahres Kunststück.

Indes: dieses wurde erstmals vor rund einem dreiviertel Jahrhundert zustande gebracht, und die damals hart und mühsam erarbeiteten Grundlagen sind nun längst Allgemeingut der wissenschaftlichen Erkenntnis, ganz schweigen vom allgemeinen technische Fortschritt.

Nun ging man zunächst davon aus, dass sich zivile und miltitärische Nutzung der Kernkraft dadurch trennen ließe, dass dieser Stoff (Pu239) durch die im KKW unvermeidliche Anreicherung mit weit noch problematischeren Isotopen, vor allem Pu240, für den Zweck des Atombombenabaus verderben müsse,
da deren weit spontanere Neutronenemmision nicht mehr beherrschbar sei.
Entlang dieser Linie argumentierte die Nuklearindustrie um den Bau und Verkauf von entsprechenden Aufbereitungsanlagen zu rechtfertigen. 2]
(Andererseits bleibt die Gewinnung von Kernsprengstoff aus Uran (U235) durch Isotopentrennung so aufwändig, dass Uranbomben seltene Exoten blieben.)

Tatsächlich ist es technisch nicht möglich reines Pu239 zu erzeugen, und ein wenig Pu240 ist immer vorhanden. Die Frage stellt sich daher ob es eine Grenze des Anteils gibt ab der keine Pu-Bombe mehr verwirklicht werden kann.
(Dieser betrug bei der Nagasakibombe Fat Man knapp 1% und selbst dieser geringe Anteil führte zur Schätzung der Wahrscheinlichkeit einer verfrühten Zündung „pre detonation“ mit schlechterer Energieausbeute von 12% welche Groves für akzeptabel hielt. 1]
Die Wahrscheinlichkeit einer pre detonation ergibt sich aus der spontanen Neutronenemission gemessen in Neutronen pro Gramm und Sekunde, und der Größe der verwendeten Masse,
sowie dem Zeitraum den es braucht um die kritische, bzw. überkritische Dichte zu erreichen, sprich der Geschwindigkeit des entsprechenden Ereignisses.
Es war die Kontamination des Kernsprengstoffes Pu239 mit Pu240, die beim Manhatten Project zur Entwicklung der Implosionsbombe führte, die eben nur einen Bruchteil der Zeit für die Überschreitung der kritischen Dichte benötigte als die HEU-Bauweise Little Boy. 3] (siehe auch vorherige Beiträge)
Klar ist also, dass eine schnellere Vereinigung der noch unterkritischen Dichte des Pu zu überkritischen (Implosionsgeschwindigkeit) höhere Pu240-Konzentrationen erlaubt.
Und ebenso einleuchtend ist, dass das entsprechende erste Design des Fat Man vor einem 3/4-Jahrhundert noch nicht das erzielbare Optimum darstellen konnte.
Sehr bald wurde das Fat-Man-Design durch eine relativ einfachen konstruktiven Trick erheblich verbessert: Man lässt die zu verdichtende Pu-Hohlkugel zunächst in eine Vakuum-Zwischenschicht stürzen. Bereits 1948 finden dazu die Sandstone-Tests statt. 4]
Diese Bauart hat bereits 3 Jahre nach Fat Man die dreifache Implosionsgeschwindigkeit.
Der Wirkungsgrad steigert sich, die benötigte Masse des Kernsprengstoffs nimmt ab, und höhere
Pu240-Anteile sind akzeptabel.
Entsprechend steigt der Pu240-Anteil des in Hanford produzierten Pu-Kernsprengstoffs von 1945-1955 auf 7,5%. 5]
1957 ergeht an Hanford gar eine Anfrage nach Pu mit einem Pu240-Anteil von 20%. 6]
Dies kann man im Zusammenhang mit dem nur teilweise declassified Test von 1962 sehen. 7]
Hier wurde mindestens ein erfolgreicher Versuch unternommen mit „zivilem“ Pu eine Atombombe zu erzeugen.
1975 verhindern die USA die Lieferung einer französischen Pu-Aufbereitungsanlage an Südkorea mit dieser Begründung: „According to a message signed by Henry Kissinger, “normal reactor grade plutonium could be used in sophisticated bomb designs or, at the cost of some uncertainty in yield, even in less sophisticated weapons.” 8]
Und das fasst die Komplexität der Betrachtung recht treffend und knapp zusammen.

Der langen Einlassung kurzes Fazit:
Die Trennung zwischen ziviler und militärischer Nutzung der Kernkraft ist ein Mythos, der auf dem Boden der Illusion gedeiht, welche das hässliche Geschwister der Lüge ist.


1] Jones, Gregory S.; Heinonen, Olli (2018): Reactor-grade plutonium and nuclear weapons. Exploding the myths. Arlington: Nonproliferation Policy Education Center. - Seite 60
Derzeit kann dieses Buch kostenlos als PDF hier heruntergeladen werden:
http://www.npolicy.org/thebook.php?bid=37

2] ibid S. 20-21
1975 kommt ein entsprechender Vertrag zwischen der BRD und Brasilien zustande.
„The Germans defended their Brazil deal by claiming that weapongrade plutonium could contain no more than 2% Pu-240.“

3] HEU – highly enriched uranium (U235-Anteil > 80%)

4] Rhodes, Richard (1995): Dark sun. The making of the hydrogen bomb. New York, NY: Simon & Schuster. Seite 320

5] Jones S. 148.
6] Jones S. 128.

7] https://www.osti.gov/opennet/forms?formurl=document/press/pc29.html

8] https://nsarchive.gwu.edu/briefing-...eans-break-contract-french-reprocessing-plant
 
Zuletzt bearbeitet:
...
Der Wirkungsgrad steigert sich, die benötigte Masse des Kernsprengstoffs nimmt ab, und höhere
Pu240-Anteile sind akzeptabel.
Entsprechend steigt der Pu240-Anteil des in Hanford produzierten Pu-Kernsprengstoffs von 1945-1955 auf 7,5%.

