Fragen zu Hindenburg

Vielleicht den Reichstag auflösen ohne Neuwahlen. Er hätte von Schleicher als Reichskanzler ohne parlamenarische Kontrolle einsetzen können, eine Art Militärregierung. KPD und NSDAP hätte man verbieten und deren paramilitärische Organisationen von der Reichswehr und Polizei zerschlagen und entwaffnen lassen können.

Hört sich nach Dollfuß Austrofaschismus an. Und erinnert mich an einen Witz:

Ein Verteter der Vaterländischen Front besucht ein kleines Dorf, und fragt den hiesigen Verteter:
"Und, wie schaut's mit der politischen Gesinnung hier aus?"
"Nu, was soll ich sagen, die eine Häfte sind Kommunisten, und die andere Hälfte Nazis."
"Was, und in der Vaterländischen Front ist niemand?!?"
"Doch, doch, in der sind's alle..."
 
Waren Zentrum, DVP und DDP denn weniger fest auf demokratische Boden stehende Parteien?
Wie kommst Du denn auf diese sonderbare Frage?

Denn die regierten doch die meiste Zeit während Hindenburgs erster Reichspräsidentschaft. Meistens stellte das Zentrum den Reichskanzler und führte eine bürgerlich-konservative Reichsregierung. Das galt sogar für Hindenburgs Präsidialkabinette unter Brüning.
Das erste Präsidialkabinett war Hindenburg immer noch viel zu "links".

Also in Hindenburgs erster Reichspräsidentschaft bis Frühjahr 1932 kann ich wirklich nicht erkennen, wie und wann genau seine machtvolle Stellung zur Abschaffung der Demokratie und Republik genutzt hätte.
1926 war ein Ausführungsgesetz zu Artikel 48 geplant, gegen dieses hat Hindenburg sich sofort gewehrt. Er wollte "freie Hand", um alle Hebel ziehen zu können. Und wie man gesehen hat, hat er später auch solche Hebel gezogen, siehe "Preußenschlag" oder "Reichstagsbrandverordnung".

Auf mich wirkt es eher so, als hätte Hindenburg sich in und mit der Republik sehr gut arrangiert und genoss vielleicht auch seinen eigenen Status als "Ersatzkaiser".
Hindenburg hatte einen Amtseid auf die Verfassung geleistet, er konnte natürlich nicht offen eidbrüchig werden.

In Hindenburgs zweiter Amtszeit ab Sommer 1932 herrschte dann eine andere Situation. Massenarbeitslosigkeit und bürgerkriegsähnliche Zustände auf den Strassen prägten das Land und im Reichstag war schon rein rechnerisch keine Regierungsmehrheit ohne Beteiligung von KPD oder NSDAP mehr möglich.
Der Reichstag war 1930 für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt worden. Die Auflösung des Reichstags war 1932 überhaupt nicht zwingend notwendig, sie war ein Zugeständnis an die Nazis. Und natürlich erhoffte sich auch Hindenburg von der vorgezogenen Wahl einen kräftigen Rechtsruck.
 
Also in Hindenburgs erster Reichspräsidentschaft bis Frühjahr 1932 kann ich wirklich nicht erkennen, wie und wann genau seine machtvolle Stellung zur Abschaffung der Demokratie und Republik genutzt hätte.

Dann empfehle ich einen Blick auf die beiden Kabinette Brüning zu und die nicht turnusmäßige Reichstagswahl von 1930 zu werfen.
De facto hat Hindenburg seit dem ersten Kabinett Brüning angefangen mit Hilfe Brünings am Reichstag vorbei mit Notverordnungen und einem de facto Präsidialkabinett zu regieren.
Das war vor Eintritt der politischen Krise der Weimarer Republik und vor dem Hintergrund eines funktionsfähigen Reichstags verfassungsrechtlich im Grunde völlig unhaltbar.

Anno 1930 kassierte der Reichstag Teile der Hindenburg'schen Notverordnungen (was sein verfassungsmäßiges Recht und Nachweis der Handlungsfähigkeit des Parlaments war), was in letzter Instanz Hindenburg veranlasste den Reichstag aufzulösen.

