Afrikanische Beteiligung am transatlantischen Sklavenhandel

Wir hatten eine ähnliche Diskussion schon mal. Es ging um die mittelalterliche Kriegsführung; ich behauptete, der Begriff des Kriegsverbrechens sei in dem Zusammenhang deplatziert. Es gab kein Unrechtsbewusstsein im Wortsinn. Das Erlittene hinderte niemanden daran, loszuziehen und anderen Leid zuzufügen.

Hielten Philosophen, Kleriker, frühe Humanisten dagegen? Sicher. Aber ihre Meinung war nicht verbreitet, sonst hätte sie einen Wandel ausgelöst, wie er im Zuge der Aufklärung dann auch tatsächlich eintrat.

Ohne unveräußerliche Menschenrechte ist der Gedanke, dass niemand unschuldig dazu verurteilt sein sollte, ein absichtlich zugefügtes Leid erdulden zu müssen, kaum denkbar.

Hier möchte ich dagegen halten:

Das Leid hat immer zwei Komponenten. Eine passive Seite, die es zu erleiden hat und eine aktive Seite, die es zufügt.

Die allgemeinen Menschenrechte, als Abwehrrechte beziehen sich dabei vor allem auf die Seite des potentiellen Opfers und postulieren, dass einer Person niemals dieses oder jenes angetan werden darf.

Das ist aber nur die eine Seite um Leid zu verhindern.

Die andere wäre der Apell, bzw. die Vorschrift an potentielle Täter, zu unterlassen, was solches Leid verursachen könnte.
Und in diesem Punkt, gibt es jedenfalls bei Anhängern der monotheistischen Buchreligionen ganz eindeutige Vorschriften.
Das auch und noch viel mehr im Hinblick auf "Kriegsverbrechen", die sich ja oft auch zwischen Angehörigen der gleichen Religionen ereigneten und sich somit nichtmal durch einen unterschiedlichen Rechtsstatus zwischen Angehörigen und Nichtangehörigen dieser Religion rechtfertigen ließen.

Wohlgemerkt: Nein, das ist kein tu quoque, kein Whataboutism. Ich versuchte – vielleicht auf unzulängliche Weise, aber doch immerhin –, jedes Werten an sich aus der Gleichung zu streichen. Denn ich sehe keinen Sinn darin, das Handeln historischer Personen an Maßstäben zu messen, die sie nicht kennen konnten.

Naja, konnten sie die nicht kennen? Wie ausgeführt worden war, diese Formen von Sklaverei, die die Europäer bei der Versklavung von Afrikanern und in den Kolonien betrieben, hat zu diesem Zeitpunkt in Europa nicht mehr existiert.
Jetzt wäre zu hinterfragen, warum hat sie dort nicht mehr existiert? Warum hätte man sie dort abschaffen sollen, wenn sie nicht als moralisch anrüchig gegolten hätte? Und warum machte man sich die Mühe nach Westafrika zu schippern um dort afrikanische Sklaven aufzukaufen, anstatt, polemisch ausgedrückt, einfach auf der Messe in Antwerpen die Gefangenen der letzten Kriegssaison in Flandern als Sklaven zu verhandeln?

Es gab Eindeutige, in der Religion festgelegte Regeln, was ein Christ nicht tun durfte und es gab in den verschiedenen Gesetzeswerken und Rechtstraditionen auch gewisse Regeln, was einem Christenmenschen nicht angetan werden durfte.
Nur deshalb war es ja überhaupt notwendig, die Sklaverei auf afrikanische "Importe" zu stützen.

Jetzt könnte man argumentieren, dass die eigene Religion mit den ganzen "du sollst nicht......" und ihrem inhäernten Wertekorsett, dem Sklavenhändler seine Betätigung an und für sich hätte verbieten müssen.

Und was die Legitimität dessen angeht, was die Versklavung von Individuen aus Afrika angeht, wäre das mindestens ein zweischneidiges Schwert.
Das sind zwar in aller Regel keine Christen gewesen, die was religiöse Aspekte angeht unter die entsprechenden Regeln gefallen wären, dass sind aber auch keine Menschen gewesen, die das Christentum abgelehnt hätten und sich somit bewusst, außerhalb des Kreises der Inhaber entsprechender Abwehrrechte gestellt hätten.

Dann wären wir bei der Frage, ob man im christlich-moralischen Zeitverständnis, irgendwelche Bewohner Afrikas, die zunächstmal deswegen keine Christen sind und sein können, weil ihnen bis dato vom Christentum noch nie jemand etwas erzählt hatte, mit Muslimen an der europäischen Periherie oder Juden in den europäischen Gesellschaften gleichsetzen kann, die sich einfach dagegen entschieden haben.

Entsprechend wäre auch von diesem Standpunkt aus, zeitgenössisch die Frage zu stellen gewesen, ob man diese Leute in Afrika einfach als eine Art "ungläubige Teufel", behandeln dürfte, oder ob man da nicht eigentlich ein fundamentales Unrecht beginge, in dem man Menschen, die man vielleicht für das Christentum gewinnen könnte durch die Zuführung zur Sklaverei von der christlichen Lehre entfremdete?

Die moralische Frage hätte man sich da schon stellen müssen und die halte ich nicht für so oberflächlich, als dass man sie vor einem christlichen Moralkorsett, so man dieses als Maßstab und ernst nimmt, einfach wegwischen könnte.

Ich bin schon der Meinung, dass aus verschiedenen Gründen und Erwägungen heraus, mindestens diese Moralansprüche gesehen werden konnten.
 
Die Teilnahme mancher Afrikaner am Sklavenhandel mit der "Neuen Welt" ändert nichts an den Machtstrukturen innerhalb dieses verwerflichen Systems, das vor allem von der wirtschaftlichen Elite der Kolonialmächte, besonders aber beider Amerikas, gelenkt und gefördert wurde.