Interessant ist hierzu die Analyse des B-52 Absturzes vor Grönland.
Absturz einer B-52 nahe der Thule Air Base 1968 – Wikipedia
Die Reste geben Hinweis darauf, dass eben nicht alle Bomben geborgen werden konnten, da Plutonium239 und Plutonium240 analysiert worden sind.

Die Reste weisen nämlich unterschiedliche 240/239-Ratios aus!

"Based on 240Pu/239Pu isotope ratio measurements Dahlgaard et al. (2001) found that the Thule debris has at least two different Pu sources. About two-thirds of the debris originated from a source having a 240Pu/239Pu atom ratio of 0.056, whereas about one-third of the debris featured a lower 240Pu/239Pu atom ratio of 0.027. Dahlgaard et al. (2001) were not able to determine whether the sources originated from different weapons or from different parts of an individual weapon."

Lind et al., Characterization of uranium and plutonium containing particles originating from the nuclear weapons accident in Thule, Greenland, 1968, Journal of Environmental Radioactivity 81 (2005) S. 23

Zu Dahlgaard: Plutonium in the marine environment at Thule, NW-Greenland after a nuclear weapons accident, in: Kudo (ed.), Plutonium in the enviroment, 2001, S. 15-30.
Die verschiedenen Untersuchungen gehen davon aus, den "normalen" fallout in der Region (aus weltweiten anthropogenen "Verschmutzungen" durch Tests etc., und geogener Hintergrundbelastung) zu schätzen. Der dann gemessene erhöhte Gehalt in der Region wird logischerweise auf den Unfall zurückgeführt. Die Hochschätzung geht von freigesetzten 500 g Plutonium 239/240 aus.
S. 16:
It has been estimated from earlier sample collections (1968, 1970, 1974, 1979, 1984, 1991) (Aarkrog, 1971, 1977; Aarkrog et al., 1981, 1984, 1987, 1988, 1997)that the pollution remaining in the seabed in Bylot Sound by 1968 amounted to approximately 1.4 TBq 239'240pu(~0.5 kg), 0.025 TBq 238pu, 4.6 TBq 241puand 0.07 TBq 241Am.

Schlussfolgernd hierzu, S. 25:
A number of Thule sediment samples from the present 1997 sampling as well as a few more robust ones taken in 1979 and 1991 have been analysed for 240pu/239pu atom ratios at Risr HR-ICPMS facility (Stiirup et al., 1998; Dahlgaard et al., 1999a). These samples show 24~ atom ratios in the range 0.027-0.057 (Fig. 7 and Table 3). The calculated uncertainties on most of the samples are 2-10%. In Fig. 7, it is seen that the samples with highest activity -- which have all been identified as "hot particles"-- show a significant variation in the 240ptl/239pu atom ratios, i.e. there is a variation in plutonium isotope ratios in the Thule debris significantly above measurement errors. This supports the earlier conclusion (Mitchell et al., 1997) that the Thule plutonium originates from at least two sources of different quality. Hot particles analysed from the environment contaminated by the Palomares accident are comparable to or even higher than the highest 240pu/239pu atom ratios in the present Thule material (Mitchell et al., 1997), whereas several environmental samples contaminated with Russian weapons material show a lower ratio.../

Also offenbar eine ältere Masse mit 2,7% und neueres Waffenmaterial mit 5,7%.

Waren es evt. doch zwei nicht geborgene Bomben? oder gemixtes Material eines einzigen warheads?

Die höheren Kennzahlenwerte (5,7%) entsprechen denen bei einem weiteren Unfall:
Nuklearunglück von Palomares – Wikipedia
 
Danke silesia für die weiterführenden Hinweise. Insbesondere auf O.C. Lind.

Unter dem Suchbegriff "Characterization of U/Pu particles originating from the nuclear weapon accidents at Palomares, Spain, 1966 and Thule, Greenland, 1968" findet man auch eine komplette Studie dazu von O.C. Lind et al. als PDF.
 
Polonium 210

....
Sehr lesenswert dazu ist das entsprechende Kapitel in Hoddeson et. al., Critical Assembly: A Technical History of Los Alamos During the Oppenheimer Years, 1943-1945.

In der Tat.
Das Buch ist ansonsten auch der Hammer.
Ich frag mich ehrlich wie Du darauf kommst.

Das Autorenteam (Lillian Hoddeson et. al.) beschreibt nicht nur sehr detailliert die komplizierte Physik, sondern auch den überaus raschen Zeitablauf der Entscheidungsfindungen.
Polonium war der Schlüssel zum Initiator*,
dessen Darstellbarkeit, noch kurz vor der Verwirklichung der ersten Atombombe, zweifelhaft war.
(Wie die Bombe selbst)

Erst Mitte April 1945 war es unter den Wissenschaftlern des Projekts allgemein anerkannt, dass der Initiator überhaupt machbar sei.
(S. 316 ff)
Dass ein solcher Initiator von kritischer Bedeutung sein konnte, was Zuverlässigkeit und Sprengkraft betrifft, war wohl längst bekannt. [1]

Erst Ende Juni 1945 war indes ein zweiter (Urchin-) Initiator hergestellt, dessen Tauglichkeit für seinen Zweck nicht nachgewiesen werden konnte, jedoch seine Unschädlichkeit für den Zweck.
In dem Sinne, dass das Ding bezüglich einer unbeabsichtigten Neutronenemission keine Leckagen hat, welche eine „predetonation“, also vorzeitige Zündung, bewirken könnte.
(Ibid)

(Aus dieser Unsicherheit heraus entsprang vielleicht auch die niedrige Schätzung der Sprengkraft im Vorfeld des Trinity-Tests von 5 Kilotonnen TNT, welche um das ca. 4-fache übertroffen wurde.)

