Gedichte zur Geschichte

Wer richtig gut ist, kriegt Sonette hin. Nimm es nicht persönlich @Sasaki, immerhin bewundere ich deinen Mut, das Opus online zu stellen. :friends:

Das ist lieb =)
Nunja du hast schon recht, aber immerhin hab ich das mit 13 ganz ordentlich hingekriegt, mitlerweile siehts tatsächlich besser aus. Außerdem will ich keinesfalls Poet werden, ich verbinde nur gerne Geschichte mit Gedichten.

Da ich aber sotoll motiviert werde kommt gleich die Nr. 2
Vor einem Jahr entstanden:

Xerxes


Wenn die Nacht hereingebrochen,
Die Sterne stehn am Firnament,
Ein guter Mann wurd grad erstochen,
Auf dass man seiner lang gedenkt.


Seine Seele niemals ruhen,
Spukt als Geiste nun umher.
Ängstigt Leute, lautes buhen,
Wenn da nur der Mörder wär.


Ja wie dürstet er nach Rache,
Suchet auf der ganzen Welt,
Überall er tuet Wache,
bis des fremdens Leben fällt.


Doch die Jahre sie verstreichen,
Und Geist hat schon vergeben,
Doch ein Fluch lässt ihn nicht weichen,
Ach, wie hasst er dieses Leben.


Des Todes leid, ist dieser Mann,
Einst Herrscher dieser großen Welt,
Nutzen er es nicht mehr kann,
übrig nichts von seinem Geld.


Hät er sich nur nicht entschieden,
Zur Rache weilen auf der Welt,
So gern er diesen Weg gemieden,
Der ihm nun nicht mehr gefällt.



Kein sotoller Geschichtsbezug, die Idee ist mir gekommen als Ich Herodot und die Epoche der Perserkriege gelesen hab.

So nun Quizfrage Nr. 2 und 3:

Wer hat laut Herodot Xerxes umgebracht
und wer war es nach heutiger (überwiegender) Ansicht? (bzw, Wieseöfer/Meyer)
 
Ich habe heute beim Lesen über Bismarcks Bündnispolitik ein weiteres Gedicht gefunden:

Franz Lehárs und Victor Léons Operette Die lustige Witwe (1905) spielt auf die politischen Entwicklungen seit 1879 an:
Die Ehe ist für mich privat,
ich rede nur als Diplomat,
wahrhaftig nur ein Standpunkt,
der längst überwunden.
Ein Zweibund sollte stets sie sein,
doch bald stellt sich ein Dreibund ein,
der zählt oft,
der zählt oft
blos nach schwachen Stunden!
Vom europäischen Gleichgewicht,
wenn Einer sich verehelicht,
von dem ist bald nichts mehr zu spüren.
Der Grund liegt meistens nur darin:
Es gibt Madam zu sehr sich hin
der Politik der off'nen Türen!
 
Ein Gedicht von Konstantinos Kavafis, das mir sehr gefallen hat:

Το 31 π. Χ. στην Αλεξάνδρεια

Ἀπ' τὴν μικρή του, στὰ περίχωρα πλησίον, κώμη,
καὶ σκονισμένος ἀπὸ τὸ ταξεῖδι ἀκόμη

ἔφτασεν ὁ πραγματευτής. Καὶ «Λίβανον!» καὶ «Κόμμι!»
«Ἄριστον Ἔλαιον!» «Ἄρωμα γιὰ τὴν κόμη!»

στοὺς δρόμους διαλαλεῖ. Ἀλλ' ἡ μεγάλη ὀχλοβοή,
κ' ἡ μουσικές, κ' ἡ παρελάσεις ποῦ ἀφίνουν ν' ἀκουσθεῖ.

Τὸ πλῆθος τὸν σκουντᾶ, τὸν σέρνει, τὸν βροντᾶ.
Κι ὅταν πιὰ τέλεια σαστιμένος, Τί εἶναι ἡ τρέλλα αὐτή; ρωτᾶ,

ἕνας τοῦ ρίχνει κι αὐτουνοῦ τὴν γιγαντιαία ψευτιὰ
τοῦ παλατιοῦ – ποὺ στὴν Ἑλλάδα ὁ Ἀντώνιος νικᾶ.