Mir stellt sich dabei die Frage, ob man Sklavenhandel als Modell in diesem Sinne nicht eigentlich auch aufteilen müsste.
Inwiefern beteiligten sich die Afrikaner am Sklavenhandel mit der "Neuen Welt"? Sie taten ja nichts, was über die Grenzen der Küsten Afrikas hinausging, dass wiederrum war ja eine rein europäische Angelegenheit, sondern sie verhandelten Sklaven an die europäischen Stützpunkte in Westafrika.

Damit taten sie zunächst einmal etwas, was in ihrer eigenen Kultur etwas durchaus nicht ungewöhnliches, nur dass sie Sklaven eben in ein System hinein verhandelten, was sich von ihren eigenen Traditionen ganz massiv unterschied.
Hier wäre aber, wenn man eine systematische Beteiligung der Afrikaner an den europäischen und kolonialen Strukturen sehen will, meine ich jedenfalls, zu hinterfragen, inwiefern dies den afrikanischen Akteuren überhaupt klar war?


Ich denke, dass man den historischen Tatsachen am nächsten kommt, wenn man es so sieht, dass der transatlantische Sklavenhandel an und für sich eine rein von Europäern und europäischen Kolonisten und überwiegend zum Profit von Europäern und europäischen Kolonisten betriebenes, ziemlich amoralisches Geschäftsmodell war, das aber ohne die Kooperation der afrikanischen Gesellschaften, als Zulieferer zu den afrikanischen Küsten selbst nicht möglich gewesen wäre.

Ich sehe ein Grundproblem des öffentlichen Diskurses, was das betrifft, vor allen Dingen in einer Vereinfachung der Darstellung der Verhältnisse, nämlich derjenigen, dass alles, was mit dem transatlantischen Sklavenhandel vom Akt der Versklavung selbst ausgehend bis zur Freilassung oder dem Tod des Sklaven oder der Sklavin als monolithischen, von den Europäern allein gesteuertes, von Grund auf rassistisches System betrachtet und deswegen heute von einem Antirassismus-Diskurs überformt wird, der an sich richtig, dem Thema in dieser Form aber unangemessen ist.

Ich halte es, wenn wir explizit auf die Rolle der Afrikaner selbst eingehen deutlich gesagt für falsch, sie zu Collaborateuren der europäischen Sklavenhändlern zu reduzieren.
Auch hale ich da etwa Vergleiche mit den Collaborateuren NS-Deutschlands in Sachen Holocaust für vollkommen unangemessen.
Schon alleine, weil die Nazis oder ihnen treue Regimes die entsprechenden Länder kontrollierten und auf diesem Weg auf die gesellschaften oder Individuen Druck ausüben und bis zu einem gewissen Grad Collaboration auch mit Gewaltmitteln erzwingen und durchsetzen konnten.

Von derlei Modellen, kann aber im Bezug auf das Innere Afrikas und den transatlantischen Sklavenhandel keine Rede sein, da gab es keine Möglichkeiten für die Europäer Komplizität zu erzwingen.
Ich würde meinen, dass in dieser Hinsicht die afrikanische Seite bei der "Beschaffung" von Sklaven aus dem Inneren Afrikas sehr autonom agierte und da ihre eigenen Geschäftsmodelle betrieben, die sich mit den europäischen, ergänzten, aber keineswegs ein und das selbe Modell darstellten.
Und mindestens bis zu den westafrikanischen Häfen hin, war die Angelegenheit auch nicht rassistisch, jedenfalls nicht in der Hinischt dass von "weißer" Seite her, gegen das "schwarze" Pendant dezidiert rassistische Gewalt ausgeübt worden wäre.
Das passierte dann unzweifelhaft, nachdem von europäischer oder amerikanisch-kolonialer Seite her, die Sklaven übernommen und über den Atlantik verschifft wurden und mit steigender Tendenz, je mehr sozialdarwinistische Auffassungen gegenüber religiösen Auffassungen an Boden gewannen.

Das sollte man, wie gesagt, meine ich, als zwie getrennte, einander bedingende Modelle ansehen, aber nicht als großes Ganzes.
Das Problem mit der Wahrnehmung als ganzes ist, dass es eben zu bestimmten Vereinfachungen führt und zu einer polarisierung des öffentlichen Diskurses in

"Die Weißen haben Jahrhundertelagen die Schwarzen unterdrückt und verskalvt, bzw. als Sklaven gehalten"

und in

"Die Afrikaner sind doch selbst Unmenschen, die sich gegenseitig versklavt haben, was ist so schlimm daran, wenn die Europäer sich daran beteiligten? Sonst hätten sie sich eben gegenseitig oder die Araber die Sklaven abgekauft"

resultiert, um es ein bisschen polemisch auszudrücken.

Das erste ist ein Antirassismus-Diskurs, der insofern fehlgeht, dass mindestens dir von Afrikanern untereinandergenommene Versklavung und die Zeit bis zur Verhandlung der Sklaven selbst an die europäischen Stützpunkte, kaum als unterdrückerischer Akt "Weißer" oder Europäer gegen "Schwarze" aufgefasst werden kann, was dem an und für sich richtigen und honorigen Diskurs, ein Bisschen die Basis nimmt, weil er hier überzogen wird und es eben keineswegs so war, wie es für dieses Postulat hätte sein müssen, nämlich dass die Europäer eigene Sklavenfangexpeditionen ins innere Afrikas geschickt hätten oder sie Zwingmittel gegen die afrikanischen Bevölkerungen in der Hand gehabt hätten, um die Beschaffung von Sklaven qua Befehlsgewalt zu erwirken.

Über den Gehalt und die Falschheit des anderen Narrativs, da herrscht, denke ich ein gewisser Konsens.

Das Faktum der innerafrikanischen Sklaverei, relativiert in keiner Weise, was die Europäer und die Kolonisten auf diesem Gebiet so verbrochen haben und es darf auch nicht zu dieser Relativierung benutzt werden.


Meiner Erfahrung nach sehen Menschen, denen ein Unrecht getan wurde, nur das Resultat. Es gibt für sie keine besseren oder schlechteren Gründe, wenn alle dieselbe Tat ermöglichen.