Bald stellte sich heraus, dass sich der Initiator nicht mit dem zunächst ins Auge gefasste Tandem Radium-Beryllium machen ließe, sondern man den weit stärkeren Alphastrahler Polonium210 in der Verbindung mit Be benötigen würde.
(S.119 ff)

Po210 hat eine Halbwertszeit von nur 140 Tagen (starke Strahler haben immer eine kurze Halbwertszeit).

Dabei frag ich mich: verderben Atombomben, so wie der Joghurt im Becher vielleicht?
Mindesthaltbarkeit bis .. , best before?
.................

* .. noch mal kurz was ein Initiator ist.
Das ist eine Anordnung von Material und Geometrie, welche in einer Atombombe im Zeitraum in der Größenordnung einer Millionstel Sekunde einen wirksamen Neutronenspritzer absondert, vorher aber passiv bleibt.

[1] 1943 sind die Vorarbeiten zur Atombombe so weit gediehen, dass eine Gruppe mit der konkreten Entwicklung beauftragt wird.
Im April wird, im Rahmen einer mehrtägigen Einführungsvorlesung durch Richard Serber die erlesene, und insgesamt junge, Gruppe von Wissenschaftlern‚ gebrieft um was es geht.
Richard Serber, ein Vertrauter Oppenheimers, ist da gerade erst 34 Jahre alt geworden.

Seine Ausführungen werden als „Los Alamos Primer“ mitgeschrieben, und sind mittlerweilen declassified. Das Protokoll findet sich glaubwürdig hier:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9c/Los_Alamos_Primer.pdf

Unter 17. wird auch der Initiator behandelt.
 

Anhänge

  • Hoddeson.jpg
    Hoddeson.jpg
    104,2 KB · Aufrufe: 393
Los Alamos Primer - die Einführungsvorlesung

Der Feynman wird im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs geboren.
Als der Zweite Weltkrieg beginnt ist er 21 Jahre alt und beendet gerade sein Studium am MIT.

Für seine Doktorarbeit geht er nun nach Princeton (und findet auch einen Neben-Job bei den Bell -Labs).
„aber dann gab es eine große Aufregung in Princeton. General Trichel von der Armee kam vorbei und hielt eine Ansprache: „Wir brauchen unbedingt Physiker! Physiker sind für uns in der Armee sehr wichtig! Wir brauchen drei Physiker!“
Man muss bedenken, daß die Leute damals kaum wussten was ein Physiker ist. Einstein zum Beispiel war als Mathematiker bekannt.“

Also unser Genie arbeitet nun für das Militär an mechanischen Computern für ballistische Berechnungen und empfindet sich bald selbst in einem Korsett der Unzulänglichkeiten gefangen.
Organisierte Täuschungen, Rivalitäten und auch unsinnige Aufgabenstellungen.
„Ich fand das sei zu schwierig für mich, und ging nach Princeton zurück .“
[1]

Dort wird er schließlich u. a. von Oppenheimer für Los Alamos angeworben.
Als er dort ankommt ist nichts fertig, nicht die Behausungen und nicht einmal die Labors.
Die ersten, die die Arbeit aufnehmen können sind die theoretischen Physiker. Die brauchen das nicht.

„Robert Serber erklärte uns alles, was sie sich in Berkeley im Hinblick auf die Atombombe und die Kernphysik und all diese Dinge überlegt hatten.“
[2]

Feynman ist noch keine 25 Jahre alt, als Robert Serber, selbst erst 34, im April 1943 die Einführungsvorlesung für die technische Verwirklichung gibt.
Diese Einführung wurde protokolliert [2] und zeigt nicht nur „was sie sich in Berkeley“ „überlegt hatten“, sondern gibt auch einen Überblick über die Fortschritte der diesbezüglichen Grundlagenforschung seit dem Compton-Report vom Mai 1941 [3]
Man hat mittlerweilen die speziellen Wirkungsquerschnitte (cross sections) [4] von U235 und Pu239 mehr als nur ungefähr bestimmt.
Ebenso ist nun die Geschwindigkeitsverteilung, der bei der Kernspaltung, (1938/39 entdeckt durch Meitner, Frisch, Strassmann und Hahn) freiwerdenden Neutronen bestimmt, und auch deren Multiplikationsfaktor.
Also die Basics sind ergründet durch verschiedene US-Amerikanische Forschungsanstalten mit einer hervorgehobenen Rolle der Met-Labs in Chicago.

Und nun geht es daran 'eine anwendbare militärische Waffe in der Gestalt einer Bombe zu erzeugen, die ihre Energie aus der Kettenreaktion der Kernspaltung, hervorgerufen durch schnelle Neutronen, bezieht'.
Und die müssen schnell sein, sonst geht das nicht, und sind es auch: im Mittel ca. 20% Lichtgeschwindigkeit, und das ist eine echte Nummer. Und die braucht es auch, so führt Serber aus.
Denn selbst wenn sich nur ein kleiner Teil des aktiven Materials umwandelte, es würde sich auf ca. 40 Mio Grad C erhitzen und so schnell auseinander streben, dass die Ketten-Reaktion zum Erliegen kommen müsste, noch bevor sie ihre Wirkung entfalten könnte.