In Alexandria, 31 B.C.

From his village near the outskirts of town,
still dust-covered from the journey in,

the peddler arrives. And “Incense!” “Gum!”
“The best olive oil!” “Perfume for your hair!”

he hawks through the streets. But with all the hubbub,
the music, the parades, who can hear him?

The crowd shoves him, drags him along, knocks him around.
And when he asks, now totally confused, “What’s going on here?”

someone tosses him too the huge palace lie:
that Antony is winning in Greece.

(Übers. Edmund Keeley/Philip Sherrard)
 
Gedichte zur Geschichte können durchaus auch Bauchschmerzen machen. Das ist der Fall bei Holiday in the sun von Sex Pistols, die für sich - allerdings absolut nicht unumstritten - in Anspruch nehmen, die Urväter des Punk zu sein.
In Holiday in the sun bezeichnen die Sex Pistols die DDR als "new Belson". Bei allem Unrecht der DDR und ihrem Grenzregime muss man das doch als Verharmlosung des KZ-Systems betrachten:

A Cheap holiday in other peoples misery!

I don't wanna holiday in the sun
I wanna go to new Belsen

I wanna see some history
'Cause now I got a reasonable economy

Now I got a reason, now I got a reason
Now I got a reason and I'm still waiting
Now I got a reason
Now I got reason to be waiting
The Berlin Wall

Sensurround sound in a two inch wall
Well I was waiting for the communist call
I didn't ask for sunshine and I got World War three
I'm looking over the wall and they're looking at me


Now I got a reason, Now I got a reason
Now I got a reason and I'm still waiting
Now I got a reason,
Now I got a reason to be waiting
The Berlin Wall

Well they're staring all night and
They're staring all day
I had no reason to be here at all
But now I gotta reason it's no real reason
And I'm waiting at the Berlin Wall

Gotta go over the Berlin Wall
I don't understand it....
I gotta go over the wall
I don't understand this bit at all....


Claustrophobia there's too much paranoia
There's too many closets so when will we fall
And now I gotta reason,
It's no real reason to be waiting
The Berlin Wall

Gotta go over the Berlin Wall
I don't understand it....
I gotta go over the wall
I don't understand this bit at all...

Please don't be waiting for me
 
CICERO- Gedicht

Cicero

In Romes schwüler Hicero,
da lebte einst der Cicero,
der hatte Geistesblicero
und machte ständig Wicero.

Darauf wurde stibicero
ihm sein Senatessicero,
aus Rom musste er flicero
und aus war’s mit dem Wicero.

Dennoch:
Es las sogar den Cicero
noch gern der Alte Fricero!

nachzuhören (Sprecher: T. Rübenacker, SWR2) unter:
 
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LUTHERS THESEN- Gedicht

Luthers Thesen

Einst im weit entfernten Rom
ward gebaut der Petersdom,
der - mit Marmor und mit Gold -
künftig neu entstehen sollt‘.

Leo, Papst von Gottes Gnaden,
wandelte auf frommen Pfaden,
flehte im Kapitelsaal,
betete um Kapital.

Ohne Beichte, ließ er künden,
sei der Mensch befreit von Sünden
und von künft’gen Höllenqualen:
Nur ein Ablass sei zu zahlen.

Frisch befreit von Gottes Strafen
konnte mancher ruhiger schlafen,
Doch es war ein wenig teuer:
Buße ohne Fegefeuer.

Wozu braucht, in aller Welt,
der Hochwürden so viel Geld,
fragte einst ein Gottesdiener:
Martin Luther, Augustiner.

Jener lehrte früh bis spät
an der Universität,
konnte schreiben wie auch lesen:
Er schrieb fünfundneunzig Thesen,

welche er in großer Zahl
heftete aus Kirchportal.
Tat darin den Papst ermahnen
nicht so kräftig abzusahnen.

Seither war der Mönch bekannt,
und vom Pontifex gebannt.
Doch er war nicht aufzuhalten,
und die Kirche war gespalten.

Merke:
Wär‘ Papst Leo’s Seele reiner
und der Dom ein wenig kleiner,
wär‘ womöglich heut‘ zu lesen:
Außer Thesen nichts gewesen.

nachzuhören unter:
 
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Odysseus und der Zyklop (heiteres Gedicht)

Odysseus und der Zyklop

Mit viel Wehgeschrei und Bangen
ward die Kriegerschar gefangen
bei der Jagd auf Antilopen
von dem Einaugezyklopen,
unter Jauchzen und Gegröle
in des Polyphemus Höhle.

Der gelegentlich zum Spaß
einen Griechenkrieger aß,
da er Menschenfleisch begehrte
und mit Haut und Haar verzehrte.
Angefüllt mit süßem Wein,
schlief er später selig ein.

Als der Riese lag im Schlafe,
folgte gleich darauf die Strafe:
Odysseus nahm einen Spieß,
den er ihm ins Auge stieß.
Der Zyklop musste erblinden
und tat niemals Niemand finden.

Sie entkamen der Bedrängnis
Und verließen das Gefängnis,
denn sie konnten bald entfleuchen
festgezurrt an Tieresbäuchen,
auf dass kein Zyklop sie fühle
unter Schafes Wollgewühle.

Doch im Wachen, wie im Schlaf,
rochen sie seitdem nach Schaf.


Eselsbrücke für Zyklopen:
Willst Du nicht in Blindheit siechen,
so verzehr‘ nicht sinnfrei Griechen!

Zu hören (Sprecher: Thomas Rübenacker, SWR2) unter:
 
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@ Georg C. Peter:

Wer ist/sind denn der/die Verfasser der Gedichte?

Gruss, muheijo

Edit: Du bist es selbst, hab's grad gefunden. Na, dann warte ich mal auf ein Napoleon-Gedicht.
 
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Angeregt durch den Thread http://www.geschichtsforum.de/f328/geschichte-der-schreibmaschine-53365/ ein paar Zeilen von Tucholsky, ich vermute mal via Schreibmaschine niedergelegt - ahnsehnlichere Zeilengestaltung ging beim Kopieren via Smartphone leider verloren:

Hände an der Schreibmaschine


Meine Schrift kann niemand lesen,
nicht mal ich. Nur noch Chinesen
pinseln wichtig.
Ich will kein solch Pinseler bleiben.
Mit acht Fingern laßt mich schreiben!
Aber richtig!
Hebel rauscht, und Glöckchen klingt,
und die Schreibmaschine singt:

Firma Anton Eiermann
sel. Nachfolger
Würzburg an der Würze

Berlin NW 87, den heutigen


Sehr geehrter Herr!
Auf Ihr gefl. wenn auch ausverschämtes Schreiben vom 16. d. M. erlauben wir uns, Ihnen mitzuteilen, dass von einer unpünktlichen Zahlung unsrerseits überhaupt keine Rede sein kann.
Sie haben uns bisher erst 9mal (in vier Wochen) gemahnt, und kann das in Anbetracht der allgemeinen Geldknappheit nur als völlig
normal

Übung kommt so mit den Jahren.
Und ich schalte wie beim Fahren
dritten Gang ein.
Hoppla, Kurve! Achtung, Liebe!
Und ich schalte wie beim Fahren
jeden Klang ein.
Hebel rauscht, und Glöckchen zirpt,
und die Schreibmaschine wirbt:

Dir nur sagen, dass ich Dich so leidenschaftlich liebe, dass es schon allen meinen Bekannten auffällt, wie schlecht ich aussehe. Ich habe im letzten Monat 8 (acht) Pfund abgenommen, und das alles auf Dich herauf. Mein kleines Mäuseschwänzchen, wenn Du es irgend einrichten kannst, dann komm doch Sonnabend schon ein bißchen früher, aber zieh Dir nicht die Schlüpfer an, weil ich Dir etwas Wichtiges

Tausend Finger laufen eilig
amtlich, dienstlich, polizeilich
auf den Tasten.
Aufgebote für die Heirat,
das Gesuch beim Polizeirat,
Steuerlasten.
Hebel schnattern, Walze steht,
und die Schreibmaschine fleht:

An den Herrn
Regierungspräsidenten
Magdeburg

In Erneuerung meines Gesuchs vom 5. 4. 23 erlaube ich mir ergebenst auf beregte Angelegenheit zurückzukommen und um eine Namensänderung nochmals dringendst zu bitten. Die Tatsache, dass ich Schlotterhose heiße, hat mir bereits im geschäftlichen sowie auch im privaten Leben außerordentlich geschadet, und bitte ich, mir wenigstens durch einen Gnadenakt das
L

zu erlassen, wovon ich mir eine wesentliche
Besserung

Unser Leben, eingefangen,
ist durch dich hindurchgegangen,
Guillotine!
Unsere Freuden, unsere Sorgen,
gestern, heute, übermorgen –
o Maschine!
Hebel wirbeln, Wagen knackt,
und die Schreibmaschine tackt:

Sie dämliches Luder nur davor warnen, sich noch einmal im Geschäft so mausig zu machen. Wo doch Ihre Tochter Lottchen in der ganzen Straße bekannt ist als Rumtreibersche und auch Ihre Frau abends immer sehr spät und nicht immer allein nach Hause komt wenn Sie mal auf Geschäftstuhr sind Dass Ihr Sauberer Herr Sohn ein Verfahren wegen der kleinen Wechselsache bei seiner Firma auf dem Hals hat, wird er Ihnen wohl nicht gesagt haben aber ich sage es Ihnen Sie Ochsenpantoffel!

Ein Freund des Hauses!


Alles weißt du, Maschine, immer stehst du startbereit!
In dir ist unser Beruf, unser Leben und unsre ganze Zeit.
Sogar auf Reisen kommst du mit, praktisch und gut verpackt,
bis eines Tages zum letzten Male dein Hebel knackt.

Millionen Konzerte steigen täglich auf aus Stahl und Papier.
Was wären wir ohne dich, du Geschäftsklavier –!


Theobald Tiger
Uhu, 01.05.1928, Nr. 8, S. 40,
wieder in: Lerne Lachen.
 
Das folgende Gedicht kam gestern in einem Beitrag im Radio über den Mythos Trümmerfrauen von Thomas Klug, das Gedicht aus dem Jahr 1981 stammt von dem Ostberliner Kabarettisten Peter Ensikat:

Ich steh vorm Roten Rathaus rum
als Denkmal,
also ziemlich stumm.
Erkennnunsgszeichen: Schippe, Kluft,
dann dieser dämliche Blick in die Luft,
als sehe ich da die Zukunft schon liegen,
nach tausend Jahren Pyrrhussiegen,
wir lassen uns nicht unterkriegen.

Wir waren doch unten, tief unten im Dreck.
Nicht nur die Männer, auch der Glaube war weg.
Jetzt waren wir plötzlich gleichberechtigt,
zu jeder drecksarbeit ermächtigt.

Wir haben den Krieg nicht geführt, nur verloren,
irgendwie sind wir zur falschen Zeit geboren.
Wir waren jung, unser einziges Glück,
das war unser Pech,
denn das kommt nie zurück.

Ich bin so froh , dass es der Jugend heut besser geht.
Für uns kam - kommt - so vieles zu spät.
Oder zu früh.

Alleinstehend waren wir ganz ohne Scheidung
und trugen schon damals Omaskleidung.
Wir waren so jung und schon so verdorben,
mit den Menschen waren auch ihre Werte verstorben.

Wir krochen zur Arbeit, um nicht zu krepieren,
aber das Leben war eigentlich nur vegetieren.
Von Mut und Zuversicht schrieben die Dichter.
Wer den Karren aus dem Dreck zieht,
der sieht so was schlichter.

Mut war Verzweiflung, Zuversicht Not.
Unsere einzigen Ideale waren Frieden und Brot

Und wenn wir mal lachten,
dann meist über Zoten
Es war zum schreien,
wie schnell damen verrohten.

Denn da standen auch Damen im Staub und im Schmutz
und wurden zu Weibern ohne männlichen Schutz
und haben - was ihnen kein Kerl zugetraut -
sie sich selbst auch nicht -
die Basis von dem, was heut ist
aufgebaut.

Auf Bildern von damals wurde sehr viel gelacht.
Ja sicher haben sich die Künstler dabei was gedacht.
Das muss ja wohl unsere Siege größer machen,
wenn wir beim Kämpfen unentwegt lachen.