Da habe ich andere Erfahrungen. Und ich denke, dass das ganz massiv auch mit dem Zeitpunkt der Beurteilung abhängt, und der Frage, ob ein Unrecht, das geschehen war, noch akkut ist und die Folgen spührbar sind oder aber, ob es in der Vergangenheit liegt, die Situation abgeschlossen ist und derjenige, dem unrecht getan wurde, Muße und Zeit hatte und je nach Charakter auch das Bedürfniss, das Vergangene zu reflektieren und gegebenenfalls neu zu bewerten.

Wenn die Situation noch akkut ist, kein Zweifel, dann interessieren den Betroffenen die Beweggründe nicht, sondern was ihn dann interessiert, ist dass der als drückend empfundene Zustand aufhört.
Wenn dieser Zustand durchlebt und abgeschlossen ist, sieht das möglicherweise anders aus.
 
Dieser aus den englischsprachigen Raum zu uns herüberschwappende Trend geht mir auf den Keks.

Selbst Horatio Nelson sollte nach Meinung mancher Aktivisten schon vom Trafalgar-Square weichen, weil er ein Sexist gewesen sei. Wer auf dergleichen drängt, hält seine Mitmenschen für dümmer, als sie sind.

Ich denke ob man persönlich davon genervt ist oder nicht, sollte hierbei keine Rolle spielen. Es ist ein aktueller Diskurs, der die Öffentlichkeit offensichtlich im Moment beschäftigt und als solchen wird man ihn hinnehmen müssen.
Ich weiß auch nicht, ob das zwangsläufig damit zu tun hat irgendwen für dumm halten zu wollen.

Ich denke eher, dass man hier bis zu einem gewissen Grad einen Dissens darüber haben wird, wie wir Denkmäler verstehen und ob man daran und an der Art Denkmäler zu gestalten nicht etwas ändern müsse und ob und in welchem Grad beegangenes Unrecht einer solchen öffentlichen Ehrenbezeigung hinderlich sein müssten.

So lange man Denkmäler, quasi als eine Form von Ersatzheiligen versteht (das scheinen einige Leute so zu sehen), die moralisch überall vorbildlich sein müssten, da, seien wir ehrlich, müssten wir im Grunde genommen jedes Denkmal umwerfen.
Solche Persönlichkeiten gibt es schlicht nicht.

Wenn wir das nicht mehr voraussetzen, ist eben die Frage wie weit man dabei gehen will, den geehrten Personen das eine oder andere Unrecht einzuräumen.
Und dieser Diskurs muss da denke ich ausgetragen werden.

Momentan erleben wir da zwei Extrempositionen, bei denen die eine Seite auf dem Standpunkt steht, dass man das überhaupt nicht zu hinterfragen habe und Denkmäler, egal was die geehrte Person da noch verbrochen habe, wenn es nicht gerade eine Holocaus-Beteiligung war, stehen zu bleiben habe.
Auf der anderen Seite dann eine Extremposition, die in die andere Richtung weitergeht und sich nicht auf die Bewertung des tatsächlichen Wirkens, der Persönlichkeeit beschränken, sondern darüber hinaus auch auf heute vielleicht nicht mehr schicke Geisteshaltung als mögliche Demontagegründe ins Kalkül ziehen.

Insofern finde ich das ehrlich gesagt etwas verfehlt, sich ablehnend gegen die eine Extremposition zu stellen und die andere unerwähnt zu lassen, denn auch Denkmäler für Leute die bereits zur Zeitpunkt der Errichtung des Denkmals nicht mehr als moralisch besonders integer bzw. verbrecherisch gelten mussten (nehmen wir hier Colston und diese Diskussion als Beispiel), und es nicht einsehen und nicht diskutierenn zu wollen, dass sich manch einer Durch die Verherrlichung einer Person, die solche Taten ausgeführt hat, gestört fühlen, ist hier eine Extremposition.

Das wird wohl auch noch eine ganze Zeit weitergehen, bis man sich am Ende auf, einen Modus vivendi einigen wird, der darauf hinausläuft, einige Denkmäler von Persönlichkeiten, deren Handeln nach heutigen Maßstäben nicht mehr zu rechtfertigen ist, zu demontieren, den Rest stehen zu lassen und über Forderungen, die die Demontage wegen bloßer Geisteshaltungen oder unschicker Äußerungen fordern hinweggehen wird.

Ich bin im Übrigen auch überzeugt davon, dass gerade der angelsächsische Raum es bitter nötig hat, diese Diskurse einmal zu führen.
Meinem Empfinden nach haben sie dort, polemisch ausgedrückt, einfach das Problem, zu lange keinen Krieg mehr verloren und keine Revolution erlebt und deswegen die Möglichkeit gehabt zu haben, sich sehr lange auf eigenen überkommenen Ansichten un Narrativen auszuruhen.
Ich nehme da, gerade wenn ich mir Großbritannien und Teile des öffentlichen Geschichtsbildes und den Hang in gewissem Maße dem Empire nachzutrauern, so ansehe, meine ich jedenfalls, einen gewissen Reformstau war, der anderswo vielleicht nicht so massiv ist.
 
Zugegeben, vielleicht habe ich etwas zu emotional und egozentristisch argumentiert, was die moralische Gewichtung von Leid angeht. Was allerdings die modernen Bilderstürmer angeht, bleibe ich firm. Die Demokratie kennt kein Recht auf ein Sich-nicht-angegriffen-Fühlen, das der freien Rede, freien Kunst und Freiheit der Wissenschaft unversöhnlich entgegenstehen würde.

Case in point
, die Befürworter solcher Kulturrevolutionen sind durchaus willens, jene sich angegriffen fühlen zu lassen, die anderer Auffassung sind. Straßenumbennungen und dergleichen können, wenn überhaupt, nur auf demokratischer Basis erfolgen. Das wäre eigentlich auch im Interesse der Bilderstürmer, denn ein sozialer Wandel kann nicht verordnet werden, er muss sich natürlich entwickeln.
 
