Katholisch oder Protestantisch???

_SI_1

Neues Mitglied
Hey ich stell euch jetzt eine Frage die mich schon sehr lange interessiert und zwar: Ob es simmt das Frauen die der Hexerei angeklagten wurden bei der evangelischen Kirche "fairer"(mit ganz vielen Anführungszeichen) Prozesse bekommen haben.
 
Hexenprozesse wurden nur in wenigen Fällen von der evangelischen bzw. katholischen Kirche betrieben. Die Prozesse fanden zumeist vor weltlichen Gerichten statt und auch die Ankläger rekrutierten sich häufig aus der nichtgeistlichen Bevölkerung.
Die "Fairness" der Prozesse hing nicht von der Konfession der Gemeinden ab in der sie geführt wurden.
 
die ersten modernen Gerichtsverfahren

Hoi zäme

Die „Hexenprozesse“ waren weltliche Verfahren, die Kirche spielte oft keine eine Nebenrolle. Man kann sogar sagen, die „Hexenprozesse“ waren die ersten modernen Gerichtsverfahren; Anklage, Verteidigung, Protokoll, Richtergremium und so weiter.

Gruss Pelzer

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Man kann sogar sagen, die „Hexenprozesse“ waren die ersten modernen Gerichtsverfahren; Anklage, Verteidigung, Protokoll, Richtergremium und so weiter.

Da vertust du dich mit den Inquisitionsverfahren, worunter die Hexenprozesse häufig fälschlicherweise subsumiert werden.
 
Meiner Meinung nach gibt es wohl auch keinen mehr oder minder fairen Prozess, in dem die Tortur als Beweisbeschaffungsmaßnahme angewendet wird. Da fällt die Konfession ohnehin hinten über.
 
Meiner Meinung nach gibt es wohl auch keinen mehr oder minder fairen Prozess, in dem die Tortur als Beweisbeschaffungsmaßnahme angewendet wird.

Da liegst du absolut richtig. Allerdings glaube ich mich erinnern zu können, dass in "Überwachen und Strafen" von Foucault das mittelalterliche bzw. frühneuzeitliche - von unserem sehr verschiedene Verständnis von Schuld und Unschuld - ganz gut beschrieben wurde. Kurz gesagt, wenn du denunziert oder verdächtigt wurdest warst du schon ein ganz kleines Bischen schuldig, was wiederum einen ersten juristischen Schritt, wie z. B. ein Verhör, rechtfertigte. Machte sich der Angeklagte hier noch verdächtiger rechtfertigte dies weitere Schritte etc. Das Ganze führte bis zu verschiedenen Stufen der Folter, die aber nur in - auf die Gesamtzahl der Prozesse betrachtet - geringem Ausmaß und dann auch zumeist sehr kontrolliert eingesetzt wurde. Der relativ geringe Anteil an Folter wie wir sie uns zumeist vorstellen erklärt sich aber aus der zumeist langen und unmenschlichen Haft während der Prozessdauer, die etliche Angeklagte "weichkochte".
Dieses - uns nicht mehr vertraute - Verständnis von der "ansteigenden" Schuld führte natürlich zwangsläufig in die Richtung physischer oder psychischer Gewaltanwendung. Prozesse für Vergehen wie Diebstahl, Raub, Ehebruch, Gotteslästerung etc. gingen meist schneller und endeten mit Urteilen wie "Hand ab", "Kopf ab", "Bart ab". ;)
 
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Das Ganze führte bis zu verschiedenen Stufen der Folter, die aber nur in - auf die Gesamtzahl der Prozesse betrachtet - geringem Ausmaß und dann auch zumeist sehr kontrolliert eingesetzt wurde. Der relativ geringe Anteil an Folter wie wir sie uns zumeist vorstellen erklärt sich aber aus der zumeist langen und unmenschlichen Haft während der Prozessdauer, die etliche Angeklagte "weichkochte".

Das Gerümpel in den Folterkammern z.B. alter Burgen hat mit der damaligen Wirklichkeit tatsächlich wenig zu tun.
Es genügte schon oft allein die Drohung mit der Folter oder das bloße Anlegen der Daumenschrauben, um den Angeklagten zusammenbrechen zu lassen. Irgendwann war man durch die von Dir schon beschriebene Zermürbung derart demoralisiert, dass man ohnehin keine Zukunft mehr sah und dann alles zugab und mitmachte was von einem verlangt wurde. Der eine oder die andere gab sich dann vielleicht tatsächlich auch selbst die Schuld.
 