Also der Bob Serber rechnet vor: von einer Reaktion auf die nächste, die mit einer Verdoppelung des Neutronenflusses verbunden ist, vergehen 10ns (Nanosekunden) und nach 80 solcher Ereignisse sind 2^80 Atome gespalten, mithin ein ganzes Kilogramm U235, mit einer Energiefreisetzung, die der von 20.000 Tonnen TNT entspricht.
In weniger als eine Millionstel Sekunde (µs) muss das stattfinden, und kann es auch.
„ Robert Serber erklärte uns alles..“

[1] Feynman, Richard P.; Fritzsch, Harald; Gates, Bill (2018): Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman! Abenteuer eines neugierigen Physikers. Ungekürzte Taschenbuchausgabe. München: Piper (Piper, 31319). S.133-138
[2] http://extremal-mechanics.org/wp-content/uploads/2012/09/Primer.pdf
Dieser Link gibt den vorher schon eingestellten genau wieder, ist aber lesbarer.
[3] https://nsarchive2.gwu.edu//dc.html?doc=3913457-Report-of-the-Uranium-Committee-Arthur-H-Compton
[4] „Der Wirkungsquerschnitt Sigma ist das Maß für die effektive Größe eines [Atom-] Kerns bei einer bestimmten Reaktion.“
Tipler, Paul Allen (Hg.) (1994): Physik. Heidelberg u.a.: Spektrum Akad. Verl. (Spektrum Lehrbuch). S. 1404
Und diese effektive Größe ist nicht konstant, sondern schwankt stark und verringert sich tendenziell erheblich bei höheren Geschwindigkeiten der Neutronen, die eine Kernspaltung in den genannten Isotopen von Uran und Plutonium bewirken können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kurzer Nachtrag und Verbesserung des vorherigen Beitrags:
Serber schreibt "the mean energy [der bei der Kernspaltung freigesetzten Neutronen] is about 2MeV"
Das sind 10% Lichtgeschwindigkeit des Neutrons, und nicht 20%. .. sorry.
(Ich würde mich wirklich über Widerspruch freuen, denn es finden sich ja noch ein paar mehr Fehler in meinen Beiträgen.)

80 Generationen der Kernspaltung, mit jeweiliger Verdoppelung der aktiven Neutronen, benötigen ca. 0,8 µs, ausgehend von einem 10 ns Takt, gemäß Serber .
Jedoch rechnet Serber vor, "the whole reaction must occur in about 5*10^-8 seconds" das sind 50 ns (0,05 µs), also nur 5 Verdoppelungen der Reaktion und keine 80.
Allerdings stellen diese letzten 5 Verdopplungen 97% der gesamten Energie bereit. (Bitte Taschenrechner bemühen)
Daher: "Since only the last few generations will release enough energy to produce much expansion, it is just possible for the reaction to occur to an interesting extend before it is stopped by spreading of the active material."
(Hervorhebung durch mich)
Ungefähr im 20-sten Teil einer Millionstel Sekunde muss das Ereignis stattfinden, sonst geht das nicht.
So jedenfalls sind die Abschätzungen der sehr lesenswerten einführenden Vorlesung in Los Alamos im April 1943.
Gibt auch noch viele andere dieser Art in diesem Dokument.
 
Initiator und Detonator

Die entscheidende Frage des Zündmechanismus für die Atombombe wurde oben mehrfach touchiert.

Ganz aktuell dazu Presseberichte über Dokumente, die nach Jahrzehnten klären, warum die SU hier zügig aufholte:
Spionage zum "explosive trigger".

Fourth Spy at Los Alamos Knew A-Bomb’s Inner Secrets

Von der Seite der CIA: Publikation der Autoren zum 4. Spion in Los Alamos und beim Manhattan-Projekt
On the Trail of a Fourth Soviet Spy at Los Alamos

Danke für den Verweis auf das Thema Spionage.
So wie ich es verstehe, hatte hier die SU als einziger Spieler auf der Bühne dabei Erfolg.
(Dieser Umstand wäre sicher eine eigene Betrachtung wert.)

Ich würde aber sagen, dass die sehr späte Enttarnung Seborgers (beteiligt als Ing. am Detonator-Programm) durch Historiker, das Bild ergänzt, jedoch nicht neu malt.
Klaus Fuchs, dessen Verrat recht schnell erkannt wurde, ist wohl ein deutlich größeres Kaliber. 2) Kapitel 7
Fuchs leistet tatsächlich einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung der Atombombe. Er verfasst Theorien zum Initiator, die auf dessen Gestaltung Einfluss nehmen.
Er befindet sich hier im Zentrum der Bombe.
Dazu nochmal das Bild der Pu-Bombe. Ganz innen ist der Initiator, und ganz außen sind die „Detonator“.
Deren Zahl ist 32.
Der Kompressionsmechanismus der Bombe besteht aus 32 Hohlkugelsegmenten exakter Größe, Dichte und chemischer Zusammensetzung konventioneller Sprengstoffe, mit jeweils einem aufgesetzten Detonator.
Ist das schon ein Kunststück, so besteht ein weitere Herausforderung darin, diese 32 im Zeitfenster von kleiner 1 µs von außen zu zünden. Das ist nicht trivial und auch hier sind Wissenschaftler (Alvarez, Kristiakowsky) in führender Rolle, und nicht Ingenieure.
Die Entwicklung der Detonator beginnt mit der Entscheidung die Implosionsbombe zu bauen.
Schließlich werden Serien von verschiedenen Bauweisen getestet und es gelingt eine Anordnung zu finden deren Genauigkeit bei einigen Hundertsteln µs liegt. 1) S. 169ff

Die Funktion des Initiators indes kann nur durch die Explosion der Atombombe selbst nachgewiesen werden. 1) S.308/9 Das macht diesen ungleich viel schwerer zu bauen. Entsprechend höher würde ich das Gewicht von Klaus Fuchs ansetzen.