Zugegeben, vielleicht habe ich etwas zu emotional und egozentristisch argumentiert, was die moralische Gewichtung von Leid angeht. Was allerdings die modernen Bilderstürmer angeht, bleibe ich firm. Die Demokratie kennt kein Recht auf ein Sich-nicht-angegriffen-Fühlen, das der freien Rede, freien Kunst und Freiheit der Wissenschaft unversöhnlich entgegenstehen würde.

Case in point
, die Befürworter solcher Kulturrevolutionen sind durchaus willens, jene sich angegriffen fühlen zu lassen, die anderer Auffassung sind. Straßenumbennungen und dergleichen können, wenn überhaupt, nur auf demokratischer Basis erfolgen. Das wäre eigentlich auch im Interesse der Bilderstürmer, denn ein sozialer Wandel kann nicht verordnet werden, er muss sich natürlich entwickeln.
Du befindest dich im falschen Thread.
 
Der zweite Absatz bezog sich auf Joachim Nettelbeck und die hier angesprochenen Bestrebungen, ihn als Namensstifter einer Straße zu tilgen, weil er an der Sklaverei teilgehabt habe. Aber zugegeben, an dieser Stelle führt das zu weit.
 
Zugegeben, vielleicht habe ich etwas zu emotional und egozentristisch argumentiert, was die moralische Gewichtung von Leid angeht. Was allerdings die modernen Bilderstürmer angeht, bleibe ich firm. Die Demokratie kennt kein Recht auf ein Sich-nicht-angegriffen-Fühlen, das der freien Rede, freien Kunst und Freiheit der Wissenschaft unversöhnlich entgegenstehen würde.

So ziemlich jedes moderne Staatswesen kennt innerhalb seiner Gesetze aber so etwas wie ein Verbot der Belohung von Straftaten.
Sklaverei und Sklavenhandel sind nach Auffassung der entsprechenden Gesetzeswerke definitiv Straftaten.

An der Stelle könnte man sich von diesem Punkt aus, wie schon an anderer Stelle argumentiert fragen, ob der Staat als solcher, wenn er solche Gesetze erlassen hat, sich eigentlich leisten darf, als Schirmherr des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege Gedenkstätten zu betreiben, die Menschen ehren, die nach heutigem Verständnis Rechtsbrecher par excellence gewesen sind, oder ob das nicht ein ganz kleines bisschen im Widerspruch zum Geist des eigenen Rechtssystems steht.

Das bietet keine Handhabe über die Demonatge irgendeines Denkmals zu verhandeln, weil diese und jene persönlichkeit mal rassisitisches Zeug geäußert hat o.ä. im Falle von direkt an manifesten schweren Verbrechen beteiligten Persönlichkeiten mag das aber anders aussehen.
 
In der europäischen Diplomatiegeschichte gab es eine sogenannte Amity-Line, eine fiktive Linie zwischen den Meridian der Azoren und dem Wendekreis des Krebses. Diese "Freundschaftslinie" wurde erstmals 1610 in einem zwischen Frankreich und England in einem Dokument festgelegt. Zum ersten Mal war 1559 im Frieden von Cateau Cambrensis zwischen Spanien und Frankreich erstmal erwähnt. Man ging davon aus, dass jenseits dieser Linie sich die Erde sozusagen noch im wilden Urzustand, im Krieg aller gegen alle befand. Die Europäer einigten sich sozusagen darauf, dass es jenseits der Linie auch keinen Frieden gab und man es mit Regeln des Völkerrechts nicht genau nahm.

Diese Rechtsauffassung führte dazu, dass die Kolonien und die außereuropäischen Gewässer im Zeitalter der Allianzen und Kabinettskriege eine gesonderte Zone blieben, in der die Regeln der europäischen Staatengemeinschaft gar nicht oder nur teilweise gültig waren, wo im Prinzip allein das Recht des Stärkeren anerkannt wurde.

Dazu Heinz Schilling, Höfe und Allianzen Deutschland 1648-1763 S. 45ff.

Der Sklavenhandel, verzahnt mit der Zuckerindustrie war das Millionengeschäft. Fast alle seefahrenden Mächte waren darin involviert. GB, Frankreich, die Niederlande, Dänemark und Portugal besaßen Faktoreien an der westküste Afrikas. Nach dem Siebenjährigen Krieg verlor Frankreich ein riesiges Kolonialgebiet in Nordamerika, das von den Großen Seen bis zum Golf von Mexiko reichte. Frankreich behielt allerdings Guadeloupe und Martinique in der Karabik, und diese winzigen Inseln warfen mehr ab, als Louisiana und die beiden kanadischen Provinzen zusammen.
Selbst ein Staat wie Brandenburg-Preußen, das nicht einmal eine nennenswerte Marine besaß, unterhielt die Kolonie Groß Friedrichsburg an der Guinea Küste.


Europas Interesse und Einflussbereich an und in Afrika war auf die Küstensäume begrenzt. Man interessierte sich für Ströme wie den Gambia, Niger oder Kongo, tiefer ins Landesinnere stießen die Europäer aber nicht vor, und die Europäer gingen in der Regel nicht selbst auf Sklavenfang. Seit Jahrhunderten gab es in Afrika Sklaverei und Sklavenrazzien. Gerhard Rohlfs und andere Afrikaforscher berichteten, dass manche Tuareg-Fürsten nicht nur Oasen, sondern auch deren Bewohner als Eigentum betrachteten. In den meisten afrikanischen Ethnien gab es Formen von Sklaverei. Man konnte Sklave werden durch Kriegsgefangenschaft, durch Raubzüge oder durch Verschuldung. Sklaven waren in der Regel nicht völlig rechtlos, Freilassung und Freikauf war möglich, Sklaven konnten in der Regel gültige Partnerschaften eingehen, Besitz erwerben und vererben oder durch Adoption in eine fremde Gemeinschaft aufgenommen werden. Ohne die Existenz einer innerafrikanischen Sklaverei hätte der transatlantische Sklavenhandel nicht funktioniert, ohne eine gewisse Organisation hätten die Europäer nicht ab Beginn des 17. Jahrhunderts solche große Zahlen Afrikaner verschiffen können.


