Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages mit Russland

Ich finde die Entscheidung nachvollziehbar. Die Beziehungen zu Rußland haben sich schon während Bismarcks Kanzlerschaft verschlechtert. Der Rückversicherungsvertrag war nicht mehr als eine kurzfristige Notlösung nach dem Ende des Dreikaiserbundes und hat Rußland auch nicht von einer Annäherung an Frankreich abgehalten. Es war meines Erachtens richtig in der Bündnispolitik nicht weiter auf Rußland zu setzen, sondern mit dem Dreibund einen starken, stabilen Machtblock in der Mitte Europas zu festigen und diesen durch gute diplomatische Beziehungen zu Großbritannien und soweit möglich auch zu Rußland zu ergänzen.

Aber aus der Retrospektive gibt es natürlich an allem auch immer Kritiker.
Deine persönliche Meinung sei dir unbenommen. Nur eines ist Fakt. Die russische Seite hatte 1890 eine Verlängerung für sechs oder sogar sieben Jahre, ich müsste jetzt nachblättern, und den Wegfall des Zusatzprotkolls, ich führte es bereits mehrfach aus, angeboten. Kurzfristig ist doch wohl etwas anderes. Das war für die damaligen Verhältnisse eine lange Laufzeit.

Das hätte die französischen Bemühungen für die nächsten Jahre zu einer Abmachung mit Petersburg wohl gebremst. Die Nichtverlängerung hingegen war ein Katalysator. worin da ein Vorteil liegen soll................, ich vermag es nicht zu erkennen.

Und zum Thema Dreibund ist anzumerken, das Italien hiervon eine vollkommen falsche Vorstellung hatte. Es wollte beispielsweise Unterstützung bei seinen expansiven Bemühungen in Nordafrika, nur hierfür war der Dreibund eben nicht gedacht, denn auch dieser war rein defensiver Natur und auch keine Erwerbsgemeinschaft. Hier waren Zentrifugalkräfte bereits am Werke und ab der Jahrhundertwende konnte und wurde Italien nicht mehr als zuverlässiger Partner betrachtet. Zu diesem Zeitpunkt sah es um die auswärtigen Beziehungen des Deutschen Reiches nicht mehr so günstig aus, wie es bei Bismarck der Fall gewesen war.

Bismarck hatte stets die Beziehungen zu Großbritannien gepflegt und zum Thema Bündnis merkte mit den Engländern er bei Gelegenheit einmal an:"Ich habe in meinem Leben für England und seine Bewohner Sympathie gehabt, aber die Leute wollen sich ja von uns nicht lieben lassen." Ich wiederhole auch dies. Großbritannien pflegte damals noch seine Splendid Isolation.
 
Zuletzt bearbeitet:
Petersburg war noch Ende Dezember 1886 bereit das Dreikaiserabkommen zu verlängern; natürlich musste die Bulgarische Frage vorher einer befriedigenden Lösung überführt werden.
Bülow schrieb am 30.12.1886 an das AA:
"Herr von Giers äußerte am Schlusse der Unterredung, welche derselbe gestern mit dem österreichisch-ungarischen Botschafter hatte: Man rede jetzt überall viel von einem zum Frühjahr bevorstehenden allgemeinen Kriege. Er, der Minister, glaube nicht daß es zu einem solchen Kriege kommen werde. Wohl aber scheine es ihm angezeigt, schon jetzt die Erneuerung des im Sommer ablaufenden geheimen Vertrages ins Auge zu fassen."

GP Band 5, S.211
 
Die Tagebucheinträge Lambsdorffs zum Thema sind auch recht interessant.

Unter dem Datum des 09.01.1887 finden wir beispielsweise den folgenden Eintrag:

„…Ich glaube, das unser allergnädigster Zar im Grunde seiner Seele entzückt wäre, wenn Deutschland und Frankreich aneinander gerieten, um diesen Konflikt für irgendwelchen eigenen Ziele auszubeuten. Andererseits bin ich nicht der Ansicht, daß Frankreich eine Gefahr droht, nur muß sich Fürst Bismarck, um für alle Fälle eine erfolgreiche Verteidigungsstellung gegen uns vorzubereiten, den Anschein geben, als seien diese Maßnahmen gegen Frankreich gerichtet, das ihm deswegen nicht angreifen wird. Das Vertrauen des Zaren in Deutschland ist schwankend. Ein Bündnis ist ohne Zweifel denkbar und man wünscht es auch aufrichtig, aber es muß vom gegenseitigen Vertrauen getragen sein. Was tut indessen die vom Zaren begünstigte Presse und der Zar selbst? Bei jeder Gelegenheit zeigt er, daß er das Abkommen mit Deutschland nur mit Abscheu erträgt und bei der ersten Gelegenheit bereit ist, damit Schluß zu machen. Wenn Bismarck nicht daran denken würde, die Gefahren von seinem Vaterland abzuwenden, wäre er unter diesem Umständen ihm gegenüber einfach ein Verräter.

Ich erzählte dem Minister, daß ich hierüber mit Shomini und Sinowjew gesprochen und sie gefragt habe, ob sie zu der von unserem Erlauchten Monarchen in der Politik eingenommenen Haltung Vertrauen hätten und ob man irgendwie dafür einstehen könnte, welche Entschlüsse er nach 3 bis 3 Wochen fassen würde, weil der Zar jedes politische System vermissen lasse und den verderblichsten Einflüssen zugänglich sei……..

Unter anderem erzählt mir Herr Giers ferner, das Laboulè voll Begeisterung darüber sei, was ihm der Zar beim Neujahrsempfang gesagt hat. Nach seinen herrlichen Versicherungen Schweinitz hat unser teurer Monarch, der für einen so aufrichtigen und ehrlichen Menschen gilt, Herrn Laboulè gegenüber unverhüllt seine Sympathie für Frankreich Ausdruck gegeben und die Unterstützung erwähnt, die Frankreich nötigenfalls bei ihm gegen Deutschland finden würde. Der Botschafter der Republik hat jedenfalls die Worte des Zaren so aufgefasst…“

Vertrauenserweckend auf die Zuverlässigkeit Russlands wirkt dieser Tagebucheintrag gerade nicht.
 
Eigenartig ist auch, wie Schweinitz zu der Meinung gelangte, ihm sei es gelungen, die deutsche Kursänderung glaubhaft und nachvollziehbar, ohne das in Petersburg Groll zurück geblieben sei, vermitteln konnte.

Der Zar meinte durchaus zutreffend, das Bismarck recht hatte, als er sagte, daß die Politik des Kaisers sich miz seinem, Bismarcks, Abgang ändern werde.

Giers hatte so gar kein Verständnis für die verändertet deutsche Haltung und brachte dies auch gegenüber Botschafter Schweinitz zum Ausdruck. Er nannte die deutsche Gründe für die Nichtverlängerung wenig überzeugend. Auch verbarg Giers sein Erstaunen nicht darüber, das Bedenken des deutschen Reichskanzlers Caprivi als hinreichend angesehen würden, um die kurz zuvor persönliche erklärte Bereitschaft zur Verängerung des Vertrages des deutschen Kaisers umzustoßen.

Und schon 5 Jahre später versuchte Wilhelm II. diese Entscheidung rückgängig zu machen. 1895 war bloß schon der neue Zweierverband zwischen Frankreich und Russland begründet worden.
 
Der Rückversicherungsvertrag ist jedenfalls nicht wegen Unverträglichkeiten mit anderen Bündnisverpflichtungen, das hat schon Otto Becker schlüssig nachgewiesen, nicht verlängert worden, sondern weil Herrn Friedrich von Holstein die außenpolitische Ausrichtung Bismarcks ganz und gar nicht gefallen hat. Ausgerechnet Holstein, der Bismarck seinen Job im Auswärtigen Amt zu verdanken hat. Holstein hat wie bei ihm üblich andere vorgeschoben, um seine Interessen durchzusetzen. Im vorliegenden Falle waren es der Unterstaatssekretär Berchem und die Vortragenden Räte Raschdau und Kiderlen-Wächter, den späteren Staatssekretär des Auswärtigen Amtes. Raschdau war der Einzige, der wenigsten noch nachvollziehbare Ideen vorstellte. Raschdau wollte zuerst, dass die geheimen Zusatzartikel ersatzlos gestrichen werden. Das ging konform mit Giers seinen Vorstellungen, der von diesem Zusatzprotokoll ohnehin nicht hielt und genau wusste, das dieses nur und ausschließlich auf Peter Schuwalow, den russischen Unterhändler zur Verlängerung des Rückversicherungsvertrages, zurückzuführen ist. Schuwalow wollte mehr herausschlagen, als die Sängerbrücke vorgegeben hatte. Darüber hinaus schlug Raschdau vor, den Rückversicherungsvertrag öffentlich zu machen. So wurde sichergestellt, dass das Odium der Ablehnung nicht den Deutschen zufiel, sondern den Russen, denn es war klar, dass Petersburg dem nicht zustimmten würde. Caprivi wurde so schnell überrollt und auch Wilhelm II., der kurz zuvor Schuwalow noch die Verlängerung des Vertrages zugesagt hatte. Schuwalow hatte dies auch schon nach Petersburg gemeldet. Das war schon eine einmalige Peinlichkeit, die sich die Reichsleitung hier abkniff.