1) Hoddeson, Lillian; Baym, Gordon (1993): Critical assembly. A technical history of Los Alamos during the Oppenheimer years, 1943-1945. Cambridge: Cambridge University Press.
(Danke nochmal für den Hinweis auf dieses Buch)

2) Rhodes, Richard (1995): Dark sun. The making of the hydrogen bomb. New York, NY: Simon & Schuster.
 
Calutron Girls und Calutron.

Schauen wir uns mal zwei Bilder an, entstanden irgendwann zwischen Ende 1944 und Anfang 1945.
Auf Bild1 eine Galerie von sehr stattlichen elektrischen Steuerschränken. Ca. 26.
Davor durchgehend junge Frauen, noch nicht in Vollbesetzung.
Bild2 zeigt einen einzelnen Steuerschrank.
Die eigentliche Steuerung, bzw. Regeleinheit, sitzt auf einem hölzernen Bürostuhl davor.
Es ist eine junge Frau.

Diese Frauen arbeiten im Rahmen des Manhattan Projects und helfen die Atombombe zu verwirklichen.
Aber was machen die?
Und warum junge Frauen?
Nun das sind Universitäts-Studentinnen, entweder in hohem Semester oder schon mit frischen Abschluss.

Diese steuern eine riesige Urananreicherungsmaschine, die aus einer Vielzahl paralleler Segmente (cells oder tanks) besteht.
Räumlich abgetrennt von „Dantes Inferno“ [1], also von einer nicht ganz harmlosen Maschine in der Halle daneben.
Was genau sie machen verstehen sie nicht und sollen es auch nicht.
Denn jede, und auch jeder, soll nur soviel begreifen wie zur Erfüllung der Aufgabe notwendig.
(Es wird auch nicht Uran, oder U238, oder U235 oder Pu239, oder Pu240 als Begriff verwendet, sondern verschiedene Schlüssel dafür, Buchstaben oder Zahlen.)
Was diese intelligenten Frauen aber verstehen ist: wie die Zielanzeige auf den großen Schalttafeln aussehen soll, wie sich die eingestellten Parameter darauf auswirken, und wie diese miteinander interagieren.
Jede, der Calutron Girls steuert, oder vielleicht besser gesagt regelt, zwei Segmente gleichzeitig. Und bis zu 96 Segmente (cells oder auch tanks) [3] hat das Calutron-Monster, und jedes Segment bis zu vier Massenspektrometer [2].
Bis zu acht Calutrons sind maximal im Einsatz, und die saufen Strom in ungeheuerem Ausmaß.
Und dennoch sind sie nicht in der Lage den Stoff auch nur für eine einzige Uranbombe (Hiroshimabombe) herbeizuschaffen. [4]

1949 zündet die Sovietunion ihre erste Atombombe.
Es ist eine Plutoniumbombe.
Die Uranbombe wird ein Exot bleiben, und das Calutron eine evolutionäre Sackgasse.

(1) https://www.osti.gov/includes/opennet/includes/MED_scans/Book V - Electromagnetic Project - Volume 6 - Operation.pdf Seite 2.

[2] https://www.spektrum.de/lexikon/chemie/massenspektrometrie/5622
Eigentlich ein Instrument um Isotopenanalysen im Labormaßstab durchzuführen und Geschichtsinteressierten vielleicht durch die C14-Methode der Bestimmung des Alters von kleinen Kohlenstoffproben bekannt.

[3] Preparative Scale Mass Spectrometry:
Preparative Scale Mass Spectrometry: A Brief History of the Calutron - ScienceDirect
PDF-Seite 5 ff.

[4] Hoddeson, Lillian; Baym, Gordon (1993): Critical assembly. A technical history of Los Alamos during the Oppenheimer years, 1943-1945. Cambridge: Cambridge University Press.
S. 263: Als die Thermodiffusionsanlage vollständig in Betrieb war (März 1945), war sie in der Lage die Calutrons mit vorangereichertem U235 zu versorgen. Dies auch über den Zwischenschritt der Gasdiffusionsanlage, die April 1945 in Betrieb ging.
Und alle drei Anlagen sind von vergleichbar stattlicher Größe.
 
Der Massenspektrometer und die Hiroshima-Bombe

Zunächst ein bisserl Physik zur Entspannung..:D
Als Geschichtsinteressierte(r) kennt man vielleicht die C14-Methode zur Altersbestimmung ehedem lebender Materie mit Hilfe des Massenspektrometers.
Dieser ermöglicht es die anteilige Zusammensetzung der C14 und C12 Isotopen zu bestimmen,
und über die Halbwertszeit des C14 das Alter der Probe.
Man denke etwa an das Turiner Grabtuch.

Thomson entdeckt das Elektron und erhält dafür 1906 den Nobelpreis. (Nicht für das Grabtuch)
Und so ein Elektron geistert, wie auch immer, um das Atom herum und man kann es von diesem abtrennen. Dann hat man ein positives Ion, also ein Teilchen welchem die elektrische Ladung eines Elektrons fehlt.

Diese Ladung ist eine Konstante deren Größenbestimmung 1910 gelang und 1923 ebenfalls mit einem Nobelpreis gewürdigt wurde.

Wenn es nun gelingt einem Atom eine exakte elektrische Ladung zu verpassen, indem man ein Elektron abstreift (heißmachen im Fast-Vakuum und das Elektron abziehen) dann kann man auch dessen Masse bestimmen. Denn sowohl in der Gegenwart eines elektrischen, wie eines magnetischen, Feldes, bestimmt auch die Masse eines bewegten Teilchens mit elektrischer Ladung die Gestalt der Flugbahn.
Man kann also die Masse eines Atoms bestimmen und damit auch Isotope erkennen.