Die Europäer besaßen die überlegene Militärtechnologie, waren aber abhängig von Warlords, Zwischenhändlern, die für Nachschub sorgten. Die Warlords waren aber durchaus auf Pulverlieferungen der Europäer angewiesen. Vor allem ließ sich die enorme Nachfrage an Sklaven nicht mehr decken aus traditionellen Kriegszügen. Man muss davon ausgehen, dass die erhöhte Nachfrage nach Sklaven dazu führte, das vermehrt Sklavenrazzien veranstaltet wurden, allein um den Bedarf der Europäer zu befriedigen.

Im 18. Jahrhundert verbreiteten sich rassistische Vorstellungen in GB und den Kolonien. Robinson Crusoe gerät in Nordafrika kurzzeitig selbst in die Sklaverei, hat aber keine Skrupel in Brasilien Sklavenhalter und Großgrundbesitzer zu werden. Beim Versuch, Sklaven in Afrika zu kaufen und "schwarz" einzuführen, wird er schiffbrüchig. Er hängt an seinem Gefährten Freitag, eine andere, als eine hierarchische Master-Servant-Beziehung kommt ihm aber gar nicht in den Sinn. Es ist außerhalb seines Vorstellungsbereichs, diese "natürliche Ordnung" in Frage zu stellen. Obwohl Robinson in seiner erzwungenen Verbannung zum gläubigen Christen wird, erscheint ihm sein Versuch in den Sklavenhandel einzusteigen als eine unreife, aus jugendlichem Leichtsinn und Abenteuerlust entstandene Torheit, nicht aber als ein mieses Geschäft. Robinson Crusoe gründet am Ende eine britische Kolonie.

Die Vorstellung, dass außerhalb Europas sozusagen noch der wilde Urzustand herrschte, ein Zustand des permanenten Krieges aller gegen alle wie Thomas Hobbes ihn beschrieben hat Eingang in das Völkerrecht gefunden, und im Grunde wurde damit das Gesetz des Dschungels legitimiert und kultiviert. Es hätte aber auch damals schon klar sein können, dass man sich gewaltig in die Taschen lügt, wenn man die neuzeitliche Sklaverei als ehrwürdige Institution rechtfertigte, die selbst durch die Bibel gerechtfertigt war. Erste Kritik an der neuzeitlichen rassistisch motivierten Sklaverei wurde schon Anfang des 17. Jahrhunderts geäußert.
 
Die aktive Beteiligung von Afrikanern am Sklavenhandel als Zwischenhändler ist für mich etwas neues. Es ist allerdings auch ein Kapitel der Geschichte, was mir nicht so vertraut ist. Ich bin bisher eher davon ausgegangen, dass Europäer selber in Afrika Sklavenjagden organisierten. So ähnlich wurde es auch im Buch "Roots" von Alex Haley und in de Verfilmung dargestellt. Bei der entsprechenden Szene aus der TV-Serie, in der Kunta Kinte in Afrika gefangen genommen wird, sieht man allerdings auch neben den weißen Sklavenjägern auch ihre schwarzen Helfershelfer. Ob diese aus freien Stücken andere Afrikaner fangen oder ob diese selber auch Sklaven sind, konnte ich aus der Szene selber nicht entnehmen. Die Szene findet sich auch ohne weiteres auf Youtube. Aber natürlich ist "Roots" eine Mischung aus Fakten und Fiktion, keine historische Dokumentation.

Ich habe allerdings von afrikanischer Geschichte wenig Ahnung: gibt es denn überhaupt afrikanische Quellen zum Ablauf des Sklavenhandels mit Europäern? Haben dortige Stammesführer/Häuptlinge ihre eigenen Leute verkauft oder nur aus fremden Ethnien? Wurden die Sklaven nur im Rahmen "normaler" Kriegszüge gemacht? Oder wurden extra Kriegszüge unternommen, um Sklaven zum Weiterverkauf zu gewinnen?
 
Die aktive Beteiligung von Afrikanern am Sklavenhandel als Zwischenhändler ist für mich etwas neues. Es ist allerdings auch ein Kapitel der Geschichte, was mir nicht so vertraut ist. Ich bin bisher eher davon ausgegangen, dass Europäer selber in Afrika Sklavenjagden organisierten. So ähnlich wurde es auch im Buch "Roots" von Alex Haley und in de Verfilmung dargestellt. Bei der entsprechenden Szene aus der TV-Serie, in der Kunta Kinte in Afrika gefangen genommen wird, sieht man allerdings auch neben den weißen Sklavenjägern auch ihre schwarzen Helfershelfer. Ob diese aus freien Stücken andere Afrikaner fangen oder ob diese selber auch Sklaven sind, konnte ich aus der Szene selber nicht entnehmen. Die Szene findet sich auch ohne weiteres auf Youtube. Aber natürlich ist "Roots" eine Mischung aus Fakten und Fiktion, keine historische Dokumentation.

Ich habe allerdings von afrikanischer Geschichte wenig Ahnung: gibt es denn überhaupt afrikanische Quellen zum Ablauf des Sklavenhandels mit Europäern? Haben dortige Stammesführer/Häuptlinge ihre eigenen Leute verkauft oder nur aus fremden Ethnien? Wurden die Sklaven nur im Rahmen "normaler" Kriegszüge gemacht? Oder wurden extra Kriegszüge unternommen, um Sklaven zum Weiterverkauf zu gewinnen?

Es gab die sogenannten Criots in Westafrika, die die Geschichte eines Clans sammelten. Das wurde in der Regel nicht schriftlich gesammelt, sondern in Gesängen. Die Criots waren sozusagen das lebende Sozialarchiv.