Hindenburg hatte mit der Konstruktion der Notverordnungen angefangen, nicht weil es eine wie auch immer geartete Not gegeben hätte, sondern um den Einfluss des Parlaments auf die politischen Entscheidungen zu beschränken und einen Kanzler von seinen Gnaden außerhalb der demokratischen Spielregeln schalten und walten zu lassen.
Als diese Politik angefangen wurde, hatten die extremistischen Parteien, resultierend aus dem Wahlergebnis von 1928 weniger als 30% der Mandate im Reichstag inne.
Von einer poltischen Blockade und dem Versagen der demokratischen Institutionen konnte hier noch keine Rede sein, der Schritt diente einzig dazu den Einfluss der SPD auf die Regierungsgeschäfte zu beenden und die Funktion des Parlaments als Gesetzgeber auszuhöhlen.

Das ging schon ziemlich klar gegen das demokratische System im Rahmen der Möglichkeiten, die Hindenburg hatte.

Man wird sagen können, dass Hindenburg sich bis 1930 noch einigermaßen an die Spielregeln hielt. Aber spätestens ab 1930 unternahm er mehr Schritte zum Abbau der Demokratie, als zu deren Erhalt.



Welche hypothetischen Möglichkeiten hätte den Hindenburg zu dem Zeitpunkt eigentlich noch gehabt?

Der Hauptkritikpunkt wäre erstmal, dass er sehr aktiv daran mitgewirkt hat diese Situation überhaupt erst herbeizuführen. Und das mit verfassungsrechtlich äußerst fragwürdingen Mitteln.

Welche Möglichkeiten hätte Hindenburg ab 1932 noch gehabt?

- Zunächst mal hätte er einfach genau so weiter machen können, wie er in den vergangenen 2 Jahren aggiert hatte.
Er hätte Kanzler aus den Reihen des Zentrums oder der SPD ernennen können, das wäre als Reichspräsident sein Recht gewesen, die einigermaßen Rückhalt in der Bevölkerung hatten und diese per Notverordnungen regieren lassen können. Das hätte eine politisch breitere Basis und eine bessere Legitimation gehabt, als dass was er schon 1930 veranstaltete.

- Er hätte im Rahmen des Republikschutzgesetzes ein Verbot der extremistischen Parteien und ihrer paramilitärischen Verbände anstreben können, das Jahr 1923 hätte den Präzedenzfall dazu geliefert.

- Er hätte weiterhin von seinem Recht den Reichstag aufzulösen exzessiv Gebrauch machen können und zwar so oft hintereinander, bis den extremen Parteien das Geld für den Wahlkampf schlicht ausgegangen wäre.
Das hätte vor allen Dingen die KPD als die Partei der Arbeitslosen sehr getroffen.

Das wäre nicht besonders demokratisch gewesen, letztendlich aber nur das, was er im kleineren Rahmen ohnehin bereits seits 1928 2 mal getan hatte.


- Er hätte weiterhin Gesetzliche Beschränkungen bei der Finanzierung von Parteien anstreben können, da wäre im Hinblick auf übermäßige Spenden aus der Inddustrie vor allem die DNVP angreifbar gewesen.


Was hätte er im Bezug auf Hitler persönlich tun können?

- Er hätte eine Gesetzgebung anstreben können, nach der wegen staatsgefährdender Straftaten rechtmäßig verurteilte Politiker keine hohen Staatsämter mehr übernehmen dürfen.

- Er hätte auch den Anstoß dazu geben können, den Hitlerputsch von 1923 strafrechtlich erneut zu verhandeln. Das wäre möglicherweise deswegen möglich gewesen, weil Hitlers damalige Aktion, die sich im Kern nicht nur gegen Bayern, sondern gegen das Reich richtete, eigentlich überhaupt nicht vor einem bayrischen Gericht verhandelt werden durfte, sondern vor dem Reichsgericht hätte verhandelt werden müssen.
Insofern also das einzige Urteil dazu von einem Gericht ergangen war, das überhaupt nicht zuständig war, lag da mindestens mal ein Verfahrensfehler vor, der das Urteil eigentlich anfechtbar machen musste.
Wenn man das nicht ohnehin, bedenkt man wie das Urteil völlig abweichend von der damaligen Rechtslage ausgefallen war als glatte Rechtsbeugung hätte angreifen können.


Das sind jetzt nur einige Dinge, die mir da aus der Hüfte geschossen einfallen, die Hindenburg mit seinen Möglichkeiten anno 1932 problemlos hätte tun können, um die extremen Parteien oder Hitler persönlich zu bekämpfen, wenn er das gewollt hätte.
Der Mann hatte andere Handlungsoptionen. Reichlich.
 
Das ging schon ziemlich klar gegen das demokratische System im Rahmen der Möglichkeiten, die Hindenburg hatte.

Naja, die Weimarer Verfassung räumte dem Reichspräsidenten eben diese Kompetenzen ein und diese hat Hindenburg genutzt. Klar waren die Präsidialkabinette im Widerspruch zum Parlamentarismus, aber sie standen auf dem Boden der Verfassung. Und die Präsidialkabinette waren auch nicht mit Extremisten besetzt. Hindenburgs Reichskanzler war vom Zentrum und die Kabinette waren mit Politiker überwiegend vom Zentrum, DVP und DDP besetzt. Wenn man so will, eine bürgerlich-konservative Regierung und keine Regierung, die man mit der Errichtung einer Diktatur in Verbindung bringen würde.

Darum kann man doch die Präsidialkabinette Hindenburgs nicht mal ansatzweise mit der Machtergreifung der NSDAP und der brutalen Beseitigung der Republik binnen weniger Monate vergleichen.

Ich frage mich einfach, was Hindenburg sich gedacht hat in den Jahren 1933/34.

Nachdem Hitler Reichskanzler wurde, zeigte sich sehr schnell, dass die NSDAP sich nicht in eine Regierung der nationalen Kräfte einbinden lassen würde, sondern die alleinige totale Macht an sich reissen würde. Alle anderen Parteien wurden binnen weniger Monate unter Druck der NSDAP aufgelöst. Die Konzentrationslager wurden errichtet um Oppositionelle (nicht nur Kommunisten, sondern auch viele Bürgerliche) zu internieren. Schliesslich die politischen Morde im Zuge des sog. "Röhm-Putsches", wo langjährige Vertraute Hindenburgs wie von Schleicher eiskalt ermordet wurden.

Hindenburg muss doch in dieser Zeit absolut klar gewesen sein, dass Hitler und die Nazis eine totalitäre Diktatur errichteten und dass diese absolut verbrecherischen Charakter hatte. Wie konnte ein alter Preuße und Monarchist wie Hindenburg das gutheissen?

Ihm muss doch auch klar gewesen sein, dass Hitler nur darauf wartete, bis Hindenburg "endlich" stirbt. Dass es dann keine neuen Reichspräsidentenwahlen geben würde, sondern Hitler endgültig die totale Macht im Staat an sich reissen würde, muss ihm doch auch völlig klar gewesen sein.
 
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Hindenburg muss doch in dieser Zeit absolut klar gewesen sein, dass Hitler und die Nazis eine totalitäre Diktatur errichteten und dass diese absolut verbrecherischen Charakter hatte. Wie konnte ein alter Preuße und Monarchist wie Hindenburg das gutheissen?

Ihm muss doch auch klar gewesen sein, dass Hitler nur darauf wartete, bis Hindenburg "endlich" stirbt. Dass es dann keine neuen Reichspräsidentenwahlen geben würde, sondern Hitler endgültig die totale Macht im Staat an sich reissen würde, muss ihm doch auch völlig klar gewesen sein.
Vllt solltest du diese Fragen nicht nur als rhetorische behandeln?
 
Hindenburgs Reichskanzler war vom Zentrum und die Kabinette waren mit Politiker überwiegend vom Zentrum, DVP und DDP besetzt.
Das trifft für die beiden Brüning Kabinette zu. Von Papens Kabinett der Barone bestand überwiegend aus parteilosen Ministern (er selbst hatte das Zentrum verlassen und trat 1938 der NSDAP bei) und drei DNVP Ministern. Bei von Schleichers Präsidialkabinett waren alle Minister parteilos - Justizminister Franz Günter war vorher aus der NSDAP, Ernährungs- und Landwirtschaftsminister Magnus von Braun aus der DNVP ausgetreten.
Auch in der zunehmenden Besetzung von parteilosen Ministern kann man eine Entfremdung der Präsidialregierungen vom Parlament erkennen, was nicht im Sinne der Weimarer Verfassung war.
Naja, die Weimarer Verfassung räumte dem Reichspräsidenten eben diese Kompetenzen ein und diese hat Hindenburg genutzt.
"Notverordnungen" waren für Ausnahmesituationen vorgesehen und nicht für jahrelangen politischen Alltag. Insofern kann man Hindenburg für die Zeit der Präsidialkabinette Machtmissbrauch vorwerfen.
 
Bei von Schleichers Präsidialkabinett waren alle Minister parteilos - Justizminister Franz Günter war vorher aus der NSDAP, Ernährungs- und Landwirtschaftsminister Magnus von Braun aus der DNVP ausgetreten.

Hinzuzufügen ist vielleicht noch, dass mehrere Minister aus den Kabinetten Papens und Schleichers auch unter Hitler noch jahrelang Minister blieben, wie Konstantin von Neurath als Außenminister bis 1938, Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk als Finanzminister bis zum Mai 1945 oder Franz Gürtner als Justizminister bis zu seinem Tod 1941.
 
Naja, die Weimarer Verfassung räumte dem Reichspräsidenten eben diese Kompetenzen ein und diese hat Hindenburg genutzt. Klar waren die Präsidialkabinette im Widerspruch zum Parlamentarismus, aber sie standen auf dem Boden der Verfassung.

So einfach ist das nicht.
Die Präsidialkabinette waren in dem Fall verfassungsgemäß, dass das Parlament handlungsunfähig und die Bildung parlamentarischer Mehrheiten nicht möglich war.
Das mag auf die Zeit ab 1932 zutreffen, mit der Causa Brüning sieht es aber anders aus, da war das Parlament durchaus handlungsfähig.
Die Nummer war verfassungsmäßig nicht gedeckt.

Wenn man so will, eine bürgerlich-konservative Regierung und keine Regierung, die man mit der Errichtung einer Diktatur in Verbindung bringen würde.

Eine Diktatur ist es, wenn, unabhängig vom Hintergrund der Akteure mit diktatorischen Mitteln regiert wird.

Die Praxis des Regierns auf Basis verfassungsmäßig fragwürdiger Notverordnungen und die Auflösung des Reichstags in Reaktion darauf, dass dieser sich das nicht gefallen lassen wollte und per Mehrheitsbeschluss deren Aufhebung erwirkte, könnte man mindestens stellenweise durchaus als diktatorisch oder semi-diktatorisch bezeichnen.

Darum kann man doch die Präsidialkabinette Hindenburgs nicht mal ansatzweise mit der Machtergreifung der NSDAP und der brutalen Beseitigung der Republik binnen weniger Monate vergleichen.

Ähm, doch, kann man.
Einfach aus dem Umstand heraus, dass die Regierung Hitler vor den repressierten Wahlen von 1933 erstmal nichts anderes war, als ein Präsidialkabinett
Hitler hatte mit seiner Koalition aus NSDAP und DNVP bei seiner Ernennung keine Mehrheit im Reichstag, sondern lediglich 41, irgendwas Prozent.
Hitler ist einfach nur das Beispiel, wie nah diese Präsidialkabinette an einem vollständigen Umsturz waren und wie wenig noch getan werden musste um eine lupenreine Diktatur daraus zu machen.

Wie konnte ein alter Preuße und Monarchist wie Hindenburg das gutheissen?
Erklär mir mal, warum es dir so schwerfällt dir das vorzustellen?
 
Hinzuzufügen ist vielleicht noch, dass mehrere Minister aus den Kabinetten Papens und Schleichers auch unter Hitler noch jahrelang Minister blieben, wie Konstantin von Neurath als Außenminister bis 1938, Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk als Finanzminister bis zum Mai 1945 oder Franz Gürtner als Justizminister bis zu seinem Tod 1941.

Neurath gehörte zu den 24 im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem internationalen Militärgerichtshof angeklagten Personen und kam mit 15 Jahren Gefängnis davon.

Krosigk bekam im sogenannten Wilhelmstrassen Prozess 10 Jahre.
 
Erklär mir mal, warum es dir so schwerfällt dir das vorzustellen?

Naja, Hindenburg wurde im Königreich Preußen geboren. Er stammte aus einer preußischen Offiziersfamilie, wurde preußisch erzogen und machte selbst eine Karriere als preußischer Militär. Er war Veteran im deutsch-französischen Krieg. Er war wohl bei der Ausrufung des Kaiserreichs in Versailles dabei und hielt als preußischer Offizier Totenwache für Kasier Wilhelm I. Später wurde er dann zum Helden von Tannenberg, Generalfeldmarschall und Chef der Obersten Heeresleitung. Nach dem 1. Weltkrieg behauptete Hindenburg, die Kaiserliche Armee hätte die Entente auf dem Schlachtfeld besiegt, wenn nicht die Revolution in der Heimat der Armee in den Rücken gefallen wäre ("Dolchstoßlegende").

Aus dieser Vita habe ich irgendwie gedacht, Hindenburg wäre eingefleischter preußischer Monarchist gewesen, der einfach das Kaiserreich zurückwollte, mit einem preußischen König und Kaiser.

Es hätte für mich ins Bild von Hindenburg gepasst, wenn er 1932 das Parlament aufgelöst und eine Art Militärregierung errichtet hätte als Übergang zur Restauration des Kaiserreiches.

Aber ausgerechnet Hitler, den Landstreicher und Gefreiten aus Österreich mit seinen plumpen Hetzreden?
Ausgerechnet die NSDAP mit ihrer schmuddeligen SA-Schlägerbande?
Es war vom Januar 1933 bis zu Hindenburgs Tod klar erkennbar, dass die Nationalsozialisten einen totalitären Unrechtsstaat errichteten, der nichts mit dem alten Preuße, mit dem Kaiserreich eines Bismarck und Kaiser Wilhelm zu tun hatte.

Es ist für mich nicht zu begreifen, wie Hindenburg das geschehen lassen konnte, wie ihm das nicht klar sein konnte, wenn er denn noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war in dem hohen Alter.
 
Aus dieser Vita habe ich irgendwie gedacht, Hindenburg wäre eingefleischter preußischer Monarchist gewesen, der einfach das Kaiserreich zurückwollte, mit einem preußischen König und Kaiser.

Joa, Hindenburg ist aber auch derjenige gewesen, der den Kaiser ins holländische Exil komplementiert und die Abwicklung der Monarchie in Deutschland damit sehr vereinfacht hat.
Und er wusste, was er da tat, als er das tat.
Hindenburg mag Monarchist gewesen sein, aber er war kein relitätsferner Traumtänzer.

Es hätte für mich ins Bild von Hindenburg gepasst, wenn er 1932 das Parlament aufgelöst und eine Art Militärregierung errichtet hätte als Übergang zur Restauration des Kaiserreiches.
Auf welcher Basis?
Die Parteien, mit denen eine Restauration der Monarchie noch zu machen gewesen wäre, in der Hauptsache wohl DVP und DNVP kamen bei den Wahlen im Sommer 1932 auf weniger als 8% der Reichstagsmandate.

Mit einer Resonanz von 8% Zustimmung im Volk und den restlichen 92% irgendwo zwischen indifferent und scharf ablehnend, hat man keine Basis für einen politischen Umsturz.

Für eine Wiederherrstellung der Monarchie hätte er auch bei den Nazis keine Unterstützung gefunden, die wollten keinen Kaiser, sondern selbst an die Macht.

Und mit einer Armee in der Größe von 100.000 Mann ohne schwere Bewaffnung war auch keine Basis für eine wie auch immer geartete Militärjunta vorhanden.
Die Reichswehr war sicherlich ein Faktor im politischen Spiel, aber keiner der sich allein zur Trumpfkarte ausbauen ließ.
Davon einmal abgesehen, v. Hindenburg war über 80 Jahre alt.
Vielleicht hatten bei den hohen Tieren im Reichswehr Truppenamt, die vielleicht 30 Jahre jünger waren und noch eine ähnliche Sozialisation durchlaufen hatten, ähnliche politische Wunschvorstellungen und Sentiments wie er.

Bei den Mannschaftsdienstgraden, die vom Alter her Hindenburgs Enkel hätten sein können, wird man das nicht mehr ohne weitere voraus setzen können.
Wenn wir mal annehmen, dass Mannschaftsdienstgrade in einer in ihrer Größe limitierten Berufsarmee nur so lange laufen wie man altersmäßig entsprechende körperliche Fitnes voraussetzen kann, wird man annehmen dürfen, dass da altersmäßig irgendwo zwischen spätestens 35 und 40 Jahren für die Meisten Schluss war.

D.H. die Mannschaftsdienstgrade in der Reichswehr dürften in ihrer deutlichem Mehrzahl Jahrgang 1900 und jünger gewesen sein.
Die haben in ihrer Sozialisation vielleicht noch etwas Wilhelminismus mitbekommen, in der Hauptsache aber Weltkrieg und die gesellschaftliche Situation danach.
Die kannten vom alten Preußen in ihrer Mehrheit nicht mehr allzu viel.

Es ist für mich nicht zu begreifen, wie Hindenburg das geschehen lassen konnte, wie ihm das nicht klar sein konnte, wenn er denn noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war in dem hohen Alter.

Geschehenlassen ist eine äußert wohlwollende Untertreibung, er hat es massiv gefördert.

- Er hat Hitler und der NS-Bewegung keine Steine in den Weg gelegt obwohl er da einige Möglichkeiten gehabt hätte.
- Er hat Hitler zum Kanzler gemacht obwohl er das nicht musst und obwohl Hitler auf Basis freier Wahlen auch nicht mehr Unterstützung vorweisen konnte, als die Kandidaten von SPD und Zentrum.
Die NSDAP mag zar mittlerweile stärkste Partei gewesen sein, aber für eine Regierungskoalition fand sich nur die heruntergewirtschaftete DNVP letztendlich bereit, mit dem Zentrum kam es zunächst zu keiner Einigung in dieser Sache.
Hitler hatte Ende 1932 wenn die DNVP ihn stützte einen Rückhalt von etwa 41% ein Kandidat der demokratischen Parteien SPD, Zentrum, BVP und DDP wäre, wenn die anderen Parteien die jeweils anderen Parteien ihn stützten auf etwas über 36% gekommen, Kleinparteien außenvor gelassen.

Damit hatte Hitler weder eine regierungsfähige Mehrheit, noch stand er damit in der Gunst des Volkes so viel besser da, als ein potentieller Kanzler aus den Reihen der Demokraten.

- Er veranlasste die Auflösung des Reichstags und Neuwahlen im Frühjahr 1933 als Zugeständnis an Hitler um dessen Position zu stärken, was er nicht hätte tun müssen.

- Er erließ die Reichstagsbrandverordnung die die Nazis nutzten um die Kommunisten und die SPD zu terrorisieren, obwohl eine Verbindung von beiden mit den Reichstagsbrand überhaupt nicht erwiesen war.
Man hatte zwar v. d. Lubbe als präsentierbaren tatverdechtigen und bemühte sich darum Verbindungen zur KPD zu konstruieren, was aber nicht überzeugend gelang und zur SPD ließen sich hier schon überhaupt keine Verbindungen konstruieren.

- Dennoch nahm Hindenburg das Überschreiten der Verordnung und die damit verbundenen Übergriffe hin, obwohl er die Verordnung jederzeit wieder hätte kassieren und Hitler als Kanzler absetzen können.

- Er ließ die Reichstagsitzung, die letztendlich das Ermächtigungsgesetz verabschiedete zu. Eine Sitzung in der die Mandate der KPD mal eben kassiert wurden, obwohl sie diese durch Wahlen rechtmäßig errungen hatte, obwohl man keinem KPD-Abgeordneten irgendwelche Verbrechen nachweisen konnte und auch kein allgemeines Verbot der KPD ergangen war.
Eine Sitzung, die vor dem Hintergrund einer Drohkulissen in Form vor dem Reichstag aufgezogener, bewaffneter SA stattfand.
Hindenburg hätte, wenn er gewollt hätte dieses Ermöächtigungsgesetz mit einem Federstrich verhindern können. er hätte nur Order zur Aufölsung des Reichstags erteilen müssen, bevor dieser darüber abstimmen konnte.
Hätte im Rahmen seiner verfassungsmäßigen Einflussmöglichkeitenn gelegen.

- Nicht zuletzt segnete er das Ermächtigungsgesetz persönlich per Unterschrift ab, was auch insofern von bedeutung war, als dass dadurch Teile seiner präsidialen Einflussmöglichkeiten auf den Kanzler, sprich Hitler übertragen wurden.

Das alles hat Hindenburg getan, obwohl er es nicht hätte tun müssen.
Hindenburg hat Hitlers Diktatur massiv zugearbeitet, das lässt sich nicht abstreiten.
Und das hätte er nicht getan, wenn er mit dem, was Hitler tat oder was er von Hitler an Taten erwartete, irgendwelche grundsätzlichen Probleme gehabt hätte.
 
- Er hat Hitler zum Kanzler gemacht obwohl er das nicht musst und obwohl Hitler auf Basis freier Wahlen auch nicht mehr Unterstützung vorweisen konnte, als die Kandidaten von SPD und Zentrum.
(...)
- Er erließ die Reichstagsbrandverordnung die die Nazis nutzten um die Kommunisten und die SPD zu terrorisieren, obwohl eine Verbindung von beiden mit den Reichstagsbrand überhaupt nicht erwiesen war.
(...)
- Er ließ die Reichstagsitzung, die letztendlich das Ermächtigungsgesetz verabschiedete zu. Eine Sitzung in der die Mandate der KPD mal eben kassiert wurden, obwohl sie diese durch Wahlen rechtmäßig errungen hatte, obwohl man keinem KPD-Abgeordneten irgendwelche Verbrechen nachweisen konnte und auch kein allgemeines Verbot der KPD ergangen war.

Die KPD war nicht nur in Hindenburgs Augen, sondern auch für große Teile der bürgerlichen Parteien der Gottseibeiuns persönlich, der schlimmste vorstellbare Feind, und die SPD stand zumindest für die reaktionäreren Vertreter nur wenig besser da. Und die beiden Arbeiterparteien sahen das, die jeweils andere betrachtend, ja durchaus ähnlich...
 
Potempa, der Blutsonntag von Altona, der "Preußenschlag", die exzessive Gewalt in dem Wahlkampf, das alles hat einen Hindenburg offenbar nicht veranlasst einzugreifen. Dieser Mann war ein Lügner, Betrüger und am Ende ein Unglück für Deutschland.
 
Die KPD war nicht nur in Hindenburgs Augen, sondern auch für große Teile der bürgerlichen Parteien der Gottseibeiuns persönlich

Das mag ja sein, aber das alleine war kein wie auch immer überzeugender Nachweis dafür, dass die KPD hinter dem Reichstagsbrand steckte, was es gerechtfertigt hätte, sie mit staatlichen Mitteln anlässlich dessen zu repressieren.

De facto hatte man mindestens in der causa Reichstagsbrand nichts in der Hand.
Man hatte van der Lubbe, der war zwar Kommunist aber Niederländer und irgendwelche Kontakte zu maßgeblichen Kreisen innerhalb der KPD konnte niemand nachweisen und hat es wahrscheinlich auch nie gegeben.

Und das war dann auch mehr oder minder alles, was man an konkreten Dingen hatte.

Hätten sich tatsächliche Verbindungen zur KPD und etwaigen Aufstandsversuchen nachweisen lassen, wäre das die Handhabe gewesen die KPD selbst ganz einfach zu verbieten und dann wäre das sicherlich auch getan worden.

Aber das passierte ja nicht. Und das passierte deswegen nichts, weil man nichts in der Hand hatte.

Wenn man aber nichts in der Hand hatte, dass ganz konkret dahin deutete, dass der Reichstagsbrand mehr war als die Tat eines möglicherweise verwirrten oder geistig beeinträchtigten Einzeltäters, war die Reichstagsbrandverordnung als Reaktion darauf vollkommen unangemessen und verfassungsmäßig fragwürdig, von der Art und Weise, wie dann Gebrauch davon gemacht und wie sie von den Nazis auch deutlich überschritten wurde, nicht zu reden.
 
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