Eine Religion der Sklaven und Frauen?

PostmodernAtheist

Aktives Mitglied
War das Christentum im römischen Reich vorerst eine Religion "der Schwachen"? Das scheint mir etwas romantisch, auch wenn ich jetzt gelesen hab das sei noch vor drei Jahren Lehrmeinung gewesen. Im Studium hab ich aber damals definitiv gehört diese Ansicht sei etwas überholt. Wie sollen Sklaven oder Frauen auch ohne Aufsicht zu den geheimen Treffen gegangen sein?
 
War das Christentum im römischen Reich vorerst eine Religion "der Schwachen"? Das scheint mir etwas romantisch, auch wenn ich jetzt gelesen hab das sei noch vor drei Jahren Lehrmeinung gewesen. Im Studium hab ich aber damals definitiv gehört diese Ansicht sei etwas überholt. Wie sollen Sklaven oder Frauen auch ohne Aufsicht zu den geheimen Treffen gegangen sein?

Dass man etwas, was gewesene Lehrmeinung sei, so genau datieren kann, kommt selten vor. In der Geschichtswissenschaft wohl am ehesten bei spektakulären Quellenneufindungen. Solche Bewertungen stehen und fallen mit der Argumentation und ihrer Faktenbasierung.
 
Sklave ist nicht gleich Sklave, es gab durchaus Sklaven mit Freizeit, vor allem Haussklaven.

Haussklaven konnten sogar besser leben als so mancher freie arme Römer. Nicht jeder Sklave arbeitete 16 Stunden am Tag unter der Erde in einer Minne. Bei Latifundien gab es durchaus auch Aufseher Sklaven denen es besser ging und gewisse Freiheiten hatten.

Im Christentum sind mehr oder weniger alle gleich viel Wert, was sicher sehr attraktiv für Frauen und Sklaven war. Das war bei anderen Mysterienkulten nicht der Fall, im Mithraskult konnten scheinbar nur Männer teilnehmen.

Ich kenne auch die Gegenmeinung, vom Emanzipatorischen Heidentum mit seinen weiblichen Göttern und dem bösen Monotheismus mit seinem "männlichen" Gott, den wir Vater nennen.

Das in den antiken Quellen gesagt wird, vor allem Frauen hätten das Christentum angenommen, macht glaub ich die These obsolet, außer man unterstellt den Frauen die seien selten dämlich gewesen.

Das Christentum aber auch der Islam in der Anfangszeit waren wirklich emanzipatorisch, auch wenn wir uns das heute nicht vorstellen können.
 
War das Christentum im römischen Reich vorerst eine Religion "der Schwachen"? Das scheint mir etwas romantisch

Ursprünglich war es keineswegs "romantisch" gemeint, sondern Teil einer antichristlichen Polemik des 2. Jh. n. Chr., die in der Gegenpolemik des Origines ("Gegen Kelsos") wie folgt zitiert wird:

[Kelsos] sagt, „dass solche Anordnungen von ihnen getroffen würden: Kein Gebildeter komme heran, kein Weiser, kein Verständiger“; denn „solche Eigenschaften würden bei uns für übel angesehen. Sondern wenn einer ungelehrt, wenn einer unvernünftig, wenn einer ungebildet, wenn einer töricht ist, der solle getrost kommen. Indem sie solche Leute von vornherein als würdig ihres Gottes bezeichnen, wollen sie offenbar nur die einfältigen, gemeinen und stumpfsinnigen Menschen, und nur Sklaven, Weiber und Kinder überreden, und vermögen dies auch.“

Bibliothek der Kirchenväter
 
Urchristentum

Also eine Religion "der Sklaven und Frauen wohl eher nicht.

Gerade in der gemeinsamen Feier des Gottesdienstes überwanden die frühen Gemeinden die in der damaligen Gesellschaft existierenden Schranken. Männer und Frauen gehörten ebenso gleichberechtigt zur Gemeinde wie Reiche und Arme, Freie und Sklaven.

Allerdings scheint die These Adolph Deissmanns von 1908 wirkungsmächtig gewesen zu sein.

Das Urchristentum und die unteren Schichten : Deissmann, Adolf, 1866-1937 : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive

Eine kurze Übersicht über den Forschungsstand zeigt diese Rezension. Einen tieferen Einblick dann wohl bei Interesse das Papier selbst.

Rezension zu: A. Weiß: Soziale Elite und Christentum

Inwieweit das Christentum in den damaligen tatsächlichen Oberschichten vertreten war, scheint noch strittig. Aber es war sicher auch nicht eine Religion der Armen.
 
Ursprünglich war es keineswegs "romantisch" gemeint, sondern Teil einer antichristlichen Polemik des 2. Jh. n. Chr., die in der Gegenpolemik des Origines ("Gegen Kelsos") wie folgt zitiert wird:

[Kelsos] sagt, „dass solche Anordnungen von ihnen getroffen würden: Kein Gebildeter komme heran, kein Weiser, kein Verständiger“; denn „solche Eigenschaften würden bei uns für übel angesehen. Sondern wenn einer ungelehrt, wenn einer unvernünftig, wenn einer ungebildet, wenn einer töricht ist, der solle getrost kommen. Indem sie solche Leute von vornherein als würdig ihres Gottes bezeichnen, wollen sie offenbar nur die einfältigen, gemeinen und stumpfsinnigen Menschen, und nur Sklaven, Weiber und Kinder überreden, und vermögen dies auch.“

Bibliothek der Kirchenväter

Das das Teil der Polemik war ist mir nicht neu. Inwiefern diese Anschuldigungen stimmen ist ne andere Frage. Origenes und Co haben da sicherlich auch gekontert.
 
auch wenn ich jetzt gelesen hab das sei noch vor drei Jahren Lehrmeinung gewesen.

In dieser Formulierung ist das Unsinn. "Lehrmeinung" (im Sinne "wissenschaftlicher Konsens") war das nie.

Eine kurze Übersicht über den Forschungsstand zeigt diese Rezension. Einen tieferen Einblick dann wohl bei Interesse das Papier selbst.
Ich habe das entsprechende Kapitel gerade gelesen; demnach gab es zu diesem Thema immer divergierende Meinungen. Wer immer behauptet, die Unterschichtenthese sei "vor drei Jahren Lehrmeinung gewesen", dürfte sehr schlecht informiert sein.

Bemerkenswert ist vor allem Werner Ecks im Jahre 1971 getroffene Einschätzung der Debatte. Eck sieht die Unterschichtenthese, die er als Phänomen des 19. Jahrhunderts erklärt, bereits durch Adolf von Harnacks Werk zur Mission und Ausbreitung des Christentums als „endgültig widerlegt“ an.
...
Nach Eck sei die „Folgerung unausweichlich, daß die Anhänger der christlichen Religion ein fast getreues Spiegelbild der allgemeinen sozialen Schichtung im römischen Reich bieten, und zwar von den Ursprüngen an, wie sie in den neutestamentlichen Schriften dargestellt werden“.

Harnacks Werk ist 1902 erschienen.
 
Das Christentum aber auch der Islam in der Anfangszeit waren wirklich emanzipatorisch, auch wenn wir uns das heute nicht vorstellen können.
Ich kann mir das allerdings immer noch sehr gut vorstellen.
Dass das Christentum für die Armen und Schwachen attraktiv gewesen sein muss, geht doch unmittelbar aus den Texten des Neuen Testaments hervor. Nicht selbstverständlich ist dagegen, dass es schon früh auf einige Mitglieder der Oberschichten (oder der entsprechenden ordines) eine Anziehunskraft ausübte.
 
Zurück
Oben