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Der eine oder die andere gab sich dann vielleicht tatsächlich auch selbst die Schuld.

Es gab sogar Fälle in denen sich Personen freiwillig selbst anklagten ohne dass i irgendeiner Weise in diese Richtung Druck ausgeübt wurde. Im salzburger Raum kam es um 1680 zu massiven Hexenverfolgungen gegen Minderjährige (was eher eine Ausnahme ist). Von 140 Angeklagten waren etwa zwei Drittel unter 21 und das verbleibende Drittel hatte das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet. Von diesen Prozessen wurden viele aufgrund von Selbstanklagen geführt. Dabei waren die Richter auch hier nicht gerade zimperlich und sprachen auch gegen die Selbstankläger Todesurteile aus.

Das Beispiel zeigt, wie an anderer Stelle schon richtig angemerkt wurde, dass es keinen wirklichen Standard bei den Prozessen gab. Dementsprechend sind vergleichende Fragestellungen zumeist nur an Einzelbeispielen sinnvoll. Eine brauchbare Fragestellung die Hexenprozesse und Konfessionen zusammenbringt ist deshalb - zumindest nach meiner Meinung - eher schwer zu finden.
 
Ein bißchen mehr Dynamik kam in das Verfahren, als die Hexenprozeßordnung der römischen Inquisition in der zweiten Hälfte des 17. Jh. die Runde machte. Vor der Inquisition wurde man tatsächlich besser behandelt. Allerdings hatte die Inquisition im Alten Reich nicht mehr viel zu melden. Südlich der Alpen wurde um 1620 ein Gesetz erlassen, daß verlangte, zauberische Personen, die anderen Schaden zugefügt hatten, direkt an die weltliche Justiz auszuliefern (die dann wenig zimperlich war). Deshalb wurde ein Verfahren entwickelt, möglichst wasserdicht zu beweisen, ob ein Schadenszauber vorlag oder nicht.
Mehr dazu bei Rainer Decker "Die Päpste und die Hexen" und in einigen anderen seiner Aufsätze, die ich aber erst raussuchen müßte.
Wenn du dich hier: HEXENWAHN - Ängste der Neuzeit
mal durch die Aufsätze wühlen willst, dort wurde ein konfessioneller Zusammenhang insofern erwähnt, als es in protestantischen gebieten zu mehr Anklagen von Frauen kam, weil man sich den Hexensabbat als ein Geschehen ausschließlich von Frauen mit dem Teufel vorstellte, getreu der korrekten Überstzung Luthers von Ex 22,17: Die Hexe sollst du nicht leben lassen. In der Vulgata heißt es "Maleficos" also sind männliche Zauberer gemeint.
Inwieweit das wirklich nachweisbar ist, daß es einen Zusammenhang mit dieser Übersetzung gibt, weiß ich nicht.

Gruß
Kassia
 
Es gab sogar Fälle in denen sich Personen freiwillig selbst anklagten ohne dass i irgendeiner Weise in diese Richtung Druck ausgeübt wurde. Im salzburger Raum kam es um 1680 zu massiven Hexenverfolgungen gegen Minderjährige (was eher eine Ausnahme ist). Von 140 Angeklagten waren etwa zwei Drittel unter 21 und das verbleibende Drittel hatte das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet. Von diesen Prozessen wurden viele aufgrund von Selbstanklagen geführt. Dabei waren die Richter auch hier nicht gerade zimperlich und sprachen auch gegen die Selbstankläger Todesurteile aus.

Das Beispiel zeigt, wie an anderer Stelle schon richtig angemerkt wurde, dass es keinen wirklichen Standard bei den Prozessen gab. Dementsprechend sind vergleichende Fragestellungen zumeist nur an Einzelbeispielen sinnvoll. Eine brauchbare Fragestellung die Hexenprozesse und Konfessionen zusammenbringt ist deshalb - zumindest nach meiner Meinung - eher schwer zu finden.

Das waren die sogenannten "Zauber-Jakl-Prozesse oder Zauberbubenprozesse. Charakteristisch dabei war, dass die Mehrzahl der Beschuldigten männlich und minderjährig waren. Es spricht einiges dafür, dass der Bischof von Salzburg die Hexereivorwürfe instrumentalisiert hat, um gezielt gegen jugendliche Bettler- und Vaganten vorgehen zu können. Die Prozesse wurden mit großer Rücksichtslosigkeit und Brutalität geführt.

Zauberbubenprozesse in Salzburg – Wikipedia
 
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