Alex Haley hatte seinerzeit das enorme Glück, dass ihm aus den Erzählungen seiner Großmutter noch der ursprüngliche Name Kunta Kinte bekannt war. Bei Recherchen zu Roots hatte Haley das Glück, Kontakt mit einem Criot aus dem Kinte-Clan herzustellen. Als er dem Criot sagte, er sei an einem Zeitraum zwischen 1760-65 interessiert, war der Sänger verständnislos, und er musste sich die Geschichte des Kinte-Clans vom Anbeginn der Überlieferung im Reich Mali anhören, bis ihm eine parallele Überlieferung auffiel. Seine Vorfahren hatten immer erzählt dass Kunta Kinte eine Trommel schlagen wollte, als ihn die Sklavenfänger erwischten. Die Worte des Criots waren fast die gleichen, und er glaubte den "Afrikaner", den Stammvater seiner Familie zuverlässig eruiert zu haben. jener Kunta Kinte, Sohn des Omoru, der an Bord der Lord Ligonier verschleppt und in Annapolis, Maryland verkauft wurde. Gegen Alex Haley wurden Plagiatsvorwürfe erhoben, und in manchen Punkten ist einiges recht spekulativ, es ist Roots aber ohne Zweifel ein wichtiges Buch gewesen, das bedeutende Impulse zur Auseinandersetzung mit Sklaverei und Rassismus.
Von Roots gab es vor ein paar Jahren ein gutes Remake, das sich enger an die Vorlage hält und vor allem der Biographie Kunta Kintes noch mehr Inhalt widmet. Haley schrieb in Roots, dass seine Oma oder auch Kunta Kintes Tochter Kizzy auf ihre Art Criots waren, in Roots wird erwähnt, dass mehrere Kinte das Amt eines Criots bekleideten.

Üblicherweise verkaufte man nicht Angehörige des eigenen Stammes oder Verbündete in die Sklaverei, sondern verfeindete Stämme. Der große Bedarf an Sklaven führte dazu, dass Sklavenrazzien zahlreicher wurden, da die Kriegsgefangenen aus traditionellen Konflikten längst nicht mehr reichten, den Bedarf zu decken. Bei den Eingeborenen machte man sich Gedanken, was die Europäer mit den Verschleppten machten. In Roots erzählt Haley die Ereignisse aus der Perspektive der Mandinghe. Es gibt das Gerücht, dass die "Tubobs", die Europäer ihre Gefangenen an Kannibalen verkaufen oder selbst Kannibalen seien, wegen ihres hohen Bedarfs an Sklaven.
 
Es gab die sogenannten Criots in Westafrika, die die Geschichte eines Clans sammelten. Das wurde in der Regel nicht schriftlich gesammelt, sondern in Gesängen. Die Criots waren sozusagen das lebende Sozialarchiv.

Das war zumindest, was Alex Haley* in seinem Buch geschrieben hat und so wie es auch in der TV-Serie dargestellt wurde. Aber so wie es im Buch dargestellt wurde, sind Zweifel angebracht:

Donald R. Wright, a historian of the West African slave trade, found that elders and griots in The Gambia could not provide detailed information on people living before the mid-19th century, but everyone had heard of Kunta Kinte. Haley had told his story to so many people, and his version of his family history had been assimilated into the oral traditions of The Gambia.[22] Haley had created a case of circular reporting, in which people repeated his words back to him.[23][24]

Roots depicted Juffure as a village where people had heard rumors about white men by 1767, but had never met any. In reality, Juffure was two miles from James Island, a major trading outpost established by the Royal Africa Company in 1661. The King of Barra allowed the Company to establish a fort on the island, on the condition none of his subjects could be purchased without his permission. Haley admitted that he had picked the year 1767 as "the time the King's soldiers came" to match his American research.[21]


Roots: The Saga of an American Family - Wikipedia




* Übrigens sehe ich gerade, dass Alex Haley heute seinen 100. Geburtstag hätte. Er ist 1992 verstorben.
 
Eine Quelle sind auch die Benin-Bronzen aus dem heutigen Nigeria - heute über Europa und Nordamerika verströt. Es handelt es sich um die Ausstattung des Königshofes von Benin-City. Der Palast des König war hunderten Bronzetafeln und Figuren verziert, die Szene aus der Geschichte darstellten. Die ältesten Bronze-Plastiken sollen aus dem 16. Jahrhundert stammen.

Bronze war ein wichtiges Handelsgut in Westafrika und speziell für den Handel mit Afrika wurde große Ringe (Manilla) in Europa hergestellt. Manilla-Ringe hatten in Westafrika Währungscharakter. Im Königreich Benin wurde die Bronze aus Europa u.a. zu diesen Kunstgegenständen weiterverarbeitet.

Die Portugiesen lieferten Benin auch Schusswaffen und unterstützen das Königreich mit Söldnern, sodass die Macht Benins stetig wuchs.
In den Kriegen im inneren Afrikas wurden die Gefangenen versklavt oder Sklaven als Tribut gefordert. Über diese Kriege ist aber kaum etwas bekannt.

Auf einigen Benin-Bronzen sind auch Portugiesen abgebildet - erkennbar an ihren Bärten, europäischer Physiognomie und ihrer Kleidung.
Zum einen handelt es sich um Söldner mit Morion-Helmen und Musketen.
Es gibt auch die Abbildungen der portugiesische Händler umgeben mit Manilla-Ringen.

Bildbeispiele:
Portugiesischer Soldat: https://www.britishmuseum.org/collection/object/E_Af1928-0112-1
Portugiese umgebenen von Manilla-Ringen: https://en.wikipedia.org/wiki/Manilla_(money)#/media/File:Benin,_portoghese,_XVI-XVII_sec.JPG
 
Die aktive Beteiligung von Afrikanern am Sklavenhandel als Zwischenhändler ist für mich etwas neues. Es ist allerdings auch ein Kapitel der Geschichte, was mir nicht so vertraut ist. Ich bin bisher eher davon ausgegangen, dass Europäer selber in Afrika Sklavenjagden organisierten. So ähnlich wurde es auch im Buch "Roots" von Alex Haley und in de Verfilmung dargestellt. Bei der entsprechenden Szene aus der TV-Serie, in der Kunta Kinte in Afrika gefangen genommen wird, sieht man allerdings auch neben den weißen Sklavenjägern auch ihre schwarzen Helfershelfer. Ob diese aus freien Stücken andere Afrikaner fangen oder ob diese selber auch Sklaven sind, konnte ich aus der Szene selber nicht entnehmen. Die Szene findet sich auch ohne weiteres auf Youtube. Aber natürlich ist "Roots" eine Mischung aus Fakten und Fiktion, keine historische Dokumentation.

Ich habe allerdings von afrikanischer Geschichte wenig Ahnung: gibt es denn überhaupt afrikanische Quellen zum Ablauf des Sklavenhandels mit Europäern? Haben dortige Stammesführer/Häuptlinge ihre eigenen Leute verkauft oder nur aus fremden Ethnien? Wurden die Sklaven nur im Rahmen "normaler" Kriegszüge gemacht? Oder wurden extra Kriegszüge unternommen, um Sklaven zum Weiterverkauf zu gewinnen?

Wenn du einen literarischen Zugang suchst, käme Der Vizekönig von Ouidah – Wikipedia von Bruce Chatwin in Frage. Das Buch wurde mit Klaus Kinski in der Hauptrolle als Cobra Verde verfilmt.
 
Das war wohl eine Frage der Perspektive. Wenn man selber auf der richtigen Seite stand, mag man das für "normal" gehalten haben. Stand man auf der anderen Seite, wird man das für ziemlich ungerecht gehalten haben. Seneca weist darauf bereits in der Epistula 47 hin, dass man seine Sklaven gut behandeln solle, weil es letztlich eine Frage des Schicksals ist, ob man Sklave sei oder nicht und er lobt diejenigen, welche mit ihren Sklaven speisen und freundschaftlichen Umgang pflegen und schilt die, welche sie schlecht behandeln. Ja, er fordert keinen Systemwechsel, insofern ist auch bei ihm Sklaverei "normal". Aber er weist daraufhin, dass es jedem zu jeder Zeit unverschuldet passieren kann, Sklave zu werden.
Seneca wirft den schlechten Sklavenhaltern vor, dass sie das Sprichwort

totidem hostes esse quot servos
bemühen, wirft aber dagegen ein:

non habemus illos hostes sed facimus.​

("Man hat so viele Feinde, wie man Sklaven hat" - Senecas Entgegenung: "Wir haben sie nicht als Feinde, wir machen sie (durch unsere Behandlung) zu solchen."

Ich sehe das eher mit dem Splitter im Auge des anderen und dem Balken im eigenen Auge. Wir - als Teil der "westlichen" Zivilisation - sollten uns zunächst einmal um die Leichen in unserem eigenen Keller bemühen, bevor wir die Leichen in fremden Kellern kritisieren.
Z.B. wird die muslimische Versklavung von Afrikanern und Europäern von Islamophoben gerne ins Feld geführt, dabei aber gleichzeitig ignoriert, dass Europäer gleichzeitig im großen Stil z.B. Slawen in den muslimischen Mittelmeerraum (hauptsächlich FrühMA) oder Afrikaner in die karibibischen und amerikanischen Kolonien verhandelten (hauptsächlich FNZ).


Was kritisiert wird, ist, dass die lokale Mitwirkung herausgehoben wird und die Rolle der Europäer bagatellisiert wird. Dass mit dem Finger auf andere gezeigt wird, obwohl man selbst genug Dreck am Stecken hat. Dass das ganze nicht als ineinandergreifendes System beschrieben wird.

Innerafrikanischen Sklavenhandel gab es natürlich bereits vor Ankunft der Europäer und Sklaverei war in den meisten afrikanischen Kulturen verbreitet. Fast all diesen Formen von Sklaverei war aber gemeinsam, dass Sklaven in der Regel nicht völlig rechtlos waren, dass sie teilweise Grund erwerben, eine Familie gründen, Verträge schließen oder u.U. selbst Sklaven halten durften. Sklavenfang und Razzien geschahen teils "legal" unter Billigung oder Regie von lokalen Häuptlingen, Königen, Fürsten, teils "illegal" durch Händler und Warlords, die durch europäische Waffenlieferungen gestärkt Razzien und Raubzüge durchführten, ohne dass sie durch lokale Eliten dazu legitimiert wurden. In der Neuverfilmung von Roots geht Kuntas Vater Omoru gegen einen lokalen Warlord vor, der mit seinen Razzien gegen königliche Gesetze verstößt.

Die Europäer waren seit dem 15./16. Jahrhundert eine Größe mit der zu rechnen war. An der westafrikanischen Küste waren die Europäer die einzigen, die attraktive Artikel wie Waffen, Pulver, Alkohol und Werkzeuge liefern konnten und die vor allem an der Ware Mensch interessiert waren. Der Boom der Plantagenwirtschaft sorgte für enorme Nachfrage an billigen Arbeitskräften. Nach den Gesetzen der Marktwirtschaft wird es immer Kräfte geben, die dafür sorgen, dass eine Nachfrage auch durch ein entsprechendes Angebot befriedigt werden kann. Es wäre so gesehen eher verwunderlich, wenn es keine lokalen Eliten gegeben hätte, die mit den Europäern zusammenarbeiteten.