Was die Herrschaften im AA und dem Kaiser sowieso nicht wahrscheinlich nicht so ganz und gar begriffen hatten, ist, das es Bismarck in erster Linie darum ging, mit Russland ein Vertragsverhältnis zu haben, was dieses davon abhielt, sich mit Frankreich zu verbünden. Bismarck war durchaus klar, dass es für Zar Alexander bei einer deutsch-französischen militärischen Auseinandersetzung alles andere als einfach werden würde, tatsächlich neutral zu bleiben. Dafür sympathisierte die russische Öffentlichkeit, die durch die Presse (Katkow) über Jahre hinweg beeinflusst worden, doch zu sehr mit Frankreich. Aber es wurde Zeit gewonnen.
 
Das es überhaupt gelungen ist, den Vertrag 1887 abzuschließen, ist schon bemerkenswert. Immerhin waren die Rahmenbedingungen alles andere als günstig.

So hat der deutscher Botschafter in Paris Münster unter dem Datum des 01.Oktober 1886 an Bismarck das folgende mitgeteilt.
"Ganz vertraulich. Der englische Geschäftsträger teilte mir ganz im Vertrauen mit, daß er aus guter französischer Quelle erfahren habe, daß hier in den letzten Tagen des August von russischer Seite der französischen Regierung Anerbietungen zum Zwecke einer Allianz gemacht worden seien. Wer der Unterhändler gewesen, wußte der Geschäftsträger nicht. Bei den vielen Verbindungen, welche die Russen hier haben, war es auch nicht schwer einen anderen Weg zu finden."

Der russsische Pressefeldzug gegen das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn war schon heftig. So wurde immer wieder behauptet, das Wien beim Berliner Kongress die beiden türkischen Provinzen, Bosnien und die Herzegowina ohne eine Patrone abgeschossen zu haben, erhalten habe und Russland leer ausgegangen sei. Dies sei alles Bismarcks Schuld.
Nur haben die Russen, namentliche der russische Außenminister Gortschakow bereits im Jahre 1876 in der Konvention von Reichsstadt bereits zu einen nicht unerheblichen Teil freiwillig auf diese verzichtet. Allerdings unterscheiden sich hier die Aussagen des Ballhausplatzes mit denen der Sängerbrücken. Im Gegenzug sicherten die Österreichen Petersburg Neutralität zu, wenn diese das Osmansiche Reich angreifen.

Bismarck drohte der russischen Regierung 1887 mit der Veröffentlichung dieses Abkommens, um der russischen Presse aufzuzeigen, das sie nicht die Wahrheit ausführen würde.

Das ist schon war heftiges Druckmittel. Andererseits tat der Zar auch herzlich wenig, um diese Pressekampagne zu unterbinden.

Dann die Krise um Bulgarien, in der Österreich große Probleme hatte, der deutsche Line der Nichtintervention zu folgen.

Die russische Sorge, Deutschland könne und wolle die französische Großmachtstellung zerstören.

Als Petersburg bekannt gab, Zölle auf deutsche Industrieerzeugnisse zu erheben, war Bismarck um eine Retour nicht verlegen und kündigte entsprechende Maßnahmen von deutscher Seite an. Nur, das die russische Industrie diese Schutzzölle benötige, um überhaupt eine Chance gegen die ausländische Konkurrenz zu haben, interessierte dabei nicht. Andersherum hat die preußische Landwirtschaft auch unter der russischen Import zu leiden.