(Aston verfeinert vorhandene Apparaturen mit seinen Massenspektrographen so gut, dass er die Atommassen von Helium und Wasserstoff ausreichend genau bestimmen kann, um einen Massendefekt zwischen diesen feststellen zu können.
Der Astrophysiker Eddington leitet daraus 1920 eine gültige Erklärung für die anhaltende Leuchtkraft der Sonne ab (E=mc2) und ebenso ist damit in der Rückschau bereits der Pfad zur Wasserstoffbombe vorgezeichnet.)
Kann man aber das Prinzip des Massenspektrometers auch für die Urananreicherung anwenden?
Also die 0,7% U235, als erkannten Kernsprengstoff, vom restlichen U238 soweit abtrennen, dass man schließlich die benötigten >80% U235 Konzentration erhält?

Lawrence sagt das geht, und das Calutron wird geboren.
Das Monster-Massenspektrometer.

Zunächst muss man das Uran in eine chemische Verbindung bringen die sich in einen gasförmigen Zustand wandeln lässt. Beim Calutron verwendet man UCl4, (bei späteren Anlagen werden sich UFl6 und Gaszentrifuge durchsetzen).
Sodann muss man ein Elektron abstreifen in dem man das hoch verdünnte Gas soweit erhitzt, dass sich Elektronen von der Verbindung lösen.
Das so entstandene Ion wird in einem elektrischen Feld hoher Spannung linear beschleunigt und in ein möglichst starkes Magnetfeld entlassen. Dieses wirkt senkrecht zur Bewegungsrichtung des Ions und krümmt dessen Bahn. Die Krümmung dieser hängt von der Masse des Atoms, sprich dessen Isotop ab. Und je geringer der relative Masse-Unterschied zwischen den Isotopen (hier besonders klein bei U235Cl4 und U238Cl4) ist, desto größer muss das Magnetfeld bei begrenztem Raum sein.
Und da braucht man sehr starke Elektromagneten.
Die wiederum benötigten sehr viel Strom und sehr gute elektrische Leiter.

Kupfer wäre das erste Mittel der Wahl, ist aber nicht ausreichend verfügbar im Krieg.
Doch ist Silber ebenso gut geeignet, und Groves, der militärische Leiter des Manhattan Projects, fädelt einen Deal mit dem Finanzministerium ein.
Schließlich leiht dieses 12.000 Tonnen (!) Silber im Wert von 300 Mio. Dollar (das sind ca. 15% der Kosten für das gesamte Atombombenprogramm) aus dem Staatsschatz für die Calutrons.
(Rhodes, Richard: The making of the atomic bomb. , NY: Simon & Schuster Paperbacks. - Seite 490ff)

Angesichts des Ausmaßes der Vernetzung dieser Bemühung ist es bemerkenswert, dass eine Geheimhaltung im Großen und Ganzen bewerkstelligt werden konnte.

Nazi-Deutschland jedenfalls hat nichts mitbekommen.
Nach der BBC-Meldung es habe eine Atombombe Hiroshima zerstört rätseln die mittlerweilen internierten deutschen Top-Physiker in Farm Hall am 6. August 1945 darüber so:
"HEISENBERG: Ich glaube kein Wort von der ganze Sache. Sie müssen ihre ganzen 500000000 Pfund Sterling für die Isotopentrennung ausgegeben haben; dann ist es möglich.
WEIZSÄCKER: Wenn es leicht ist und die Alliierten wissen, daß es leicht ist, dann wissen sie auch, daß wir es bald herausfinden werden, wie es gemacht wird, wenn wir weiterarbeiten.
HAHN: Ich hätte nicht gedacht, daß es in den nächsten zwanzig Jahren möglich sein würde.
WEIZSÄCKER: Ich glaube nicht, daß es was mit Uran zu tun hat."

http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/pdf/deu/German101ed.pdf

Diese Ahnungslosigkeit, geboren aus chauvinistisch-rassistischer Arroganz und Isolierung von der längst globalen Wissenschaft, findet eine beeindruckende und authentische Beschreibung bei:
Goudsmit, Samuel A. (1996): Alsos. [Repr.]. Woodbury, NY: American Inst. of Physics (History of modern physics and astronomy.).
 
Zuletzt bearbeitet:
Proliferation, Uran, Isotopentrennung

1949 zündet die Sovietunion ihre erste Atombombe.
Es ist eine Plutoniumbombe.
Die Uranbombe wird ein Exot bleiben,...

Na ja, das ist schon eine Aussage bei der mich mittlerweile Zweifel beschleichen.

Doch wenn man sich die unglaubliche Größe der Urananreicherungsanlagen (SS50, K25 und Y12) in Oak Ridge anschaut, und deren fast schon kümmerliches Ergebnis, kann man durchaus geneigt sein hier eine kaum überwindbare Hürde zur Uranbombe zu sehen.
Es wurde indes alles nur Erdenkliche [1] ersonnen und erwogen um eine Isotopentrennung des Uran hervorzubringen.
Durchgesetzt hat sich nach dem Krieg das Gasdiffusionsverfahren [2]. Das sind riesige Anlagen auf der Fläche von ein paar Quadratkilometern. Und die saufen Geld [3] in vollen Zügen und Strom aus großen Leitungen zum Ort des Geschehens.
So was kann man ja nicht verbergen
.. und von daher hat man sich vielleicht auch zunächst noch keine großen Sorgen gemacht, dass das künftig nicht mehr gegeben sein könnte.
Der NPT (Atomwaffensperrvertrag), der 1970 bei den Unterzeichnern in Kraft trat, berücksichtigt keine Problematik, die künftig daraus entstehen würde, dass auch Uran-Anreicherungsanlagen weit genug schrumpfen könnten um heimlich gebaut zu werden. [4]
Und man darf auch nicht übersehen, dass der Atomwaffensperrvertrag mit einer durchaus tückischen Garantie verbunden ist: Jeder Unterzeichner hat das unveräußerliche (inalienable) Recht auf volle Teilhabe an der „friedlichen Nutzung der Kernkraft“. (Artikel IV.1) Und nicht nur das, die Teilnehmerstaaten sind zu einem regen Austausch von Wissenschaft, Technik und Material aufgefordert: All the Parties to the Treaty undertake to facilitate, and have the right to participate in, the fullest possible exchange of equipment, materials and scientific and technological information for the peaceful uses of nuclear energy. Parties to the Treaty in a position to do so shall also co-operate in contributing alone or together with other States or international organizations to the further development of the applications of nuclear energy for peaceful purposes, ...“
Artikel IV.2 [5]