Warum wird eigentlich bei uns Kampf immer schön dargestellt?
Als gäbe es nichts schöneres auf der Welt.
Unser einziges Sehnen war die Sucht nach Genuss.
Was ist denn schlecht an Luxus und Überfluss?

Noch haben wir ein Denkmal, daas steht morgen noch da.
Aber wir? Na ja, noch leben wir ja.


Das Gedicht bezieht sich auf die Skulptur Aufbauhelferin von Fritz Cremer (Vizepräsident der Akademie der Künste der DDR):
Cremer_Aufbauhelferin.jpg



Das Gedicht unterschlägt allerdings, dass es sich um eine Figurengruppe handelt:

Cremer_Aufbauhelfer.jpg
 
Ich hatte mir vorgestellt dieses Gedicht von Erich Kästner wäre auf den Ausgang des Zweiten Weltkriegs gemünzt.
Es wurde 1930 veröffentlicht.

"
Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,
mit Wogenprall und Sturmgebraus,
dann wäre Deutschland nicht zu retten
und gliche einem Irrenhaus.

Man würde uns nach Noten zähmen
wie einen wilden Völkerstamm.
Wir sprängen, wenn Sergeanten kämen,
vom Trottoir und stünden stramm.

Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,
dann wären wir ein stolzer Staat.
Und pressten noch in unsern Betten
die Hände an die Hosennaht.

Die Frauen müssten Kinder werfen,
Ein Kind im Jahre. Oder Haft.
Der Staat braucht Kinder als Konserven.
Und Blut schmeckt ihm wie Himbeersaft.

Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,
dann wär der Himmel national.
Die Pfarrer trügen Epauletten
Und Gott wär deutscher General.

Die Grenze wär ein Schützengraben.
Der Mond wär ein Gefreitenknopf.
Wir würden einen Kaiser haben
und einen Helm statt einem Kopf.

Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,
dann wäre jedermann Soldat.
Ein Volk der Laffen und Lafetten!
Und ringsherum wär Stacheldraht!

Dann würde auf Befehl geboren.
Weil Menschen ziemlich billig sind.
Und weil man mit Kanonenrohren
allein die Kriege nicht gewinnt.

Dann läge die Vernunft in Ketten.
Und stünde stündlich vor Gericht.
Und Kriege gäb's wie Operetten.
Wenn wir den Krieg gewonnen hätten -
zum Glück gewannen wir ihn nicht!

"
 
Brief an den Weihnachtsmann (1930)
von Erich Kästner

Lieber, guter Weihnachtsmann,
weißt du nicht, wie’s um uns steht?
Schau dir mal den Globus an.
Da hat einer dran gedreht.

In den Straßen knallen Schüsse.
Irgendwer hat uns verhext.
Laß den Christbaum und die Nüsse
Diesmal, wo der Pfeffer wächst.

Uns ist gar nicht wohl zumute.
Kommen sollst du, aber bloß
Mit dem Stock und mit der Rute.
(Und nimm beide ziemlich groß.)

Breite deine goldnen Flügel
Aus, und komm zu uns herab.
Dann verteile deine Prügel.
Aber, bitte, nicht zu knapp.

Lege die Industriellen
Kurz entschlossen übers Knie.
Und wenn sie sich harmlos stellen,
glaube mir, so lügen sie.

Ziehe denen, die regieren,
bitteschön, die Hosen stramm.
Wenn sie heulen und sich zieren,
zeige ihnen ihr Programm.

Und nach München lenk die Schritte,
wo der Hitler wohnen soll.
Hau dem Guten, bitte, bitte,
den Germanenhintern voll!

Komm und zeige dich erbötig,
und verhau sie, daß es raucht!
Denn sie habens bitter nötig.
Und sie hätten‘s längst gebraucht.

Komm, erlös uns von der Plage,
weil ein Mensch das gar nicht kann.
Ach, das wären Feiertage,
lieber, guter Weihnachtsmann!
 
