Warum kam es nicht zu einer Entkoppelung des Deutschlandvertrages?

Griffel

Mitglied
Ich höre mir seit einiger Zeit, alte und wichtige Debatten des Bundestages an! Dabei interessieren mich vor allem, die Themen Grundgesetz, Schuman-Plan, Pleven-Plan.

Dabei ist mir etwas aufgefallen, dass sehr interessant ist! Neben allgemeinen Unterschieden war ja der SPD und auch der anderen Oppositionsparteien, war ja das die Aufhebung des Besatzungsstatuts, an die Wiederbewaffnung gekoppelt war! Ein sehr wichtiges Problem, welches die SPD aufwarf - zu Recht, war ja, dass es eine Wehrverfassung bedurfte. Das bedeutete, eine grundlegende Änderung des GG!:cool:

Insofern war die Forderung, den Deutschlandvertrag oder Überleitungsvertrag, von der Wiederbewaffnung zu entkoppeln, logisch. Nun frage ich mich, warum hat man das nicht ernsthaft erwogen?

So wäre die logische Reihenfolge. Ohne eine Wehrverfassung oder Wehrgesetzgebung kann man keine Armee aufstellen. Und so eine Wehrverfassung kann und soll man nicht aus dem Ärmel schütteln.
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutschlandvertrag
Gegen eine solche Änderung hätten die Alliierten sicherlich nichts gehabt. Immerhin, hätte es ja eine staatsrechtliche Grundlage dafür gebraucht. Es wäre schön wenn, jemand hier Genaueres beitragen könnte.
 
Insofern war die Forderung, den Deutschlandvertrag oder Überleitungsvertrag, von der Wiederbewaffnung zu entkoppeln, logisch. Nun frage ich mich, warum hat man das nicht ernsthaft erwogen?
Wieso war das logisch? Übersiehst du vielleicht die europäische und internationale Lage, selbst in der Einleitung bei Tante Wiki wird der Zusammenhang dargestellt.
 
Selbst wenn, man davon ausgeht, dass Europa oder besser gesagt Westeuropa, von der SU bedroht war und das war definitiv der Fall, kann man eine Armee nicht ohne gesetzliche Grundlage schaffen. Und die gab es damals im Grundgesetz noch nicht! Auch in den Verträgen, war davon noch nichts zu lesen.

Selbst wenn, das deutsche Kontingent als solches nicht "Deutsch" hätte sein sollen, sondern europäisch, war die Mitwirkung des Bundestages erforderlich. Nicht nur wegen der Finanzierung. Es ist doch ganz selbstverständlich, dass die Mitglieder des Bundestages, mitreden wollten. Auch in den anderen Ländern, gab es ja Bedenken gegen die Verträge, nicht nur in Frankreich!

Den Abgeordneten des Bundestages blieben die Pferdefüße dieses Vertrages und des EVG-Vertrages nicht verborgen! Das kommt in den Debatten ganz klar zum Ausdruck. Was ja besonders kritisiert wurde, war ja auch die Verhandlungstaktik. Auch wenn, die Delegation, notwendigerweise nicht nur aus Konrad Adenauer bestehen konnte, so war das schon in weiten Teilen eine Ein-Mann-Außenpolitik. Wären die Verträge so in Kraft gesetzt worden, wäre aus der BRD im besten Fall ein Protektorat oder eine Alliierte Kolonie geworden.:rolleyes: Nicht umsonst, war Adenauer eine Nato-Mitgliedschaft wesentlich lieber!:cool: Die ließ sich damals aber noch nicht durchsetzen. Hauptsächlich wegen der Franzosen. Und somit akzeptierte er die EVG als das kleinere Übel. Das hat man in den Pariserverträgen, dann geändert.

Allerdings hätte es nicht geschadet, wenn, man damals die Ratifizierung unterbrochen hätte. Nicht, um mit der Sowjetunion zu verhandeln! Das wäre sinnlos gewesen. Was dann aus Gesamtdeutschland geworden wäre, konnte man ja in der CSSR und der DDR sehen. Nein! Aber man hätte die Zeit nutzen können. Beispielsweise, hätte man ja die Westalliierten "bitten" können, doch ein paar "Vorschläge" für die Lösung des Notstandsproblems zu erarbeiten.
Eine Notstandsgesetzgebung bzw. -verfassung, gab es damals ebenfalls nicht. Und die Möglichkeit, dass die Alliierten alleine entscheiden, ob und wann ein Notstand vorliegt, wurde ja von der Opposition berechtigterweise kritisiert.
(Die deutschen Notstandsgesetze wurden ja erst gut 10 Jahre nach der Wiederbewaffnung verabschiedet oder besser geschaffen).
Auch in den anderen Ländern war man ja mit den Verträgen alles andere als zufrieden. Neben Frankreich, gab es ja bedenken in Belgien und Italien. Wobei es hier wahrscheinlich unterschiedliche Gründe gab! Die EVG, wurde ja von Frankreich beerdigt, als man dort mit seinen Sonderwünschen, sprich den Zusatzprotokollen, um die Ecke kam! Damit wurde der supranationale Charakter der Organisation gesprengt! Das hätte in der Praxis bedeutet, dass Frankreich, tun kann was es will und alle anderen, speziell Deutschland, handlungsunfähig gewesen wäre.
 