Nicht umsonst wurde im Jahre 1888 in Frankreich, nicht im Deutschen Reich, Waffen bestellt und auch eine russische Anleihe in Paris aufgelegt. Des Weiteren ließ Bismarck den deutschen Kapitalmarkt für russische Anleihen sperren.

Das war ein ganz schönes Rauschen im Walde und trotzdem hat man es geschafft, sicher nicht zuletzt das Verdienst von Giers und Lamsdorffs, den Vertrag abzuschließen.
 
Es wurde ja von den Herren Berchem, Raschdau, und vor allem Holstein behauptet, das der Rückversicherungsvertrag nicht mit den anderen diplomatischen Verträgen vereinbar sei.

Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Bieberstein, der 1890 noch der Argumentation Holsteins und Co. zugestimmt hatte, räumte im November 1896 vor dem Reichstag ein, die Behauptung entschieden falsch sei, und von deutscher Seite mit irgendeinen Staate etwas verabredet worden sei, was unvereinbar wäre mit bestehenden Verträgen.

Anlaß zu dieser Äußerung waren Bismarcks Ausführungen in den Hamburger Nachrichten und die daraufhin stattgefundene Interpellation des Reichstages.

Nachzulesen in GP, Band 7, Seite 7 Fußnote
 
Bismarck wurde für die Bekanntmachung des Rückversicherungsvertrages in den Hamburger Nachrichten im Jahre 1896 heftig kritisiert. Warum tat er dies?

Anlass dürfte ein Artikel in der Vossischen Zeitung gewesen sein. In dem Artikel wurde der Wahrheitsgehalt dieser alten, anlässlich des Zarenbesuchs in Frankreich, neu aufgewärmten Behauptung bestritten. Das konnte und wollte Bismarck sich nicht gefallen lassen. Er missbilligte ohnehin den Neuen Kurs.

Was stand in dem Artikel, der so viel Aufsehen erregte? Dort stand zu lesen, das Deutschland und Russland bis 1890 in vollem Einverständnis darüber gewesen, wenn einer von ihnen angegriffen werde, der andere wohlwollen neutral bleiben solle. Dieses Einverständnis ist nach dem erzwungenen Rücktritt Bismarcks von Caprivi nicht erneuert worden. Caprivi lehnte die Fortsetzung der Assekuranz an, während Russland dazu bereit gewesen war.

Sein Sohn Herbert jedenfalls, so wusste die Baronin Spitzemberg, war außer sich. Bill, der andere Sohn, wurde durch diverse Fragen Lehndorffs in peinliche Verlegenheit versetzt. Holstein, der Intrigant vom Dienst im Auswärtigen Amt, meinte, das sei ein Schlag gegen den Dreibund. Kaiser Franz-Joseph sprach vom bösen alten Mann in Friedrichsruh.

Bismarck war zu diesem Zeitpunkt bereits 81 und war nicht mehr auf der Höhe. So meinte er allen Ernstes, das der Vertrag 1884 auf die Dauer von 6 Jahren geschlossen war.

Wilhelm II. rastete wieder einmal vollkommen aus und drohte mit Haft für Bismarck in Spandau. Hohenlohe solle Ermittlungen einleiten lassen. Auch meinte er sich entsprechend gegen den Zaren und Franz-Joseph äußern zu müssen, damit diese anerkennen, weshalb er denn Bismarck 1890 loswerden musste.

Überhaupt gab es in den Jahren nach dem Sturz des Kanzlers so manch hässlicher Pressekrieg zwischen Wilhelm II. und Bismarck.

Im Jahre 1897 erklärte Wilhelm II. vor dem Brandburgischen Provinzial Landtag in seinem Bemühen sein Großvater Wilhelm I. für groß zu erklären, Bismarck, Moltke und Roon zu dessen Handlangern und Pygmäen. Der nächste Skandal war da.
 
Wilhelm II. rastete wieder einmal vollkommen aus
Bismarcks Rücktritt im März 1890 wurde überall in Europa mit Konsternierung aufgenommen.
Seine Autorität und sein Prestige, die Bewunderung die ihn umgab, und die Furcht die er einflößte
waren bespiellos. Darüber hinaus hatte der junge Monarch, der ihn hatte fallen lassen keine eigene Politik und ein finsterer Einfluss auf die Deutsche Außenpolitik wurde vom unberechenbaren (tortuous) Holstein ausgeübt. Dieser hob, in seinem Hass auf Bismarck, dessen Direktiven sämtlich auf.
Zweifel an Wilhelms geistiger Gesundheit verbreiteten sich bald in seinem Umfeld und an anderen Höfen.“

Im Oktober 1892 sagte Bismarck lt. FN2 zu dem Autor H. von Poschinger, dass er den Geisteszustand des Wilhelms gut genug kannte um die beklagenswertesten Schwierigkeiten zu fürchten. Zumal sich ein Militärstaat wie Preußen eines solchen Monarchen nicht so einfach entledigen könne wie etwa Bayern im Falle des Ludwig II. (!)

Albertini Bd.1 S. 73. (Übersetzung durch mich)

Die Zweifel an Wilhelms Zurechnungsfähigkeit werden, so weit ich das überblicke, nie verstummen.
Er wird sich treu bleiben und immer wieder aus Neue Anlass zu diesen geben.
 
Unter dem Datum des 06.Oktober 1918 notiert Albert Hopmann:

"Die Weltgeschichte ist das Weltgericht. Was Deutschland in den letzten drei Jahrzehnten gesündigt hat, muß es büßen. Es war politisch erstarrt durch das blinde Vertrauen, die sklavische Unterordnung unter dem Willen eines in Eitelkeit und Selbstüberschätzung strotzenden Narren. [...]"

Michael Epkenhans, Albert Hopman. Das ereignisreiche Leben eines Wilhelminers, S.1129
 
Hierzu noch eine Anmerkung:
Der russische Außenminister Wladimir Lamsdorf hatte sogar als Reaktion auf die Anglo-Japaniche Allianz 1902 einen erneuten Versuch gestartet, eine Zusammenkunft mit dem deutschen Reich zu realisieren. Dies wurde aber von deutscher Seite abgelehnt.
 
Wenn ich das richtig erinnere, wollte der Zar aber "nur" eine Erklärung zu Dritt, also mit Frankreich, abgeben. Die Initiative lief in Berlin jedenfalls ins Leere; man wollte sich nicht gegen Japan in Stellung bringen lassen.
 
Ich finden keinen passenden Thread, deshalb bringe ich die Information hier unter

Bernhard von Bülow hatte schon 1883, er war seinerzeit an der Botschaft in Paris tätig, sich ernsthaft über ein Bündnis zwischen Russland und Frankreich Gedanken gemacht. Er beobachtete in Petersburg "entschiedene innere Wandlungen", die Wendung gegen Deutschland, die steigende Macht des Panslawismus und vor allem des Hasses gegen Österreich. Dieser wurde zum Nationalhass und zur offenen Feindseligkeit auch gegen das Reich. Bülow trat für einen Präventivkrieg ein. Bismarck bezeichnete Bülows Gedanken als exzentrische Konjekturen. Aber Bülow hielt an seinen Überlegungen fest. Er war der Meinung, Krieg mit Deutschland gelte in Russland als unvermeindlich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wo wir wieder bei George F. Kennan wären. Automatismen wären folglich stärker.
Was kann man daraus ziehen? Die Faschoda-Krise wird ja bei einigen nationalistischen Franzosen als Unterwerfungsakt gegenüber Großbritannien verstanden. Sprich, man hätte selber zum "Festlanddegen" werden müssen, was v. Holstein ja als "Kastanien-Theorie" abgetan hat.
 
Der französische Außenminister Delcassé hatte jedenfalls für Frankreich die richtige Konsequenzen aus dieser Krise gezogen. Er blieb mit Salisbury und Lansdowne im Gespräch und das mündete dann in einen weltweiten kolonialen Ausgleich. Es ging dort ja nicht nur um Marokko und Ägypten. Jedenfalls wurden die Reibungsflächen zwischen beiden Staaten beseitigt. Auch für England ein großer Erfolg; hatte man sich doch schon 1902 mit Japan in Fernost arrangiert.
 
Im Februar 1890 hatte der Zar Alexander III. ein sehr treffende Bemerkung zum Rückversicherungsvertrag gemacht:

"Ich denke in der Tat, dass für Bismarck unsere Entente gewissermaßen eine Garantie dafür ist, dass kein schriftliches Abkommen zwischen und Frankreich besteht, und das ist sehr wichtig für Deutschland."

Gorianov, The End of the Alliance of the Emperors
 
Die neue, wenig kompetente, Reichsleitung hatte also im März 1890 den Rückversicherungsvertrag nicht verlängert gehabt. Die Gründe hierfür waren, man könne nicht mit 5 Bällen arbeiten, sondern maximal mit 2 Bällen, der Rückversicherungsvertrag würde den Verträgen mit anderen Mächten entgegenstehen usw.. Das ist nicht unbedingt so.

Aber es gab am 14.Mai 1890 einen erneuten, einen 2. Versuch des Außenministers des Zarenreichs Giers den Rückversicherungsvertrag zu verlängern. Giers kam gegenüber den deutschen Botschafter Schweinitz auf die Ablehnung zu sprechen und verwies hierbei auf das Gespräch zwischen Wilhelm II. und dem russischen Botschafter Schuwalow. Wilhelm II. hatte ja zunächst seine Zusicherung zur Verlängerung gegeben gehabt und außerdem explizit darauf hingewiesen, das die Russlandpolitik nicht die des Kanzlers, sondern die seines Großvaters und nunmehr die seinige sei!

Giers eröffnete Schweinitz, das das Zusatzprotokoll und der Bulgarien betreffende Artikel II weitestgehend entfallen könne. Auch würde es nicht unbedingt eines Vertrages bedürfen; ein Notenwechsel zwischen den Monarchen würde ausreichend sein.

Schweinitz war überzeugt und trat nun, im Gegensatz zu seinem Votum im März 1890, bei Caprivi für eine Verlängerung ein. Schweinitz berichtete über die bedeutenden Eröffnungen des russischen Ministers lediglich Caprivi, nicht Wilhelm II.

Caprivi holte sich Holstein, der darüber in einem Schreiben an Hatzfeld berichtet: „Die Russen drängen auf Verlängerung des Geheimvertrages, wenn auch nur noch mit der Meerengenklausel und unter Weglassung alles was Bulgarien betrifft. […] Schweinitz riet pathetisch, die dargebotene Hand des Zaren wegen solcher Kleinigkeiten nicht zurückzuweisen. Caprivi aber war wütend. Er ließ mich auch rufen, gab mir die Sachen und meinte:“ Wenn nicht die russische Reise wäre, würde ich an Schweinitz einen Erlaß schicken, aus dem ihm klar werden sollte, daß auf sein weiteres Verbleiben im Dienst kein Wert gelegt wird.“ (1)

Gemeint war die Reise Kaiser Wilhelm II. nach Russland, die für August 1890 geplant. Caprivis Reaktion auf Schweinitz seinem Bericht über die Unterredung mit dem russischen Außenminister spricht Bände.

Um die Ablehnung Wilhelm II. sicherzustellen, wurde Eulenburg instrumentalisiert. Holstein schickte ihm gleich drei entsprechenden Brief, da Wilhelm sich gerade bei dem Grafen Dohna in Ostpreußen aufhielt.

Holstein, Raschau und Kiderlen-Wächter haben dann in einer konzertierten Aktion entsprechende Promemoria ausgearbeitet und natürlich alles auf Ablehnung der dargebotenen Hand des Zaren abgestellt.

Der Kaiser hatte dann auch die Ablehnung bewilligt. (2) Begründung: Man könne so eine Abmachung mit Rücksicht auf Deutschlands Verbündete nicht eingehen.

Die Herren im deutschen Auswärtigen Amt haben den Wert einer Abmachung mit Russland anscheinend ganz offensichtlich nicht begriffen gehabt.

(1) Ebel, Hatzfeld nachgelassene Papiere, Band 2, S.777

(2) Ebel, Hatzfeld nachgelassene Papiere, Band 2, S.777
 
Man fragt sich nur im Nachhinein, was war der Grund für diese Vorgehensweise? Die gesamte Aktion ist doch völlig unverständlich-
 
Zurück
Oben