Passend zum Thema "Römertürme" :

An einem Römerturme

Stehst du noch, du alter Stromeswächter,
Röm’scher Zwingherr in dem deutschen Land?
Stürze hin! Längst schwieg das Hohngelächter
Der Prätoren an dem Donaustrand.
Stürze hin! Der deutsche Freiheitsfechter
Warf die deine Adler in den Sand.
Freie Flur blüht rings um deine Mauern,
Stürze hin, was hast du noch zu dauern?

Doch du stehst – ein Zeug‘ aus frühern Tagen
Meldest du der Vorzeit Leid und Lust,
Tiefer Weisheit alter Runensagen
Bist du dir aus grauer Zeit bewusst,
Und der Sonne Morgenstrahlen schlagen
Altgewohnt dir an die Marmorbrust,
Sie entlocken dir geheime Töne,
Keine Freudenlaute, nur Gestöhne.

Klagst du, dass vor Rom kein Volk mehr zittert?
Dass der einst bezwungene Barbar
Heil’gen Zorns, dem fremden Joch erbittert,
Seiner freien Größe Gründer war?
Dass dein Zwingbau langsam hier verwittert
Unbesucht und aller Ehren bar?
Herr allein ist, das Verhängnis Allen –
Roma stand, und Roma ist gefallen.

Max Beilhack (1835-1885)
 
Aus Louise Aston: Wilde Rosen. Zwölf Gedichte, Berlin: Verlag von W. Moeser und Kühn, 1846.

6. Dithyrambe

[19] Glücklich, wem der Gott der Reben
Seine süßen Gaben beut,
Hüllend um das ganze Leben
Selige Vergessenheit!
Alle finstern Geister weichen,
Aller Fesseln sind wir los,
Herrscher in des Traumes Reichen,
Fühlt der Geist sich frei und groß.
[19]
Fort, mit deinen bleichen Zügen,
Träumende Erinnerung!
Deinen Zauber zu betrügen,
Fühl' ich mächtig mich und jung!
Heiliger Entzückung Gluten
Fach' ich in der Seele an;
Möchte frei das All' umfluten,
Wie der alte Ocean!

Stürmt empor, ihr Jugendgeister!
Tanzt um mich in frohen Reih'n!
Immer frischer, immer dreister,
Stürzt in's Leben euch hinein!
Fluch den fremden, starren Mächten,
Die der Menschen Sinn bethört;
Die uns martern, die uns knechten,
Die mein ganzes Sein zerstört!
[20]
Mächt'ger Gott der süßen Reben,
Spende mir Vergessenheit!
Schenke mir ein neues Leben,
Voll Genuß und Seligkeit!
Schlagt die Gläser all' in Scherben:
So vergeh' die alte Welt!
So mag sterben und verderben,
Was das Herz in Fesseln hält!
[21]

Es gab nicht nur englische Suffragetten, sondern auch deutsche Frauen*, die sich für das Selbstbestimmungsrecht einsetzten und das auch vorlebten. Eine davon war Louise Aston, die – o welche Schande! – allein spazieren ging, d.h. ohne männliche Begleitung (heute noch in bestimmten moslemischen Gesellschaften ein no go), was in jener Zeit (1846) Konsequenzen hatte – selbst im weltoffenen Berlin.

Sie wurde aus Berlin ausgewiesen, weil Zitat aus Louise Aston von Franziska Mathilde Anneke : „‚anonyme‘ Briefe an das Präsidium, ja selbst an den König, über sie eingegangen wären. Sie sei darin beschuldigt worden, die frivolsten Herrengesellschaften besucht, einen Klub emancipirter Frauen gestiftet zu haben und außerdem nicht an Gott zu glauben. – Auch spräche die Widmung zweier Liebesdythiramben von Gottschall: „Madonna und Magdalena“, in denen ähnliche Tendenzen gefeiert würden, deren Verwerflichkeit der Recensent in den Blättern für literarische Unterhaltung aufs Bündigste nachgewiesen hatte“

* Franziska Mathilde Anneke, die Autorin des obigen Essays, aus dem ich zitierte, war auch eine emanzipierte Frau, die bei der Revolution 1848 mitmachte und anschließend fliehen musste. Sie ging, wie viele 1848-Revolutionäre, nach Amerika, wo sie sich u.a. gegen Sklaverei einsetzte.
 
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