Die Katze, die nukleare Missetäter fangen soll, aber beißt sich zunehmend selbst in den Schwanz, wenn die Distanz zwischen ziviler und militärischer Technik fortlaufend schrumpft.

Zum Beispiel durch die Gegenstrom-Gaszentrifuge [7],
dem Erfolgsmodell der zivilen Urananreicherung und, na ein bisserl ein Leckstrom ist immer,
…. der Pakistanischen Atombomben ab 1998.
Und da bricht ein nukleares Wettrüsten mit Indien aus. Pakistan verließ sich mindestens Anfangs ganz auf den Bombenstoff Uran (U235 > 80%) und baute bis ca 2012 110 Atombomben. [6] S. 136ff
Und verließ sich auch auf selbstgebaute Gaszentrifugen, dem Stand der 'zivilen' Kunst, abgeschaut bei Urenco in den Niederlanden..
Und diese Geschichte ist nicht nur nebenbei, die Geschichte der Gegenstrom-Gaszentrifuge für Urananreicherung.
(Gut, es hätte auch etwas anderes sein können. Aber sie wars, und legte ihren Auftritt hin.)

[1] http://www.analytik.ethz.ch/vorlesungen/radiochemie/Isotopentrennung.pdf
[2] https://www.sciencedirect.com/topics/engineering/gaseous-diffusion

[3] K25 alleine in Oak Ridge verputzt 27% des Budgets des Manhattan Project, während sich der Kostenanteil der Entwicklung der Bombe selbst weit darunter bewegt,
http://blog.nuclearsecrecy.com/2013/05/17/the-price-of-the-manhattan-project/

[4] https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/10736700.2012.690961
[5] https://www.un.org/en/conf/npt/2005/npttreaty.html
[6] Bracken, Paul J. (2012): The second nuclear age. Strategy, danger, and the new power politics. 1. ed. New York: Henry Holt and Co.

[7] das ist der Pumuckl, der die Regie der Story führt.
 
Die Gaszentrifuge

Zentrifugen kennt man ja.
Wäscheschleuder im Keller, oder enge Straßenkurve bei großer Eile. :D

Anfang der 30er werden bereits Versuche durchgeführt Isotopen in einer Gaszentrifuge zu trennen, oder besser gesagt anzureichern
1934 vermeldet Jesse Beams dabei erstmals Erfolg (Chlorisotope).
[1]
Da muss man sich kein großes Ding vorstellen. Der typische Gestalt eines solchen rotierenden Hohlzylinders ist die eines Ofenrohrs. Nur dass es halt rotiert, und zwar richtig schnell, weil es sonst für die Isotopentrennung nicht brauchbar ist. [1] Formel 5; Box1 : ‚v‘ ist die Umlaufgeschwindigkeit des dünnwandigen Rohrs.
Das Team Jesse Beams betreibt den rotierenden Ofenrohrzylinder im Vakuum und und vermeidet damit die Erhitzung ‚T‘ des Hohlzylinders, welche dem angestrebten Effekt entgegenwirkt (gleiche Formel).
Steigert man die Umfangsgeschwindigkeit des rotierenden dünnen Rohrs der Zentrifuge um Faktor Zwei, so erhöht sich der Volumenstrom um Faktor 16. Das ist eine echte Nummer für große Träume. (Immer noch gleiche Formel)
Die erreichbare Umlaufgeschwindigkeit ergibt sich aus der Wurzel von Zugfestigkeit durch Dichte des verwendeten Werkstoffs.

Auch im Dritten Reich wird geforscht an der Urananreicherung, mit einer erstaunlichen Bandbreite der Möglichkeiten.
Wilhelm Groth versucht 1941 auch Experimente mit der Gaszentrifuge zur Isotopentrennung von Uran in Gang zusetzen.
Das ist halt schwierig, denn die Beschaffung der notwendigen Technik wird durch den Krieg erschwert, [2] und die entsprechenden Zentrifugen, deren Einsatz erst bei sehr hohen Drehzahlen effektiv wird, zerreißt es leicht. [3] S.103.
Ab ca. 350m/s [7] Umlaufgeschwindigkeit wird die Sache interessant, und alleine die Zentrifugalkraft bringt beste Werkstoffe an die Grenze der Spannungsfestigkeit, nicht zu reden von Unwucht.
Jedoch, Wilhelm Groth kennt die Arbeiten von Jesse Beams und baut seine Überlegungen darauf auf. [3] S. 48, kommt aber, obwohl unverdrossen, nicht weit.
In den USA wird diese Technik nicht weiter verfolgt.

Während Groth 1945 von den Alliierten vorübergehend nach Farm Hall gebracht wird [4],
landet ein anderer Physiker, Gernot Zippe, in sowjetischer Gefangenschaft.
Er entwickelt als privilegierter Gefangener in einer größeren Gruppe 1946-1953 die Gaszentrifuge weiter. Bis zur Brauchbarkeit für die Urananreicherung, verbunden mit dem großen Versprechen der Physik: Doppelte Umfangsgeschwindigkeit – Sechzehnfache Anreicherungsleistung.