Der Bedarf der Europäer ging aber weit über den Rahmen hinaus, der durch traditionelle Kriegszüge und Razzien zu decken war. An Kriegen und Stammeskonflikten war Afrika stets reich gewesen, die große Nachfrage europäischer Sklavenhändler trug aber zweifellos dazu bei, dass Überfälle und Raubzüge ohne nachvollziehbaren Grund, ohne traditionelle Feindschaften enorm zunahmen, einzig aus dem Grund, um Sklaven zu fangen. Handel und Reisen wurden dadurch enorm eingeschränkt. Ernten konnten nicht eingebracht werden, Felder wurden nicht mehr bestellt, weil die Eigentümer vor Sklavenjägern flüchten mussten, Dörfer und Familien gingen der Vernichtung der Existenz entgegen, wenn sie der besten männlichen und weiblichen Arbeitskräfte zwischen 20 und 40 beraubt wurden. Nur als ein ineinander greifendes System ist das der frühneuzeitlichen Sklaverei zu verstehen und zu begreifen. Es war ungeheuer lukrativ, und mit der Lukrativität stieg die Versuchung, die Sklaverei als ehrwürdige Institution hinzustellen, sie rassistisch zu rechtfertigen.

Es gab für die rassistisch motivierte Sklaverei der frühen Neuzeit kein Beispiel. In Europa existierte noch die Leibeigenschaft und zeitlich befristete Schuldknechtschaft. Viele Auswanderungsschriften warnten vor trickreichen Kapitänen. Es war üblich, dass man sich für 5-7 Jahre verdingte als Indentured Servant, um die Passage abzuarbeiten. Im günstigsten Fall war es eine milde Lehrzeit, im schlimmsten Zwangsarbeit unter schlimmsten Bedingungen, aber weder ein Leibeigener, noch ein Indentured war rechtlos. Schon gar nicht war es zulässig, nicht nur einen Indentured, sondern auch alle seine Nachkommen von jeder höheren Bildung auszuschließen. Kirchenleute bemühten sich seit dem 17. Jahrhundert, die Sklaverei als durch biblische Grundlagen legitimiertes Herrschaftssystem darzustellen. Es wurde Genesis 9 als Legitimation angeführt. Aber es konnte schon damals jedem klar sein, dass man sich gewaltig in die Taschen log, wenn man das tat.
 
Der transatlantische Sklavenhandel war zumindest auch ein Dynamo für das Versicherungswesen. Lloyds of London war ursprünglich ein Kaffeehaus, zu dessen bevorzugter Klientel Leute die im Seehandel involviert waren. Es wurde bald auch üblich, Sklavenschiffe bzw. deren Fracht zu versichern. In einer Folge der britischen Anwaltserie Garrow´s Law, die im 18. Jahrhundert spielt, lassen Schiffseigner eine Ladung Sklaven ersaufen, um die Versicherungsprämie einzustreichen. (Der Fall basiert auf einem realen Ereignis).

Versicherungsgesellschaften zahlten nicht bei natürlichem Tod der "Fracht", wohl aber, wenn Sklaven gewaltsam Widerstand leisteten und dabei getötet oder verletzt wurden, zahlten Versicherungen Entschädigung.
 
In der Entwicklung der Kolonie Groß Friedrichsburg spielte dieser Herr eine nicht unbedeutende Rolle:

Jan Conny – Wikipedia

Conny war ein lokaler Händler/Zwischenhändler, dem es gelang, eine beachtliche Privatarmee auszurüsten und sich im Spannungsfeld brandenburgischer, niederländischer und britischer Interessen zu behaupten und Bündnisse mit lokalen Ethnien wie den Aschanti zu schließen. Sein durchaus beachtliches Vermögen hatte Jan Conny vor allem als Händler und Zwischenhändler von Sklaven verdient. Die Brandenburger wie die Niederländer waren immer wieder auf Conny und seine sozialen Kontakte angewiesen und benutzten ihn als Unterhändler und Vermittler bei Konflikten. Dadurch sicherte sich Jan Conny einen beträchtlichen Einfluss, und als die Brandenburger 1717 Groß Friedrichsburg an die Niederländer verkauften, fühlte Conny sich stark genug, selbst das Regiment zu übernehmen. Er besetzte die Festung und verweigerte den Holländern die Übergabe.

Von deutschen Kolonialenthusiasten wurde Conny als "schwarzer Preuße" verklärt und idealisiert, der den Brandenburgern/Preußen die Treue hielt.
 
Wer alle Seiten der Sklaverei und damit die Wahrheit erfahren will, muss alles Lesen, und nicht nur die „politisch korrekten“ Bücher zu dem Thema. Ich empfehle das Buch „The doctrine of slavery - an islamic institution“ von Bill Warner zu lesen. Schuld sind ALLE Verbrecher die mitgemacht haben, und nicht nur die ÜBLICHEN VERDÄCHTIGEN. Und man darf nicht vergessen dass Sklaverei bis heute noch existiert.
 
Mod-Hinweis:

1. Zunächst zu Bill Warner:
He is a former physics professor whom the Southern Poverty Law Center in 2011 counted among a core group of ten anti-Islam hardliners in the United States.
Ohne Kommentar.

2. Weitere substanzlose und unqualifizierte (weil in keiner Weise näher erläuterte) Bemerkungen zu angeblich politisch korrekter oder inkorrekter Fachliteratur werden schlicht gelöscht. Soweit solchen Bemerkungen keine inhaltliche Substanz beigefügt wird, also fachlich nachvollziehbare Begründungen, wird das als reine Polemik und weltanschaulich motiviert gewertet.

3. sind hier im Forum zahlreiche substantielle Hinweise und Diskussionen zu allen Facetten des Sklavenhandels, europäisch, islamisch etc. enthalten.

4. wird der Username bereits verwendet, derartige "Doppelungen" stiften Verwirrung, der Account wird daher gesperrt. Neutrale Neuanmeldung bleibt offen.
 
„The doctrine of slavery - an islamic institution“ von Bill Warner zu lesen.
"Bill Warner is (...), an American anti-Islam writer, (...) Religious studies scholar Asma Uddin considers several anti-Islam groups like Warner and his organization as anti-Muslim entities that mainstream the idea that Islam is not a religion but merely a political ideology, which aids in legitimizing restricting the religious freedom of American Muslims"
Bill Warner (writer) - Wikipedia

Ich bezweifele, dass ein anti-moslemischer, politischer Hetzer vom rechten Rand dazu beitragen kann "die Wahrheit zu erfahren".
 
Zurück
Oben