Insofern war die Forderung, den Deutschlandvertrag oder Überleitungsvertrag, von der Wiederbewaffnung zu entkoppeln, logisch. Nun frage ich mich, warum hat man das nicht ernsthaft erwogen?

So ganz verstehe ich Deinen Beitrag auch nach mehrmaligem Lesen nicht. Vor allem die US-Administration erwartete spätestens seit dem Koreakrieg einen substanziellen, eigenen militärischen Beitrag der Adenauer-Administration.
Was Adenauer sowieso wollte und diesen Wunsch vor allem der Washingtoner Regierung mit einem umfassenden, aber auch durchaus dafür notwendigen bzw. sinnvollen Souveränitätsverlangen für die ganz junge BRD koppelte.

Dazu musste entsprechend das Besatzungsstatut von 1949 ganz aufgehoben werden. Was im aktualisierten Deutschlandvertrag von 1955 geschah, da der Vertrag von 1952 an die Gründung der EVG gekoppelt gewesen war, der EVG-Vertrag aber von der franz. Nationalversammlung im August 1954 nicht ratifiziert wird.

Unmittelbar nach Inkrafttreten des Deutschlandvertrages im Mai 1955 tritt die BRD NATO und Kontrollorgan WEU bei, die BW wird im November darauf gegründet, die Wehr-'Verfassung 1956 verabschiedet, damit sie, die Bundeswehr als der vor allem von der US-Regierung geforderte militärische Beitrag der BRD eine gesetzliche, geregelte Grundlage hat.
 
Zwar hatte die SPD-Fraktion die nachfolgende GG-Ergänzung vom 26. März 1954 abgelehnt:

"Artikel 142 a:
Die Bestimmungen dieses Grundgesetzes stehen dem Abschluß und dem Inkraftsetzen der am 26. und 27. Mai 1952 in Bonn und Paris unterzeichneten Verträge (Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten und Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft) mit ihren Zusatz- und Nebenabkommen, insbesondere dem Protokoll vom 26. Juli 1952, nicht entgegen."

Deutlich erkennbar ist in dieser GG-Ergänzung auch die Koppelung des damaligen Deutschlandvertrags mit der Gründung der EVG (+ BRD-Beitritt zur EVG).



Die SPD hatte wiederum mehrheitlich der Änderung des GG im Form der 'Wehrverfassung' in der Abstimmung am 6. März 1956 zugestimmt.

Der stellvertr. SPD-Fraktionsvorsitzende Wilhelm Mellies führt am 6. März 1956 im Bundestag dazu u.a. aus:

Es hat sich nichts daran geändert, daß wir Sozialdemokraten politisch die Pariser Verträge entschieden ablehnen. Unsere Warnungen, daß der Weg einer solchen Vertragspolitik die deutsche Wiedervereinigung in gesicherter Freiheit erschwert und gefährdet, haben sich in der Folgezeit als gerechtfertigt erwiesen. Es wird äußerster Anstrengung und eines neuen Anfangs bedürfen, um in der dringlichsten Frage unserer Politik, der Frage der Wiedervereinigung, Fortschritte zu erzielen.

Bei der heute zu verabschiedenden Gesetzesvorlage geht es nicht um den Grundsatz der Wiederbewaffnung oder um die Vertragspolitik, sondern darum, verfassungskräftig Vorsorge dafür zu treffen, daß die bewaffnete Macht nicht wieder zum Staat im Staate wird, sondern die demokratische und freiheitliche Grundordnung trotz der veränderten Verhältnisse aufrechterhalten und gesichert bleibt. Es ist also falsch, wenn gesagt wird, die Parteien dieses Bundestages hätten sich in der Wehrfrage geeinigt. Davon kann keine Rede sein. Hier und heute geht es nicht um die Wehrfrage, sondern um die innere Freiheit, um die Demokratie sowie um die Bürger- und Menschenrechte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und Kurt Schumacher, der große, zentrale Gegner der Wiederbewaffnungsambitionen, des geplanten EVG usw., war wenige Monate nach der im Mai 1952 unterzeichneten EVG-Vertrag und Deutschland-Vertrag, im August 1952, verstorben.
Im Juni 1953 war der Arbeiteraufstand, die landesweiten Proteste in der DDR blutig von der zwar post-stalinistischen, aber dennoch repressiven Militärmaschinerie der UdSSR beendet worden. Usw. usw. usw.
 
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