Und mit dem Versprechen der Sowjets ihn nach erfolgreicher Arbeit freizulassen.
Zippe löst das Problem der Lagerung und wohl auch der Dichtung nebst Zu - und Abführung der drei notwendigen Gasströme (UF6). Das Team von 60-65 Mitarbeitern entwickelt im Zeitraum von 7 Jahren real arbeitende Apparate mit exzellenter Wirtschaftlichkeit.
..und Zippe wird 1956 tatsächlich freigelassen.
Er beeilt sich Patente im Westen anzumelden [5] (schon eine Frechheit und Undankbarkeit) und die USA werden auf ihn aufmerksam.
Und so kommt er schließlich für zwei Jahre zur University of Virginia zu Jesse Beams, mit dem die Story oben begann.
Dort gibt Zippe umfangreiche und genaue Auskunft über seine Arbeiten in der UDSSR. [6]
Die Amerikaner belegen das Fortschreiten der Kunst eines solchen Maschinenbaus alsbald mit Geheimhaltung, und er kehrt von dieser ausgeschlossen zurück nach Deutschland.
Seine Arbeiten indes bleiben öffentlich.

Derweilen ist dieses wirtschaftliche Verfahren in Europa begehrt geworden, nicht zuletzt deswegen weil die „zivile Kernkraft“ immer größere Mengen 3,5%U235 anfordert.
Und weil man das Monopol darauf der USA brechen will.
So wird dann 1971, ein Jahr nach Inkrafttreten des Atomwaffensperrvertrags, die Urenco (Uranium ENrichmenCompany) gegründet. Ein Joint Venture von Großbritannien, der BRD und der Niederlanden, zum Zwecke des großen industriellen Einsatzes von Gaszentrifugen für die Urananreicherung.

Das wird ein Durchbruch dieser Technik sein, und leider kein schöner.


[1] https://www.researchgate.net/profil...trifuge-and-nuclear-weapons-proliferation.pdf

[2] https://www.deutsches-museum.de/arc...herstellung-einer-ultrazentrifuge/dokument-1/

[3] Walker, Mark (1990): Die Uranmaschine. Mythos und Wirklichkeit der deutschen Atombombe. Berlin: Siedler.

[4] Goudsmit, Samuel A. (1996): Alsos. [Repr.]. Woodbury, NY: American Inst. of Physics (History of modern physics and astronomy, 1).

[5] https://patents.google.com/patent/US3289925A/en

[6] http://www.atomicreporters.com/wp-content/uploads/2013/12/zippe1.pdf

[7] Unser Ofenrohr kommt da mit ca. 70.000 U/min daher.
 
Zuletzt bearbeitet:
Urenco, ..und eine Fehleinschätzung.

Dezember 1953 hält der US-Präsident Eisenhower vor den Vereinten Nationen seine berühmte „Atoms for Peace“-Rede.
In dieser verknüpft er den Gedanken einer atomaren Abrüstung, welche ihm selber fern liegt, mit eine Vorstellung die er nicht begründet.
„It is not enough to take this [nuclear] weapon out of the hands of the soldiers. It must be put into the hands of those who will know how to strip its military casing and adapt it to the arts of peace.“
2)
„Es genügt nicht diese [nuklearen] Waffen den Händen der Soldaten zu entwinden. Sie müssen in die Hände jener gelegt werden, die wissen werden wie man die militärische Hülle abstreift, und sie [die Waffe] für die Künste des Friedens anwenden."
Der Satz macht auch grammatikalisch keinen Sinn, aber man ahnt was er meint:
Die Verbreitung von Atomwaffen kann man nur schwer verhindern, doch die Kraft der Verheißung der Kernkraft ist international nicht einzudämmen. Und da wäre es doch eine gute Vision, man könne alle Nationen teilhaben lassen im hoffnungsvollen Vertrauen auf jene, die künftig wissen werden, wie man zivile und militärische Kernkraft trennt. ("those who will know how to strip its military casing").


Der Unternehmenszweck von Urenco ist es Gaszentrifugen im großen industriellen Maßstab für die wirtschaftliche Urananreicherung anzuwenden.
Dies als staatlich gewolltes Unterfangen von drei Nationen, mit je einem Drittel Unternehmensanteil: Niederlande, Großbritannien und die BRD. 1)

Gegründet 1970 durch den Vertrag von Almelo in den Niederlanden, nimmt die Firma 1971 ihre Geschäftstätigkeit auf. Sie wird Erfolg haben.
Und wiewohl vollmundige Erklärungen zur Wahrung der Geheimhaltung im Vertrag formuliert werden, wird sie sich als nicht wirksam erweisen.
Urenco hat Kontraktoren, diese Subkontraktoren, und alle arbeiten eng zusammen.
(Das ist der Beziehung von Groth zur Firma Anschütz in den 40ern des Dritten Reichs durchaus ähnlich.)
Es bildet sich auch ein internationales Netzwerk, was durchaus nicht ungewöhnlich ist.
A.Q. Khan geboren 1936, Pakistani indischer Herkunft, beginnt 1961 wissenschaftliche Studien in Europa (BRD und Niederlande) auf, und macht sich einen Namen als Experte der Metallurgie. 3)
(Das ist zu dieser Zeit gewiss eine der Grundkompetenzen für den Bau von sehr schnellen Zentrifugen)
1972 wird er Angestellter einer Partnerfirma von Urenco.

1) http://fissilematerials.org/library/urenco70.pdf (auf Deutsch ab PDF-Seite 10)

2) https://www.iaea.org/about/history/atoms-for-peace-speech

3) https://www.nirs.org/wp-content/uploads/les/khanreportfinal29404.pdf
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben